Der Tod ist mein Nachbar - Colin Dexter - E-Book
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Der Tod ist mein Nachbar E-Book

Colin Dexter

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Beschreibung

Die noblen Höfe des Lonsdale Colleges mit ihren manikürten Rasenflächen scheinen weit weg zu sein von den Unruhen der Außenwelt – wie etwa dem Mord an einer jungen Frau in Nord-Oxford. Doch nicht alles ist so friedlich, wie es scheint. Der Rektor des Colleges geht in Rente, und zwischen zwei Professoren ist ein harter Kampf um dessen Nachfolge entbrannt. Nur zwei Menschen ist die Frage um die Besetzung des Postens noch wichtiger: den Ehefrauen. Morse' Mordermittlungen führen ihn derweil durch die Stripclubs von Soho, doch schon bald deuten die Hinweise zum Lonsdale College. Ist die Nachfolge es wert, dafür zu töten?

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Über dieses Buch

Das noble Lonsdale College ist weit weg von den Unruhen der Außenwelt – wie dem Mord an einer jungen Frau. Doch die Ruhe trügt. Am College ist ein Kampf um die Nachfolge des Rektors entbrannt. Morse’ Ermittlungen führen ihn erst durch die Stripclubs von Soho, doch bald deuten die Hinweise zur Universität. Würde jemand für den Rektorposten töten?

Zur Webseite mit allen Informationen zu diesem Buch.

Colin Dexter (1930-2017) studierte Klassische Altertumswissenschaft. Er ist der Schöpfer der vierzehnteiligen Krimireihe um Inspector Morse. Für sein Lebenswerk wurde er mit dem CWA Diamond Dagger und dem Order of the British Empire für Verdienste um die Literatur ausgezeichnet.

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Dieses Buch gibt es in folgenden Ausgaben: Taschenbuch, E-Book (EPUB) – Ihre Ausgabe, E-Book (Apple-Geräte), E-Book (Kindle)

Mehr Informationen, Pressestimmen und Dokumente finden Sie auch im Anhang.

Colin Dexter

Der Tod ist mein Nachbar

Kriminalroman

Aus dem Englischen von Ute Tanner

Ein Fall für Inspector Morse 12

E-Book-Ausgabe

Unionsverlag

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Impressum

Dieses E-Book enthält als Bonusmaterial im Anhang 1 Dokument

Die englische Originalausgabe erschien 1996 bei Macmillan, London.

Die deutsche Erstausgabe erschien 1997 im Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek.

Für die vorliegende Ausgabe hat Eva Berié die deutsche Übersetzung nach dem Original überarbeitet.

Originaltitel: Death is Now My Neighbour

© by Macmillan, an imprint of Pan Macmillan, a division of Macmillan Publishers International 1996

Übernahme der Übersetzung mit freundlicher Genehmigung des Rowohlt Verlags, Reinbek

© by Unionsverlag, Zürich 2022

Alle Rechte vorbehalten

Umschlag: Ian Shaw (Alamy Stock Foto)

Umschlaggestaltung: Sven Schrape und Peter Löffelholz

ISBN 978-3-293-31035-3

Diese E-Book-Ausgabe ist optimiert für EPUB-Lesegeräte

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Version vom 03.06.2022, 13:43h

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Inhaltsverzeichnis

Cover

Über dieses Buch

Titelseite

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Inhaltsverzeichnis

DER TOD IST MEIN NACHBAR

ProlegomenonTeil Eins1 – In hypothetischen Sätzen, die durch ein »wenn« eingeleitet …2 – Der Master soll nicht über das Alter von …3 – Wie recht4 – Mittwoch, 7. Februar5 – Dann wandten die lächelnden Nutten ihre Aufmerksamkeit unseren …6 – Montag, 19. FebruarTeil Zwei7 – Wir würden uns freuen, wenn Sie uns nicht …8 – Sahn wir ihn, wie er schnell den Berg …9 – Hochwürden James P. Wellman wurde nicht, wie von …10 – Wo liebend Leib an Leib sich schmiegt11 – Mittwoch, 21. Februar12 – Der Vorzug der Kamera liegt nicht in ihrem …13 – Es ist ein wahrer Tempel der Ungemütlichkeit14 – Eine gut gebundene Krawatte ist der erste ernste …15 – Ein Sklave hat nur einen Meister; ehrgeizige Leute …16 – Prosopagnosie (Subst.): Unvermögen einer Person, das Gesicht einer …17 – Sich den Medien zu stellen, ist schlimmer …18 – Donnerstag, 22. Februar19 – Unruhe regt sich in ihr20 – Es ist ein kapitaler Fehler zu theoretisieren …21 – Konservativer: Staatsmann, der in existierende Missstände vernarrt ist …22 – O Bier! O Hogdson, Guinness, Allsopp, Bass …23 – Freitag, 23. Februar24 – Herren, denen das Vorrecht zugesprochen wurde, nach ihrem …25 – Samstag, 24. Februar26 – maria: Nein, ich hab nur einen mäßigen Mittelschulabschluss …27 – Was beim Einbrecher als verderblich gilt, ist beim …28 – Hast du deine sogenannten Fakten in logischer Folge …29 – Sonntag, 25. Februar30 – Diese Welt und die nächste – und danach …31 – Eine Zeit32 – Montag, 26. Februar33 – Eine vor Kurzem durchgeführte Erhebung ergab, dass 80,5 …34 – Wenn der durchschnittliche, gesunde, ausgeglichene Erwachsene morgens um …35 – Vor der Ehe halte die Augen weit offen …36 – Dienstag, 27. FebruarTeil Drei37 – Dienstag, 27. Februar38 – Donnerstag, 29. Februar39 – In gesunden Tagen vergessen wir uns und unser …40 – Sonntag, 3. MärzTeil Vier41 – Wir sehen jetzt durch einen Spiegel in einem …42 – Alibi (Subst.): an anderer Stelle43 – Der gesunde Pferdeverstand ist etwas, das ein Pferd …44 – Da riefen alle Glocken45 – Ich sah mich als Professor46 – In ihrer Verzweiflung aber flehte sie weiter und …47 – Virgil G. Perkins, Autor des internationalen Bestsellers Freude …48 – Euch allen, die ihr vorübergeht, sage ich: »Schaut …49 – Montag, 4. März50 – Montag/Dienstag, 4.–5. März51 – Dienstag, 5. März52 – Es liegt in der Natur der Hypothese …Teil Fünf53 – Mittwoch, 6. März54 – Er sah ihr in die klaren Augen. »Wenn …55 – Einem Außenseiter mag es scheinen, dass der durchschnittliche …56 – Donnerstag, 7. März57 – Freitag, 8. MärzTeil Sechs58 – Der beste Lügner ist jener, der mit möglichst …59 – Alles im Leben ist woanders, und man fährt …60 – Samstag, 9. März61 – Im Haus lässt sich kaum ein erfreulicherer Anblick …62 – Queen Elizabeth I. schlief hier63 – »Warum haben Sie 1893 jene Arbeiter ermordet?«64 – Hypoglykämie (Subst.): Abnorme Verminderung des Blutzuckers, ein Zustand …65 – »Ist das eine Frage?«Teil Sieben66 – Das wars erste un letzte Mal, dass ich …67 – Belbroughton Road ist prächtig in üppigem Wellengewog68 – Von Mum und Dad kriegst du nur ShitSchlussgesangZitatnachweis

Mehr über dieses Buch

Über Colin Dexter

Colin Dexter: »Ich liebe es, von einem Krimi an der Nase herumgeführt zu werden.«

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Für Joan Templeton in Dankbarkeit

Schnell, bringt mir einen Becher Wein, auf dass ich meinen Geist befeuchte und etwas Gescheites sage.

(Aristophanes)

Prolegomenon

Januar 1996

Ein ausgesprochener Segen sind Multiple-Choice-Fragen daher für jene Schüler, die entweder gewohnheitsmäßige Faulenzer sind oder sich ganz bewusst der Unwissenheit verschrieben haben. Diese Schüler brauchen sich, sofern sie eine entsprechend einfache Anleitung bekommen haben, nur in jedem Fall für die gleiche Antwort zu entscheiden – zum Beispiel die Antwort (a) bei einer Auswahl aus (a), (b), (c) und (d) –, um etwa fünfundzwanzig Prozent der jeweils möglichen Punktzahl zu erreichen, was in Anbetracht akademischer Inkompetenz ein überaus befriedigendes Ergebnis ist.

Gegenläufige Strömungen bei Bewertungskriterien:Theorie und Praxis, HMSO, 1983

Wissen Sie eigentlich, wie spät es ist, Lewis?«

»Daran ist meine Frau schuld, aber sonst ist sie mit dem Frühstück immer pünktlich.«

Morse betrachtete grübelnd die einzige noch verbliebene Frage: »Wo knusprig Braungebranntes seinen verdienten Platz findet (13)«.

Lewis nahm gegenüber seinem Chef Platz und vertrieb sich die nicht unbeträchtliche Wartezeit mit dem Durchblättern einer Zeitschrift. »Kommen Sie nicht weiter, Sir?«, fragte er schließlich.

»Selbst wenn es so wäre, bezweifle ich, dass ich von Ihnen viel Hilfe zu erwarten hätte.«

»Man kann nie wissen«, sagte Lewis friedlich. »Vielleicht –«

»Ah!«, stieß Morse triumphierend aus und schrieb toaststaender in die leeren Kästchen. Dann faltete er die Times zusammen und strahlte seinen Sergeant an. »Sie – sind – ein – Genie, Lewis!«

»Ja, Sir, das haben Sie mir schon öfter gesagt.«

»Und ich wette, Sie hatten zum Frühstück ein gekochtes Ei. Mit Toast. Stimmts?«

»Aber –«

»Was lesen Sie denn da?«

Lewis hielt ihm die Titelseite der Zeitschrift hin.

»Lewis, Lewis! Es gibt mit Sicherheit Wichtigeres im Leben als die Thames Valley Police Gazette.«

»Ich dachte ja nur, dass Sie sich vielleicht für einen der Artikel hier interessieren …«

Morse schluckte den Köder. »Nämlich?«

»Sie bringen da einen Test, so was, bei dem man möglichst viele Punkte erreichen muss: wie gebildet und kultiviert SIND SIE WIRKLICH?«

»In Ihrem Fall eine gute Frage, würde ich sagen.«

»Glauben Sie, dass Sie besser als ich abschneiden würden?«

»Da bin ich ziemlich sicher.«

Lewis grinste. »Ziemlich sicher, Sir?«

»Hundertprozentig.«

»Wollen Sie’s mal probieren?« Der Sergeant lächelte amüsiert, als Morse gleichmütig mit den Schultern zuckte.

»Multiple-Choice-Fragen – Sie wissen sicher, wie …«

»Jetzt fangen Sie schon an!«

»Sie brauchen sich nur vorzustellen, dass die Welt in genau einer Woche untergeht. Und dann beantworten Sie die fünf Fragen so ehrlich wie möglich.«

»Was Sie bereits getan haben?«

Lewis nickte.

»Nun, wenn Sie das hinkriegen … Schießen Sie los!«

Lewis las vor:

Frage eins

Wenn Sie nur vier CDs oder Kassetten zur Auswahl hätten, welche der folgenden würden Sie zumindest einmal noch hören wollen?

(a) Ein Beatles-Album

(b) Faurés Requiem

(c) An Evening with Victor Borge

(d) Die Ouvertüren sämtlicher Wagner-Opern

Mit Schwung setzte Morse einen Buchstaben aufs Papier.

Frage zwei

Welches dieser Videos würden Sie sich ansehen?

(a) Casablanca (den Film)

(b) Englands Sieg im World Cup (1966)

(c) Copenhagen Red-Hot Sex (zwei Stunden)

(d) Das Habitat des Eisvogels (Königliche Vogelschutzgesellschaft RSPB)

Zum zweiten Mal notierte Morse schwungvoll einen Buchstaben.

Frage drei

Mit welcher der folgenden Frauen würden Sie gern einige – wenn nicht alle – der Ihnen verbleibenden Stunden verbringen?

(a) Lady Thatcher

(b) Kim Basinger

(c) Mutter Teresa

(d) Prinzessin Diana

Ein dritter rasch hingeworfener Buchstabe.

Frage vier

Wofür würden Sie sich entscheiden, um Ihre letzten Tage möglichst angenehm zu verbringen?

(a) Zwei Dutzend Flaschen erlesenen Champagner

(b) Fünfhundert Zigaretten

(c) Eine große Packung Tranquilizer

(d) Ein Fass Ale

Der vierte Buchstabe folgte ebenso rasch, und der Kandidat lehnte sich – offenbar von seinem Erfolg bereits überzeugt – in dem schwarzen Ledersessel zurück.

Frage fünf

Welche Lektüre würden Sie für diese Zeit wählen?

(a) Don Quijote von Cervantes

(b) Die Göttliche Komödie von Dante

(c) Einen Jahrgang von Private Eye (1995)

(d) Die Ilias von Homer

Diesmal zögerte Morse kurz, ehe er etwas notierte. »Sie haben den Test auch gemacht, sagen Sie?«

Lewis nickte. »Victor Borge; Fußball; Prinzessin Diana; Champagner; Private Eye. Jetzt kann ich nur hoffen, dass Lady Di gern Schampus trinkt.«

»Sicher nicht die schlechteste Art, seine letzte Woche auf Erden zu verbringen«, meinte Morse zustimmend.

»Bei der Bewertung hab ich allerdings nicht besonders gut abgeschnitten, offenbar gehöre ich nicht zu dem Kreis der wirklich Gebildeten und Kultivierten.«

»Hatten Sie etwa damit gerechnet?«

»Würden Sie sich denn dazuzählen?«

»Selbstverständlich.«

»Dann lassen Sie mal hören.«

»Meine Präferenzen, Lewis …« (Morse formulierte seine Worte mit Bedacht) »… lauten wie folgt: (b); (c); (b); (c); keins davon.«

Lewis schlug die letzte Seite auf und rief sich die richtigen Antworten noch einmal in Erinnerung. »Ich glaub es einfach nicht«, flüsterte er zu sich selbst. Dann sah er Morse an: »Sie haben die höchste Punktzahl erreicht.«

»Wundert Sie das?«

Lewis schüttelte leicht verwirrt den Kopf. »Sie haben sich für das Requiem entschieden.«

»Ja, und?«

»Dabei glauben Sie doch gar nicht an diesen ganzen religiösen Kram.«

»Und falls es doch stimmen sollte? Eine Art Versicherungspolice. Im Übrigen ein sehr schönes Werk.«

»Hier steht: Vier Punkte für (b). Als Empfehlung mag ausreichen, dass es drei der letzten vier Päpste für ihre Beerdigung gewählt haben.«

Morse zog die Augenbrauen hoch. »War Ihnen das etwa nicht bekannt?«

Geflissentlich die Frage überhörend, fuhr Lewis fort: »Dann haben Sie das Sex-Video angekreuzt.«

»Sonst wäre mir nur der Eisvogel geblieben. Casablanca habe ich schon ein paarmal gesehen, und nichts und niemand wird mich je dazu bringen, ein Fußballspiel ein zweites Mal über mich ergehen zu lassen.«

»Aber ein Sex-Video …«

Morse schien von der Missbilligung seines Sergeants unbeeindruckt. »Wahrscheinlich hätten sich die drei Päpste das auch ausgesucht.«

»Aber das … das wird doch nach einer Weile so langweilig.«

»Mag sein, Lewis, aber ich nehme für mich ja auch nur das Recht in Anspruch, mich genauso langweilen zu dürfen wie andere Leute auch. Es ist schließlich nur eine Woche …«

»Die nächste Antwort finde ich gut, Sir. Kim Basinger ist wunderschön, wirklich wunderschön.«

»Ich habe lange zwischen ihr und Mutter Teresa geschwankt. Aber die Gott-Karte hatte ich schon gesetzt.«

»Bei der nächsten Frage …« (Lewis las rasch noch einmal die Antwort) »… ah, kommen Sie, Sir! Sie haben nicht mal das Bier angekreuzt. Wenn Sie nicht ehrlich sind, hat das Ganze keinen Sinn.«

»Ich vermute, dass meine Alkoholvorräte auch so bis zum Jüngsten Gericht reichen«, entgegnete Morse. »Außerdem will ich mich nicht mit einem gewaltigen Kater im Jenseits wiederfinden. Tranquilizer – das wäre eine neue Erfahrung für mich.«

Lewis sah wieder auf seinen Text. »Zu Frage fünf heißt es hier: Wer einen der genannten Titel gewählt hat, ist ganz offensichtlich nicht für eine hohe Bewertung geeignet und muss hinnehmen, dass man ihm vom Gesamtergebnis vier Punkte abzieht. Besteht die Antwort aus einem unentschlossenen Strich – oder Ähnlichem –, werden keine Punkte vergeben, aber auch keine abgezogen. Eine positivere Negativ-Antwort – z. B. ›Auf gar keinen Fall so etwas‹ – wird mit einem Bonus von vier Punkten belohnt.« Wieder schüttelte Lewis den Kopf. »So ein Blödsinn! Die ›positivere Negativ-Antwort‹, meine ich …«

»Ich finde die Formulierung recht gelungen«, sagte Morse.

»Jedenfalls kriegen Sie alle zwanzig Punkte, wenn man diesem Schlaumeier glauben darf, der sich das ausgedacht hat.« Lewis las den Namen, der unter dem Artikel stand. »Diesem ›Rhadamanthys‹. Wer immer das auch sein mag.«

»Oberrichter der Berufungskammer in der Unterwelt.«

Lewis runzelte die Stirn, dann musste er grinsen. »Sie haben geschummelt. Sie kennen die Gazette schon …«

»Nein!« Morse’ blaue Augen funkelten seinen Sergeant zornig an. »Ich sehe diese Ausgabe jetzt zum ersten Mal.«

»Nun, wenn Sie es sagen …« Lewis klang nicht allzu überzeugt.

»Sie wundern sich doch hoffentlich nicht, dass ich in den erhabenen Reihen der Intelligenzija gelandet bin?«

»Eigentlich eher irgendwo im Kreis der Gebildeten und Kultivierten, wie es hier heißt.«

»Und noch etwas, Lewis: Es gibt drei Dinge, die ich beim besten Willen nicht mehr hören kann: Hark the Herald Angels Sing, Eine kleine Nachtmusik und dieses verfluchte irgendwo.«

»Tut mir leid, Sir.«

Jetzt grinste Morse. »Muss Ihnen nicht leidtun, alter Freund. Und in einem haben Sie sogar recht: Ich habe tatsächlich geschummelt – in gewisser Weise.«

»Soll das etwa heißen, dass Sie …«

Morse nickte.

Jenes zugegebenermaßen vergnügliche kleine Zwischenspiel hätte keine Aufnahme in diese Chronik gefunden, wenn sich nicht das eine oder andere Detail davon im Gedächtnis von Chief Inspector E. Morse, Thames Valley Police, festgesetzt hätte, was sich später als durchaus bedeutsam erweisen sollte.

Teil Eins

1

In hypothetischen Sätzen, die durch ein »wenn« eingeleitet werden und sich auf die »unvollendete« Vergangenheit beziehen, steht das Verb in der Protasis wie in der Apodosis immer im Konjunktiv des Plusquamperfekts.

Donet, Grundlagen der lateinischen Syntax

Es mag ungewöhnlich sein, eine Kriminalgeschichte damit zu beginnen, dass man den geneigten Leser an die Regeln für Konditionalsätze in einer unleugbar toten Sprache erinnert. Im vorliegenden Fall allerdings hat diese Vorgehensweise einiges für sich.

Wenn (wenn) Chief Inspector Morse das Kleid der Sprechstundenhilfe gesehen hätte, das ein Muster aus ungleich großen blauen, grauen und roten Dreiecken bildete, hätte ihn dieser Anblick vielleicht an die Uniform einer Stewardess der British Airways erinnert. Vermutlich aber nicht, da er noch nie mit British Airways geflogen war. Bei seiner einzigen Flugreise in der vergangenen Dekade hatte er so intensiv um sein Leben gefürchtet, dass er beschlossen hatte, sich ein für alle Mal auf die (statistisch) sehr viel gefährlicheren Transportmittel Auto, Bus, Zug und Schiff zu beschränken.

So gut wie sicher ist dagegen, dass der Chief Inspector der Sprechstundenhilfe selbst durchaus Beachtung geschenkt hätte. Sie war das, was der Volksmund in Yorkshire als »flotten Käfer« zu bezeichnen pflegte – eine lebhafte Frau mit dunklen Augen, langen Beinen und einer guten Figur, deren sorgfältig manikürte, unberingte Hände eine eheliche Bindung zumindest nach außen hin nicht erkennen ließen, woraus man vielleicht folgern konnte, dass sie Annäherungsversuchen hin und wieder nicht ganz abgeneigt war.

Links oben an dem farbenfrohen Kleid steckte ein Namensschild: »Dawn Charles«.

Im Gegensatz zu manchen ihrer Bekannten (und sicherlich im Gegensatz zu Morse) war sie mit ihrem Vornamen ganz zufrieden. Zwar hatte sie früher in diesem Punkt manchmal mit dem Schicksal (oder mit ihren Eltern) gehadert, aber inzwischen hatte sie das hinter sich. Freunde hatten sie im vergangenen Monat im Bird and Baby mit einem total liebenswürdigen und ziemlich aufregenden Studenten aus dem Pembroke College bekannt gemacht. Und als sie sich dabei ertappt hatte, dass sie gedankenlos auf ihrem Bierdeckel herumkrakelte, hatte der junge Mann ein denkwürdiges Gespräch mit ihr angefangen.

»Sie heißen Dawn?«

Sie hatte genickt.

»Und sind Linkshänderin?«

Sie hatte genickt.

»Dawn – die Morgenröte … Kennen Sie die Zeile aus Omar Chayyam: ›In Träumen, als der Morgenröte linke Hand am Himmel lag‹ … Schön, nicht?«

Ja. Wunderschön.

Sie hatte die oberste Schicht von dem Bierdeckel abgezogen und ihn gebeten, das Zitat aufzuschreiben.

Dann hatte er sie leise gefragt, ob sie sich wiedersehen könnten. Vielleicht zu Beginn des neuen Trimesters?

Sie wusste natürlich, dass es dumm und albern war, der Altersunterschied zwischen ihnen betrug gut und gern zwanzig Jahre. Zu schade, dass er nicht zehn, zwölf Jahre älter war …

Aber der Mensch ist nun mal dumm und albern und klammert sich an seine dummen, albernen Hoffnungen. Und dieser Tag, der 15. Januar, war der erste Tag des Frühjahrstrimesters an der Universität Oxford.

Von Montag bis Freitag arbeitete sie von achtzehn bis zweiundzwanzig Uhr in einer Klinik in der Banbury Road (nördlich von St. Giles), und die Arbeit machte ihr Freude. Nach drei Jahren gehörte sie fast schon zum Inventar. Die meisten Arzte begrüßten sie mit einem ehrlich gemeinten Lächeln, manche nannten sie inzwischen beim Vornamen.

Nett.

Sie war mal in einem Viersternehotel abgestiegen, in dem die Gäste als Begrüßungstrunk ein Glas Sherry bekommen hatten, und wenn auch die private Harvey Clinic mit so einem löblichen Service (vielleicht aus medizinischen Gründen?) nicht aufwarten mochte, hielt Dawn stets zwei Kannen mit frisch gebrühtem heißem Kaffee für ihre Patienten bereit. Die meisten waren gut betuchte Herren in dunklen Anzügen, von denen einige, wie sie wusste, schwer krank waren.

Ja, sie hatte hin und wieder ein paar Sätze aus Gesprächen zwischen Arzt und Patient aufgeschnappt, die sie nicht hätte hören dürfen oder gleich wieder hätte vergessen müssen und von denen sie Außenstehenden nie etwas erzählt hätte.

Nicht mal der Polizei.

Und ganz gewiss nicht der Presse.

Der 15. Januar war, wie sich später herausstellen sollte, ein Tag, der ihr besonders gut im Gedächtnis haften geblieben war, denn genau ein Vierteljahrhundert zuvor, im Jahre 1971, war die Klinik eröffnet worden. An jenem Abend suchten zwischen sieben und halb neun Radio Oxford, die Lokalpresse sowie Wesley Smith und sein Team von den Central TV Studios draußen in Abingdon die Klinik heim. Besonders erinnerungswürdig für Dawn waren jene Momente, als sich die Kameras auf sie richteten. Zunächst hatte sie (auf Wunsch der Fernsehleute) einem falschen »Patienten« eine Tasse echten Kaffee eingeschenkt, dann hatte der Kameramann, hinter ihrer linken Schulter stehend, gefilmt, wie sie mit einem Filzstift einen Namen auf der Terminliste durchgestrichen hatte – natürlich erst, nachdem sichergestellt worden war, dass kein Zuschauer den Namen würde lesen können, wenn das Feature am folgenden Abend über die Mattscheibe flimmerte.

Dawn Charles aber würde ihn nie vergessen:

J. C. Storrs.

Der Name war relativ neu für sie. Dawn vermutete (völlig zu Recht), dass es sich hier wieder einmal um einen jener Patienten handelte, die sich dank ihrer beruflichen Position und ihrer finanziellen Lage nicht in die Schlange derer einreihen mussten, die auf ihren Termin in einem der Krankenhäuser in Headington warteten.

Und noch etwas würde sie nie vergessen …

Ein Zufall jener Art, wie sie Morse schon häufig zu Hilfe gekommen waren, wollte es, dass gerade in dem Moment, als sich fast genau um halb neun die meisten Medienvertreter zum Aufbruch rüsteten, der Krebsspezialist Robert Turnbull an ihrem Schreibtisch vorbeikam, ihr grüßend zunickte und langsam zum Ausgang ging, wobei seine rechte Hand leicht auf J. C. Storrs’ Schulter lag. Dawn konnte später mit Bestimmtheit nur so viel sagen, dass die beiden geraume Zeit leise miteinander gesprochen hatten. Der Arzt hatte, soweit sie sich erinnern konnte, weder wie ein Richter ausgesehen, der soeben über einen Menschen das Todesurteil gesprochen hat, noch wie einer, der dabei ist, einem Gefangenen die Freiheit zu schenken.

Keine augenfällige Verbissenheit.

Keine augenfällige Freude.

Dass sich Dawn ihrer Sache nicht sicher war, hatte seinen Grund vor allem darin, dass mehrere Personen ihr die Sicht auf diese Szene nahmen. Ein Reporter mit Pferdeschwanz, der eine Krankenschwester interviewte und eifrig mitstenografierte, das Fernsehteam, das Kameras und Stative einpackte, der Oberbürgermeister, der eine kurze Glückwunschadresse in das Mikrofon von Radio Oxford sprach – all diese Leute standen zwischen ihr und der obersten der drei mit einem blauen Läufer belegten Stufen, die zum Ausgang führten. Rechts und links von der Haustür waren untereinander zwei lange Reihen von Messingschildern angebracht, zehn auf jeder Seite. Auf dem vierten von oben links stand:

Robert H. Turnbull

Wenn Dawn Charles sich doch nur ein bisschen mehr gemerkt hätte!

»Wenn« … Dass diese kleine, die »unvollendete« Vergangenheit einleitende Konjunktion in beiden Satzarten den Konjunktiv des Plusquamperfekts erfordert – wie uns Donet in Erinnerung ruft –, war eine Syntaxregel, die Morse bereits früh verinnerlicht hatte. Allerdings hatte er mit seiner Schulbildung auch bedeutend mehr Glück gehabt als die Sprechstundenhilfe der Harvey Clinic.

In den nächsten beiden Wochen hatten die meisten Einwohner von Oxford mehr Glück als Dawn Charles. Der lyrisch angehauchte Student aus dem Pembroke College meldete sich nicht; Dawns Mutter wurde in die Psychiatrie in Littlemore eingewiesen; Dawns Bank machte sie (zweimal) auf die wiederholten Probleme mit ihrer Hypothekenschuld für ihre kleine Wohnung aufmerksam; und zu allem Überfluss hörte sie am Montagmorgen, dem 29. Januar, im Radio, dass ihr Lieblingsarzt Robert H. Turnbull, MB, ChB, FRCS, mit seinem Wagen auf dem Cumnor Hill tödlich verunglückt war.

2

Der Master soll nicht über das Alter von siebenundsechzig hinaus im Amt bleiben. Normalerweise wird daher der jeweils amtierende Master gebeten, in dem diesem Geburtstag vorangehenden Trimester sein bevorstehendes Ausscheiden bekannt zu geben. Sofern sich solche Gelegenheit nicht bietet, wird der Master ersucht, einen Zeitpunkt zu nennen, der in jedem Fall vor dem Ende der ersten Woche des zweiten vollen Trimesters nach der statuatorisch festgesetzten Terminierung (vide supra) liegen muss.

§ 2a der Gründungssatzung des Lonsdale College, Oxford, Übersetzung aus dem Lateinischen

Sir Clixby Bream würde bei seinem Ausscheiden als Master des Lonsdale College fast neunundsechzig Jahre alt sein. Der Ausschuss der Senior Fellows, dem auch zwei angesehene Lateiner angehörten, hatte vor dem Kauderwelsch der Gründungssatzung (vide supra) kapituliert, und da sich keine »Opportunität« (was immer darunter zu verstehen war) geboten hatte, ließ sich Sir Clixby dazu bewegen, zunächst noch kurze Zeit zu bleiben – und dann auch länger.

Was ihm nicht weiter schwerfiel.

Er stand nicht unter dem Druck, in die Nähe von Kindern oder Enkeln zu ziehen, denn seine Ehe mit Lady Muriel war sine prole geblieben. Auch die sonst üblichen quengelnden Bemerkungen seitens der besseren Hälfte, wie entzückend doch ein hübsches Strohdachhäuschen in Dorset oder Devon wäre, waren ihm erspart geblieben, denn Lady Muriel deckte nun schon seit drei Jahren der kühle Rasen.

Einem Oxbridge-College vorzustehen, durfte als Höhepunkt jeder akademischen Laufbahn gelten; und da drei der letzten vier Master binnen eineinhalb Jahren nach ihrer Ernennung in den Adelsstand erhoben worden waren, hatte ihn das mit solch angenehmen Vorzügen ausgestattete Ehrenamt gereizt – und auch auf die verstorbene Lady Muriel hatte es eine (fast noch stärkere) Anziehungskraft ausgeübt.

Der amtierende Master, in früheren Jahren ein angesehener Mathematiker, hatte sich noch nirgends so wohlgefühlt wie in Oxford, wo er nun schon seit zehn Jahren wohnte. Die alte Stadt wuchs ihm immer mehr ans Herz, je länger er sie kannte. Natürlich stimmte ihn der Gedanke an sein bevorstehendes Ausscheiden ein wenig traurig. Das College und die Herausforderungen des Amtes würden ihm fehlen, und beim Anblick des Möbelwagens vor seiner von Wisterien berankten Dienstwohnung, der Master’s Lodge, würde ihm gewiss das Herz schwer werden. Doch gab es auch Aspekte, die geeignet waren, ihn über diesen Schritt hinwegzutrösten. Vor allem konnte er nun in aller Ruhe, einigermaßen distanziert und mit leicht spöttischem Lächeln die internen Streitereien verfolgen, die seine potenziellen Nachfolger zweifellos untereinander ausfechten würden.

Der Findungskommission (deren Legalität seit Langem durch erfreulicherweise leidlich verständliche Statuten der Collegesatzung festgeschrieben war) oblag es, die Bewerber um das Amt des Masters auf drei Bedingungen besonders hinzuweisen. Der Kandidat musste erstens »bei gesundem Verstand und in körperlich guter Verfassung« sein, durfte zweitens »nicht dem geistlichen Stand angehören« und drittens keine Vorstrafen »im Regierungsbereich Seiner (oder Ihrer) Glorreichsten Majestät« haben.

Diese Bedingungen hatte der derzeitige Master schon oft belächelt.

Die Langlebigkeit fast aller im 20. Jahrhundert ernannten Master legte den Gedanken nahe, dass sie sich besten körperlichen Wohlergehens erfreut hatten. Mental allerdings war sein unmittelbarer Vorgänger eher labil gewesen, und nach allem, was man hörte, hatte es bei dessen Vorgänger damit nicht viel besser ausgesehen. Manchmal überlegte Sir Clixby, was das College wohl von ihm sagen würde, wenn er erst weg war … Der Grund für den Ausschluss der Geistlichkeit mochte darin zu suchen sein, dass die Gründer (wie dreihundert Jahre später Edward Gibbon) Päpste und Prälaten als die Quelle allen menschlichen Übels ausgemacht und sich der antiklerikalen Sache verschrieben hatten. Besonders aber belustigte Sir Clixby die Möglichkeit, der Kandidat könne strafbare Handlungen begangen haben. Verurteilungen wegen Mord, Vergewaltigung, Sodomie, Hochverrat oder ähnlicher Missetaten blieben offenbar unberücksichtigt, wenn sich herausstellte, dass sie außerhalb der Zuständigkeit Seiner (oder Ihrer) Glorreichsten Majestät begangen worden waren. Sehr sonderbar.

Am sonderbarsten aber war es, dass in der ursprünglichen Satzung nirgendwo der Nachweis akademischer Bildung erwähnt war. Zumindest theoretisch konnte ein Bewerber mit Mittelschulabschluss und einer Vier in Medienkunde nicht von vornherein abgelehnt werden. Auch war es nicht Bedingung, dass der erfolgreiche Bewerber dem College angehörte, und mehrfach hatte man »Außenseiter« berufen. Er selbst, Sir Clixby, war aus »der anderen Universität« nach Oxford importiert worden, was er vor allem seinem Ruf als einfallsreicher Geldbeschaffer verdankte.

Diesmal aber sah es so aus, als hätten Außenseiter keine Chance. Das College hatte mindestens zwei Bewerber zu bieten, mit denen nach einhelliger Meinung das Amt hervorragend besetzt wäre. Im Versammlungsraum der Senior Fellows tendierte man stark zu dieser »internen« Lösung, und das Wettfieber stieg entsprechend.

Merkwürdigerweise waren die beiden Favoriten noch nicht eines Eintrags im Who’s Who für würdig befunden worden, und man darf daraus wohl mit einiger Berechtigung den Schluss ziehen, dass besagtes Werk sich mehr für die Vettern dritten Grades zweitrangiger Aristokraten interessiert als für angesehene Akademiker. Immerhin aber fanden sich beide in Debretts People of Today 1995.

storrs, Julian Charles, geb. 9. Juli 1935; Ausb. Christ’s Hosp., Services Sch. Dartmouth, Emmanuel Coll. Cambridge (BA, MA); Ehe m. Angela Miriam Martin 31. März 1974; Berufl. Laufb. Captain RA (Indian Army Reserve); Lektor für Sozialanthropologie Pitt Rivers, Senior Fellow Lonsdale Coll. Oxford; Hobbys: Taxifahren, Bridge.

CORNFORD, Denis, geb. 23. April 1942; Ausb. Wyggeston GS Leicester, Magdalen Coll. Oxford (MA, DPhil); Ehe m. Shelly Ann Benson 28. Mai 1994; Berufl. Laufb. Lektor für Mittelalterl. Geschichte u. Fellow Lonsdale Coll. Oxford; Hobbys: Drachenfliegen, Orchideenzucht.

Beide Einträge erscheinen auf den ersten Blick relativ nichtssagend. Vielleicht regen sie aber den aufmerksamen Leser dazu an, die eine oder andere reizvolle Überlegung anzustellen.

War zum Beispiel der Senior Fellow von Lonsdale so gut betucht, dass er es sich leisten konnte, als Transportmittel ausschließlich das Taxi zu wählen? Nahm er nie das Auto, den Bus, die Bahn?

Doch, zu bestimmten Anlässen fuhr er sehr wohl mit der Bahn.

Wie wir noch sehen werden.

Und warum hatte sich der bald vierundfünfzigjährige Dr. Cornford vor so kurzer Zeit von den Vorzügen einer späten Ehe überzeugen lassen? Hatte er eine ehrenwerte Frau entsprechenden Alters gefunden?

Mitnichten.

Wie wir noch sehen werden.

3

Wie recht

Hätte ich daran getan, mich fernzuhalten und

Zu lassen dir die harmlos-schuldig-unschuldige Nacht

Des Partnertauschs in deiner eignen tristen Runde:

Wie sinnlos, noch einmal

Der peinigenden Atemlosigkeit der Jugend Raum zu geben in meinem Sein.

Philip Larkin, The Dance

Denis Cornford war – omnium consensu – ein hervorragender Historiker. Neben einem scharfen, rücksichtslos ehrlichen Verstand besaß er eine besondere Begabung, Fakten zusammenzutragen und zu interpretieren, um die er von allen Historikern an der Universität Oxford beneidet wurde. Am bekanntesten aber hatte ihn eine kleine Monografie über die Schlacht von Hastings gemacht, in der er die These aufgestellt hatte, die folgenschwere Auseinandersetzung zwischen Harold von England und Wilhelm dem Normannen habe ein Jahr früher als allgemein angenommen, nämlich bereits 1065, stattgefunden.

Im Frühjahr 1994 hatte Cornford, ein mittelgroßer, schlanker Mann mit angenehmen Zügen, ein Sabbatsemester in Harvard verbracht. Und dort hatte sich – irgendwo und irgendwie in Cambridge, Massachusetts – etwas ganz Erstaunliches ereignet. Denn ein halbes Jahr später war der eingefleischte Junggeselle zur Verblüffung und Belustigung seiner Kollegen mit einer jungen Dame zurückgekehrt, die bereit gewesen war, sich in Zukunft nicht mehr Shelly Benson, sondern Shelly Cornford zu nennen. Es war dies eine Harvard-Absolventin, die gerade ihren Magister in Amerikanischer Geschichte gemacht hatte und sechsundzwanzig Jahre alt war – genau halb so alt wie ihr neuer Mann (bei ihr war es die zweite Ehe).

Möglich, dass Shelly in einer Miss-Massachusetts-Schönheitskonkurrenz kaum das Semifinale erreicht hätte: Ihr Kinn war etwas zu kantig, die Schultern etwas zu breit, die Beine vielleicht eine Spur zu kräftig. Dessen ungeachtet, zeigte sich, als sie dann im Herbsttrimester 1994 ziemlich regelmäßig zu den Andachten, Gastabenden und anderen gesellschaftlichen Anlässen erschien, dass zahlreiche Lehrkräfte und Studenten am Lonsdale College sich stark zu ihr hingezogen fühlten. Das wellige, schulterlange braune Haar umrahmte ein Gesicht, in dessen weit auseinanderstehenden dunklen Augen man, wenn man wollte, so etwas wie eine leise Verheißung lesen konnte, und die sanfte Stimme mit dem New-England-Akzent hatte zuweilen einen ausgesprochen lockend sinnlichen Klang.

In jenen ersten Trimestern wussten viele Leute über die frühere Shelly Benson vieles zu sagen. Niemand aber konnte infrage stellen, was Denis Cornford an ihr gefunden hatte, denn es war nur das, was jetzt auch alle anderen an ihr fanden, sodass es von Anfang an viele Männer nach Shelly Cornford gelüstete und ihr Mann heimlich beneidet wurde. Doch schienen die beiden miteinander vollkommen glücklich zu sein. Kein Hauch von Untreue auf ihrer, kein Grund zur Eifersucht auf seiner Seite.

Noch nicht.

Damals sah man sie oft Hand in Hand die kurze Strecke von ihrer Wohnung in der Holywell Street zum King’s Arms oder zur Turf Tavern gehen, in deren zum Glück jukebox- und spielautomatenfreien Räumen Shelly sehr schnell den Geschmack von echtem Ale und das Ambiente eines echten englischen Pubs schätzen lernte.

Hin und wieder unternahmen sie auch einen kleinen Ausflug durch Oxford oder in die nähere Umgebung. Kurz vor Weihnachten 1994 waren sie mit dem 2er Bus vom Cornmarket zu einem anderen King’s Arms in der Banbury Road gefahren. Cornford beobachtete, umgeben von ungeniert hochgestimmten jungen Nachtschwärmern, wie seine (ebenso junge) Frau mit halb geschlossenen Augen die Schultern sinnlich zu den dröhnenden Rhythmen der Popmusik kreisen ließ, während die schwarz bestrumpften Schenkel sich hoben und senkten wie in einem mentalen Disco-Dance. In diesem Moment wurde ihm bewusst, dass er – gut und gern zwanzig Jahre älter als alle anderen Gäste – sich hier gewissermaßen in einem fremden Land befand, ausgeschlossen aus dem Zauberkreis der Nacht, und dass er mit der animalischen Lebenslust der Frau, die er geheiratet hatte, nie würde mithalten können.

An jenem Abend hatte Cornford nichts gesagt.

Auch ein Vierteljahr später hatte er nichts gesagt, als er bei der Trimester-Abschlussfeier gesehen hatte, wie Julian Storrs’ linke Hand sich kurz auf den rechten Schenkel seiner Frau legte, die reichlich dem Madeira zusprach, nachdem sie zum Abendessen schon reichlich dem Rotwein und bei dem vorangehenden Empfang ebenso reichlich dem Gin zugesprochen hatte … Ihr Stuhl stand dichter als nötig an dem seines Kollegen zu ihrer Rechten, und lachend rückten die beiden in einem geflüsterten Wortwechsel noch enger zusammen. Cornford versuchte, dem Vorfall keine besondere Bedeutung beizumessen. Dabei wusste er, dass er in diesem Moment eigentlich etwas hätte sagen müssen – eine unbeschwerte Bemerkung, wenn auch mit schwerem Herzen.

Erst gegen Ende des Herbsttrimesters 1995 sagte Cornford etwas zu seiner Frau …

Es war ein Dienstagmittag. Sie hatten in der Turf Tavern gesessen, sie auf einer der Holzbänke, er gegenüber, und beide hatten ein Pint London Pride getrunken. Er verbreitete sich mit wachsender Begeisterung über seine neue Theorie, dass die vorliegenden Statistiken über die Zahl der 1348 vom Schwarzen Tod Dahingerafften sträflich missdeutet worden und die angeblichen demografischen Auswirkungen dieser Seuche entschieden zweifelhaft waren. Obgleich es sich dabei doch fraglos um ein sehr reizvolles Thema handelte, schien Shelly nicht ganz bei der Sache zu sein, sondern ließ ihren Blick über seine linke Schulter hinweg immer wieder in eine Richtung gleiten, die sie offenbar weit mehr interessierte.

Es war ihm demnach nicht gelungen, ihre Aufmerksamkeit zu fesseln. Nun gut. Man kann nicht von allen Leuten – nicht einmal von einer Historikerin wie seiner Frau – verlangen, dass sie auf die Neubewertung abstruser mittelalterlicher Daten automatisch mit Entzücken reagieren.

Er hatte nicht viel darauf gegeben.

Und hatte sein Bier getrunken.

Sie waren schon am Gehen, als ein Mann an ihren Tisch trat. Er mochte Anfang dreißig sein – ein hochgewachsener, dunkler, schlanker Araber mit buschigem Schnurrbart. Er sah Shelly in die Augen und sagte leise:

»Madame! Sie die schönste Dame, die ich sehe!«

Dann wandte er sich mit einem »Bitte Entschuldigung, Sir!« an Cornford, nahm Shellys rechte Hand und drückte feierlich seine vollen Lippen auf ihr Handgelenk.

Auf der kopfsteingepflasterten Gasse, die zur Holywell Street führte, blieb Cornford stehen und packte seine Frau so grob an den Schultern, dass ihr nichts anderes übrig blieb, als ebenfalls stehen zu bleiben und ihm ins Gesicht zu sehen.

»Du – bist – ein – verdammtes – Flittchen! Die ganze Zeit, als wir dort gesessen haben, als ich dir erzählt habe –«

Doch weiter kam er nicht.

In diesem Moment tauchte die hochgewachsene Gestalt von Sir Clixby Bream vor ihnen auf.

»Hal-lo. Ich sehe, Sie sind schon auf dem Heimweg, aber wollen Sie mir nicht doch noch auf einen kleinen Schluck Gesellschaft leisten?«

»Mich müssen Sie entschuldigen, Master«, sagte Cornford und konnte nur hoffen, dass man seiner Stimme nicht anhörte, wie verbittert er war. »Aber wenn …?« Er sah seine Frau an.

»Nein. Heute nicht. Ein andermal. Danke, Master.«

Cornford ging weiter, ohne nach rechts oder links zu sehen. Er befürchtete, dass der Master die peinliche Szene zwischen ihm und Shelly beobachtet hatte. Und dann geschah nach ein paar Schritten fast so etwas wie ein kleines Wunder: Shelly nahm seinen Arm, und er hörte sie mit leiser Stimme sagen: »Es tut mir so leid, Denis. Bitte vergib mir, Liebling.«

Der Master bückte sich ein wenig, um durch die niedrige Tür die Turf Tavern zu betreten, und in diesem Moment hätte ein des Lippenlesens kundiger Beobachter sehen können, wie aus dem lächelnden Mund die genüssliche Bemerkung kam: »Schau mal einer an …!«

4

Mittwoch, 7. Februar

Jünger (weinend): O Herr, ich störe Deine Meditation.

Herr: Deiner Tränen sind viele, der Göttliche Wille ist einzig.

Jünger: Ich suche Weisheit und Wahrheit, doch meine Gedanken weilen ständig bei der Lust und den notwendigen Freuden einer Frau.

Herr: Suche nicht Weisheit und Wahrheit, mein Sohn, suche vielmehr Vergebung. Jetzt geh in Frieden, denn wahrlich, du hast mich gestört – beim Meditieren über die Lust und die notwendigen Freuden einer Frau.

Konfuzius, Gespräche XXIII

Immerhin ist er pünktlich abgefahren.«

»Was kein großes Kunststück ist, der Zug startet ja in Oxford. Aber noch ist nicht aller Tage Abend, unterwegs fällt bestimmt irgendwo ein Signal aus.«

Sie lächelte charmant. »Eigentlich komisch, wo es seit über hundertfünfzig Jahren Signalanlagen bei der Eisenbahn gibt und sie jetzt Computer und all das haben …«

»Um genau zu sein – und das wollen wir doch –, seit über hundertsiebzig Jahren. Die Strecke Stockton-Darlington wurde 1825 eröffnet.«

»Ja, das weiß ich noch aus der Schule. Stephensons Rocket und so weiter.«

»Nein, mein liebes Kind, das war schon ein paar Jahre später. Stephensons erste Lokomotive hieß The Locomotive – eigentlich nicht schwer zu merken.«

»Nein.«

Diese eine Silbe kam sehr leise, und er wusste, dass er es wieder geschafft hatte, dass sie sich ihm unterlegen fühlte.

Sie drehte sich von ihm weg und sah aus dem Zugfenster, wo gerade das große Herrenhaus mit der Sandsteinfassade in Nuneham Park am Horizont vorbeizog. Mehr als einmal hatte er ihr von der Geschichte dieses Hauses erzählt, von Capability Brown und einem Sowieso Adams, aber sie konnte sich diese Sachen nie so genau merken, wie er es offenbar erwartete. Beim letzten Mal war sein Thema die Verstaatlichung der Eisenbahnen nach dem Zweiten Weltkrieg gewesen. Im Jahre 1947. Oder 1948?

Aber im Grunde war das ja auch unwichtig.

Nur eine Jahreszahl würde sie nie vergessen: Das Jahr, in dem die Eisenbahngesellschaft ihren Namen in »British Rail« geändert hatte. Von ihrem Vater wusste sie, dass sie genau in jenem Jahr, genau an jenem Tag zur Welt gekommen war.

1965.

»Getränke? Erfrischungen?«

Ein voll bepackter Wagen ratterte quietschend durch den Gang, und der Mann sah auf die Uhr (10.40 Uhr), ehe er sich an die Frau in dem eleganten Kostüm wandte, die neben ihm saß.

»Möchtest du etwas? Kaffee? Für etwas Stärkeres ist es vielleicht noch ein bisschen früh …«

»Gin Tonic, bitte. Und eine Tüte Kartoffelchips.«

Blöder Sack. Er war mal wieder richtig unausstehlich heute.

Einige Minuten später, nachdem er die Hälfte seiner Dose McEwan’s Export Ale in einen Plastikbecher gegossen hatte, wandte er sich ihr wieder zu, und sie spürte seine trockenen, ein wenig rissigen Lippen auf ihrer rechten Wange. Und dann hörte sie jene wunderschönen Worte, die jemand anderes vor ein oder zwei Monaten leise gesagt hatte: »Es tut mir leid.«

Sie öffnete ihre weiße Lederhandtasche und nahm einen Lippenbalsam heraus. Als sie ihm die Tube reichte, spürte sie seine schlanken, kräftigen Finger auf ihrem Handgelenk, dann tasteten sie sich unter den Ärmel der malvenfarbenen Jaeger-Jacke. Die Finger eines Pianisten. Sehr bald – der Turbo Express hatte gerade Reading verlassen – würde der Pianist wieder mit ihrem Körper spielen dürfen, wie über eine sanfte Melodie von Schubert.

Sie hatte noch nie einen Mann gekannt, der sich selbst so unter Kontrolle hatte.

Oder sie.

Kurz vor Slough hielt der Zug.

Als er sich zehn Minuten später langsam wieder in Bewegung setzte, ließ sich über den Lautsprecher der Zugbegleiter vernehmen:

»Ladies und Gentlemen, wegen einem Ausfall der Signalanlage in Slough wird der Zug mit etwa fünfzehn Minuten Verspätung in Paddington eintreffen. Wir bitten unsere Fahrgäste vielmals um Nachsicht.«

Der Mann und die Frau, die jetzt dichter zusammensaßen, sahen sich an und lächelten.

»Was denkst du?«, fragte sie.

»Das fragst du mich oft, aber manchmal denke ich an gar nichts.«

»Und jetzt?«

»Jetzt habe ich nur gedacht, dass unser Zugbegleiter offenbar nicht weiß, welcher Kasus nach ›wegen‹ steht.«

»Ich bin mir da auch nicht so sicher. Ist das denn wichtig?«

»Natürlich ist das wichtig.«

»Aber das wird uns hoffentlich nicht trennen …?«

»Von dir kann mich nichts trennen«, flüsterte er ihr ins Ohr.

Ein paar Sekunden sahen sie sich liebevoll an. Dann senkte er den Blick, nahm die gespreizte linke Hand von ihrem Schenkel und trank sein Bier aus.

»Bevor wir in Paddington ankommen, Rachel, muss ich dir etwas Wichtiges sagen.«

Sie sah ihn erschrocken an.

Will er die Beziehung lösen?

Will er mich loswerden?

Hat er eine andere gefunden? (Seine Frau ausgenommen, natürlich.)

»Die Fahrkarten, bitte.«

Es schien die Jungfernfahrt des jungen Zugschaffners zu sein, denn er prüfte die ihm hingestreckten Fahrausweise mit außergewöhnlicher Gründlichkeit.

Der Mann nahm die verbilligten Tagesrückfahrkarten aus der Brieftasche.

»Ist das Ihre, Sir?«

»Ja.«

»Sind Sie Rentner?«

»Nein, ich bin kein Rentner.« (Er sprach leise, akzentuiert und mit deutlich arrogantem Unterton.) »Einen Rentenanspruch hat man in diesem Land erst erworben, wenn man fünfundsechzig ist. Eine Senior Railcard hingegen bekommt man – wie Sie bestimmt wissen – bereits nach Vollendung des sechzigsten Lebensjahrs.«

»Dürfte ich Ihre Railcard sehen, Sir?«

Resigniert seufzend holte der Mann sie heraus, und der picklige junge Bahnangestellte ließ es sich nicht nehmen, alle Angaben genau zu prüfen.

Gültig: bis 7. Mai 1996

Ausgegeben für: J. C. Storrs

»Wie zum Teufel sollte ich in Oxford meine Fahrkarte bekommen haben, ohne dies hier vorzuzeigen?«, fragte der Senior Fellow von Lonsdale.

»Er tut doch nur seine Pflicht, der arme Kerl. Und diese fürchterliche Akne …«

»Stimmt. Du hast recht …«

Sie nahm seine Hand und rückte wieder näher an ihn heran. Wenig später zog das Schild paddington an ihnen vorüber, und der Zug fuhr langsam in den langen Bahnsteig ein. In fast bedauerndem Ton machte der Zugbegleiter seine zweite Ansage: »Alles aussteigen, bitte. Alles aussteigen. Der Zug endet hier.«

Sie warteten, bis alle Mitreisenden ausgestiegen waren. Und wie in Oxford hatten sie auch hier Glück: Im Zug war offenbar niemand, den einer von ihnen kannte.

In der Brunel Bar des Bahnhofshotels bestellte Storrs einen großen Brandy (zwei Eiswürfel) für seine junge Begleiterin und ein kleines Smith’s Bitter für sich. Dann ging er auf die Praed Street hinaus und steuerte die kleinen Hotels in und um Sussex Gardens an. In mehreren waren, wie Schilder hinter den Scheiben verkündeten, Zimmer frei. Zwei dieser Herbergen hatte er bei früheren Besuchen »benutzt« (sagte man so?), diesmal aber wollte er eine neue ausprobieren.

»Doppelzimmer?«

»Eins haben wir noch. Nur die eine Nacht?«

»Wie viel?«

»Fünfundsiebzig Pfund für beide – mit Frühstück.«

»Und ohne Frühstück?«

Die Blondine (Wasserstoffperoxid) mittleren Alters, die hinter dem von Zigaretten angesengten Empfangstresen stand, schien sich über seine Absichten durchaus im Klaren zu sein, denn ihr Blick verhärtete sich.

»Fünfundsiebzig Pfund.«

Zwei erfahrene Kämpfer nickten sich zu. »Ja, dann erst einmal schönen Dank. Wenn ich nichts Preiswerteres finde, komme ich noch mal vorbei und sehe mir das Zimmer an.«

Er wandte sich zum Gehen.

»Augenblick … Kein Frühstück, sagen Sie?«

»Nein. Wir nehmen heute Abend den Schlafwagen nach Inverness und brauchen nur eine Bleibe für den Tag.«

Durch den Zigarettenrauch hindurch betrachtete sie ihn aus verengten Augen.

»Fünfundsechzig?«

»Sechzig.«

»Okay.«

Er zählte sechs schöne neue Zehnpfundnoten ab, während sie ihm das Anmeldebuch hinschob und nach dem Schlüssel für Zimmer 10 griff.

Es war eine für beide Seiten zufriedenstellende Lösung.

Ihr Glas war leer, und er trank sein Bier in einem Zug aus, ohne sich zu setzen.

»Noch mal dasselbe?«

»Bitte.« Sie schob ihm den Cognacschwenker mit den halb geschmolzenen Eiswürfeln hin.

Angenehm entspannt sah sie sich in der spärlich gefüllten Bar um und spürte (wieder!) den Blick des Mannes in mittleren Jahren, der sie von der anderen Seite des Raums aus beobachtete. Sie reagierte nicht, sondern sah zu dem Mann mit dem sich lichtenden grauweißen Haar hin, der an der Theke lehnte und auf die Getränke wartete.

Dann saß er wieder neben ihr und stieß mit ihr an. Auch er fühlte sich angenehm entspannt.

»Es ist schon eine Weile her, seit wir hier waren«, meinte er.

»Ein paar Monate?«

»Zehn Wochen, um genau zu sein.«

»Und das wollen wir ja …«

Lächelnd trank sie ihren zweiten großen Brandy und fühlte sich immer besser.

»Appetit?«, fragte er.

»Worauf?«

Er lächelte. »Auf eine Stunde im Bett vielleicht – und dann auf eine Kleinigkeit zu essen.«

»Und einen Schluck Wein?«

»Wenn ich dich damit bestechen kann …«

»Ja, also … wenn du dich zuerst ein bisschen hinlegen möchtest …«

»Das möchte ich eigentlich sehr gern …«

»Aber nur unter einer Bedingung.«

»Die wäre?«

»Dass du mir das sagst, was du mir im Zug sagen wolltest.«

Er nickte ernst. »Ich erzähle es dir beim Wein.«

Es war eine für beide Seiten zufriedenstellende Lösung. Storrs ging voran, um ihr die Schwingtür aufzuhalten, und Rachel James, freiberufliche Physiotherapeutin mit Praxis in Nord-Oxford, spürte wieder den Blick des Mannes auf sich. Fast automatisch lehnte sie den Oberkörper zurück, sodass sich die glatte weiße Seide der Bluse über den Brüsten spannte, und griff mit beiden Händen nach hinten, um das Band fester zu ziehen, mit dem sie die hellbraunen Haare zu einem Pferdeschwanz zusammengefasst hatte.

Einem fünfundzwanzig Zentimeter langen Pferdeschwanz.

5

Dann wandten die lächelnden Nutten ihre Aufmerksamkeit unseren schockierten Reportern zu.

»Nur nicht schüchtern! Ihr habt euer Geld hingeblättert, um euch einen schönen Tag zu machen, und den sollt ihr haben.«

Unsere Leute redeten sich mit Jetlag heraus und verzichteten dankend.

Auszug aus News of the World, 5. Februar 1995

Geoffrey Owens kannte sich in Soho bestens aus.

Mit neunzehn war er nach London gekommen, um dort seine erste Stelle als Reporter anzutreten, und hatte sich nur ein paar Schritte vom Soho Square entfernt einquartiert. In den ersten Monaten war er dort viel spazieren gegangen, immer wieder fasziniert von den seltsam erregenden Straßennamen: Brewer Street, Greek Street, Old Compton Street, Wardour Street – eine Litanei der käuflichen Liebe.