Ihr Fall, Inspector Morse - Colin Dexter - E-Book
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Ihr Fall, Inspector Morse E-Book

Colin Dexter

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Beschreibung

Wie führt Inspector Morse die Kurzgeschichte einer Oxford-Absolventin zu ihrem Mörder? Was erwartet Morse und Lewis in Zimmer 231 des Randolph Hotels? Warum lässt ein Diebstahl an Weihnachten den Inspector mit untypischem Wohlwollen auf die Festtage blicken? Und was passiert, wenn Morse selbst einem brillant ausgeführten Verbrechen zum Opfer fällt? In sechs raffinierten Fällen läuft Inspector Morse noch einmal zur Hochform auf. Fünf weitere kriminalistische Rätsel bergen neue Figuren und Verwicklungen – und sogar den großen Sherlock Holmes.

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Über dieses Buch

Wie führt Inspector Morse die Kurzgeschichte einer Oxford-Absolventin zu ihrem Mörder? Was erwartet Morse und Lewis in Zimmer 231 des Randolph Hotels? Und was passiert, wenn Morse selbst einem brillant ausgeführten Verbrechen zum Opfer fällt? In sechs raffinierten Fällen läuft Inspector Morse noch einmal zur Hochform auf.

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Colin Dexter (1930-2017) studierte Klassische Altertumswissenschaft. Er ist der Schöpfer der vierzehnteiligen Krimireihe um Inspector Morse. Für sein Lebenswerk wurde er mit dem CWA Diamond Dagger und dem Order of the British Empire für Verdienste um die Literatur ausgezeichnet.

Zur Webseite von Colin Dexter.

Dieses Buch gibt es in folgenden Ausgaben: Taschenbuch, E-Book (EPUB) – Ihre Ausgabe, E-Book (Apple-Geräte), E-Book (Kindle)

Mehr Informationen, Pressestimmen und Dokumente finden Sie auch im Anhang.

Colin Dexter

Ihr Fall, Inspector Morse

Kriminalerzählungen

Ein Fall für Inspector Morse 14

E-Book-Ausgabe

Unionsverlag

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Impressum

Dieses E-Book enthält als Bonusmaterial im Anhang 1 Dokument

Die englische Originalausgabe erschien 1993 bei Macmillan, London.

Die deutsche Erstausgabe erschien 1995 im Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek.

Für die vorliegende Ausgabe hat Eva Berié die deutsche Übersetzung nach dem Original überarbeitet.

Die Geschichte So gut wie Gold wurde für diese Ausgabe erstmals aus dem Englischen übersetzt.

Originaltitel: Morse’s Greates Mystery and other Stories

© by Macmillan, an imprint of Pan Macmillan, a division of Macmillan Publishers International 1993

Übernahme der Übersetzung mit freundlicher Genehmigung des Rowohlt Verlags, Reinbek

© by Unionsverlag, Zürich 2022

Alle Rechte vorbehalten

Umschlag: oxfordphotographer (Alamy Stock Foto)

Umschlaggestaltung: Sven Schrape und Peter Löffelholz

ISBN 978-3-293-31037-7

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Produziert mit der Software transpect (le-tex, Leipzig)

Version vom 03.06.2022, 15:06h

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Inhaltsverzeichnis

Cover

Über dieses Buch

Titelseite

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Inhaltsverzeichnis

IHR FALL, INSPECTOR MORSE

So gut wie Gold1 – Bewundernde Freundin: »Du meine Güte, was haben Sie …2 – »Wie sind Sie zu Ihrem Holzbein gekommen?«3 – Auf krummer Straße fährt man nicht geradeaus4 – Abgesehen von dem natürlichen Gesichtsausdruck der Abgefeimtheit …5 – Der Kollege könnte ungewöhnlich strohköpfig sein, ähnlich wie …6 – Wendevorgang: Wer ein Fahrzeug führt, muss sich beim …7 – Der Fernseher ist interessanter als Menschen. Wenn dem …8 – Die schnellste Zeit für das Lösen des Kreuzworträtsels …9 – Es ist aber der Glaube eine feste Zuversicht …10 – Wenn ich irgendetwas bereue, so ist es höchstwahrscheinlich …11 – Jedermann kann in Versuchung geführt werden. Alle Lebenden …12 – Hochaufgelöst ist ein viele Daten aufweisender Zustand …13 – Ich bin eine Kamera mit offenem Verschluss …14 – Beichten sind gut für die Seele, aber schlecht …15 – Wüchsen die Kinder in der Art fort …Das größte RätselDeutsch für AnfängerDer falsche DodoIm Lulu-Bar-MotelNachbarschaftshilfeEine falsche IdentitätEine Insidergeschichte1 – Dido bemüht sich, den schweren Blick zu erheben …2 – Doch immer sind es jene fiktiven Addenda …3 – Sie fliehn vor mir, die manchmal nach mir …4 – Weiß auf einem Thron oder beschützt in einer …Montys RevolverEin armes Schwein1 – Es gab nun ziemlich lange Phasen, in denen …2 – Ich hätt das verfluchte Ding sogar mit meinen …3 – Wenn der Gewahrsamsraum des Bicester-Polizeireviers auch keine Konkurrenz …4 – Morgens um 8.20 Uhr kam der Kleinbus aus …5 – Das Klopapier in den Zellen Bicesters kann wohl …Letzter AnrufÜbersetzerverzeichnisZitatnachweis

Mehr über dieses Buch

Über Colin Dexter

Colin Dexter: »Ich liebe es, von einem Krimi an der Nase herumgeführt zu werden.«

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So gut wie Gold

Durch sie sind uns die kostbaren und allergrößten Verheißungen geschenkt, damit ihr durch sie Anteil bekommt an der göttlichen Natur, wenn ihr der Vergänglichkeit entflieht, die durch Begierde in der Welt ist.

2. Petrus 1,4

1

Bewundernde Freundin: »Du meine Güte, was haben Sie da für ein hübsches Baby!«

Mutter: »Ach, das ist noch gar nichts – Sie sollten mal sein Foto sehen.«

Anonym

Chief Superintendent Strange nahm das Foto seines ersten Enkelsohns (zwei Jahre und drei Monate) wieder an sich und betrachtete den Kleinen erneut liebevoll. »Fantastischer kleiner Kerl. Den kann man bei jedem lassen. Ein Goldstück.« Er goss noch ein wenig von dem Macallan in die Gläser.

Für Strange waren die Geburtstage im Laufe der Jahre immer bedeutsamer geworden – bedauerlich, dass sie immer weniger und weniger wurden. Deshalb genoss er die kleine frühabendliche Feier mit ein paar seiner Dienstkollegen.

Von denen gab es allerdings nur noch zwei.

Und es war nicht schwer vorherzusagen, dass bald nur noch einer übrig sein würde.

Strange, der ein wenig nostalgisch gestimmt war, ließ sich über Kindheitserinnerungen aus.

»Ha! Eines der ersten Dinge, an das ich mich erinnere. Da war eine Frau, die auf mich aufpasste, wenn meine alte Mama irgendwohin musste – und wenn sie zurückkam, fragte sie sie, ob ich in ihrer Abwesenheit auch ein braver Junge gewesen sei, während sie auf mich aufpasste – und sie sagte, sie könne mich jederzeit wieder bei ihr lassen, weil ich so gut wie Gold gewesen sei. Das waren ihre Worte – ›so gut wie Gold‹.«

Kurze Stille trat ein, dann setzte er kurz fort: »Ich langweile Sie doch nicht etwa, Morse?«

Der weiße Schopf auf der anderen Seite des Schreibtischs riss schnell in die Höhe und schüttelte sich eifrig. Sechs – oder waren es sieben? – Mal »sie«. Und noch zwei, drei »ihr« obendrein? Doch trotz der verwirrenden Häufigkeit dieser Personalpronomen (feminin) hatte Morse der Geschichte folgen können und sich leicht darüber amüsiert, sich den (nun) äußerst übergewichtigen Superintendent als pummligen, aber offenbar lammfrommen kleinen Puttenengel vorzustellen, der fröhlich mit seiner Babysitterin plapperte.

Leicht Übelkeit erregend, aber …

»Aber natürlich nicht, Sir«, sagte er.

»Sie kennen natürlich den Ursprung dieses Ausdrucks?«

Ach herrje. Augenblick …

Doch Strange war ihm bereits einen Schritt voraus.

»Das hatte natürlich mit dem Goldstandard zu tun, richtig? Wenn man Gold brauchte – um zum Beispiel etwas zu kaufen –, nun, dann war das irgendwann mal zu schwer, um es die ganze Zeit herumzuschleppen – und außerdem gab es auf der Bank womöglich gar nicht genug davon. Also bekam man stattdessen eine Banknote – ein Stück Papier, das versprach, ›dem Einlieferer dieser Banknote‹ die angegebene Menge Gold auszuzahlen und so weiter – also war dieses Stück Papier so gut wie Gold. Wenn man also dieses Stück Papier zur Bank von England trug oder andernorts, dann konnte man seinen letzten Heller wetten – nun, vielleicht nicht gerade ›Heller‹ – Sie wissen schon, was ich meine –, dass man seinen Goldbarren bekam, wenn man wirklich wollte. Man konnte das größte Vertrauen der Welt in dieses Stück Papier haben.«

Na, vielen Dank, Mr Strange.

Offenkundig hatte das »Stück Papier« die Personalpronomen (feminin) verdrängt. Doch das kümmerte Morse nicht weiter, und er nickte aufmunternd, als die Flasche nun praktisch horizontal über seinem leeren Glas schwebte.

»Ich hoffe doch, Sie fahren nicht selbst nach Hause, Morse?«

»Gewiss nicht, Sir.«

»Noch einen kleinen Schluck, Crawford?«

Strange wandte sich an die einzige andere Person, die noch anwesend war und am Schreibtisch neben Morse saß.

»Nicht für mich, danke, Sir. Ich muss noch zurück ins Büro.«

»Um diese Tageszeit haben Sie noch etwas zu erledigen?«

»Nur eine Kleinigkeit, Sir.«

»Ah – die Sache Muldoon! Ja. Läuft es gut?«

Detective Inspector Crawford schien erheblich weniger zuversichtlich als Stranges hypothetischer Einlieferer der Banknote.

»Wir machen Fortschritte, Sir.«

»Gut! Sehr gute Arbeit, Crawford. Bündelung der Kräfte, Sammeln von Beweisen – darum geht es vor allem, nicht wahr? Ich weiß, es gibt ein paar Schlauberger wie Morse hier, die – na, Sie wissen schon, dieser ganze intuitive Kram … aber richtige Polizeiarbeit ist nun mal ehrliche Schufterei, richtig? Und damit meine ich ehrlich. Wir werden das Vertrauen der Öffentlichkeit Stück für Stück zurückgewinnen, so viel steht fest. Natürlich mussten wir in letzter Zeit ein paar Schläge einstecken. Schwarze Schafe – die gibt es doch in jeder Herde; in jedem Beruf. Aber hier nicht! Nicht auf unserer Weide, hm, Morse?«

»Gewiss nicht, Sir.«

»Über jeden Verdacht erhaben – das ist es, was wir anstreben müssen. Wenn man sich bei den kleinsten Dingen auf Kompromisse einlässt, dann gerät man auf die schiefe Bahn – auf die schiefe Bahn hin zum …«

Strange trank den letzten Schluck Single Malt – offenbar war ihm kurzzeitig der Begriff entfallen, der am Ende dieser schiefen Bahn stand. Zeit, nach Hause zu gehen. Fast.

»Nein, so etwas fangen wir gar nicht erst an.«

»Gewiss nicht«, pflichtete Morse voller Überzeugung bei, und glücklicherweise fiel ihm nicht auf, dass er sich fast so oft wiederholte wie Strange.

»Das ist doch wie bei Cäsars Frau, oder? ›Cäsars Frau muss über jeden Verdacht erhaben sein.‹ Sie erinnern sich, Morse. Sie haben doch die alten Sprachen studiert.«

Morse nickte.

»Wie hieß sie noch gleich?«, fragte Strange.

Ach herrje. Augenblick …

Morse kramte in seinem Gedächtnis – erfolglos. Wie hieß sie denn noch? Sie war irgendeiner außerehelichen Eskapade beschuldigt worden (wenn er sich recht erinnerte), und Cäsar hatte sich auf der Stelle von ihr scheiden lassen; nicht weil er sie zweifelsfrei für schuldig befunden hätte, sondern weil er es sich nicht leisten konnte, eine Frau zu haben, die man auch nur im Verdacht hatte, ein doppeltes Spiel zu treiben. Na ja, das hatte jedenfalls Cäsar gesagt … wahrscheinlich hatte er einfach nur genug von ihr gehabt; hatte selber eine andere … wie hatte sie noch geheißen?

»Pomponia«, warf Crawford ein.

Morse biss sich geistig in den Hintern. Aber natürlich.

»Alles in Ordnung, Morse?« Strange blickte besorgt über seine Lesebrille, wie ein Lehrer, der über seinen Lieblingsschüler enttäuscht war. »Sie haben doch nicht etwa zu viel getrunken?«

»Gewiss nicht, Sir.«

»Wissen Sie«, sagte Strange, lehnte sich raumgreifend zurück und legte die zusammengefalteten Hände auf seinen mächtigen Bauch, »Sie beide sind wirklich gute Männer. Ich weiß, Sie haben vielleicht hier und da das Verfahren ein wenig abgekürzt und ein paar Vorgehensweisen übersprungen. Ha! Aber keiner von uns hat jemals aus den Augen verloren, worum es tatsächlich geht, oder? Die Truppe? Integrität, Fairness … Ehrlichkeit …«, und dann, nach einem tiefen Atemzug, ein beeindruckend fünfsilbiges Finale – »Unbestechlichkeit.«

Der Super hatte sich vollkommen nüchtern angehört, und er hatte mit einer beeindruckenden stillen Würde gesprochen.

Er stand auf.

Seine Kollegen taten es ihm gleich.

Als sie draußen im Flur Stranges Büro hinter sich ließen, wirkte Crawford recht aufgewühlt.

»Kann ich mit Ihnen sprechen, Morse? Es ist sehr dringend.«

2

»Wie sind Sie zu Ihrem Holzbein gekommen?«

Mr Wegg antwortete auf die persönliche Nachfrage schroff: »Durch’n Unfall.«

Charles Dickens, Unser Gemeinsamer Freund

Oxford Prison, das vor ein paar Jahren geschlossen worden war, war vorübergehend wieder in Betrieb genommen worden. Und da ja bekanntlich nichts im Leben so lange hält wie ein Provisorium, waren die Gefängnisbeamten, die auf Zeit dorthin versetzt worden waren, sich recht sicher, auf Dauer in Oxford stationiert zu bleiben.

Am Abend von Stranges Geburtstag hockte ein verzweifelter Mann in einer Zelle im Seitenflügel A. Nach allem, was er bislang erfahren hatte, musste er befürchten, dass sein eigener zeitweiliger Aufenthalt dort schon bald in ein erheblich dauerhafteres Mietverhältnis in irgendeinem Hochsicherheitsgefängnis Ihrer Majestät irgendwo anders im Vereinigten Königreich umgewandelt werden könnte.

Der Mann hieß Kieran Dominic Muldoon.

Die wichtige Frage war eigentlich keine nach Schuld oder Unschuld, da es eine allgemeine Übereinkunft zugunsten von Ersterem gab. Schon mit sechzehn hatte Muldoon mit dem Terrorismus kokettiert; nun, zwanzig Jahre später, war er fest damit verbandelt.

So viel war bekannt.

Das Ganze war nur eine Frage der Beweislast – gab es genügend Beweise, dass die Staatsanwaltschaft Anklage erheben konnte?

Bislang hatte er Glück gehabt, wie Muldoon wusste. Sowohl in Belfast als auch in Birmingham, wo er festgenommen worden war, war es zu schwierig gewesen, belastende Verbindungen zu Personen, Plätzen und Plänen zu erhärten; die Behörden hatten ihn freigelassen.

Sie hatten ihn freilassen müssen.

Doch diesmal hatte er wohl Pech gehabt.

So war jedenfalls sein Eindruck gewesen, als er vor drei Tagen in seinem möblierten Zimmer in der Cowley Road verhaftet worden war und sie ihn auf das Polizeirevier St. Aldate’s in der Stadtmitte gebracht hatten, wo er mit verdächtiger Zuversicht sofort unter Anklage gestellt worden war, und als der Friedensrichter (im Gericht gleich gegenüber) ohne jede Bedenken die Untersuchungshaft anordnete.

All das wiederum hatte sich zugetragen, nachdem die Polizei nur wenige Stunden zuvor Sprengstoff, Zeitschaltuhren und Zünder in der Wohnung in Bannister Close in der Sozialsiedlung Blackbird Leys gefunden hatte.

Himmel! Was für ein Fehler es gewesen war, der Polizei zu erzählen, er sei noch nie in der Nähe der Wohnung gewesen und wisse nicht mal, wo das verdammte Haus überhaupt stehen solle.

Warum hatten sie so gegrinst?

Im Nachhinein betrachtet, war ihm tatsächlich etwas unwohl dabei gewesen, als er eines Spätnachmittags vergangener Woche dort vorbeigegangen war – das einzige Mal überhaupt, dass er dort gewesen war. Weder hatte er das Klicken einer versteckten Kamera gehört noch das verräterische Surren einer Videokamera; er hatte keine Blitzlichter bemerkt, keine verdächtigen Zivilfahrzeuge entdeckt. Nein. Es musste wohl jemand aus den Sozialbauten gegenüber gewesen sein, falls sie tatsächlich so etwas wie fotografische Beweise gegen ihn hatten.

Denn irgendetwas hatte die Polizei in der Hand.

Seelenruhig diesmal. Vor allem dieser Mistkerl Crawford.

So verdammt anmaßend.

Fingerabdrücke waren es sicherlich nicht, oder? Wie immer waren sie drei nahezu zwanghaft pingelig gewesen, was das anging; und das Dutzend Bierdosen hatten sie in einen schwarzen Plastiksack gesteckt und ordnungsgemäß (woran Muldoon keinen Zweifel hatte) in einem der Müllcontainer der örtlichen Recyclingstation entsorgt.

Aber waren sie sorglos gewesen, hatten sie etwas zurückgelassen?

Denn irgendetwas hatte die Polizei in der Hand.

Trotzdem war er ziemlich besonnen geblieben, als sie ihn in die Mangel nahmen: Namen, Anschriften, Eisenbahnfahrten, gestohlene Autos, Überweisungen, Waffen, Sprengstoff … denn abgesehen von den paar üblichen Erklärungen seiner Unwissenheit und Unschuld, hatte er sehr wenig gesagt.

Eher gar nichts.

Doch insgeheim machte er sich Sorgen um die Durchsuchung seines möblierten Zimmers. In der Zwischenzeit hatte die Polizei sicherlich alles gefunden.

Die Filme.

Solange er zurückdenken konnte, hatte Muldoon sich mit dem weiblichen Körper beschäftigt, doch darin unterschied er sich (wie er wusste) nicht von der Mehrheit der Männer und einer nicht unwesentlichen Minderheit der Frauen. In seinem Fall allerdings war diese Beschäftigung von einer außergewöhnlich intensiven Besessenheit; sie nahm im Laufe der Jahre sogar noch zu – häufig konnte er sie befriedigen (oh ja!), doch stets erneuerte sie sich gewissermaßen aus ihrer eigenen Sättigung heraus.

Er war erst dreizehn gewesen, als die Frau mit den harten Augen ihn in die dunkle Wärme des Kinos geführt hatte, wo sein junger Blick sofort auf die fürchterlich pornografischen Großtaten auf der Leinwand fiel, während er sich noch einen Platz suchte, und sein ganzes Bewusstsein in zuckende Freude geriet …

Seit er nach Oxford gekommen war – vor drei Monaten jetzt –, hatte er herausbekommen, dass der Direktor der Bodleian Library Anspruch auf ein Exemplar von jedem Buch hatte, das im Königreich veröffentlicht wurde. Und in seinen eigenen finsteren erotischen Fantasien war Muldoons Vorstellung vom Himmel leicht zu erraten: Er wollte Direktor eines himmlischen Handelsplatzes sein, der eine Kopie von jedem Hardcore-Film erhielt, welcher von einem göttlichen Filmzensor als »nur für fortgeschrittene Zuschauer« deklariert worden war, dazu Kisten voller irischem Whiskey, Bierkästen und Zigarettenstangen, die sich an den Wänden seiner Dachterrassenwohnung in zwei Reihen aufstapelten …

Himmel!

Wie sollte er das nur aushalten, wenn sie ihn für fünf, zehn oder noch mehr Jahre einsperrten?

Lieber Gott, bitte nicht!

Schon zu Beginn war er nicht sonderlich erpicht darauf gewesen, die Welt zu verändern, hatte sich in frühen Jahren nicht allzu große Gedanken darüber gemacht, auch nur die Grenzen eines geteilten Irland zu verschieben. Ganz gewiss hatte er niemals irgendwelche Zivilisten töten wollen … Frauen und Kinder.

Aber genau das hatte er getan. Zwei Mal bislang.

Zumindest seine Bomben.

Er erhob sich von seinem Bett, zündete sich erneut eine Zigarette an und stapfte mithilfe einer Krücke in der kleinen Zelle auf und ab.

Der Unfall war vor sechzehn Jahren gewesen, in Newry – mit einem gestohlenen Wagen mit 96,5 Meilen pro Stunde (nach dem Radarfoto). Ein Glassplitter hatte ihm ein sauberes Stück aus der Spitze des linken Ohrs geschnitten, und die Rettungssanitäter hatten keine andere Möglichkeit gehabt, als sein rechtes Bein im zerfalteten Ford Cortina zurückzulassen.

Sie hatten ihm eine Beinprothese angepasst und ihm beigebracht, wie man damit lief. Doch er hatte die Krücke bevorzugt, zu Hause jedenfalls. Und jetzt hatte er keine andere Wahl, da das künstliche Bein in seinem Zimmer lag, in einem Schrank, zusammen mit den Filmen.

Ja, die dürften sie in der Zwischenzeit gefunden haben.

Zusammen mit ein paar anderen Dingen.

Dem Rechtsanwalt zufolge gingen sie sein Zimmer immer noch mit der Lupe durch; und die Wohnung in Bannister Close ebenfalls.

Himmel!

Wenn sie ihn schuldig sprachen – und dann auch noch für den Besitz von Waffen und Sprengstoff …

Würde er dann reden? Würde er auspacken, falls die Polizei ihm einen Deal anbot?

Natürlich nicht!

Er hatte das Recht, ja, die Pflicht zu schweigen.

Sag nichts!

Sollten die doch reden.

Er würde kein Wort sagen.

Es sei denn, die ganze Sache würde unerträglich …

Muldoon setzte sich wieder auf die Bettkante und wusste, dass seine Entschlossenheit bereits an einer winzigen Ecke zu bröckeln begann.

3

Auf krummer Straße fährt man nicht geradeaus.

Russisches Sprichwort

Zwanzig Minuten später wartete Sergeant Lewis immer noch geduldig im Flur vor dem Büro von Detective Inspector Crawford. Er konnte die Stimmen im Büro hören: die von Morse, Crawford und einem Dritten – zweifellos die von Detective Sergeant Wilkins; doch der allgemeine Kontext der Unterhaltung entging ihm. Erst als sich (endlich!) die Tür ein wenig öffnete, wurden einzelne Wörter erkennbar – Morse sagte gerade:

»Nein!« (fortissimo) »Nein!« (forte) »Und wenn ich Ihnen einen Rat geben darf, sollten Sie auch nichts damit zu tun haben. Es gibt bessere Möglichkeiten, so etwas zu handhaben, glauben Sie mir.« (mezzo piano) »Und klügere noch dazu.«

Morse, der ungewöhnlich verstört wirkte und rote Wangen hatte, schloss die Tür hinter sich; dann entfuhren ihm die Worte »Allmächtiger im Himmel!« (pianissimo), bevor er sich Lewis’ Gegenwart bewusst wurde. »Was zum Teufel machen Sie hier?«

»Der Superintendent hat mich angerufen, Sir. Sie haben ihm gesagt, ich würde Sie nach Hause fahren.«

»Na und?«

»Nun, das war nicht geplant, oder?«

»Und was kümmert das Strange?«

»Er hat nur nachgefragt, das ist alles.«

»Misstrauischer Kerl!«

»Er fand, Sie sollten nicht selbst fahren.«

»Sie können Feierabend machen. Alles ist gut.«

»Nein, Sir. Das ist es nicht.«

Morse wollte schon protestieren, doch entschied er sich plötzlich zur Kapitulation.

»Worum ging es denn im Büro?«, fragte Lewis, als sie die endlosen Flure zum Parkplatz hinuntergingen.

4

Abgesehen von dem natürlichen Gesichtsausdruck der Abgefeimtheit, den wir alle tragen, wirkte der Mann recht ehrlich.

Mark Twain

Hinter ihnen in Crawfords Büro ließ Sergeant Wilkins seiner Erbitterung freien Lauf:

»So ein aufgeblasenes Arschloch!«

»Das ist nicht fair«, sagte Crawford leise.

»Aber er begreift es einfach nicht. Wir fälschen ja eigentlich keine Beweise, richtig? Wir haben die verfluchten Beweise doch gehabt. Sie waren alle da.«

»Waren«, pflichtete Crawford ihm niedergeschlagen bei.

»Wie viel verdammtes Pech kann man denn nur haben?«

Crawford schwieg.

»Wollen Sie – wollen Sie trotzdem damit weitermachen, Sir?«

»Hören Sie. Ich werde Muldoon jetzt nicht vom Haken lassen. Ich werde alles unternehmen, um diesen Killer hinter Gittern zu sehen!«

»Ich auch. Das wissen Sie.«

»Ich wäre nur sehr viel beruhigter gewesen, wenn Morse mitgemacht hätte. Er beunruhigt mich. ›Und klügere noch dazu‹, hat er gesagt …«

»Kommt mir so vor, als würde er sich mehr darum sorgen, sich nicht die Finger schmutzig zu machen, als Gerechtigkeit walten zu sehen.«

»Sorgt sich wohl um seine Pension. Er hört ja bald bei uns auf.«

Plötzlich hatte Sergeant Wilkins einen Gedanken: »Er wird doch nicht … er wird doch nichts ausplaudern, oder?«

»Morse? O nein.«

»Manchen rutscht ja schnell was heraus – vor allem, wenn sie einen Tropfen zu viel getrunken haben.«

»Morse nicht. Er hat noch nie zu viel getrunken – seiner Ansicht nach zumindest nicht.«

»Aber er ist uns keine große Hilfe.«

»Nein. Das enttäuscht mich ein wenig, aber …«

»Aber was, Sir?«

Crawford holte tief Luft. »Es ist nur – na ja, ich fand es durchaus bewegend, was er gerade gesagt hat – Sie wissen schon, was er für wertvoll im Leben erachtet, für wichtig. Der Super hat genau dasselbe gesagt, aber … ach, ich weiß nicht, im Vergleich zu Morse klang das alles nach großen Worten und Quatsch –«

»Und nicht nach kleinen Worten und Blödsinn!«

»Sie verstehen da was falsch. Stimmt schon, er ist ein komischer Kauz. Aber irgendwo tief in Morse steckt eine große Ader an Rechtschaffenheit.«

»Kann schon sein. Vielleicht bin ich da zu ungerecht.«

Crawford stand auf. »Nicht sonderlich ungerecht – gehen Sie nicht zu hart mit sich ins Gericht. Sagen wir, er ist ein Wichtigtuer? Das wäre etwas gerechter als, ähm, als das, was Sie gerade über ihn gesagt haben.«

5

Der Kollege könnte ungewöhnlich strohköpfig sein, ähnlich wie Watson.

Julian Symons, Bloody Murder

Das einzige Problem bei Malt Whisky, so Morse, war, dass man danach immer Durst bekam; also bestand er darauf, wenn Lewis tatsächlich wissen wollte, was sich in Crawfords Büro abgespielt hatte, dann sollte er das bei einem Glas Bier erfahren.

So kam es also, dass die beiden zehn Minuten, nachdem sie vom Polizeipräsidium Kidlington losgefahren waren, im King’s Arms in der Banbury Road saßen, Morse ein von Lewis spendiertes Pint trank und ihm Crawfords unseliges Dilemma ausbreitete …

Aufgrund eines Hinweises hatte die Polizei mehrere Wochen lang eine Wohnung in Bannister Close observiert. Schritt für Schritt hatte sich die Geduld ausgezahlt; dabei war ein Dossier aus interessanten, vielsagenden und möglicherweise belastenden Hinweisen zusammengekommen.

Man ging davon aus, dass die Wohnung, zu unterschiedlichen Zeiten, drei separaten Zwecken diente: Erstens als Treffpunkt für Mitglieder einer terroristischen Zelle (die man im Verdacht hatte, für die beiden jüngsten Bombenanschläge in Oxford verantwortlich zu sein), zweitens als Lager für Sprengstoff und Material zum Bombenbau, drittens als Unterschlupf für irgendwelche Mitglieder der Gruppe, die auf der Flucht waren.

Wenn die Polizei einfach dort hineingestürmt wäre, wo hartgesottene Terroristen äußerst behutsam agierten, hätte das bedeutet, die günstige Gelegenheit zu verpassen, eine ganze Terrorzelle zu zerschlagen und deren Anführer zu verhaften. Doch war die taktvoll agierende Polizei auf ausdrücklichen Befehl des Innenministeriums zurückgepfiffen worden, und zwar aufgrund von brandaktuellen Geheimdienstinformationen, dass für das Frühjahr ein großer Anstieg an terroristischen Aktivitäten in England zu erwarten sei. Schadensbegrenzung – so lautete das Wort, das die Runde machte. Schön und gut, geduldig darauf zu warten, ein paar große Fische zu fangen – sehr lobenswert! –, aber angesichts möglicher ziviler Opfer nicht länger zu rechtfertigen.

Daher die leicht überstürzten Aktionen: Erstens die Durchsuchungsaktion in der menschenleeren, aber mit Sprengstoff, Bombenbaubedarf und Fingerabdrücken übersäten Wohnung, zweitens die Verhaftung von Kieran Dominic Muldoon, dem einzigen der beschatteten Terroristen, für den ein fester Wohnsitz in Oxford bekannt war.

Sicherlich nicht unbedingt eines der besten Ergebnisse, da all die anderen Vögel aus ihren Nestern geflogen waren; was sie wohl sowieso getan hätten, wenn man sie nicht geschlossen hätte in die Enge treiben können … Oder wenn man Kieran Muldoon auf irgendeine Weise überreden – bestechen, beschwatzen, verleiten, ködern, locken – könnte, die Aufenthaltsorte seiner Mitfanatiker preiszugeben … Im Augenblick gab es noch zwei weitere Gebäude, die unter Beobachtung standen: eins in Jericho, ein weiteres draußen an der Botley Road.

Muldoons kleine Bleibe in der Cowley Road zu durchsuchen, war enttäuschend gewesen: Immerhin fanden sich ein Handbuch zum Bombenbau und ein paar Dutzend Adressen, Codenamen, Telefonnummern: halbwegs genug Spuren, alle ordnungsgemäß beschlagnahmt, dokumentiert, zur Spurenuntersuchung geschickt und so weiter – um schließlich in die Asservatenkammer zu wandern.

Und – und – zu alldem fanden sich noch zwei Hinweise auf Verbindungen zwischen Muldoons möbliertem Zimmer und Bannister Close.

Zwei absolute Schönheiten!

Das Erste war eine Dose Beamish Stout mit Muldoons Fingerabdrücken, die unter dem Sofa in der Wohnung in Bannister Close gefunden wurde. Das Zweite war ein Foto von Muldoon, wie er gerade die außen angebrachte Metalltreppe zum ersten Stock hinaufsteigt: ein eindeutiges, unzweifelhaftes Foto – sowohl von der Wohnung als auch von dem Mann – Profil von links, dazu ein ausgezeichneter Blick auf sein nicht zu verwechselndes Ohr, dem oben säuberlich ein Stück fehlte.

Außerdem besaß die Polizei die Tonbandaufnahme von Muldoons Verhör, dazu die unterschriebene Aussage – Letztere mit seiner Erklärung, niemals in der Sozialsiedlung Blackbird Leys gewesen zu sein, geschweige denn in Bannister Close.

Jeder einzelne Schritt war von Anfang an gewissenhaft durchgeführt worden: Man hatte eine umfangreiche Liste der Beweise getippt und nachgeprüft, man hatte sorgsam auf den richtigen »Anschluss« in der Behandlung all dieser Beweise geachtet, und der mit den Beweisen beauftragte Beamte war ein erfahrener Mann, der sich mit den spezifischen Anforderungen seiner Aufgabe auskannte.

»Also alles in Butter, Lewis. Nur …«

»Jetzt sagen Sie bloß nicht, dass sie etwas verloren haben?«

»Nicht ›sie‹, ›er‹.«

»Das Foto?«

»Und die Dose!«

»Verflucht noch mal! Wer war das? Wer ist er?«

»Watson. Detective Constable Watson.«

»Armer Kerl!«

Morse grinste schwach. »Vielleicht hätte er niemals Detective werden sollen – schon gar nicht mit diesem Namen.«

»Und wie hat er die Beweise verloren?«

»Ah! Das ist die gute Nachricht, Lewis. Genau genommen hat er sie überhaupt nicht verloren, sagt er.«

»Und was ist die schlechte Nachricht?«

»Die schlechte Nachricht ist, er kann sie nicht finden. Und auch ein Dutzend weiterer Beamter nicht – die alles zigmal durchkämmt haben.«

Lewis, ein Mann, der nur selten fluchte, überraschte seinen Vorgesetzten ein weiteres Mal: »Verdammte Scheiße!«

»Und Crawford, mein Kollege und ehemaliger Freund Crawford – Sie werden es nicht glauben! – plant, die Dose und das Foto wieder auf die Liste der Beweisstücke zu setzen.«

»Wie um alles in der Welt soll –«

»Da könnte ich zu Hilfe kommen, dachte er.«

»Na ja, das kann man ihm vielleicht nicht zum Vorwurf machen.«

Morse blickte erstaunt auf, und seine blauen Augen durchbohrten mit ihrem Blick die seines Untergebenen. Seine Stimme war nur ein eisiges Zischen: »Was – haben – Sie – gesagt?«

Lewis versuchte, sich zu behaupten: »Ist doch nicht – ich meine, ist doch nicht so, als würde er die Beweise fälschen, oder, Sir?«

Morse ging in die Luft, und ein paar der anderen Gäste drehten sich bei seiner wütenden Erwiderung um. »Was zum Teufel ist es dann – wenn nicht eine Fälschung? Ehrlich, Mann! Verraten Sie mir doch mal um alles in der Welt, was es denn Ihrer Meinung nach sonst ist, verflucht noch mal!«

Lewis war schwer getroffen. Das Blut wich ihm aus den Wangen, und es fiel ihm keine Antwort ein.

»Facilis descensus Averno«, murmelte Morse.

»Wie bitte, Sir?«

»Ach, nichts. Fahren Sie mich nach Hause!« Morse trank sein Bier aus und knallte das Glas auf den Tisch.

Zwischen den beiden herrschte zutiefst peinliches Schweigen, bis der Wagen auf Morse’ Parkplatz vor seiner Wohnung in Oxford hielt. Dann sagte Lewis leise und bedächtig: »Inspector Crawford war sehr freundlich zu mir, als ich in die Zentrale kam – ein paar Jahre, bevor ich Sie kennenlernte. Er ist ein guter Mann. Er würde nichts tun, was grundsätzlich falsch wäre – das weiß ich. Wenn Sie möchten, Sir, können Sie mir einen großen Gefallen tun. Ich möchte, dass Sie zu ihm gehen und ihm mitteilen, dass Sie mir … davon erzählt haben, und ihm sagen, falls ich ihm irgendwie behilflich –«

Doch Morse unterbrach ihn abrupt. »Jetzt hören Sie aber mal! Fangen Sie gar nicht erst damit an, mir Befehle zu erteilen, verstanden?«

»Ich habe nie –«

»Seien Sie still! Und falls Sie sich diesen ganzen Unfug nicht aus dem Kopf schlagen – und zwar auf der Stelle! –, dann werden Sie nicht länger mein Sergeant sein, klar? Sie werden dann auch bei sonst niemandem Sergeant sein – nicht, solange ich bei der Polizei bin! Sie werden sich hübsch beim Arbeitslosengeld anstellen, wie viele andere arme Kerle auch. Haben Sie verstanden?«

Morse stieg aus und warf die Tür mit einem lauten Rumms zu.

6

Wendevorgang: Wer ein Fahrzeug führt, muss sich beim Abbiegen in ein Grundstück, beim Wenden und beim Rückwärtsfahren darüber hinaus so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist; erforderlichenfalls muss man sich einweisen lassen.

(StVO, §9, Abs. 5)

Am folgenden Morgen meldete sich Morse nach langem Zögern, tiefster Abscheu und größter peinlicher Berührtheit in Crawfords Büro und tat, wie sein Sergeant ihm geheißen.

7

Der Fernseher ist interessanter als Menschen. Wenn dem nicht so wäre, hätten wir Menschen in den Ecken unserer Zimmer stehen.

Alan Coren, The Times

Muldoon wurde halbwegs anständig behandelt – besser, als er verdiente oder erwartete – das wusste er. Selbst Crawford war recht vernünftig geblieben: distanziert, ernst – aber nicht rundheraus unangenehm. Er hatte ihm seine Rechte vorgelesen: sein Recht, Besuch zu empfangen (davon wollte er nichts wissen); das Recht, seine eigene Kleidung zu tragen und sich Essen bringen zu lassen – falls er das wünschte und es sich leisten konnte; das Recht, die angebotenen Freizeitaktivitäten zu nutzen, darunter Fernsehen und Snooker …

Aber die strenge Überwachung – diese unterdrückerische, einschränkende Überwachung. Wie sehr er sich wünschte, irgendwo draußen zu sein: draußen auf den Straßen, draußen in einem Wagen, draußen in einem Pub – irgendwo.

Himmel!

Mit blanker Lust stierte er in der Sun das in der Sonne aufgenommene Foto eines Nacktmodells an, als die Tür zu seiner Zelle aufgesperrt wurde und (schon wieder!) Crawford hereinkam.

Es ging (schon wieder!) um diese Häuser – die anderen Häuser, die die Polizei observiert hatte: das Haus in Jericho – Muldoon kannte es nur als den »Unterschlupf«; und das andere (erheblich verdächtigere) Anwesen, eine halb verfallene Doppelhaushälfte in der Botley Road. Warum fing Crawford andauernd mit diesen verfluchten Häusern an?

Warum?

»Sind Sie jemals in einem davon gewesen, Muldoon?«

»Nein.«

»Niemals?«

»Niemals.«

»Und ist einer Ihrer Kumpane jemals dort gewesen?«

»Wo?«

»Nun, sprechen wir zuerst von Jericho, wie wärs?«

»Wo?«

»Jericho.«

»Ich dachte, Jericho wäre in der Nähe von Jerusalem.«

»Und was ist mit der Botley Road?«

»Welche Botley Road?«

»Sie wissen schon, gleich hinter dem Bahnhof.«

»Hinter dem Busbahnhof?«

»Nein. Dem Bahnhof.«

»Bin ich noch nie gewesen. Glaub ich.«

»Also gut. Warum kommen Sie dann nicht einfach mal mit? Nur, um es sich mal anzuschauen, das ist alles.«

»Keine Chance.«

»Könnte Ihren Erinnerungen Beine machen, man kann ja nie wissen.«

»Keine Erinnerungen, denen man Beine machen müsste.«

»Sie haben ja auch gesagt, Sie seien nie in Blackbird Leys gewesen.«

»Und?«

»Wir haben ein Foto von Ihnen dort.«

»Sagen Sie.«

»Warum kommen Sie nicht raus und schauen sich diese anderen Häuser kurz an, mehr verlangen wir ja gar nicht.«

»Hat doch keinen Sinn.«

Crawford erhob sich halb. »Schade. Wir hätten Ihnen auf die eine oder andere Weise das Leben leichter machen können.«

»Was soll das denn heißen?«

»Hören Sie, Muldoon. Wir erwarten ja gar nicht, dass Sie Ihre Kumpane verraten. Ich sage nur: Wenn Sie einwilligen, mitzukommen und ein paar Aussagen zu machen – selbst wenn die nur ein Haufen Blödsinn wären …«

Muldoon schaute nicht nur verblüfft, er war es auch. »Worauf wollen Sie hinaus? Wie zum Teufel sollte Ihnen das von Nutzen sein, wenn –«

Doch Crawford war aufgestanden und unterbrach schroff Muldoons Erklärungen. »Nein! Sie haben recht. Das wird uns nicht sonderlich von Nutzen sein, richtig? Es ist nur, dass …«

»Ja? Was denn?« Muldoon beugte sich vor und war ganz gegen seinen Willen interessiert; Crawford setzte sich langsam wieder auf den harten, unbequemen Stuhl.

»Schauen Sie, Mann! Ich spiele mit offenen Karten. Es wird verflixt schwierig für Sie werden, dieses Mal nicht im Gefängnis zu landen. Ich weiß das, und Sie wissen das. Und soll ich Ihnen noch was verraten? Es ist eine Wahnsinnsaufgabe – selbst für mich –, Sie auch nur für ein, zwei Stunden hier rauszuholen; ja, Ihnen auch nur eine Stadtrundfahrt zu buchen. Wissen Sie, wie viele Unterschriften ich dafür brauche – abgesehen von der des Ministers?«

Himmel!

Muldoon sah zu Boden, während Crawford weitersprach.

»Es gibt nur zwei Möglichkeiten, Ihnen einen Ausflug zu verschaffen. Die eine ist, wenn Sie verlegt werden – ins Gefängnis Bullingdon, zum Beispiel. Aber bis dahin werden noch ein paar Wochen vergehen. Und die andere, wenn Sie einwilligen … aber ich vergeude nur meine Zeit. Schade! Wie gesagt, die Mühe hätte sich für Sie gelohnt – sehr gelohnt …«

Muldoon verzog plötzlich den Mund und bleckte hässliche, nikotinfleckige Zähne. »Kommen Sie schon! Spucken Sie es aus, Crawford. Was springt für mich dabei raus?«

»Nicht viel. Wir könnten Ihnen wahrhaftig keine Jahreskarte im örtlichen Bordell besorgen, aber …«

»Was aber?«

»Das Nächstbeste, vielleicht?«

»Ach ja? Und das wäre?«

Crawford seufzte. »Ich kann keine riesigen Versprechen machen – das wissen Sie. Aber wenn Sie versprechen, den Mund zu halten – so wie wir das tun würden …«

»Was dann?«

»Nun, was wollen Sie? Kippen? Alkohol? Geld? Pornofilme …?«

Muldoon schüttelte, wenn auch recht unentschlossen, den Kopf.

»Also gut. Na, dann wäre das schon mal geklärt.« Crawford erhob sich schnell, diesmal mit einer Deutlichkeit, die auf seinen bevorstehenden Abgang hindeutete.

Aber auch Muldoon war aufgesprungen. »Wann, schätzen Sie – wann ginge das wohl? Sagen wir mal, mit den Filmen?«

Crawford zuckte gleichgültig mit den Schultern. »Morgen? Übermorgen? Kann ich nicht genau sagen. Es ist nur so, dass wir letzte Woche ziemlich heißes Zeug reingekriegt haben – aus Dänemark –, und ein, zwei Jungs fanden, sie sollten sich das mal anschauen.«

»Und wie lange wird das dauern? Sich das anzuschauen?«

»Keine Ahnung, ehrlich nicht. Ein paar Stunden? Etwas länger? Bis das Bier ausgeht? Ein paar von ihnen meinten zu mir, das wird langweilig – nach einer Weile. Aber ich schätze nicht, dass sie mit dieser kleinen Lieferung schnell gelangweilt sein werden.«

Muldoon saß eine Weile stumm da.

Dann saß er noch eine weitere Weile stumm da.

Schließlich holte er tief Luft, hielt den Atem an – und seufzte tief.

Dann zündete er sich noch eine Zigarette an.

Und wieder zerbröckelte ein Stück seiner Entschlossenheit.

»Morgen, sagten Sie?«

Puh!

Außerhalb der wieder verriegelten Zelle atmete Inspector Crawford ebenfalls tief aus, wenn auch leise. Sergeant Wilkins, der am anderen Ende des Gangs stand, warf er ein leises Lächeln zu und hob die rechte Faust auf Schulterhöhe, wobei der Daumen stolz gereckt war wie ein membrum virile im Zustand freudiger Erektion.

8

Die schnellste Zeit für das Lösen des Kreuzworträtsels in der Times unter Prüfungsbedingungen sind 3 Minuten und 45 Sekunden, aufgestellt von Mr Roy Dean aus Bromley, Kent.

Das Guinnessbuch der Rekorde

Nachdem Sergeant Lewis Inspector Crawfords Büro am späten Nachmittag verlassen hatte, fand er Morse an seinem Schreibtisch vor, wie er mit grimmigem Gesicht vor der Times saß – und rauchte. Lewis kam es so vor, dass es, angesichts der den ganzen Tag über zwischen ihnen herrschenden strichlippigen Einsilbigkeit, letztere Aktivität war, die womöglich den vielversprechenderen Eisbrecher abgeben könnte.

»Ich dachte, Sie hätten das Rauchen aufgegeben, Sir?«

»Das habe ich – schon viele Male. Eigentlich habe ich das Rauchen schon häufiger aufgegeben als sonst jemand in der Geschichte dieser Gewohnheit. Von Rechts wegen sollte ich einen eigenen Abschnitt im Guinnessbuch der Rekorde haben.«

Morse’ Ton klang leicht, doch die Stimmung, die sich dahinter verbarg, war trüb.

Auch Lewis, der sich hinsetzte, wirkte alles andere als glücklich. »Sie sind mir gestern Abend gehörig aufs Dach gestiegen, Sir. Zu Recht. Sie haben recht. Um ehrlich zu sein, wäre es mir lieber, ich hätte gleich auf Sie gehört.«

»Woher der plötzliche Sinneswandel?«

»Nun, es wird … das Ganze wird ein wenig verwickelt und heimtückisch.«

»Unehrlich.«

»Ja … und schmutzig.«

Die harten Linien auf Morse’ Gesicht entspannten sich ein wenig. »Da können Sie kaum die Art von klassischer Knappheit und klarer Ausführung erwarten wie bei der Arbeit mit mir! Crawford ist ein Idiot – aber das ist ja allgemein bekannt.«

»Ist er nicht! Es ist nur – na ja, ich glaube ehrlich, dass er nicht sonderlich helle ist.«

»So langsam macht sich Ihr Verstand wieder bemerkbar, Sergeant.«

Lewis erwiderte nichts darauf.

»Na. Kommen Sie schon. Ich weiß doch, dass Sie mir alles erzählen wollen.«

»Ich dachte, Sie wollten nichts damit zu tun haben.«

»Da haben Sie recht!«, schnauzte Morse verbittert.

Er stand auf und nahm seinen Regenmantel vom Haken.

Ein hartnäckiger Nieselregen hatte das Fenster getüpfelt, das auf den Parkplatz hinausging – ein Fenster, durch das Lewis Morse schon häufig hatte schauen sehen, wenn dieser in Gedanken die Schwierigkeiten eines Falls durchging.

Und genau das tat er jetzt; aber nur für ein paar Sekunden, dann zog er seinen Regenmantel über und ging zur Tür. »Schließen Sie hinter sich ab! Wenn es hier einen Ganoven gibt, der eine leere Dose Beamish klaut, was um alles in der Welt stellt er dann mit meinem Glenfiddich an? Gute Nacht!«

Die Tür schlug zu, und Morse war fort.

Aber Lewis hörte keine Schritte im Gang; zwanzig Sekunden später ging die Tür langsam wieder auf, und Morse kehrte in sein Büro zurück.

»Es wäre allerdings hilfreich, Lewis, wenn Sie mir erzählen würden, was Ihnen auf dem Herzen liegt.«

»Ja«, erwiderte Lewis.

»Sie hätten es mir früher sagen können.«

»Sie wirkten, nun, ziemlich verbittert, Sir.«

»Was? Ach, das! Das hatte mit Ihnen nichts zu tun. Sechs Minuten – fast auf die Sekunde genau – habe ich am Kreuzworträtsel gesessen! Wäre beinahe Rekord geworden – bis auf einen einzigen Hinweis: 14 waagerecht habe ich nicht herausbekommen. Ich habs immer noch nicht herausbekommen.«

»Soll ich mal einen Blick darauf werfen?«

»Sie? Das wäre mir ja eine schöne Hilfe!«

Lewis senkte den Blick auf den abgewetzten Fleck im eierschalfarbenen Teppichboden auf seiner Seite von Morse’ Schreibtisch. »Falls Sie fünf Minuten erübrigen könnten, Sir – dann wäre ich sehr erleichtert.«

Morse zog seinen Regenmantel aus, hängte ihn wieder an den Haken und nahm auf dem schwarzledernen Chefsessel hinter seinem Schreibtisch Platz.

9

Es ist aber der Glaube eine feste Zuversicht dessen, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht.

Hebräer 11, 1

Wie Morse langsam erkannte, konnte sich Crawfords Plan kaum mit dem strategischen Genie von Napoleon bei Austerlitz oder der NASA bei der Planung einer ihrer Mondmissionen messen …

Am 31. März gegen 20.30 Uhr, eine Stunde nach der vorgeschriebenen Einschaltzeit für die Autoscheinwerfer, sollte Muldoon, mit einer Handschelle an einen Polizeibeamten gekettet, den Kopf unter einer grauen Gefängnisdecke vor den neugierigen Blicken der Öffentlichkeit oder der Presse verborgen, von einer Zivilstreife vom Oxford Prison abgeholt werden. Der Ausflug war bereits »aufgrund von stützenden oder inhaltsorientierten Hinweisen« (ohne Probleme) genehmigt worden. Niemand hatte diese langatmige Phrase jemals verstanden, doch konnte man ihr zugutehalten, dass sie sich äußerst eindrucksvoll anhörte.