Der Tote am Hindenburgdamm - Kari Köster-Lösche - E-Book
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Der Tote am Hindenburgdamm E-Book

Kari Köster-Lösche

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Beschreibung

Mörderisches Sylt. 

Sylt 1923. Kriminalinspektor Niklas Asmus wird auf die Insel versetzt. Dort empfängt man ihn nicht gerade mit offenen Armen. Und ein Hort des Friedens scheint Sylt auch nicht zu sein. An dem Tod eines Landstreichers zeigt sich die örtliche Polizei allerdings wenig interessiert, und als auf einer Werft ein Anschlag verübt wird, beginnt lediglich Asmus Nachforschungen anzustellen. Dann jedoch findet man einen Toten an Sylts wichtigstem Bauwerk – an dem umstrittenen Damm, der die Insel mit dem Festland verbinden soll ...

Inspektor Asmus ermittelt auf Sylt – ein wunderbares und authentisches Panorama der Insel in den zwanziger Jahren.

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Kari Köster-Lösche

DER TOTE AM HINDENBURGDAMM

Ein Sylt-Krimi

Impressum

ISBN 978-3-8412-0499-8

Aufbau Digital,

veröffentlicht im Aufbau Verlag, Berlin, Dezember 2012

© Aufbau Verlag GmbH & Co. KG, Berlin

Die Originalausgabe erschien 2012 bei Rütten & Loening, einer Marke der Aufbau Verlag GmbH & Co. KG

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jegliche Vervielfältigung und Verwertung ist nur mit Zustimmung des Verlages zulässig. Das gilt insbesondere für Übersetzungen, die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen sowie für das öffentliche Zugänglichmachen z.B. über das Internet.

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Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, www.le-tex.de

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Inhaltsübersicht

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Impressum

Leseprobe: GISA PAULY – DIE HEBAMME VON SYLT

Inhaltsübersicht

KAPITEL 1

KAPITEL 2

KAPITEL 3

KAPITEL 4

KAPITEL 5

KAPITEL 6

KAPITEL 7

KAPITEL 8

KAPITEL 9

KAPITEL 10

KAPITEL 11

KAPITEL 12

KAPITEL 13

KAPITEL 14

KAPITEL 15

KAPITEL 16

KAPITEL 17

KAPITEL 18

KAPITEL 19

KAPITEL 20

KAPITEL 21

KAPITEL 22

ANMERKUNGEN

EINE KLEINE GESCHICHTE VON SYLT

KAPITEL 1

Ein kurzes Rucken seines Bootes alarmierte Niklas Asmus, den in Rostock degradierten und ab Frühjahr 1923 mit sofortiger Wirkung nach Sylt strafversetzten Kriminaloberinspektor. Seinen neuen Dienst trat er auf eigenem Kiel an: Statt mit der Eisenbahn ins dänische Hoyer zu fahren, um dort auf das deutsche Fährboot umzusteigen, segelte er nach Munkmarsch auf Sylt. Die Tiden hatte er selbstverständlich sorgfältig berechnet. Und erstmals schien er hier an der Ostküste von Sylt in Schwierigkeiten zu geraten.

Sollte er sich so bei den Tidenangaben verrechnet haben, und der Wasserstand bei ablaufendem Wasser bereits zu niedrig sein? Tidengewässer waren ihm fremd, er war bisher nur auf der Ostsee unterwegs gewesen.

Die Wasserstraße von der Sylter Südspitze bis zur Ostspitze war der gefährlichste Abschnitt seiner Reise von Rostock nach Munkmarsch. Ausgerechnet die Rinne, in der sich just die flachste Stelle befand, war nicht betonnt.

Schweiß trat ihm auf die Stirn, als der Kiel seines Kosterbootes Franziska nochmals deutlich auf Grund stieß. Es hatte zu viel Tiefgang für die Nordsee.

An Backbord voraus sah er die Halbinsel Nösse von Sylt, die Bake auf Horsbüll Steert lag gewiss schon zweieinhalb Seemeilen hinter ihm. Das Wetter war gut – sofern er nicht vom Kurs abgekommen war, mussten die Pricken, die ihn nördlich von Nösse zwischen den Sandbänken Mittel-Sand und Hesten-Dragt durchleiten würden, bald in Sicht kommen. Immer wieder suchte er mit dem Fernglas den Horizont ab – die verflixte Ansteuerungstonne, die den Anfang der Rinne bildete, konnte doch nicht vertrieben sein!

Nichts. Weder eine Tonne noch Besen.

Aber das Unterwasserschiff schrappte immer mal wie zur Warnung am Untergrund. In immer kürzeren Abständen.

Um Fahrt aus dem Boot zu nehmen, ließ er das Großsegel ein wenig heraus. Gehorsam wurde die Franziska langsamer, aber im Übrigen nutzte sein Manöver herzlich wenig. Die Wellen, obwohl träge mitlaufend, ließen keinen Blick auf den Grund zu – das Wasser war grau und unsichtig. Ganz anders als zwischen den dänischen Inseln, wo man bei solch leichtem Wind den steinigen Boden und einzelne Tangpflanzen gut erkennen konnte und manchmal sogar huschende Krabben auf Jagd.

Asmus holte tief Luft. Das war vorbei. Der Rostocker Teil seines Lebens war ein Opfer der turbulenten Politik geworden, zu der seit dem Ende des Weltkriegs Putsche, Inflation und Verarmung großer Bevölkerungskreise gehörten. Ebenso die Entlassung oder Strafversetzung von Beamten; nicht selten waren sie Rachemaßnahmen der politischen Gewinner, der ehemaligen Gegner, die in höhere Ämter aufgestiegen waren.

So gesehen hätte es ihn noch schlimmer treffen können. Er war jetzt ein einfacher Schutzmann, der Streife gehen würde und sich um Verkehrsunfälle zu kümmern hatte. Dabei wusste er nicht einmal, ob es auf Sylt auch schon Autos gab oder er nur Streitigkeiten zwischen überalterten Hochradfahrern und Kutschern zu schlichten haben würde.

Da, endlich! Er sah die grüne Tonne, die er suchte, weiter an Backbord, als er vermutet hatte. Umgehend fiel er ab, er war zu hoch am Wind gesegelt, um nicht zu nahe an die Ausläufer von Nösse zu geraten.

Die Geräusche am Kiel verstummten. Asmus atmete auf. Er hatte sich nicht verrechnet, und er war auch nicht zu spät, sondern war um wenige Schiffslängen aus dem tiefen Teil der Rinne abgekommen und an deren Rand geraten, wo der Schlick offenbar eine steil emporragende Wand bildete.

Hinter der Ansteuerungstonne begann die ausgeprickte Rinne, ein Besen hinter dem anderen. Und da der Wind handig war und aus der richtigen Richtung blies, hatte er kein Problem, mit halbem Wind hindurchzurauschen und dann durch das Pander Tief entlang der beiden Leitfeuer den kleinen Hafen Munkmarsch anzulaufen.

Aber das Gewässer war eindeutig schwieriger als die Ostsee zwischen den dänischen Inseln. Schiffsführer, die hier tätig waren, hatten seine Hochachtung.

Das Hafenbecken öffnete sich nach Süden, nördlich von ihm lag eine Landzunge, an der entlang er durch Baken geleitet wurde. Kurz vor dem Molenkopf an einer langen Brücke ließ er das Großsegel herab. Mit der letzten Fahrt im Schiff manövrierte er die Franziska längsseits an die Spundwand und legte hinter zwei dort vertäuten Fischerbooten an.

Während er seine Festmacher an Land warf und an den Pollern auf Slip belegte, kam bereits ein kurzbeiniger Sylter auf Holzschuhen herangeklappert, wobei ihm die Stummelpfeife zwischen den Lippen wippte.

Er war aus dem Fährhaus gekommen, also wohl eine Art Hafenverantwortlicher. Asmus sah schweigend zu, wie der ältliche Mann mit knittrigem und von der Sonne gebräuntem Gesicht sein Boot von Bug bis Heck abschritt und dann plötzlich ausstieß: »Ahoi Franziska, moin, moin. Wenn das Wasser wieder aufläuft, musst du dich nach binnen zu den kleinen Booten verlegen. Hier an der Legatsbrücke legt die Fähre an.«

»Moin, moin.« Ahoi? Asmus schmunzelte in sich hinein. Seine Franziska gehörte ja nicht zur Großschifffahrt. »Mache ich«, versicherte er.

»Woher kommst du? Habe dich hier noch nie gesehen«, forschte der andere. »Du bist wohl nicht von der Westküste.«

»Von der Ostsee«, antwortete Asmus belustigt und strich sich über seine Locken, mit denen er wie viele Dänen aussah: blond, großgewachsen, kantiges, energisches Gesicht. Im Gegensatz zu ihm war Mart, so nannte er sich, klein und dunkelhaarig, eher das Gegenteil eines Friesen, wie er ihn sich vorstellte.

»Darum auch der ungewöhnliche Schiffstyp. So einen habe ich noch nie gesehen.«

»Spitzgatter, Langkieler. Das Spitzgatt ist sehr gut für raue See. Im Kattegat segeln sie solche Boote als Lotsenkutter, dann sind sie allerdings doppelt so lang wie meine Franziska oder noch länger. Da oben ist es häufig stürmisch.«

»Tiefgang?«

Mart hatte sich an dem Thema festgebissen, das ihn brennend interessierte. Obendrein runzelte er vorwurfsvoll die Stirn. Asmus holte genervt Luft. »Einsfünfundzwanzig.«

»Zu viel für das Wattenmeer. Zu deinem Glück ist der Grund im Hafen überall fest. Dein Langkieler wird aufrecht stehen können, wenn du ihn vernünftig abspannst.«

»Ich habe Wattstützen. Und wer bist du?«, erkundigte sich Asmus, um von dem peinlichen Umstand abzulenken, dass er mit einem für das Gewässer unpassenden Boot segelte und anscheinend der Verdacht bestand, dass er demnächst die Seenotretter um Hilfe anpreien würde. So etwas war ihm noch nie passiert.

»Mart.« Er drehte sich um und zeigte mit der Pfeife auf das einzige Haus, das in Frage kam. »Ich betreibe den Gasthof am Hafen. Beherbergt Quartier für an- und abreisende Badegäste, wenn die Fähre wegen des Wasserstands nicht fahren kann, außerdem Posthalterei, Aufenthaltsraum und kleinen Ausschank. Du bist auch willkommen.«

»Danke. Ich komme bestimmt kurz mal vorbei. Ich schlafe auf meinem Boot.«

Mart rümpfte die Nase. »Nicht sehr bequem, oder? Für eine Reise rund um Dänemark mag es angehen, wenn es einem nichts ausmacht, nass zu schlafen. Aber in meinem Haus wäre es bequemer, so für eine oder zwei Nächte. Und was hast du danach vor? Weiter nach Norden, an Röm vorbei, durch das Skagerrak bis ins Kattegat? Du, die Kante da oben ist gefährlich! Fahr lieber durch den Kaiser-Wilhelm-Kanal zurück. Welches ist denn dein Heimathafen?«

Welche Wortflut! »In der Ostsee keiner mehr.« Asmus schüttelte, plötzlich voller Wehmut, den Kopf. »Munkmarsch ab jetzt. Ich bleibe hier.«

»Hier? Als Gast für den Sommer? Dann musst du ja gut betucht sein … Heutzutage. Wir haben sehr gute Hotels und Logierhäuser auf Sylt. Ich kann dir die besten empfehlen.«

»Du hast mich nicht richtig verstanden, Mart«, erklärte Asmus ernst. »Ich wohne ab heute in Munkmarsch, und zwar auf meinem Boot.« Ein Hotel hätte er sich auch in Normalzeiten in Westerland, das als überteuert galt, von seinem Gehalt nicht leisten können. Und die Zeit war alles andere als normal, wahrscheinlich hatten sich die Preise seit seiner Abreise aus Rostock verzehnfacht. Sein Gehalt nicht.

Mart riss sich die Pfeife aus dem Mund. In seinem Gesicht mit grauen Bartstoppeln malte sich Empörung. »Bist du … Nein, du bist doch nicht etwa der neue Schupo, der Niklas Asmus?« Mit offenem Mund erforschte er Asmus’ Äußeres von der Schirmmütze bis zu den gummibesohlten Schuhen. »Warum haben Sie sich nicht gleich zu erkennen gegeben?«

Asmus runzelte verständnislos die Stirn. »Was heißt denn zu erkennen gegeben?«

»Na ja, Sie hätten ja wie jeder Schupo in Uniform sein können …«, murmelte Mart ein wenig verlegen. »Auf jeden Fall werden wir dann wohl öfter noch das Vergnügen miteinander haben.« Abrupt drehte er sich um und stakte eilends zum Fährhaus zurück.

»Das werden wir wohl.« Asmus sah ihm verblüfft nach.

Aus dem Haus war inzwischen ein weiterer Mann getreten, dem eine Schirmmütze einen offiziellen Anstrich verlieh. Beide steckten die Köpfe zusammen und besprachen sich.

Asmus merkte, dass er Gegenstand ihrer getuschelten Konferenz war. Womit hatte er sich denn Abfuhr und Aufmerksamkeit von Syltern verdient, kaum dass er die Insel betreten hatte?

Diese Frage würde er später klären. Jetzt hatte er gehörigen Hunger.

Erst einmal schlug er sich drei Eier in die Pfanne, die er beidseitig briet, dann setzte er sich ins Cockpit und betrachtete während des Essens die Umgebung, die für eine Weile seine neue Heimat sein würde.

Außer dem Fährhaus, drei Bauernhöfen und zwei kleineren Häusern gab es einen markanten Hügel. Auf ihm hätte laut Segel-Handbuch eine Mühle stehen sollen, ein Ansteuerungsmerkmal für einsegelnde Fahrzeuge. Schon in der Rinne hatte er sie vermisst. Offensichtlich war die Mühle inzwischen abgerissen worden. Um den Fuß des Hügels führten die Schienen einer Schmalspurbahn herum, die am Fährhaus vor zwei Puffern endete.

Der größte Gebäudekomplex war eine Werft neben dem Hafenbecken, in der, den Geräuschen nach zu urteilen, lebhaft gearbeitet wurde. Zwei Kutter waren auf der Helling aufgepallt, und davor lagen im Wasser mehrere ähnlich aussehende Arbeitsboote im Päckchen. Möglicherweise Austernfischer, denn die Fangsaison war gerade zu Ende gegangen.

Mehr gab es anscheinend nicht zu sehen, nur Sand und Gras.

Ein Lüttfischer verließ den Hafen, um Netze oder Reusen auszulegen, und danach war nur das Ping-Ping von Hammerschlag auf Eisen zu hören. Die sanfte Brise hatte sich gelegt, und insgesamt machte die Welt hier einen friedlichen Eindruck.

Es war früher Nachmittag, als Asmus angelegt hatte. Da der Hafen inzwischen teilweise trockengefallen war, war ihm klar, dass heute keine Fähre mehr erwartet würde.

Verkehrte der Zug nach Westerland möglicherweise trotzdem? Vielleicht für Badegäste, die sich für den Hafen oder die Werft interessierten? Nicht allzu beflissen, an diesem sonnigen Maitag in seine neue Dienststelle zu gelangen, schlenderte Asmus zum Fährhaus hinüber, wo er nach Anschlägen für die Fährzeiten und die Zugverbindung nach Westerland suchte. Immerhin gab es sie.

»Die Fähre verkehrt tidenabhängig und nach Bedarf (im Winter unregelmäßig), die Fahrzeiten der Dampfspurbahn richten sich in der Regel nach den Fährzeiten«, las er und war damit so schlau wie zuvor.

Der Mann, mit dem Mart konferiert hatte, trat aus der nächsten Tür, worauf er mit der Hand die Augen beschattete und gewissenhaft über den Hafen spähte, als ob er die vielen Neuankömmlinge zu zählen hätte.

Asmus grinste. »Kein neues Boot außer meinem«, bemerkte er launig. »Franziska aus Rostock. Kannst du mir sagen, ob heute noch ein Zug nach Westerland geht?«

Der Kerl zählte und zählte. Als er endlich sicher zu sein schien, dass es sich nur um drei Fischerboote am Anleger handelte, wandte er sich ab und verschwand wieder im Haus.

Er musste taub sein.

Dann fiel Asmus aber ein, wie er die beiden Männer im Gespräch gesehen hatte. Beide schienen eine unüberwindliche Abneigung gegen Schupos zu besitzen.

Er fragte sich, ob Sylt ihm wirklich gefallen würde.

Eine neue Suche in den Anschlägen an der Wand bescherte ihm wider Erwarten endlich eine handfeste Information. »Für unsere mit dem Rad fahrenden Gäste«, stand da. »Die Entfernung nach Westerland beträgt 4,2 km, bei West- und Südwestwind das Doppelte.«

Die Uhr sagte Asmus, dass die Wanderung nach Westerland am Spätnachmittag sich erübrigte, denn er würde erst nach Feierabend der Polizei ankommen. Zwar sollte die Wache besetzt sein, aber sicherlich nicht mit seinem neuen Vorgesetzten.

Asmus war nicht böse darüber. Er beschloss, selber Feierabend zu machen.

Am nächsten Vormittag schaukelte ihn die Kleinbahn durch welliges Dünengelände nach Westerland. Neben den Gleisen verlief ein Weg, in Hafennähe bestand er größtenteils noch aus Dünensand, später führte er als Karrenspur auf festerem Untergrund weiter. Vermutlich war dies der alte Kutschenweg, auf dem die Badegäste vor dem Bau der Eisenbahn geholt und gebracht worden waren.

Asmus beschloss spontan, sich für seinen Weg zum Dienst ein Motorrad zuzulegen. Seine ehemals reiche Familie in Rostock, die unter seinen zwei Brüdern zwei ebenfalls ehemals große Reedereien betrieb, würde ihm unter die Arme greifen müssen. Leider waren viele ihrer Schiffe im Krieg Opfer der feindlichen U-Boote geworden, oder sie waren als Kriegsbeute konfisziert worden. Trotzdem würden die älteren Brüder ihre Dankbarkeit, dass Niklas mit seinem losen Mundwerk ihre behutsame Geschäftspolitik nicht mehr gefährden konnte, handfest unter Beweis stellen müssen.

Wie bei vielen gutgestellten Bürgern galt die Loyalität der Reederfamilie Asmus dem Freistaat Mecklenburg-Schwerin. Seltsamerweise war Niklas Asmus ohne Angaben von Gründen in den Freistaat Preußen versetzt worden, wozu Sylt gehörte. In diesen turbulenten Zeiten war es nicht klug, auf der Rechtfertigung oberer Chargen zu bestehen, denn eine aufmüpfige oder gar kritische Haltung war in der Weimarer Republik demokratiefeindlich, und deshalb hatte Asmus – auch auf Anraten seiner Brüder – darauf verzichtet.

Stattdessen hatte er sich über das preußische Polizeiwesen erkundigt, so gut er es zu durchdringen vermochte. Das war noch komplizierter und politischer ausgerichtet als das von Mecklenburg. Die preußische Polizei war ebenso wie die von Mecklenburg mit Beginn der Weimarer Republik gründlich umstrukturiert worden. Ausschließlich Republikaner stiegen dort in führende Positionen auf, und das verhieß für Asmus nichts Gutes.

Wahrscheinlich vor allem Flaschen, dachte Asmus und ballte erbittert die Fäuste wegen der Flasche, die es in seiner Rostocker Dienststelle vom Untergebenen zu seinem Vorgesetzten gebracht und sich seiner schleunigst entledigt hatte.

Unter Aufbietung seiner ganzen Willenskraft verdrängte er seinen Zorn, betrachtete die flachen Sandhügel neben der Bahnlinie und sah im Hintergrund die Umrisse des Städtchens Westerland, seinem neuen Arbeitsort, wachsen.

Nicht weit vom künftigen Reichsbahnhof, dessen Baulärm in alle benachbarten Straßen drang, befand sich in der Feldstraße die Polizeidienststelle in einem einstöckigen roten Backsteinhaus. Hinter der Flügeltür roch es feucht und schimmelig. Ein Schild wies zur Wache, und dorthin wandte Asmus sich.

»Ich möchte Herrn Sinkwitz sprechen«, verlangte er von dem Uniformierten, der jenseits des hohen Tresens saß und von dem nur der Kopf unter einer Uniformmütze zu sehen war.

Nach einer Weile blickte dieser auf. »Moin erstmal. Und warum möchten Sie mit Hauptwachtmeister Sinkwitz sprechen?«

»Ich soll mich bei ihm melden«, antwortete Asmus steif. »Ich trete heute meinen Dienst hier an.«

»Sie?«

»Ich.«

»Ich, Herr Oberwachtmeister«, korrigierte der Diensthabende. »Oder: ich, Oberwachtmeister Jung.«

»Meinetwegen«, knurrte Asmus. Es ging bereits so los, wie er es sich gedacht hatte.

KAPITEL 2

Niklas Asmus hatte eine geraume Zeit zu warten, danach wurde er in das Arbeitszimmer des Dienststellenchefs geführt. Hauptwachtmeister Sinkwitz war äußerlich das Gegenteil seines Oberwachtmeisters, mittelgroß, braunhaarig und stämmig. Mit missbilligend gerümpfter, auffällig großer Nase betrachtete er Asmus lange, bevor er das Wort an ihn richtete.

»Wachtmeister Asmus, nehmen Sie bitte Haltung an, wenn Sie mir Meldung erstatten«, verlangte er schließlich.

Asmus tat es. Er hatte es schlicht vergessen, da es bei ihnen in Rostock nicht üblich gewesen war. Das war einer der Unterschiede zwischen Schutzpolizei und Kriminalpolizei.

»Ich nehme an, dass Sie eine entspannte Herfahrt hatten, auf eigener Yacht … So reich zu sein muss schön sein, ist aber nicht jedem gegeben. Es gibt ja auch Menschen, die für ihren Unterhalt arbeiten müssen. Nun gut, die Verhältnisse haben sich zum Glück für uns kleine Leute wenigstens etwas geändert. Deswegen sind Sie wohl auch nicht im Gesellschaftsanzug angetreten.«

Asmus verschlug es zunächst die Sprache. Was war das für ein Kerl, der erst einmal sein persönliches Gift über einen neuen Mitarbeiter ausschütten musste? Aber, nun gut. Diese Sorte kannte er aus Rostock. »Der Gesellschaftsanzug, den Sie meinen, war bei Gästen auf der kaiserlichen Yacht gefordert, als wir noch einen Kaiser hatten«, bemerkte er sachlich. »Heutzutage ist ein Gesellschaftsanzug ein Smoking. Und ich habe keine Yacht, sondern ein für meine Bedürfnisse umgebautes Fischerboot. Gebraucht gekauft und zusammen mit einem Freund in schwimmfähigen Zustand gebracht.«

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