Des Somas Hüter - Sabine Dau - E-Book

Des Somas Hüter E-Book

Sabine Dau

0,0

Beschreibung

Wir fürchten, was wir nicht verstehen. Auf den ersten Blick scheint es offensichtlich zu sein: hier die hässlichen, Furcht einflößenden Monster, dort die schönen und lichten Götter. Doch manchmal sind die Dinge nicht ganz so einfach, wie sie uns zunächst erscheinen. Der Himmel gehörte einst den Asura, bis die Götter die Dämonen aus ihrer Heimat vertrieben und sie in das Totenreich verbannten. Seitdem ist es das Ziel der Asura, eines Tages dorthin zurückkehren zu können. Yama, der Herr des Totenreichs, möchte dies auf friedlichem Wege erreichen. Doch all seine Bemühungen drohen zu scheitern. Die Götter begegnen ihm mit Furcht und Misstrauen. Nur wenige von ihnen sind bereit, seinem Wort zu vertrauen. Als schließlich ein neuer Gottkönig ins Amt berufen wird, eskaliert die Situation. Ein Fantasyroman aus der Götterwelt Asiens. Vierter Teil der Yama-Chroniken.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 383

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhaltsverzeichnis

Matali

Harkandas

Orb Ria

Matali

Indra

Yama

Harkandas

Yama

Skanda

Orb Ria

Indra

Orb Ria

Skanda

Yama

Indra

Skanda

Orb Ria

Skanda

Orb Ria

Indra

Yama

Skanda

Indra

Yama

Harkandas

Skanda

Indra

Yama

Harkandas

Skanda

Matali

Skanda

Indra

Harkandas

Skanda

Orb Ria

Skanda

Harkandas

Yama

Harkandas

Indra

Yama

Harkandas

Matali

Das Jalan tänzelte unruhig auf der Stelle, während Matali versuchte dem nervösen Laufvogel ein Geschirr anzulegen. Es gab dabei krächzende Laute von sich und schlug aufgeregt mit seinen Stummelflügeln.

Matali liebte diese Tiere wegen ihrer Wendigkeit bei der Jagd und der Schnelligkeit bei Wettrennen, und auf ihrem Rücken fühlte er sich glücklich und frei.

So wie jeder Deva, sah Matali gut aus. Sein Gesicht wirkte entspannt und die vielen Lachfältchen um die Augen herum zeugten von einem fröhlichen Wesen und einem feinen Humor. Gerade diese Eigenschaften waren es, die Indra so sehr an ihm schätzte, denn Matali war der engste Freund und Vertrauter des Königs.

Hinter ihm öffnete jemand die Stalltür. Er wandte sich daraufhin von dem Tier ab, um zu sehen, wer jetzt mit eiligen Schritten auf ihn zugelaufen kam. Als er Indra erkannte, reichte ihm ein einziger Blick auf seinen Freund bereits aus, um zu erkennen, dass etwas nicht stimmte. Die Haut des gewählten Königs der Devas war vor Aufregung tiefrot und er sah ernst und besorgt aus.

„Was ist denn los?“, rief Matali ihm schon von Weitem zu. „Stimmt etwas nicht?“

Außer Atem blieb Indra vor ihm stehen. „Ich bin froh, dass ich dich noch hier im Stall antreffe, Matali, denn ich möchte dich um einen großen Gefallen bitten, weil es niemanden sonst gibt, dem ich so vertraue wie dir.“

„Was soll ich tun?“, fragte Matali beunruhigt und wandte seine Aufmerksamkeit nun ganz seinem Freund zu.

Indra sah Matali scharf an, bevor er antwortete: „Ich habe gleich eine dringende Besprechung im Rat und ich bin schon jetzt spät dran. Also mache ich es kurz. Es steht für dich ein Dimensionstransporter in Hangar sechs bereit.“ Bevor er weitersprach, sah er sich rasch um, dann trat er näher an Matali heran, um ihm einen Zettel in die Hand zu drücken, dabei flüsterte er ihm ins Ohr: „Dies sind die Koordinaten zu einem Feld, das nahe am Nagagebiet liegt. Du musst dich sofort dorthin begeben. Auf dem Feld wirst du etwa fünfzig Asura antreffen.“

„Was?“, rief Matali entsetzt aus, lauter als er es beabsichtigt hatte und sah Indra ungläubig an.

„Sei leise“, flüsterte der. „Gestern habe ich davon erfahren, dass ein Transportschiff seine festgelegte Route verlassen musste, um einer Sturmfront auszuweichen, dabei haben sie das Feld überflogen und zufällig die Asura entdeckt. Und genau jetzt, in diesem Moment wird eine Expedition zusammengestellt, um die Sichtung der beiden Piloten zu überprüfen. Wenn sie dort eintreffen, müssen die Dämonen fort sein. Es ist deine Aufgabe, sie so schnell wie möglich in die Unterwelt zurückzubringen.“

„Aber warum? Und was hast du damit zu tun?“, erkundigte sich Matali.

„Bitte, ich habe jetzt keine Zeit für lange Erklärungen“, drängte Indra und hob abwehrend die Hände, „aber ich verspreche dir, dass ich dich später über alles aufklären werde.“

„Na gut, dann hole ich meine Rüstung und Waffen.“

„Du brauchst weder eine Rüstung noch eine Waffe und du musst dich beeilen, wenn du noch vor der Expedition zum Feld kommen willst. Ich kann dir aber versichern, dass die Asura dich nicht angreifen werden. Yama ist bei ihnen und sie werden tun, was er ihnen befiehlt. Du sagtest mir doch, dass du den Herrn des Totenreiches irgendwann einmal persönlich kennenlernen wolltest. Jetzt hast du die Gelegenheit dazu.“

Matalis Lippen wurden schmal. „Ich werde tun, um was du mich bittest, doch danach bist du mir eine ausführliche Erklärung schuldig.“

* * *

Hangar sechs lag verlassen da. Nur der Wachmann an der Pforte blickte kurz zu ihm auf und nickte ihm grüßend zu, um sich gleich darauf wieder seiner Lektüre zu widmen. Unbehelligt stieg Matali die Rampe hinauf und betrat das Schiff durch eine offenstehende Luke. Er setzte sich ins Cockpit und gab eilig die Koordinaten ein, die auf dem Zettel standen, den Indra ihm gegeben hatte. Danach startete er die Triebwerke. Das Dimensionsschiff erhob sich fast lautlos in die Luft, und während es sich langsam von der Stadt entfernte, lehnte er sich im Pilotensessel zurück und begann, zu grübeln. ‚Asura, auf Nirva? Wenn das stimmt, warum versucht Indra, diese Tatsache vor allen anderen zu verheimlichen? Was hat das zu bedeuten?‘

Es gab kaum jemanden, der den König der Devas so gut kannte wie er. Matali vertraute ihm blind. Deshalb war er auch überzeugt, dass es für sein Vorgehen einen wichtigen Grund geben musste. Dennoch spürte er, wie er immer nervöser wurde, je näher er seinem Ziel kam. Jeder wusste doch, wie gefährlich diese Dämonen waren. Diesen bösartigen und unberechenbaren Kreaturen ohne Waffen entgegenzutreten war reiner Irrsinn. Und doch, wider besseren Wissens, war er sofort bereit gewesen, Indras Bitte nachzukommen.

Von Weitem kam langsam die Silhouette des Dschungels in Sicht, als er sich dem angegebenen Ort näherte. Es dauerte nicht lange, da erkannte er auch ein ummauertes Feld und schwarze Flecken, die in der näheren Umgebung darum herum patrouillierten. Asura!

Das Gras war niedergebrannt und er entdeckte Kampfspuren, die offenbar von einer erst kürzlich stattgefundenen Schlacht zeugten. Nahe beim Feld sah er ein kleines Himmelsschiff, das silbrig in der Mittagssonne glänzte. Er landete direkt daneben und fragte sich verwundert, welchem Deva es wohl gehören mochte?

Gleich, nachdem er gelandet war, bewegten sich die rußschwarzen Schattengestalten auf seinen Transporter zu und umringten ihn. Matali erhob sich aus dem Pilotensessel, zögerte jedoch die Außenluke zu öffnen. Er blickte hinaus und ein eiskalter Schauder fuhr ihm den Rücken hinab. Visionen und Erinnerungsfetzen traten vor seine Augen. Der Krieg gegen diese Dämonen lag noch nicht lange genug zurück, um die Schrecken dieser Zeit verblassen zu lassen. Mitten unter den schwarzen Gestalten entdeckte Matali einen gewaltigen Asura, dessen Schädel beeindruckende Stierhörner zierten. Die kalten, blauen Augen des Ungetüms blickten erwartungsvoll in seine Richtung. ‚Das muss Yama sein!‘, vermutete er. Der Anblick des Herrn der Unterwelt war grauenerregend, ein Abbild von Tod und Zerstörung. Doch es war zu spät, um es sich jetzt noch anders zu überlegen und umzukehren. Er hatte Indra sein Wort gegeben. Matali atmete noch einmal tief ein, bevor er die Luke öffnete und beherzt nach außen trat.

Als er das Schiff verließ, kam der Dämon mit den Stierhörnern zielstrebig auf ihn zu gelaufen und blaffte ihn an: „Hat dir Indra nicht die Dringlichkeit der Sache erklärt?“ Die Stimme klang dunkel, grollend und bedrohlich.

Matalis Hand zuckte instinktiv an die rechte Seite, wo sich normalerweise seine Waffe befand. Der Griff ging ins Leere. Achtlos schob ihn der Dämon beiseite und ließ ihn stehen, um sich im Inneren des Transporters umzusehen. Noch nie zuvor war Matali so respektlos behandelt worden.

Seinen Ärger konnte er kaum verbergen. „Ich weiß sehr wohl, wie dringend es ist“, stellte er aufgebracht klar. „Indra hat mich gebeten, die Asura so schnell wie möglich zurück in die Unterwelt zu transportieren. Treibt sie also an Bord, damit ich meiner Aufgabe nachkommen kann.“

Yama drehte sich zu ihm um und fixierte ihn mit diesen eisblauen Augen. Matali erstarrte. Ein feines Prickeln, wie von tausend glühenden Nadeln, zog über seinen Körper hinweg. Die Stimme des Dämons klang jedoch ruhig und emotionslos. „Dieses Himmelsschiff ist viel zu klein, um alle Asura auf einmal von hier fortzubringen“, sagte er.

„Dieses Schiff ist groß genug, um achtzig Devas zu transportieren“, widersprach Matali sofort.

„Achtzig Devas?“ Yama klang amüsiert. „Ja, das glaube ich gern. Für Devas, die sich ganz brav eng aneinander kuscheln, ist dieses Schiff sicher groß genug. Für meine Asura jedoch ist Enge unerträglich. Wenn sie nicht genügend Abstand zueinander haben, werden sie dieses Schiff auseinandernehmen.“

Matali wollte noch etwas erwidern, doch Yama ließ ihn stehen und trat ins Freie hinaus. Er befahl: „Dreißig, zu mir! Da rein!“

Nur zögernd und offenbar misstrauisch kamen die Asura seiner Aufforderung nach und betraten das Schiff.

„Da rein und zwar plötzlich!“ Der Befehl dröhnte durchdringend über die Ebene, sodass Matali den Schall dumpf in der Magengrube spürte.

Gerade noch rechtzeitig sprang er aus dem Weg ins Freie, bevor sich eine Flut von schwarzen Leibern an ihm vorbei drängte, um an Bord des Schiffes zu gelangen. Kurz darauf erzitterte der Rumpf und er hörte einen dumpf, metallischen Ton, dann bedrohliches Knurren und fauchen. Das Schiff bebte.

„Was tun sie da drin?“, fragte er entsetzt, mehr zu sich selbst.

„Sie streiten, was sonst.“ Yama warf dem Deva noch einen kurzen Seitenblick zu, bevor er dem letzten Asura, der das Schiff betrat, ins Innere folgte. „Hört sofort auf damit!“, schrie er. Es kehrte Ruhe ein und die Asura standen still. Ihr Herr gab einen zufriedenen Laut von sich, der Matali entfernt an das Schnurren einer großen Raubkatze erinnerte. „Der Nächste, der Streit anfängt, wird es bereuen“, sagte Yama mit beinahe sanfter Stimme.

Fasziniert beobachtete Matali das Geschehen und fuhr plötzlich erschreckt herum, als er unerwartet eine Hand auf seiner Schulter spürte.

Verblüfft erkannte er Orb Ria, die zu ihm aufsah und ihn anlächelte. „Wie schön dich zu sehen, Matali.“ Freundlich klopfte sie ihm auf die Schulter und ging dann an ihm vorbei durch die Luke auf Yama zu. Dabei schien sie nicht die geringste Furcht zu empfinden. „Ich habe eine Nachricht von Indra erhalten, das Aufklärungsschiff wird schon bald hier eintreffen. Wir müssen uns beeilen.“

„Danke, Orb“, erwiderte der Dämon erstaunlich höflich. Er trat aus der Luke hinaus und rief: „Harkandas, zu mir!“

Die Sonne verdunkelte sich für einen kurzen Moment, als ein schwarzer Schatten vom Himmel fiel und in einigem Abstand zu ihnen landete. Der Blick des geflügelten Dämons streifte Matali nur kurz, bevor er seine Aufmerksamkeit ganz seinem Herrn schenkte.

„Hör mir genau zu“, forderte Yama. „Wir können nur die Hälfte der Asura auf einmal von hier fortbringen. Du und alle anderen, die zurückbleiben, müssen sich bei den Naga im Dschungel verstecken, bis es uns möglich ist, euch abzuholen. Du fliegst vor und erklärst den Naga unsere Lage. Hast du das soweit verstanden?“

„Ja, Herr“, bestätigte Harkandas.

„Gut. Sag den Nagas: du bittest für dich und die Übrigen um Asyl. Erkläre ihnen die Lage und sorge dafür, dass die Asura friedlich bleiben.“

„Ja, Herr“, wiederholte der Dämon.

„Dann flieg jetzt los! Ich schicke dir die anderen nach.“

Der Asura entfaltete seine Flügel und stieß sich fast lautlos vom Boden ab. Überraschend schnell flog er dem Dschungel entgegen.

Yama wandte sich ab und sah zu den übrigen Asura hinüber. Seine Stimme dröhnte über die Ebene, sodass auch noch der Entfernteste sie deutlich vernehmen konnte: „Folgt Harkandas, so schnell ihr könnt!“ Fast zeitgleich stürmten die Dämonen los, ihrem geflügelten Artgenossen hinterher.

Matali sah ihnen besorgt nach. „Haltet Ihr das für eine gute Idee?“, fragte er an Yama gewandt.

„Eine gute Idee? Nein, aber mir bleibt keine andere Wahl.“ Der Dämon drehte sich um und ging mit raschen Schritten auf das Schiff zu. „Wir müssen los! Komm jetzt!“, rief er Matali zu, bevor er im Schiff verschwand.

Verunsichert musterte Matali die Devi, die so klein und zerbrechlich wirkte. „Kommst du nicht mit uns?“, fragte er.

Orb Ria schüttelte den Kopf. „Nein, ich bleibe hier und versuche die Devas abzuwimmeln, die hierher unterwegs sind.“

„Verdammt noch mal“, dröhnte es aus dem Inneren des Transporters. „Wir haben keine Zeit für ein nettes Pläuschchen.“

„Ich komme.“ Matali wandte sich von Orb ab und rannte im Laufschritt auf das Schiff zu.

„Bis später“, hörte er die Devi hinter sich noch sagen, bevor er durch die Luke trat.

Im Inneren war es totenstill. Die Asura rührten sich nicht und Yama saß wie selbstverständlich im Cockpit auf einem der Pilotensessel. Dazu hätte ihm Matali niemals die Erlaubnis gegeben. Erneut fühlte er, wie ihm das Blut vor Ärger ins Gesicht schoss, doch er biss die Zähne zusammen, setzte sich neben ihn und bereitete den Start vor. Dabei spürte er Yamas neugierige Blicke auf sich ruhen. Dies und die Dämonen in seinem Rücken, bereiteten ihm Unbehagen.

Das Dimensionsschiff hob leicht wie eine Feder vom Boden ab und gewann rasch an Höhe. Das Feld und das verbrannte Gelände drum herum waren bald kaum mehr zu erkennen. Als das Schiff die oberen Schichten der Atmosphäre erreichte und Nirva, wie ein kostbares Juwel im All schwebend zu sehen war, begannen die Asura hinter ihm unruhig zu werden und sich gegenseitig zu schlagen und zu stoßen. Offenbar nur um einen Blick nach draußen werfen zu können. Yama wandte sich ihnen zu. „Ich sagte, ihr sollt stillstehen“, knurrte er. Wie schon zuvor kehrte augenblicklich Ruhe ein. Matali drehte sich um und sah, dass sich einige Asura während des Gerangels einen Platz am Fenster erstritten hatten. Sie pressten nun ihren Körper dicht an die Innenhaut des Schiffes und schienen keinesfalls gewillt zu sein, den gerade eroberten Platz aufzugeben.

„Ich muss den Dimensionssprung einleiten“, informierte er Yama. „Sagt ihnen, dass keiner währenddessen die Wände berühren darf.“

„Bleibt von den Wänden weg!“, befahl der Herr des Totenreichs, ohne die Asura dabei anzusehen.

Matali vergewisserte sich, dass alle Dämonen der Anweisung folgten, erst dann widmete er seine ganze Aufmerksamkeit wieder dem Schaltpult und stellte die für den Sprung notwendigen Berechnungen an. Das Schiff begann, stärker zu vibrieren. Die äußeren Konturen des Planeten verschwammen, bis Nirva schließlich ganz verschwunden war und ein kleinerer, blauer Planet an seine Stelle trat.

„Da ich die Asura nicht direkt in die Unterwelt hineinbringen kann, werde ich auf der Erde landen, in der Nähe einer der Durchgänge. Von dort aus müssen sie zu Fuß in das Totenreich zurückkehren“, erklärte Matali. Yama blieb ihm eine Antwort schuldig. Er seufzte innerlich und tröstete sich mit dem Gedanken, dass er ihn und die Asura bald los sein würde. So unangenehm Matali dieser Auftrag auch war, so wusste er doch, dass es auch eine außergewöhnliche Gelegenheit war, denn außer im Kampf, war kaum ein Deva einem Asura zuvor so nahe gekommen, wie er in diesem Moment.

Neugierig fragte er: „Was habt Ihr und diese Asura auf Nirva gemacht? Es sah so aus, als hätte um das Feld eine Schlacht stattgefunden.“

Yama warf ihm einen Seitenblick zu, bevor er widerwillig eine knappe Antwort gab: „Alles, was du darüber wissen musst, wird dir Indra später erklären.“

Es war wohl besser, Yama keine weiteren Fragen zu stellen, dachte Matali und schwieg. Er leitete den Sinkflug ein und sah, wie die Erdoberfläche rasch näherkam. Schnee wirbelte auf, als er den Transporter auf einer Waldlichtung landete, die sich in der Nähe des nördlichen Tores zur Unterwelt befand.

„Wir sind da!“, sagte er, sprang auf und öffnete die Außenluke. „Das Schiff ist leicht phasenverschoben. Falls sich Menschen in der Nähe befinden, werden sie uns nicht sehen können.“ Sofort, nachdem er dies gesagt hatte, fragte sich Matali, ob Yama überhaupt verstand, was damit gemeint war.

Doch der Herr der Asura ließ das nicht erkennen. Unbeeindruckt wandte er sich an die Dämonen und befahl: „Ihr begebt euch unverzüglich zum Nordtor und kehrt ohne Umwege in die Unterwelt zurück.“

Beinahe geordnet kamen die Asura dem Befehl nach und verließen das Schiff. „Und was jetzt?“, fragte Matali, während er ihnen nachsah.

„Jetzt, warten wir.“

Harkandas

Ich flog, so schnell ich konnte, auf den Dschungel zu, wie es mir mein Herr aufgetragen hatte. Kurz vor der Baumgrenze landete ich, drehte mich um und sah, gerade noch rechtzeitig, wie das Himmelsschiff die Wolken durchbrach und langsam dahinter verschwand. Meine Brüder kamen auf mich zu gerannt und würden bald zu mir aufschließen. Ich wandte mich von ihnen ab, um einige Schritte auf das Blättergewirr zuzugehen.

„Halt!“, rief vor mir plötzlich eine Stimme. Eine Naga, vermutete ich, doch konnte ich sie nirgends entdecken. Erst als sie sich bewegte erkannte ich die Umrisse der Gestalt, die sich jetzt langsam aus dem Grün der Umgebung löste. Stand ich nur dieser einen gegenüber oder beobachteten mich noch weitere dieser Schlangenfrauen von mir unbemerkt? Nervös begann meine Substanz zu vibrieren. Mir erschien es ratsam Yamas Botschaft und seine Bitte, möglichst schnell zu überbringen. Ich sagte: „Ich verlange Assul!“

Die Naga spannte den Bogen. „Was?“, fragte sie. Ich hörte ein Rasseln. Gleichzeitig begriff ich, dass ich das Wort, das mein Herr mir genannt hatte, falsch ausgesprochen haben musste, doch ich konnte mich an seinen genauen Wortlaut nicht mehr erinnern. Deshalb versuchte ich es mit einer Erklärung: „Die Devas kommen. Sie dürfen uns auf dem Feld nicht entdecken. Wir müssen uns verstecken.“

Die Naga sah zu meinen Brüdern hinüber, um mich gleich darauf erneut zu fixieren. „Du willst also sagen, dass du für dich und die anderen Asura bei uns um Asyl bitten möchtest?“

Erleichtert bestätigte ich ihre Worte: „Ja, wir müssen uns im Dschungel verbergen, solange bis die Devas wieder fort sind.“

Die Naga ließ den Bogen sinken. „Also gut, ich werde euch an einen sicheren Ort bringen, an dem ihr fürs Erste bleiben könnt“, sagte sie und dann warteten wir schweigend darauf, dass meine Brüder zu uns aufschlossen.

Grade, als die Letzten bei mir eintrafen, erschien ein Himmelschiff am Horizont, das schnell näherkam. Auch die Naga schien es bemerkt zu haben, denn sie sagte: „Wir müssen uns jetzt beeilen. Kommt mir nach!“ Sie glitt auf einem schmalen, kaum erkennbaren Pfad davon.

„Folgt ihr“, befahl ich meinen Brüdern und achtete darauf, dass kein Einziger zurückblieb, bevor ich selbst als Letzter in das Dämmerlicht des Dschungeldickichts eintauchte. Viele meiner Brüder schlugen sich gewaltsam eine Schneise durch den Wald, obwohl es ihnen möglich war, sich noch durch die engsten Passagen zu zwängen. Äste barsten und knackten, überall um mich herum, während wir der Naga immer tiefer in das Labyrinth aus Grün hineinfolgten. Die Vielfalt und Üppigkeit dieses Ortes war mir bereits bekannt, doch für alle anderen war sie neu. Tierstimmen erklangen um uns herum und kleinere Tiere huschten durch das Blattwerk. Sie reizten meine Brüder, ihnen zu folgen. Es war schwer, sie auf dem engen Pfad zusammenzuhalten, deshalb war ich auch froh, als sich endlich eine Lichtung vor mir öffnete.

Die Naga wandte sich zu mir um. „Hier könnt ihr bleiben“, sagte sie. „Aber ihr dürft diesen Ort nicht verlassen, bis ich euch holen komme. Verhaltet euch in der Zwischenzeit möglichst ruhig.“

Ruhig? Ja, schön wäre es, wenn Asura sich ruhig verhalten würden. Doch dafür war die Umgebung viel zu abwechslungsreich. Lockend sangen Kreaturen in den Baumwipfeln. Hier raschelte etwas im Unterholz, dort kratzte ein Tier an einem Baumstamm und kreischende Affenhorden schwangen sich von Baum zu Baum. Nicht weit von mir entfernt, hörte ich wie ein Nager in den Fängen eines Raubtiers starb. Dabei stieß es einen hohen Pfeifton aus, bevor es endgültig verstummte. Bei so viel Ablenkung um sie herum halfen meine Ermahnungen wenig. Kaum hatte ich den einen zurechtgewiesen, schon begann der Nächste, den Kreaturen des Waldes nachzujagen. Sobald ich mich abwandte, fingen und töteten meine Brüder alles, was sie in ihrer Umgebung entdeckten. Mein Groll wuchs von Minute zu Minute und ich sehnte ich mich nach Abgeschiedenheit. Sehnsüchtig dachte ich an die Lichtung zurück, in der ich vor nicht allzu langer Zeit allein gelegen hatte, als ich unter dem Einfluss des Soma stand. Wie schön und friedlich war dieser Ort doch gewesen. Diese Art von Frieden kannten meine Brüder nicht und schon bald reichten meine Ermahnungen allein nicht mehr aus. Sie gehorchten einfach nicht. Als ich sah, wie einer meiner Artgenossen einem gefangenen Vogel die bunten Federn ausriss, stürzte ich mich wutentbrannt auf ihn. Kurz darauf sprang ich zwei Weitere an, die sich um ein größeres Huftier stritten und es dabei in zwei Teile rissen. Es entstand Tumult und Streit überall auf der Lichtung. Bäume ächzten und Äste brachen.

Da schrie eine Stimme direkt hinter mir: „Hört auf!“ Ich wirbelte zu dem Sprecher herum und stürzte mich auf ihn, dabei erkannte ich die Naga erst, als sie zu Boden fiel. Nur mit Mühe gelang es mir noch, den Schlag meiner Substanzklinge umzulenken. Mit voller Wucht schlug sie in den Waldboden ein und verfehlte sie nur um Haaresbreite. Der Wald geriet in Bewegung und mehrere Naga mit gespannten Bögen erschienen mit einem Mal auf der Lichtung. Wurde ich in eine Falle gelockt? Nein‘, schoss es mir durch den Kopf, ‚Ich habe eine der Ihren angegriffen. Sie sind gekommen, um sie zu verteidigen.‘ Auch wenn ich nicht wusste, woher diese Erkenntnis kam, so wusste ich doch, was ich jetzt tun musste. Ich richtete mich auf und wandte mich von der am Boden liegenden Naga ab, gleichzeitig zwang ich mich dazu, mich zu beruhigen. „Ich habe sie nicht verletzt!“, rief ich den anderen zu, dann wandte ich mich an meine Brüder und befahl: „Niemand von euch greift die Naga an!“ Zu meiner Erleichterung hörten sie diesmal auf mich und die Naga ließen ihre Pfeile nicht fliegen, doch zogen sie sich auch nicht zurück.

Inzwischen hatte sich die Schlangenfrau wieder aufgerichtet. „Ich habe gesagt, ihr solltet euch ruhig verhalten“, zischte sie mir zu.

Ich schwieg. Was sollte ich auch sagen? Ich wusste, ich hatte versagt. Mein Herr würde nicht mit mir zufrieden sein, falls er von diesem Vorfall erfuhr.

Die Naga musterte mich, dann schweifte ihr Blick zu der verwüsteten Lichtung hinüber. Schließlich sagte sie: „Die Devas sind abgezogen. Ihr könnt jetzt zum Feld zurückkehren. Das wollte ich dir mitteilen, bevor du mich angegriffen hast.“

Ich rief meine Brüder zu mir und dann folgten wir der Schlangenfrau den langen Pfad zurück, den wir gekommen waren.

Orb Ria

Orb sah dem Dimensionsschiff nach, bis es aus ihrer Sicht verschwand, und suchte dann den Horizont nach dem angekündigten Erkundungstrupp ab. Sie nagte dabei nervös an ihrer Unterlippe. Noch nie war sie eine gute Lügnerin gewesen und doch hing jetzt alles davon ab, eine möglichst überzeugende Geschichte zu erzählen. Auch wenn es ihr Gewissen belasten würde, war sie sich vollkommen sicher, dass es richtig war, in diesem Fall zu lügen. ‚Es ist für unsere Zukunft und für unser aller Wohl‘, dachte sie bei sich und versuchte so, ihr Vorhaben vor sich selbst zu rechtfertigen. Orb kniff die Augen zusammen und strich sich fahrig die Haare aus dem Gesicht, als sie am Horizont ein Gebilde entdeckte, das rasch näherkam. Kurz entschlossen machte sie kehrt und ging zu ihrem Schiff zurück. Es war Mittagszeit und was lag da näher, als sich Essen zuzubereiten, um so möglichst unbekümmert zu wirken.

Erst als der Transporter durch die heulenden Maschinen und die feuernden Düsen, nicht mehr zu überhören war, trat Orb wieder hinaus ins Freie. Dabei hielt sie einen Becher Tee in der einen und ein Stück Gebäck in der anderen Hand. Sie legte den Kopf in den Nacken und verfolgte in aller Ruhe, wie das trapezförmige Gebilde langsam tiefer sank und schließlich, nicht weit von ihr entfernt, landete. Ein beißend öliger Geruch ging von dem Intratransportschiff aus, das ganz offensichtlich schon bessere Tage gesehen hatte. Sie rümpfte die Nase, denn sie konnte diesen Geruch nicht ausstehen, der die lieblichen Düfte der Blumen und den harzigen Duft der Bäume nahezu überdeckte.

Die Außenluke öffnete sich mit einem deutlich vernehmbaren Zischen. Bläulich-weißes Licht fiel auf verbrannten Boden und die Augen der Besatzung weiteten sich erstaunt, als sie heraustraten und der Devi entgegensahen, die gelassen auf sie zuging.

Orb entdeckte einen unter ihnen, den sie kannte und begrüßte ihn freundlich: „Riva, welch eine Überraschung. Was bringt dich zu mir in diese abgelegene Gegend?“

Der Angesprochene machte ein verwirrtes und etwas säuerliches Gesicht. „Was machst du hier, Orb Ria?“

„Ich arbeite hier“, antwortete sie glatt und deutete hinter sich. „Auf diesem Feld züchte ich seltene modifizierte Pflanzen zu Versuchszwecken heran und dokumentiere ihren Entwicklungsverlauf.“

„Und die Asura?“, platzte es aus Riva heraus.

„Asura?“

„Na die von denen Ravu und ich gestern angegriffen worden sind, als wir mit einem Frachtschiff dieses Gebiet überflogen haben.“

„Davon weiß ich nichts. Ich habe die letzten drei Tage in Meru verbracht, um meine Familie und Freunde zu besuchen und ich bin erst heute Morgen hierher zurückgekehrt.“

Riva warf einen Blick über die verbrannte Ebene. „Aber man sieht doch deutliche Brandspuren und die aufgewühlte Erde deutet auf eine Schlacht hin.“

Orb nickte und sah besorgt drein. „Ja, das hat mich auch gewundert. Als ich das Feld verließ, waren diese Spuren noch nicht da. Doch, soweit ich weiß, gab es ein Unwetter in dieser Gegend. Ich nahm an, das Feuer wäre durch einen Blitz verursacht worden.“

Aufgeregt erzählte Riva: „Als wir gestern das Gebiet überflogen, konnten wir etwa fünfzig Asura aus der Luft erkennen. Einer von ihnen konnte sogar fliegen und hat unseren Transporter angegriffen“

Die Devi betrachtete Riva skeptisch. „Seit wann können Asura denn fliegen?“, fragte sie.

„Der eine konnte es. Beinahe wäre er sogar in unser Schiff eingedrungen. Am Rumpf unseres Frachters sind deutlich Kratzspuren zu erkennen.“

Ravu klopfte seinem Freund beruhigend auf die Schulter. „Lass gut sein, Riva. Was immer wir auch gesehen haben, ist jetzt fort.

„Fünfzig Dämonen können sich doch nicht einfach in Luft aufgelöst haben“, entgegnete Riva aufgebracht.

„Das ist wohl wahr“, bestätigte Orb und nickte ernst. „Warum befragt ihr nicht die Naga, zu diesem Geschehen? Wenn sich wirklich so viele Dämonen in dieser Gegend versteckt halten, wissen die Naga sicher darüber Bescheid.“

„Das ist eine gute Idee“, mische sich einer der Anderen aus der Gruppe ein. „Lasst uns zu diesen Schlangenweibern gehen und hören, was sie dazu zu sagen haben.“

Unter zustimmendem Gemurmel ließen sie Orb stehen und gingen in Richtung des Dschungels davon. Die Devi nippte an ihrem Tee und lächelte. Dann machte sie kehrt und ging zu ihrem Schiff zurück. Dort setzte sie sich in den Pilotensessel und wartete.

Eine Stunde verging, dann eine weitere und sie begann, unruhig zu werden. Erst am späten Nachmittag hörte sie endlich Rufe und Geräusche von draußen und trat aus ihrem Schiff hinaus ins Freie.

An den düsteren Mienen des Erkundungstrupps erkannte Orb sofort, dass die Nachforschungen offenbar ergebnislos geblieben waren. Trotzdem fragte sie: „Was haben die Naga gesagt? Muss ich mir Sorgen machen?“

Riva zuckte enttäuscht mit den Achseln. „Die Naga sagen, sie hätten seit dem Krieg keine Asura mehr in dieser Gegend gesichtet. Aber vor drei Tagen hätte die Ebene gebrannt, daher kämen die Brandspuren. Das Feuer hätte eine große Herde von Guruns vor sich hergetrieben, die panisch vor dem Feuer geflohen sind. Das wäre der Grund, weshalb die Erde so aufgewühlt wirkt. Aber verdammt noch mal …“ Riva brach ab, schüttelte den Kopf und sah Hilfe suchend seinen Freund Ravu an. „Ich weiß doch, was ich gesehen habe. Da waren Asura. Einer von ihnen konnte fliegen und hat uns angegriffen.“

„Lass gut sein, Riva“, entgegnete sein Begleiter. „Was immer das Schiff auch attackiert hat, ist jetzt nicht mehr hier.“

„Auf jeden Fall sind diese Ereignisse beunruhigend“, warf Orb ein. „In nächster Zeit werde ich die Augen offenhalten, und falls ich etwas Ungewöhnliches bemerke, werde ich Riva sofort darüber informieren.“ Sie sah von einem zum anderen.

„Du hast es gehört, Riva. Im Moment können wir nur wenig tun. Lass uns also nach Meru zurückfliegen.“

Riva seufzte resigniert und ließ den Kopf hängen. Schließlich nickte er zustimmend, drehte sich um und kehrte zum Schiff zurück, ohne sich noch einmal umzusehen. Die Anderen folgten.

Ein feines, zufriedenes Lächeln huschte über das Gesicht der Devi, als sie das Erkundungsschiff in der Ferne verschwinden sah. Sie nahm ihre Tafel zur Hand und gab eine Nachricht ein.

Matali

Die Zeit floss schwerfällig dahin. Yama saß neben ihm und starrte stur durch das Cockpitfenster auf die weiß verschneite Landschaft hinaus. So verging eine halbe Stunde, dann eine ganze. Ungeduldig trommelte Matali mit den Fingern auf das Pilotenpult. Ab und zu änderte er dabei seine Sitzposition und warf gelegentlich verstohlene Blicke zu seinem Gast hinüber, der beunruhigend ruhig und unbeweglich da saß. Die Stille, die sich im Inneren des Schiffes ausbreitete, wurde bald für ihn unerträglich. Er räusperte sich. Als darauf keine Reaktion erfolgte, sagte er: „Ich heiße übrigens Matali.“

Kaum wahrnehmbar wandte Yama sich ihm zu und betrachtete ihn von der Seite. „So?“, knurrte er. „Das macht nichts.“

Matali zwang sich, ruhig zu bleiben und unterdrückte seinen Ärger über diese respektlose Erwiderung.

‚Asura verstehen sich nun mal nicht auf höfliche Plaudereien‘, dachte er. Doch dann, ganz unerwartet, begann Yama eine Unterhaltung: „Diese verschneite Landschaft da draußen ist wunderschön. Ich weiß noch wie erstaunt ich war, als ich das ersten Mal Schnee sah. Er war in der Nacht vom Himmel gefallen und der nächste Morgen war genauso strahlend schön wie dieser. Überall glitzerten und funkelten Schneekristalle im hellen Sonnenlicht, die Welt wirkte verwandelt und wie verzaubert.“

Im ersten Moment wusste Matali nicht, was er darauf erwidern sollte. Zu sonderbar war es, diese Worte aus dem Mund eines Dämons zu hören. So entstand eine peinliche Pause, bevor er antwortete. „Nirvas Klima ist gemäßigter und wärmer, als das der Erde. Dennoch gibt es auch in unserer Welt Schneegebiete. An den Polen zum Beispiel und in Höhenlagen.“

„Ja, das weiß ich.“

„Ich liebe es durch den Schnee zu reiten“, gestand der Deva, ein verträumter Ausdruck trat dabei auf sein Gesicht.

„Worauf reitest du?“

„Bevorzugt auf Jalans, weil sie so schnell und wendig sind.“

„Jalans? Das sind große Laufvögel, nicht wahr?“

„Ja“, bestätigte Matali begeistert. „Ich liebe die Jagd, genauso wie die Wettrennen auf dem Rücken dieser Tiere. Kaum etwas ist aufregender, als das.“

„Hm.“ Yama wandte sich ihm zu. „Ich bin noch nie auf einem Tier geritten.“

„Wahrscheinlich würde ein Jalan in Panik geraten, wenn Ihr versuchen würdet, auf einem von ihnen zu reiten“, sagte Matali spontan und fürchtete sogleich, dass Yama seine Worte als Beleidigung auffassen könnte, doch der blieb gelassen.

„Mag sein“, sagte er nur.

Erneut entstand eine unangenehme Stille zwischen ihnen. Matali sprang auf. „Verdammt, wie lange dauert das denn noch?“

„Der Erkundungstrupp ist, nach einem kurzen Gespräch mit Orb, in Richtung des Dschungels aufgebrochen“, informierte ihn Yama. „Ich vermute, um mit den Naga zu sprechen.“

Erstaunt musterte der Deva ihn. „Woher wollt Ihr das wissen?“

„Ich habe Augen, an weit entfernten Orten“, erwiderte der Dämon geheimnisvoll. Er zwinkerte ihm mit seinen eigentümlich, blauen Augen zu. Matali durchfuhr ein absonderliches Gefühl, das er nicht genau zu benennen vermochte. Ihn schauderte. ‚Nicht zu fassen‘, dachte er.

‚Ich sitze hier, neben diesem Monster und plappere gedankenlosen Unsinn. Es wäre besser, meinen Mund zu halten.‘

„Plötzlich so still?“, fragte Yama und unterbrach so seinen Gedankengang. Matali musterte ihn. Die Gesichtszüge des Asura ließen nicht die kleinste Gefühlsregung erkennen, was das grauenvolle Tiergesicht noch furchtbarer machte. Es war ihm schlicht unmöglich, sein Gegenüber einzuschätzen.

Er ließ sich schwer in seinen Sessel zurückfallen. „Das dauert mir einfach zu lange“, sagte er schließlich.

„Hab Geduld, Freund von Indra.“ Die Lefzen der erschreckenden Fratze zogen sich nach oben zu einem grauenvollen Lächeln und entblößte dabei gefährlich spitze Zähne. Erneut sprang Matali auf, diesmal um möglichst viel Abstand zwischen sich und den Asura zu bringen. Er öffnete hektisch die Luke des Schiffes und trat ins Freie. Kalte Winterluft schlug ihm entgegen. Er füllte seine Lungen mit einem tiefen Atemzug und hörte, wie Yama hinter ihm ebenfalls hinaustrat.

„Ah! Was für eine gute Idee. Die Luft wurde langsam stickig dort drin.“ Der Asura entfaltete sich zur vollen Größe. Matali sah zu ihm auf und fühlte sich plötzlich klein und verletzlich.

‚Es besteht keine Gefahr‘, versuchte er sich zu

beruhigen. ‚Er wird mich nicht angreifen.‘

So als hätte Yama seine Gedanken erraten, sagte er: „Indra und ich sind Verbündete, daher besteht für dich kein Grund sich vor mir zu fürchten, Matali.“

Es war das erste Mal, das Yama ihn bei seinem Namen ansprach, er klang furchtbar falsch in seinen Ohren.

„Ich habe keine Angst“, widersprach Matali und erklärte dann mit einer ausholenden Geste: „Diese ganze Situation ist einfach nur ungewohnt für mich. Außer im Kampf bin ich einem Asura bisher noch nie so nahe gekommen.“

„So? Wenn dich das nervös macht, beruhigt es dich vielleicht, wenn ich dir versichere, dass ich kein Asura bin.“

‚Was sollte er sonst sein?‘, dachte Matali irritiert.

Ohne eine Antwort abzuwarten, fuhr Yama fort: „Ich verstehe, wenn du mir nicht glaubst. Zwar bin ich kein Deva, so wie du, dennoch bin ich ein Gott. Als Herr des Totenreichs richte ich über die Verstorbenen, so wie es einst Chitra vor mir tat. Gleichzeitig sind die Asura meinem Willen unterworfen.“

„Das ist nicht möglich!“

„Ach ja? Und warum nicht?“

„Als Totenrichter müsstet Ihr die menschliche Natur verstehen, dazu ist kein Asura fähig. Und Dämonen unterwerfen sich nur dem Willen des stärksten und mächtigsten Asura. Niemandem sonst würden sie gehorchen.“

„Das ist wohl wahr. Dennoch ist es so, wie ich sage. Ich bin gleichzeitig Totenrichter und Herr der unteren Welt, der ….“ Yama verstummte mitten im Satz. Sein Blick wurde glasig, dann sagte er: „Der Erkundungstrupp ist aus dem Dschungel zurückgekehrt. Sie sprechen gerade mit Orb. Jetzt wird es sicher nicht mehr lange dauern, bis wir die restlichen Asura abtransportieren können.“

Wie er das wissen konnte, blieb Matali ein Rätsel, doch die Aussicht diese unangenehme Situation bald hinter sich zu haben, besserte seine Laune merklich.

„Gut, dann bereite ich alles für den Start vor.“ Er wandte sich ab und kehrte in das Schiff zurück.

Yama folgte kurz darauf und nahm wieder im Sessel des Copiloten Platz. Wie zuvor schwieg sein unheimlicher Gast, worüber Matali insgeheim froh war. Zeit verstrich und Matali begann, erneut unruhig zu werden, da meldete sich seine und auch Yamas Tafel beinahe zeitgleich, mit lautem Piepen.

„Die Devas sind fort. Wir können los.“ Er startete die Triebwerke.

Wie zuvor landete er das Dimensionsschiff neben dem der Devi. Er öffnete die Luke. Yama sprang auf und trat, noch vor ihm, ins Freie. Matali folgte. Die Devi kam ihnen leichtfüßig, mit einem strahlenden Lächeln entgegen. „Sie sind weg und haben nichts herausgefunden“, verkündete sie. „Ich bin so froh.“

„Was hast du zu ihnen gesagt?“, fragte Yama.

Sie zuckte mit den Achseln. „Nicht viel. Ich habe mich dumm gestellt und erklärt, dass ich die letzten drei Tage nicht hier gewesen bin und erst heute Morgen wieder herkam. Was ja auch stimmt. Ich erzählte ihnen, dass ich bei meiner Ankunft heute Morgen die Gegend verbrannt und verwüstet vorgefunden habe und ich keine Ahnung hätte, was hier passiert ist. Dann habe ich ihnen vorgeschlagen, die Naga dazu zu befragen und die sagten ihnen, dass die Ebene vor drei Tagen gebrannt hätte und die Verwüstungen von einer Herde Guruns stamme, die vor dem Feuer flohen.“

„Wollten sie das Feld nicht sehen?“, erkundigte er sich. Orb schüttelte den Kopf.

„Besonders clever scheinen die ja nicht gewesen zu sein“, stellte Yama zufrieden fest.

In Matali flammte Ärger auf, doch er hielt es für klüger, sich aus der Unterhaltung rauszuhalten. Auch Orb Ria schien Yamas Äußerung nicht zu gefallen, denn sie sagte: „Sie hatten keinen Grund an meiner Aussage zu zweifeln. Ich bin eine Devi aus Meru. Wir Devas vertrauen einander und mir ist es nicht leicht gefallen, sie anzulügen.“

„Für meine unbedachten Worte entschuldige ich mich“, erwiderte der Dämon und deutete eine leichte Verbeugung an. So viel Höflichkeit hätte Matali einem Asura nicht zugetraut.

Orb schien besänftigt. „Jedenfalls bin ich froh, dass sie nicht gründlicher nachgeforscht haben.“

„In diesem Punkt sind wir uns einig.“ Yama sah über Orb hinweg zum Dschungel hinüber. Die Devi wandte sich daraufhin um und sah die Asura, die auf sie zukamen, nun ebenfalls.

„Gut“, bemerkte Yama. „Da kommen die restlichen Asura. Dann können wir sie gleich von hier fortschaffen.“

„Einige Naga sind bei ihnen“, bemerkte Matali.

„Ja, ich hoffe, sie kommen nicht, weil ihnen die Asura Ärger bereitet haben.“

Als der kleine Trupp näherkam, erkannt Matali an den ernsten Gesichtern der Schlagenfrauen, dass die Situation angespannt war. Eine Kriegerin glitt zielstrebig auf Yama zu. Mit kaum zu überhörender Wut sagte sie: „Wir haben Euren Dämonen Unterschlupf gewährt und sie vor den Devas versteckt. Doch sie haben die Lichtung vollkommen verwüstet. Außerdem haben sie Tiere eingefangen, gequält und getötet. Nur so zum Spaß. Und der da“, die Naga deutete empört auf den geflügelten Dämon, „hat eine der Unseren angegriffen.“

„Wurde die Naga verletzt?“, fragte Yama gelassen.

„Nur geringfügig. Aber …“

„Ich werde diesen Vorfall morgen mit Manassa klären, wenn ich ihr unsere Nachkommen bringe“, sagte Yama, dann wandte er sich von der Naga ab und ließ die Kriegerin stehen.

Nicht ein Wort der Entschuldigung kam über Yamas Lippen. ‚Natürlich nicht. Das beweist doch nur, dass er ein Asura ist, ganz egal, was er über sich selbst behauptet.‘ So viel Ignoranz machte Matali sprachlos.

Der Herr des Totenreichs hatte sich inzwischen an die Dämonen gewandt und befahl: „Geht in das Schiff! Sofort.“ Die Asura kamen dem Befehl augenblicklich nach, nur der geflügelte Dämon blieb zurück.

„Herr“, begann er. „Ihr dürft das Feld nicht allein der Devi und den Naga überlassen. Lasst mich hier bleiben.“

Das Grollen, das Yama ausstieß, spürte Matali tief in seiner Magengrube. Die Stimme Yamas klang ruhig, dennoch stellte sich bei ihm jedes einzelne Haar gleichzeitig auf, als er sprach: „Ich diskutiere nicht mit dir, Harkandas. Geh in das Schiff, und zwar sofort! Und sorg dafür, dass alle ruhig bleiben. Vielleicht gelingt dir diesmal das scheinbar Unmögliche.“

Der so angesprochene Dämon schrumpfte in sich zusammen. Seine Flügel zogen sich in den Körper zurück und, ohne noch einmal zu widersprechen, folgte er dem Befehl seines Herrn.

Danach wandte sich Yama ihm zu. „Auf geht’s, Matali“, sagte er. „Bringen wir’s zu Ende!“

Indra

„Sitz gerade und hör auf, mit den Fingern zu essen“, ermahnte Indra seine Tochter Surya, die hibbelig auf ihrem Stuhl saß und mit dem Essen spielte.

„Ich esse aber gern mit den Fingern“, widersprach sie.

Seine Frau Indrani, für die schlechte Tischsitten beinahe unerträglich waren, mischte sich in das Gespräch ein: „Nur Tiere essen mit den Fingern, bist du etwa ein Tier?“

Ihre Tochter blieb stur. „Das stimmt nicht“, widersprach sie. „Tiere benutzen nicht die Finger, die fressen mit dem Maul.“

Indrani seufzte und sah dabei tadelnd ihre Tochter an. „Sieh nur, wie fettig deine Hände sind. Du machst deine Kleider schmutzig. Das ist nicht angemessen für die Tochter des Königs.“

Indra schmunzelte. Surya konnte sicher niemand als brav oder wohlerzogen bezeichnen und dieser Umstand brachte seine Frau manchmal an den Rand der Verzweiflung. Kinder galten in ihrer Gesellschaft als göttliches Geschenk und waren höchst selten. Die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft lag bei einer Devi nahezu bei null. Das war der Preis, den sie für ihre Unsterblichkeit hatten zahlen müssen. Die Geburt seiner Tochter war ein Ereignis gewesen, das in hundert Jahre höchstens ein einziges Mal vorkam und sie war zur Zeit das einzige Devakind auf ganz Nirva.

Surya war ein selbstsicheres, aufgewecktes Kind, das ständig Fragen stellte und die von den Erwachsenen aufgestellten Grenzen anzweifelte. Indra war stolz auf seine eigenwillige Tochter. Denn seiner Meinung nach, war ein allzu braves, angepasstes Kind, das den Erwachsenen keine Schwierigkeiten bereitete, eher dumm oder zu ängstlich, um eigene Wege zu beschreiten.

„Erzählst du mir später eine Geschichte, Papa?“, fragte das Mädchen und sah dabei ihren Vater erwartungsvoll an.

Indra schüttelte bedauernd den Kopf. „Heute Abend nicht, Liebes. Ich warte auf Matali, mit dem ich einiges zu besprechen habe.“

„Darf ich dabei bleiben und zuhören, Papa?“

„Nein, was er mir zu erzählen hat, ist nichts für deine neugierigen Ohren.“

Surya legte ein Schmollgesicht auf. „Aber ich habe Matali schon ganz ewig nicht mehr gesehen“, sagte sie.

„Ich werde ihm sagen, dass du ihn vermisst“, versprach er. „Bestimmt kommt er dich gerne besuchen, an einem anderen Tag.“

Der Hauptgang wurde diskret von drei Apsaras abgetragen. Es folgten reich garnierte Kuchen und frisches Obst, das für sie in mundgerechte Stücke geschnitten worden war.

Indra stand auf. „Ich werde den Nachtisch ausfallen lassen“, entschuldigte er sich, „und mich jetzt in mein Arbeitszimmer zurückziehen, um dort auf Matali zu warten.“ Er gab seiner Frau einen Kuss und streichelte ihr über die Wange.

Surya sprang auf. „Geh noch nicht, Papa“, bat sie und umklammerte ihn an der Hüfte. „Matali ist doch noch gar nicht da.“

Er ging auf die Knie und sagte: „Ich denke aber, dass er bald kommen wird. Außerdem habe ich noch einiges zu tun.“ Er drückte sie kurz an sich und verließ danach den Speisesaal.

Als Matali das Zimmer betrat, stand Indra von seinem Schreibtisch auf und kam ihm zur Begrüßung entgegen.

„Du kommst später, als ich erwartet habe.“

„Ja“, bestätigte sein Freund und lächelte schräg. „Das Ganze war nicht so einfach, wie du es dir gedacht hast.“

„Man hat die Asura doch nicht etwa entdeckt?“

Matali verneinte. „Darum brauchst du dir keine Sorgen mehr zu machen. Ich habe alle zurückgebracht, so wie du es von mir verlangt hast. Kein Mitglied der Erkundungsexpedition hat einen Asura zu Gesicht bekommen, als sie dort eintrafen.“

„Gut.“ Indra war erleichtert. Er ging zu einer gemütlichen Sitzgruppe und setzte sich in einen Sessel. „Komm zu mir und erzähl“, forderte er Matali auf und sah ihn erwartungsvoll an.

Matali setzte sich dazu, lehnte sich zurück und schlug die Beine übereinander. Dann begann er mit seinem Bericht, während Indra aufmerksam zuhörte. „So, das war alles, was sich heute ereignet hat“, sagte er abschließend. „Und jetzt bist du dran, mein Freund. Erklär mir, wie die Asura nach Nirva kamen und warum du das vor allen Anderen geheim halten willst. Und was hat Orb Ria mit der ganzen Sache zu tun?“

„Hat dich niemand vor Ort darüber informiert?“, erkundigte sich Indra.

„Nein, mit Orb konnte ich nur kurz sprechen und Yama war wenig gesprächig. Als ich ihn zu der Sache befragte, meinte er, dass es deine Aufgabe wäre, mich in alles einzuweihen.“

Indra nickte nachdenklich. „Es war klug von ihm, mir das zu überlassen. Also gut, du, als mein Freund, hast ein Recht darauf, mehr zu erfahren. Doch zunächst werde ich uns etwas zu trinken holen.“ Er stand auf und ging zu einem Schrank hinüber, um gleich darauf mit zwei Gläsern und einer Flasche zurückzukehren. Mit einem guten Tropfen versorgt, lehnte er sich entspannt zurück und begann mit seiner Erzählung: „Vor einigen Monaten hat Yama mich um eine Audienz gebeten. Du erinnerst dich vielleicht? Wir waren gerade in der Trainingshalle, als sein Gesuch bei mir eintraf.“

„Ich erinnere mich“, bestätigte Matali. „Ich weiß noch, dass ich dich gefragt habe, ob ich dich zu dieser Audienz begleiten könnte. Ich war neugierig und wollte den Herrn des Totenreichs gerne kennenlernen.“

„Ganz genau.“

„Es gab doch einen Tumult an diesem Tag. Es hieß, Yama hätte die Wachen angegriffen und einen von ihnen schwer verletzt.“

„Auch das stimmt, aber das Ganze war nicht seine Schuld. Ich hatte den Audienzsaal verlassen und nicht bemerkt, dass er mir folgte. Seine Anwesenheit im Palast hat den stummen Alarm ausgelöst und die Wachen alarmiert. Sie haben ihn sofort angriffen, noch bevor ich eingreifen konnte. Er hat sich nur verteidigt. Doch viel wichtiger als dieser Vorfall war der Grund, weshalb er mich an diesem Tag zu sprechen wünschte.“

Indra machte eine kurze Pause und nippte an seinem Glas. „Ich mach es kurz“, sagte er dann. „Die Asura bringen Nachkommen hervor, die in der Unterwelt nicht überleben können. Sie sterben dort. Und genau aus diesem Grund hat Yama mich um Hilfe gebeten. Er war ratlos und konnte sich nicht erklären, was den Jungen fehlte. Auch ich hatte für dieses Problem keine Antwort, deshalb habe ich Orb Ria hinzugezogen.“

„Warum gerade sie?“, fragte Matali erstaunt. „Sie ist doch Botanikerin oder irre ich mich?“

„Ja, das stimmt“, bestätigte Indra und zog sein Amulett hervor. „Dieses Schmuckstück kennst du doch?“, fragte er.

„Natürlich, Indrani hat es dir geschenkt, am Tag eurer Hochzeit.“

„Richtig. Fällt dir daran etwas auf?“ Er legte das Amulett auf den Tisch und Matali beugte sich vor, um es genauer betrachten zu können.

„War in der Mitte nicht ein Somasamen eingefasst?“

„Ja“, bestätigte Indra. „Der junge Asura, den Yama zu der Audienz mitbrachte, hat mir das Amulett entrissen und ist damit aus dem Saal geflohen. Das war auch der Grund, warum ich den Raum so überstürzt verlassen habe. Das Hochzeitsgeschenk meiner Frau wollte ich ihm nicht überlassen. Ich bin dem jungen Asura also gefolgt, und Yama kam mir nach. Im Gang ließ es das Schmuckstück fallen, doch zuvor hatte es den Samen aus dem Amulett entfernt und an sich genommen. Damit ist es in den Palastgarten geflüchtet, wo wir es, nach dem Tumult mit den Devawachen, fanden.“

„Ich verstehe immer noch nicht, was das Ganze mit Orb Ria zu tun hat.“

„Als wir den jungen Asura im Garten fanden, hatte sich sein Erscheinungsbild vollkommen gewandelt. Es glich jetzt einer Pflanze, die ihr einzelnes schwarzes Blatt der Sonne entgegenreckte. Wir vermuteten deshalb, dass der Samen für die Entwicklung des Jungen von entscheidender Bedeutung sein musste und aus diesem Grund habe ich Orb Ria zu mir gebeten. Kurz und knapp, sie hat herausgefunden, dass zwischen den jungen Asura und dem Soma eine Symbiose besteht. Ohne einander können sie sich nicht entwickeln und das ist der Grund, weshalb der Somabaum auf Nirva ausstarb.“

Matali gab einen erstaunten Laut von sich. „Weil wir die Asura in die Unterwelt verbannt haben, gibt es keine Somabäume mehr?“

„Exakt“, bestätigte Indra.

„Aber davon müssen doch alle erfahren.“

Indra schüttelte den Kopf. „Ich fürchte, die Vorstellung würde vielen Devas nicht gefallen, da zwangsläufig mit dem Soma auch eine neue Generation Asura heranwächst.“

„Du meinst, auf diesem Feld?“

„Ja.“

„Als Botanikerin könnte Orb doch herausfinden, was genau es ist, das die Samen für ihr Wachstum von den Nachkommen der Asura brauchen. Und man könnte diese Bedingungen später künstlich herstellen.“

„Das war auch Orbs erster Gedanke.“ Indra sah seinen Freund ernst an. „Man sollte dabei aber bedenken, dass durch dieses Vorgehen die Asura früher oder später aussterben werden. Dafür möchte ich nicht verantwortlich sein. Wir Devas haben die Dämonen in die Unterwelt verbannt und jetzt wird offensichtlich, dass ihre Art dort auf Dauer nicht überleben kann. Wir sollten Verantwortung für unsere Handlungsweise übernehmen, doch ich kenne mein Volk nur zu gut und weiß sehr wohl, dass sie dazu nicht bereit sind.“