DES TEUFELS ZAUBERER (Die Ritter des Vatikan 12) - Rick Jones - E-Book

DES TEUFELS ZAUBERER (Die Ritter des Vatikan 12) E-Book

Rick Jones

0,0

Beschreibung

Sie sind Elitesoldaten der ganz besonderen Art, denn sie stehen allein im Dienste Gottes: DIE RITTER DES VATIKAN Als der Islamische Staat in Damaskus einen Kardinal entführt und Lösegeldforderungen stellt, entsendet der Vatikan ein Team aus Vatikanrittern, um diesen zu befreien. Doch die Rettungsaktion entpuppt sich als Hinterhalt und auch die Vatikanritter werden gefangengenommen. In seiner Verzweiflung wendet sich der Vatikan an den einzigen Mann, der ihnen noch helfen kann – Kimball Hayden. Obwohl dieser der Kirche den Rücken gekehrt hat, willigt er nach einigem Zögern ein, die Rettungsmission durchzuführen, jedoch auf seine Art, und stößt dabei auf einen perfiden Plan, dessen Spur bis in den Vatikan führt …

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 278

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Des Teufels Zauberer

Die Ritter des Vatikan – Band 12

Rick Jones

übersetzt von Peter Mehler

This Translation is published by arrangement with Rick Jones Title: THE DEVILS MAGICIAN. All rights reserved. First published 2019.

Impressum

überarbeitete Ausgabe Originaltitel: THE DEVILS MAGICIAN Copyright Gesamtausgabe © 2024 LUZIFER Verlag Cyprus Ltd. Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Cover: Michael Schubert Übersetzung: Peter Mehler Lektorat: Manfred Enderle

Dieses Buch wurde nach Dudenempfehlung (Stand 2024) lektoriert.

ISBN E-Book: 978-3-95835-750-1

Folgen Sie dem LUZIFER Verlag auf Facebook

Sollte es trotz sorgfältiger Erstellung bei diesem E-Book ein technisches Problem auf Ihrem Lesegerät geben, so freuen wir uns, wenn Sie uns dies per Mail an [email protected] melden und das Problem kurz schildern. Wir kümmern uns selbstverständlich umgehend um Ihr Anliegen.

Der LUZIFER Verlag verzichtet auf hartes DRM. Wir arbeiten mit einer modernen Wasserzeichen-Markierung in unseren digitalen Produkten, welche Ihnen keine technischen Hürden aufbürdet und ein bestmögliches Leseerlebnis erlaubt. Das illegale Kopieren dieses E-Books ist nicht erlaubt. Zuwiderhandlungen werden mithilfe der digitalen Signatur strafrechtlich verfolgt.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Inhaltsverzeichnis

Des Teufels Zauberer
Impressum
Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 43
Kapitel 44
Kapitel 45
Kapitel 46
Kapitel 47
Kapitel 48
Kapitel 49
Kapitel 50
Kapitel 51
Kapitel 52
Kapitel 53
Kapitel 54
Kapitel 55
Kapitel 56
Kapitel 57
Kapitel 58
Kapitel 59
Kapitel 60
Epilog
Über den Autor

Prolog

Vatikanisches Sprichwort

Es heißt, dass immer, wenn die Welt im Argen liegt, ein Mann aus den Schatten des Petersdoms treten wird, um sie wieder in Ordnung zu bringen.

Er ist der Priester, der kein Priester ist. Für die einen ein Engel, für andere ein Dämon.

Aber im Mittleren Osten ist er noch unter einem anderen Namen bekannt:

Kapitel 1

Pavia, Italien 31 Kilometer südlich von Mailand Zehn Tage zuvor

384.400 Kilometer vom Mond entfernt, in einem kleinen Schlafzimmer in Pavia, fiel kaltes Licht von der Oberfläche des Mondes durch das Fenster herein und erhellte die Konturen zweier Körper, die sich unter der Bettdecke versteckten. Hin und wieder regten sie sich, um ihre Position zu verändern, streckten einen Arm oder ein Bein von sich. Draußen strichen von einem starken Wind in Bewegung versetzte Äste gegen das Anwesen, ein kratzendes, schabendes Geräusch an den Mauerwänden, das dem unangenehmen Kratzen von Nägeln an einer Tafel glich.

Da Albierto ein leichter Schläfer war, drehte er sich schließlich auf den Rücken und starrte an die Decke. Dort huschten die Schatten der unheimlich im Mondlicht vor dem Fenster schwankenden Bäume entlang, vor und zurück, wie skelettartige Gliedmaßen, die einen seltsamen, makabren Tanz aufführten.

Seufzend drehte er sich zu seiner Frau, die schlief und dabei eine Schlafmaske trug. Ihr Mund war leicht geöffnet. Solange es auf diese Art stürmte, würde er nicht in den Schlaf zurückfinden, und im Geiste machte er sich eine Notiz, gleich am nächsten Morgen die Äste zu stutzen.

Er schlug die Bettdecke zurück und stellte seine beiden Füße auf den Boden. Vorsichtig, um seine Frau nicht zu stören, griff er nach seinem Morgenmantel, der an dem Bettpfosten hing, zog ihn sich über und verließ den Raum.

Der Boden unter seinen Füßen war kalt, die Fließen so glatt wie Eis.

Der Wind.

Die Äste.

Das Kratzen und Schaben.

Und dann Schritte, die nicht seine eigenen waren, gefolgt von weiteren. Und weiteren.

Im Dunkel des Wohnzimmers hob sich ein rabenschwarzer Schemen vom Hintergrund ab, ein eindimensionales Wesen, das über keine Konturen verfügte und nichts weiter als ein Umriss war.

Doch dort, wo sich seine Augen hätten befinden sollen, sah Albierto ein schwaches Funkeln, ein Aufflackern eines furchterregenden inneren Lichts, welches ihm verriet, dass dieser Mann, auf welche Weise auch immer, ein Todesbote sein würde. In seiner Hand befand sich etwas langes, spitz zulaufendes, ein Messer, welches sich spielerisch wieder und wieder in der Hand des Mannes drehte.

Albierto spürte, wie ihn die Panik ergriff. Er riss den Mund auf, brachte aber keinen Ton heraus.

Der Umriss fuhr damit fort, mit dem Messer zu spielen, ließ die Waffe immer wieder aufs Neue kreisen.

Aber dann hielt er inne.

Die Atmung des Eindringlings hallte angestrengt durch die Dunkelheit, als würde er an einem Beatmungsgerät hängen, und er blieb regungslos stehen, wie eine antike Statue.

Dann aber brach er aus der Dunkelheit. Der Schemen kam auf ihn zu, hob das Messer weit über seinen Kopf, und dann ließ er hinuntersausen, immer und immer wieder. Blut spritzte in alle Richtungen.

Hinein.

Hinaus.

Hinein.

Hinaus.

Hinein.

Hinaus.

Das Messer bohrte sich in Albierto und wurde wieder aus ihm herausgezogen, so lange, bis er offenen Mundes, als hätte ihn seine eigene Sterblichkeit überrascht, auf dem Boden liegen blieb und sein Blick sich trübte.

Der Eindringling, der schwärzer als die Schwärze der Nacht erschien, ließ das Messer fallen und begann mit der zweiten Phase seines Auftrags – mit der Jagd auf Albiertos Familienmitglieder.

***

Carmela hörte nicht, wie der Mann das Zimmer betrat.

Als er vor ihr stand, hielt er eine Spritze in der Hand.

Draußen strichen die Äste weiter über die Hauswände und ließen den Mann kurz einen Blick zum Fenster und danach zur Tür werfen, um sich zu vergewissern, auch wirklich allein zu sein.

Dann blickte er auf die Frau hinunter. Ihre Brust hob und senkte sich in einem gleichmäßigen Rhythmus. Nach einem leichten Druck auf den Kolben, der einen dünnen Strahl einer Flüssigkeit aus der Spritze aufsteigen ließ, um die Luftblasen aus der Spritze zu bekommen, beugte er sich wie ein dunkler Schatten über sie, presste ihr eine Hand auf den Mund und setzte sich auf sie.

Sie bäumte sich unter dem Gewicht des Mannes auf, konnte seine Knie spüren, die ihre Arme auf der Matratze festnagelten, und den Geruch von Blut an seiner Hand riechen, der an ein Schlachthaus erinnerte. Und dann sprach der Eindringling in einer Sprache zu ihr, die sie nicht verstand. Die Worte drangen leise, wie ein Flüstern zu ihr. Seine Stimme klang ruhig.

Und dann spürte sie den Stich einer Nadel an der Seite ihres Halses, die sie in einen tiefen, traumlosen Schlaf versetzen sollte. Sie kämpfte weiter gegen ihn an, wehrte sich, aber ihre Kräfte wichen. Und die ganze Zeit über sprach der Mann mit den gleichen ruhigen Worten zu ihr.

…Allahu Akbar …

…Allahu Akbar …

…Allahu Akbar …

Schließlich entschwand seine Stimme zu einem leisen Flüstern und sie glitt in die absolute Finsternis.

Kapitel 2

Die syrisch-katholische Kirche Damaskus, Syrien Eine Woche zuvor

Im November des Jahres 2016 ernannte Papst Johannes Paul II. den Bischof Baltasar Alnasseri zum Kardinal und erteilte ihm den Auftrag, als Botschafter des Vatikan in Syrien zu dienen. Da Kardinal Alnasseri noch keine achtzig Jahre alt war, war er damit berechtigt, einmal auch das höchste Amt der Vatikanstadt zu begleiten, sollte der Papst dahinscheiden und sein Zepter an einen Nachfolger übergeben müssen.

Das letzte Jahr über war Kardinal Alnasseri als Märtyrer Syriens bekannt geworden, der seinen Dienst in einem von Unruhen geschüttelten Land ohne Fehl und Tadel ausübte. Sein ungetrübter Wille, der Kirche zu dienen, hatte ihm den Respekt seiner Kardinalskollegen und damit auch eine große Bewunderung verschafft, die ihn nach kurzer Zeit an die Spitze der Preferiti katapultierte – der Anwärter auf das Papstamt, falls das nächste Konklave einberufen werden würde.

Alnasseri war oberflächlich betrachtet ein ruhiger Mann, der stets besonnen auftrat und mit gutem Beispiel voranging. Und obwohl er kein Mann vieler Worte war, erzeugte er immer eine gewisse Aura, in der er als Leuchtfeuer auf dem Weg ins Licht angesehen wurde. Er vereinte Würde, Macht und Vergebung – die drei Säulen göttlicher Stärke – in sich. Und obwohl er noch nie die Hand gegenüber jemand anderem erhoben hatte, war Kardinal Baltasar Alnasseri einer der mächtigsten Männer in Damaskus.

Nachdem sich die Türen der syrisch-katholischen Kirche an diesem Tag geschlossen hatten, die Gebete vor dem Altar gesprochen und die Kerzen in den Opferstöcken gelöscht worden waren, zog sich Kardinal Alnasseri für den Abend zurück.

Seine Unterkunft war eher spartanisch eingerichtet, mit einem einzelnen Bett, einem Nachttisch, einer Lampe, einem Schreibtisch und einem kleinen Buchregal für religiöse Schriften. Die Wände, obschon verputzt, waren an einigen Stellen aufgeplatzt und gaben den Blick auf sandfarbene Ziegelsteine darunter frei.

Alnasseri tauschte seine Kluft als Botschafter gegen ein Schlafgewand aus, sank vor einem an der Wand hängenden Kreuz in die Knie, faltete die Hände und betete. Als er damit fertig war, griff er nach der Lampe auf seinem Nachttisch, zog an der Kette und löschte das Licht.

***

Sie waren dunkler als die Schatten, die sie umringten – drei Umrisse, schwärzer als die Nacht, die durch den Hauptgang der syrisch-katholischen Kirche huschten.

Der silberne Schein eines Halbmondes fiel durch das Glas über den Buntglasfenstern und warf ein schwaches Licht in den Gang, der die Bankreihen voneinander trennte. Sie waren schnell und huschten zielstrebig durch das Halbdunkel, bis sie an den Altar gelangten, dann weiter in den Altarraum. Ihre Schritte waren nicht zu hören, auch dann nicht, als sie den Innenhof erreichten, der die Kirche von dem Pfarrhaus trennte.

Auf dem Hof befanden sich mehrere säuberlich zurechtgeschnittene Palästinaeichen, genug, um ihnen ausreichend Deckung zu bieten. Die Nacht war still, und über ihnen breiteten sich die Sterne am Himmel aus wie über schwarzem Samt verstreute Diamanten.

Gemeinsam und wie eine Einheit hasteten sie weiter.

Als sie die Stufen in das Pfarrhaus erreichten, bemerkten sie eine Wache, die hinter der Glastür postiert war. Der Mann saß auf einem Stuhl und las in der Qasioun, einer syrischen Zeitung.

Einer der Umrisse in der Dunkelheit gab ein Zeichen und deutete zuerst auf einen bestimmten Mann in der Gruppe und dann auf den Wachmann. Die Botschaft war eindeutig. Der Attentäter zog lautlos ein Messer aus seiner Scheide, welches mit einer mattschwarzen Lackierung versehen war, um der Farbe der Nacht zu entsprechen, und begann, langsam die Stufen hinaufzusteigen. Während der Wachmann eine Seite umblätterte, nahm der Attentäter Stufe um Stufe und setzte dabei auf die Unaufmerksamkeit des Wachpostens.

Der Killer ließ das Messer in der einen Hand kreisen, griff mit der anderen nach der Türklinke, drückte sie langsam hinunter und schob die Tür nach innen auf. Dann huschte er hinein, schloss zu dem Wachmann auf und schlitzte als Erstes mit einem Hieb die Zeitung von einer Ecke zur anderen auf, womit er sich dem Mann zu erkennen gab, bevor er die Klinge quer über dessen Hals zog. Die Spitze des Messers bohrte sich tief hinein und durchtrennte die Stimmbänder, bevor der Wächter auch nur einen Laut von sich geben konnte. Mit einem grässlichen, gurgelnden Geräusch riss er die Hände nach oben, um die Blutung zu stoppen. Seine Augen flackerten mit der Gewissheit, dem Tode nahe zu sein, und vom Rand seines Blickfeldes wuchsen Ringe nach innen, erst violett, dann schwarz, bis sein Augenlicht mit dem Anblick seines Mörders endgültig erlosch. Dann war er tot, sackte zu Boden, und sein Blut breitete sich auf dem Schiefer unter ihm in einem beinahe perfekten Heiligenschein aus.

Der Attentäter blieb regungslos stehen und lauschte. Nichts war zu hören. Dann winkte er seinen Teammitgliedern zu, ihm zu folgen. Als sie sich in die Gänge des Pfarrhauses begaben, fanden sie diese finster und mit langen Schatten vor.

Irgendwo hinter einer geschlossenen Tür war ein gedämpftes Husten zu vernehmen.

Der Anführer hob die Hand, um sein Team anzuhalten, wartete, aber danach war nichts weiter als Stille zu hören. Trotzdem verging eine lange Pause, bis sich die Männer wieder in Bewegung setzten.

Zwei der Attentäter huschten den linken Teil des Korridors entlang, der Anführer den rechten, und nutzten die Schatten zu ihrem Vorteil.

Die Wände waren mit Bildern ehemaliger Geistlicher geschmückt; Priester, die sich als Boten Gottes ausgegeben hatten, obwohl sie – zumindest nach Ansicht des Anführers – nichts weiter als falsche Propheten gewesen waren.

Als sie den Korridor erreichten, in dem sich die Schlafquartiere befanden, suchten die Attentäter eine Tür nach der anderen ab. In den ersten beiden Räumen befanden sich Geistliche syrischer Abstammung. Ihr christlicher Glaube galt in den Augen Allahs als Blasphemie, weshalb sie beide von den Messern der Attentäter für diese Schmach bestraft wurden. Im dritten Raum aber, der genauso spartanisch wie die beiden anderen eingerichtet war, lag der Mann, nach dem sie suchten.

Der Anführer zündete in der Dunkelheit ein Streichholz und mit diesem einige Kerzen auf dem Opferstock an. Ihr Schein war schwach, genügte aber, um ein Licht auf die Eindringlinge zu werfen.

Baltasar Alnasseri stemmte sich mit den Ellenbogen von seiner Matratze ab und schien benommen und desorientiert beim Anblick der seltsam und mit Kopftüchern bekleideten Männer. Im Halbdunkel seiner Kammer konnte Kardinal Alnasseri sehen, wie das Licht der Kerzenflammen von ihren Augen wie von Spiegeln reflektiert wurde.

Dann fragte der Attentäter, der in der Mitte des Raumes stand und mit seiner Messerspitze auf den Priester deutete: »Sie sind Kardinal Baltasar Alnasseri, nicht wahr?«

Der Kardinal antwortete nicht, konnte nicht antworten, denn er war vor Schreck wie gelähmt.

Der Attentäter wiederholte seine Frage. »Sie sind Kardinal, Baltasar Alnasseri, nicht wahr?« Dann ließ er die scharfe Klinge seines Messers aufblitzen. »Ich werde nicht noch einmal fragen.«

Der Kardinal nickte, bevor er antwortete: »Ja, das bin ich.«

»Dann geben Sie vor, Gottes Willen zu verkünden, indem Sie sich als falscher Prophet ausgeben?«

»Was hat das alles zu bedeuten?«

Der Attentäter gab seinen Männern ein Zeichen, welche sofort reagierten und Kardinal Alnasseri von seinem Bett zogen. Der Kardinal leistete nur wenig Widerstand, denn die beiden Männer hielten ihn sehr fest.

Dann brachte der Anführer sein Gesicht bis auf wenige Zentimeter an das von Kardinal Alnasseri heran, und die beiden Männer musterten einander eingehend. »In Syrien«, sagte der Anführer, »ist das Wort Allahs Gesetz. In Damaskus stellt das Christentum nichts weiter als ein Krebsgeschwür für den muslimischen Glauben dar, was Sie, Kardinal Alnasseri, zu einem Verräter der Wahrhaftigkeit macht.«

»Was wollen Sie von mir?«

»An Ihnen bin ich nicht interessiert, falscher Prophet, sondern an Ihrem Wert für die Kirche.«

Und dann wurde Kardinal Alnasseri alles klar. Er wurde entführt, um dann gegen ein Lösegeld ausgetauscht zu werden, mit dem die ISIS ihre weiteren Ziele verfolgen konnte. »Ich bin also Ihr Gefangener«, sagte er, was eher eine Feststellung als eine Frage war. »Und was wird geschehen, wenn der Vatikan Ihre Forderungen erfüllt? … Werden Sie mich dann töten?«

Die Flammen tanzten weiter in den Augen des Attentäters, der Mann aber schwieg.

Der Kardinal seufzte. »Ich verstehe«, sagte er schließlich.

»Sie verstehen gar nichts«, lautete die Antwort des Attentäters. »Sie sind blind, wie jeder andere Ihrer Art.« Der Anführer trat einen Schritt zurück und gab seinen Kameraden erneut ein Zeichen. »Macht schnell«, befahl er.

Der Kardinal wurde in die Knie gezwungen und dann nach unten gedrückt, bis seine Lippen beinahe den Boden berührten. »Was tun Sie da?«, fragte er ängstlich.

Jemand packte seinen Arm und schob seinen Ärmel hoch, dann spürte der Kardinal einen kurzen Stich in seinen Trizeps, als sich die Spitze einer Nadel hineinbohrte. Dann begann sich die Welt um ihn herum zu drehen und er fiel zur Seite. Drei Männer standen über ihm, jeder von ihnen nur ein Schattenriss vor dem Flackern der Kerzen, dunkel und bedrohlich. Einer der Männer hielt eine Spritze in der Hand. Dann zog sich das Sichtfeld des Kardinals immer weiter bis auf Stecknadelkopfgröße zusammen. Der Kardinal reckte seinen Entführern die Hand entgegen, auch wenn er nicht wusste, wieso. Vielleicht war es ein Flehen, der natürliche Trieb, um Hilfe zu bitten, wenn man zu schwach war, um für sein eigenes Überleben zu kämpfen. Dann fiel seine Hand kraftlos hinunter, seine Atmung wurde flacher. Die schattenhaften Umrisse vor den Flammen wurden immer größer und die sich ausbreitende Dunkelheit verdrängte das Licht.

Am Ende, als seine Entführer zusammen mit dem Licht der brennenden Dochte verschwanden, wurde Kardinal Baltasar Alnasseri von einer absoluten Schwärze umfangen.

Kapitel 3

Damaskus, Syrien Fünf Tage zuvor

Sechzehn Kilometer südlich der syrisch-katholischen Kirche begab sich ein Team der Vatikanritter, angeführt von Leviticus und Jesaja, vor einem Gebäude in Stellung, welches Geheimdienstinformationen zufolge ein ISIS-Stützpunkt war und in dem vermutlich Kardinal Baltasar Alnasseri gefangen gehalten wurde.

Einen Tag nach der Gefangennahme des Kardinals war der Heilige Stuhl über die Ermordung der Geistlichen in dem Pfarrhaus informiert worden, zusammen mit Aufnahmen von Kardinal Alnasseri in schlechter Qualität. Das Video war mit einem alles andere als herausragenden Handy gemacht worden und daher sehr dunkel und grobkörnig.

Der Entführer sprach zuerst auf Arabisch, dann auf Englisch und schließlich auf Italienisch. Die Forderung war simpel: Der Vatikan sollte ein Lösegeld von zehn Millionen Dollar in Kryptowährungen entrichten und diese über einen Kontakt in Damaskus transferieren. Aber da wenig Vertrauen zwischen dem Papst und den Anführern der ISIS bestand, sträubte sich der Vatikan, dieser Forderung nachzukommen, und gab vor, mehr Zeit für die Beschaffung der Summe zu benötigen, obwohl sie diese Zeit vielmehr dafür benötigten, eine Rettungsmission zu planen.

Die Mitglieder des Islamischen Staates stellten ihnen daher ein Ultimatum: sechs Tage und keine Sekunde länger, was für die Vatikanritter fünf Tage bedeutete, um eine Strategie zu entwickeln und durchzuführen.

Aber die Forderungen des Islamischen Staates kamen nicht ohne weitere Bedingungen: Jegliche Schritte des Vatikan, die über die reine Übermittlung der geforderten Kryptowährungssumme hinausgingen, würden den sofortigen Tod des Kardinals nach sich ziehen. Es würde keine Verhandlungen oder Diskussionen über den Zeitrahmen geben. Auf diese Weise war eine klare Linie gezogen worden, in Erwartung, dass man alle Forderungen genauestens befolgen würde.

Der Vatikan aber hatte andere Pläne. Und da Kardinal Alnasseri für die Kirche von großem Wert war, beschloss Papst Johannes Paul II. zusammen mit dem Rat der sieben – jene Männer, die zu den vertrauenswürdigsten Kardinälen des Papstes gehörten – die Ritter des Vatikan noch vor Ablauf dieses Ultimatums zum Einsatz zu bringen.

Mithilfe des SIVs, dem vatikanischen Geheimdienst, nahmen sie die technischen Möglichkeiten geostationärer Satelliten über Syrien und Damaskus in Anspruch. Unter Verwendung einer Gesichtserkennungssoftware und trotz der Tatsache, dass die Entführer einen Großteil ihrer Gesichtszüge verhüllten, gelang es ihnen, mit einer 97%igen Wahrscheinlichkeit herauszufinden, dass es sich bei dem Entführer um ein hochrangiges Mitglied der ISIS und geborenen Syrer handelte. Sein Name war Hassan Maloof. Er galt als einer der wichtigsten Moneymaker der Organisation, verkaufte Öl und gestohlene Antiquitäten auf dem Schwarzmarkt und arrangierte Entführungen hochrangiger Zielpersonen, um damit das Regime zu finanzieren. Doch obwohl die Organisation noch finanziell gut ausgestattet war, verloren sie aufgrund alliierter Eingriffe immer mehr Boden auf den Öl- und Antiquitätenmärkten und beschränkten sich daher immer mehr auf Entführungen als hauptsächliche Einnahmequelle. Und wo die ISIS früher noch Länder wie den Libanon, Irak oder Syrien in ihrem Würgegriff hielt, drängten die alliierten Kräfte sie nun immer weiter nach Süden zu Orten wie Damaskus zurück, der vielleicht letzten Bastion, die Ideologie der ISIS weiter aufrechterhalten zu können.

Unter Benutzung der Überwachungskameras, die überall in der Stadt verteilt waren, und der Unterstützung eines geheimen Informanten, war es dem SIV gelungen, sich in die örtlichen Mainframes zu hacken, dort ihre Gesichtserkennungssoftware aufzuspielen und auf diese Weise die Straßen von Damaskus nach Maloof zu durchkämmen. Es dauerte sechs Stunden, um Maloof zu orten und zu seinem Safehouse zu verfolgen, einer leer stehenden Lagerhalle am Stadtrand. Zwei Tage nach der Entführung von Kardinal Alnasseri und dem Aufspüren des ISIS-Kommandanten landete ein Team aus Vatikanrittern mit gefälschten Pässen auf dem Flughafen von Damaskus. Weniger als eine Stunde später hatten sie bereits im Schutz der Dunkelheit einen Perimeter um die Lagerhalle errichtet.

Das spärliche Licht des Halbmondes ließ sie erkennen, dass der Abstand von ihrer Position zu den Gebäudemauern noch sehr groß war.

»Das gefällt mir nicht«, flüsterte Jesaja. »Es gibt zu viel offenes Gelände zwischen uns und ihnen, und der Mond ist auch keine große Hilfe.«

Von einer erhöhten Böschung aus studierte Leviticus das Gelände und sah, wie der silberne Schein des Mondes von der Oberfläche reflektiert wurde. Ein Späher, weit genug oben auf den Mauern der Lagerhalle postiert, würde mit Leichtigkeit alles und jeden erkennen können, der versuchen würde, das Gelände zu überqueren. Das bereitete Leviticus Kopfzerbrechen. Dann wandte er sich an sein Lippenmikrofon. »Roman.«

»Was gibt's?«

»Kannst du irgendetwas südlich des Komplexes erkennen?«

»Bestätige«, meldete dieser. »Drei Zielpersonen. Zwei auf dem Dach und eine, die unter ihnen patrouilliert.«

»Bleib dran.«

»Verstanden.«

Dann funkte Leviticus Jeremias an, der die Westseite des Lagerhauses beobachtete. »Jeremias«, flüsterte er.

»Ich höre.«

»Gibt es auf deiner Seite Ziele?«

»Zwei«, antwortete Jeremias. »Beide stehen am Eingang und unterhalten sich.«

»Bleib auf Empfang.«

»Verstanden.«

Als Nächstes meldete er sich bei Ekklesiastes, der die Südseite observierte. »Ekklesiastes?«

»Auf meiner Seite ist niemand zu sehen«, antwortete dieser.

»Bereithalten.«

»Verstanden.«

Jesaja bemerkte, dass Leviticus an seiner Unterlippe kaute, was immer ein Zeichen dafür war, dass er besorgt war. »Du hast das Gefühl, dass da etwas nicht stimmt, oder?«

Leviticus nickte. »Und du?«

Jesaja blickte wieder zu dem Anwesen. »Ja«, sagte er gedehnt. »Irgendwas kommt mir seltsam vor. Ich kann nicht sagen, was es ist, aber …«

»Dein Bauchgefühl sagt es dir«, beendete Leviticus den Satz für ihn.

»Ganz genau.«

Sie starrten weiter von ihrer sandigen Anhöhe zu dem Gebäude, während Leviticus darüber nachdachte, wie sie verfahren sollten.

Insgesamt hatten sie es mit fünf Gegnern zu tun: zwei auf dem Dach und drei am Boden, dazu noch eine unbekannte Anzahl von möglichen Gegnern im Inneren der Lagerhalle. Der SIV hatte aufgrund der Informanten die Größe dieser Terrorzelle auf etwa ein Dutzend Männer bemessen können, womit noch sieben Gegner fehlten, und diese Schätzung war mit Vorsicht zu genießen. Dann suchte Leviticus das Gelände ab, das ihn und sein Team von der Anlage trennte, und das so karg und felsig wie der Mars wirkte.

Dann zog Leviticus wieder sein Mikrofon an seine Lippen. »Roman.«

»Ich höre.«

»Schalte die drei Ziele von deinem Aussichtspunkt aus.«

»Verstanden.«

Leviticus ließ das Mikrofon sinken und sah Jesaja an. »Jetzt heißt es warten.«

***

Roman war ein ausgezeichneter Schütze, ausgestattet mit einem M82-Barret-Scharfschützengewehr. Auf seinem Posten weniger als einen Kilometer entfernt stellte er sein Gewehr auf seinem Zweibein ab und nahm die Zielpersonen auf dem Dach ins Visier. Dann suchte und fand er schließlich auch die Zielperson am Boden und wechselte zwischen den Zielen wiederholt hin und her, um ein Gefühl für den Abstand zwischen ihnen zu bekommen.

Nachdem er sein Gewehr auf den vor der Halle auf und ab laufenden Mann angelegt hatte, folgte er mit ihm dem dunklen Umriss, der scheinbar sorglos seinen Patrouillengang absolvierte. Dann, als er einen Lichtkreis passierte, der von einer Glühbirne über einem verschlossenen Eingang auf den Boden geworfen wurde, nahm ihn Roman genauer ins Visier, verlangsamte seine Atmung und betätigte den Abzug.

Der Kopf der Zielperson zerplatzte wie eine Melone. Blut klatschte gegen die Wand des Gebäudes wie ein Gemälde von Pollock, wild und unbeschreiblich. Dann schaltete er sicherheitshalber auch die Glühbirne aus. Ein Schuss, und der Teil des Gebäudes, vor dem jetzt der Leichnam lag, versank in völliger Dunkelheit.

Dann richtete er den Lauf seiner Waffe auf das Dach. Zwei Zielpersonen. Beide blickten über das vom Mond erhellte Terrain, das viel zu hell für diese Art von Unterfangen schien. Roman richtete das Zentrum seines Fadenkreuzes auf die Körpermitte des Gegners, wohlwissend, dass dieser nicht ahnte, dass jeden Moment sein Leben ausgelöscht werden könnte.

Dann zog Roman den Abzug zurück.

Die Zielperson schien von einem unverhofften und unsichtbaren Schlag getroffen worden zu sein. Seine Hinterseite explodierte, sein Körper krümmte sich zusammen. Der Mann trat taumelnd einen Schritt nach rechts, dann nach links. Schließlich stürzte er über den Rand hinab, überschlug sich im Fallen, bis er schließlich von der tiefen Schwärze unter ihm unverhofft aufgehalten wurde.

Roman schwang seine Waffe auf die letzte Zielperson. Der Mann schien erkannt zu haben, dass etwas nicht stimmte, war aber unsicher und überquerte das Dach. Roman nahm ihn ins Visier und verfolgte ihn so lange, bis sich das rubinrote Kreuz seines Visiers auf einer Linie mit dessen Oberkörper befand, und drückte ab.

Die Kugel schlug in den Mann ein und riss ihn von den Beinen.

Roman ließ die Waffe sinken, tippte seinen Ohrhörer an und sprach in sein Lippenmikrofon: »Leviticus, die Zielpersonen wurden ausgeschaltet. Ich wiederhole, Zielpersonen wurden ausgeschaltet.«

»Verstanden.«

***

Damit blieben noch zwei Ziele, die sich beide in Jeremias' Zuständigkeitsbereich befanden.

»Jeremias«, meldete sich Leviticus.

Jeremias tippte sein Lippenmikrofon an. »Ja?«

»Roman hat gute Arbeit geleistet, jetzt bleiben nur noch zwei übrig. Brauchst du Verstärkung?«

»Negativ«, antwortete er. »Ich erledige das.«

»Verstanden.«

Jeremias, ein geübter Ritter des Vatikan, huschte wie ein Phantom in die Nacht, welches so lange unsichtbar bleiben würde, bis es zum explosiven Schlag ausholte.

***

Im Inneren des Lagerhauses saß ein Mann im Dunkeln. Er starrte in die leere Dunkelheit, die ihn wie eine Sicherheitsdecke umschlang. Seine Atmung war kontrolliert und ruhig, so als wäre er kurz davor, einzuschlafen, obwohl vielmehr das Gegenteil der Fall war. Das einzige Anzeichen dafür, dass er noch wach war, bestand aus einem gelegentlichen Kopfnicken. Es schien, als würde er über etwas nachdenken und gewissen Punkten einer inneren Unterhaltung zustimmen.

Nachdem es ein paar Mal an der Tür zu seiner Kammer geklopft hatte, öffnete sie sich weit genug, um einen fahlen Lichtschein in den Raum fallen zu lassen, der den Mann im Dunklen aber nicht erreichte.

Der Mann, der den Raum betrat, faltete die Hände vor sich und verbeugte sich untertänig. Hassan Maloof trug dieselbe Kleidung, die er auch in der Nacht der Kardinalsentführung getragen hatte. Nur sein Gesicht war nicht mehr verhüllt.

»Was gibt es?«, wollte der Mann in den Schatten wissen.

»Kommandant, Sie hatten absolut recht. Eine Einheit nähert sich dem Außenposten.«

Der Umriss verharrte regungslos wie eine Statue. »Und die Wachen?«

»Drei sind bereits tot. Zwei auf dem Dach und ein Wachmann, der am Boden patrouillierte.«

Der Umriss nickte. »Und die anderen beiden?«

»Sie bewachen weiterhin den Eingang.«

»Aus wie vielen Männern besteht die gegnerische Einheit, Hassan?«

»Wir konnten fünf ausfindig machen.«

»Fünf.« Der Mann ließ die Zahl wie eine Beleidigung klingen. »Nur fünf?«

»Mehr konnten wir nicht entdecken, Kommandant.«

»Nun«, antwortete der Umriss ruhig, »in den meisten Fällen genügen wohl fünf Vatikanritter, um einen Stützpunkt wie diesen einzunehmen.« Selbst in der Dunkelheit konnte Hassan Maloof erkennen, dass der Umriss ihn nun direkt anblickte. »Aber nicht heute, mein Freund … nicht heute.«

»Was wird aus den Männern am Eingang?«

»Märtyrer für unsere Sache«, lautete die sofortige Antwort. »Sie werden bald schon im Paradies sein.« Dann erhob sich der Umriss, die dunkle Silhouette eines Mannes, rabenschwarz, groß und schlank. »Gib den Truppen Bescheid, dass sie sich bereithalten sollen«, befahl er Hassan. »Der Zeitpunkt ist gekommen, um zu prüfen, wer die stärkeren Kämpfer sind und welcher Gott mächtiger ist. Gestatte den Vatikanrittern, das Nest der Spinne zu betreten.«

Hassan Maloof verbeugte sich als Zeichen seines Respekts. »Natürlich, Kommandant.« Dann war er verschwunden, und die Tür schloss sich hinter ihm. Und der Raum versank wieder in absoluter Finsternis.

***

Jeremias bewegte sich lautlos über das Gelände, huschte von Felsen zu Felsen und von Böschung zu Böschung. Die Landschaft bot ihm unter dem silbrigen Schein des Mondes ausreichend Schutz.

Weniger als fünfzig Meter von ihm entfernt unterhielten sich zwei Männer. Sie trugen die für die ISIS typische schwarze Kleidung und hielten Sturmgewehre in den Händen. Jeremias erkannte, dass deren Sorglosigkeit ihm nützen würde, denn sie schienen nicht mit einem Angriff zu rechnen.

Jeremias war flink und lautlos, und selbst im schwachen Mondlicht war er nichts weiter als ein Schemen oder Umriss, der über die Landschaft huschte.

Die Stimmen kamen näher, wurden lauter. Nachdem er sich sein eigenes Sturmgewehr auf den Rücken geschnallt hatte, griff Jeremias nach seinem Ka-Bar-Kampfmesser. Er zog es langsam aus der Scheide, wobei das Metall sanft über das Leder glitt, und packte es mit seiner behandschuhten Hand fest an seinem Griff.

Je näher er den Wachen kam, umso tiefer kauerte sich zusammen, und umso lauter wurden die Stimmen. Einer der Männer lachte sogar.

Ein Witz, dachte Jeremias. Aber das wird wohl sein letztes Lachen gewesen sein.

Der Vatikanritter war noch zehn Meter von ihnen entfernt.

Dann nur noch fünf.

Die Männer unterhielten sich und scherzten unter einem Lichtkegel, der von einer einzigen Glühbirne über dem Eingang stammte.

Noch drei Meter.

Zwei.

Und immer noch war der Vatikanritter praktisch unsichtbar.

Dann warf sich Jeremias wie das Raubtier, zu dem er geworden war, auf seine Gegner. Zuerst schlitzte er mit seinem Messer das Genick eines der Soldaten auf und durchtrennte dessen Muskeln. Der Mann sank in die Knie. Bevor der andere Gegner sein Gewehr heben konnte, holte Jeremias zu einer kreisförmigen Bewegung auf, schlitzte dem Mann die Kehle auf und unterband damit jegliche Versuche, um Hilfe zu rufen. Während der zweite Gegner nach seiner Wunde krallte und nach hinten umkippte, wirbelte Jeremias wieder zu dem Mann auf Knien herum und trieb ihm sein Ka-Bar von oben in den Schädel. Die Klinge bohrte sich senkrecht nach unten, bis sie an der weichen Unterseite seines Kinns wieder zum Vorschein kam. Danach zog Jeremias es wieder mit einem Ruck heraus. Der Terrorist war tot. Er drehte sich zu dem anderen Gegner um, der mittlerweile an der Tür lehnte, eine Hand an seiner Kehle, die andere nach dem Vatikanritter ausgestreckt. Der Mann würgte und ertrank an seinem eigenen Blut. Jeremias beschloss, seinem Leben ein schnelles und schmerzloses Ende zu bereiten, und bohrte ihm sein Messer in die Schläfe. Der Mann war sofort tot, als die Klinge das Gehirn durchschnitt.

Dann wischte Jeremias die Klinge ab, schob die Waffe in ihre Scheide zurück und zog sein Lippenmikrofon heran: »Leviticus.«

»Ich höre.«

»Alles gesichert.«

»Verstanden.«

***

»Roman.« Leviticus' Stimme.

»Wir sind auf dem Weg zum Haupteingang, um in den Palast einzudringen. Behalte uns im Auge und sorge dafür, dass die Luft rein ist.«

»Verstanden.«

Unter dem Licht eines Dreiviertelmondes hielt Roman die Position und blickte durch das Visier eines der tödlichsten Scharfschützengewehre der Welt.

***

Leviticus und Jesaja näherten sich von ihrer Position, Ekklesiastes von seiner, um schließlich am gleichen Punkt vor der Lagerhalle aufeinanderzutreffen. Ihre Waffen hielten sie auf Augenhöhe, bewegten sie unablässig in Halbkreisen hin und her und suchten mit ihnen das Gelände ab.

Als Leviticus und Jesaja den Eingang erreichten, stellten sie fest, dass Jeremias die beiden Leichen bereits in der Dunkelheit versteckt hatte. Einen Augenblick später stieß auch Ekklesiastes zu ihnen, der, nachdem er kurz gezielt hatte, den Abzug durchdrückte. Ein lautes Spuckgeräusch drang aus dem Schalldämpfer, dann erstarb die Glühbirne mit einem leisen Knall.

Jetzt befanden sie sich im Dunkeln.

Und die Dunkelheit war stets ihr Verbündeter.

Nachdem die Einheit ihre Nachtsichtgeräte aufgesetzt hatte, griff Leviticus nach dem Türknauf und fand die Tür unverschlossen vor. »Das ist zu einfach«, wisperte er in sein Lippenmikrofon und sprach dabei vielleicht mehr zu sich selbst als zu den anderen.

Die Tür schwang nach innen auf, dann betraten die Vatikanritter das Gebäude. Leviticus und Jesaja übernahmen die linke Seite, Jeremias und Ekklesiastes die rechte. Gemeinsam schwärmten sie mit schussbereiten Waffen aus.

Durch das Nachtsichtgerät erschien alles in einem Limettengrün, aber jede Kiste, Lampe oder Betonsäule in der weitläufigen Lagerhalle zeichnete sich darin deutlich ab.

Die Vatikanritter verteilten sich in gleichem Abstand zueinander, dann bewegten sie sich weiter voran, um die Halle schrittweise zu sichern, bis sie ihr hochrangiges Ziel gefunden haben würden.

Aber es waren keine Stimmen zu hören, keine entfernten Unterhaltungen. Nichts, das darauf schließen ließ, dass sich noch jemand anderes als die Ritter des Vatikan in dieser Lagerhalle befand. Vielleicht waren die Wachen nichts weiter als der Speck, der die Mäuse anlocken sollte, dachte Leviticus.

Nachdem sie die untere Etage gesichert hatten, gelangten sie an eine Treppe, die in den zweiten Stock hinaufführte. Laut den Informationen der SIV-Kontaktperson befand sich die Zielperson in einem Raum im zweiten Stockwerk. Aber in welchem der dreißig Räume, konnten sie nicht in Erfahrung bringen.

Sie nahmen die Treppenstufen lautlos und mit präzisen Bewegungen. Sie waren nichts weiter als schwarze Schemen, die sich wie ein Windhauch vorwärts bewegten.

Aber es waren immer noch keine Stimmen zu hören, keine Feinde, nichts, was darauf hindeutete, dass je jemand hier gewesen war, denn die Gänge schienen sauber und unbenutzt und die Korridore leer, soweit es über ihre Nachtsichtgeräte zu erkennen war.

»Da stimmt was nicht«, flüsterte Jesaja in sein Lippenmikrofon.

Leviticus nickte zustimmend. Die absolute Stille war für sich genommen schon ein Warnsignal. »Wir werden beobachtet«, sagte er schließlich. »Sie wissen, dass wir hier sind.«

»Man spürt es, nicht wahr?«, sagte Jesaja. »Ich habe beinahe das Gefühl, von ihren Blicken erdrückt zu werden.«

Dann befahl Leviticus Jeremias: »Bleibt zurück und behaltet die Treppe im Auge. Haltet uns den Rücken frei.«

Und an Jesaja gewandt, sagte er: »Ich gehe voraus. Du und Ekklesiastes folgt mir. Haltet die Augen offen. Was mir entgeht, entgeht euch dann nicht mehr.«