ZUM TÖTEN FREIGEGEBEN (Die Ritter des Vatikan 10) - Rick Jones - E-Book

ZUM TÖTEN FREIGEGEBEN (Die Ritter des Vatikan 10) E-Book

Rick Jones

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Beschreibung

Sie sind Elitesoldaten der ganz besonderen Art, denn sie stehen allein im Dienste Gottes: DIE RITTER DES VATIKAN Lange bevor Kimball Hayden zu einem Ritter des Vatikan wurde, arbeitete er als Elite-Auftragskiller für die amerikanische Regierung. Die hielt ihn für tot – bis er eines Tages im Fernsehen als Leibwache des amtierenden Papstes zu sehen ist. Sofort entsendet ein US-Senator ein Mordkommando der CIA nach Malta, wo sich Kimball befindet, um diesen auszuschalten. Kimballs treue Gefährten, die Vatikanritter, eilen ihm daraufhin zu Hilfe. Aber das Mordkommando hat noch einen weiteren, weitaus gefährlicheren Auftrag … Die CIA plant, in Malta einen Terroranschlag zu inszenieren, um eigene Truppen auf der Insel stationieren zu können. Die Bomben sollen auf dem Höhepunkt eines der größten Feste auf Malta gezündet werden. Die Uhr tickt – und Kimball und seine Vatikanritter müssen alles daran setzen, sich selbst und hunderte weitere Menschenleben zu retten …

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Zum Töten freigegeben

Die Ritter des Vatikan – Band 10

Rick Jones

 This Translation is published by arrangement with Rick Jones Title: TARGETED KILLING. All rights reserved. First published 2017.

Impressum

überarbeitete Ausgabe Originaltitel: TARGETED KILLING Copyright Gesamtausgabe © 2024 LUZIFER Verlag Cyprus Ltd. Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Cover: Michael Schubert Übersetzung: Peter Mehler Lektorat: Manfred Enderle

Dieses Buch wurde nach Dudenempfehlung (Stand 2024) lektoriert.

ISBN E-Book: 978-3-95835-672-6

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Inhaltsverzeichnis

Zum Töten freigegeben
Impressum
Prolog
Alte Hunde, alte Wunden
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Lazarus
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Lebende Tote
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Auf Messers Schneide
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 43
Kapitel 44
Kapitel 45
Kapitel 46
Kapitel 47
Kapitel 48
Kapitel 49
Kapitel 50
Kapitel 51
Kapitel 52
Kapitel 53
Kapitel 54
Kapitel 55
Kapitel 56
Kapitel 57
Kapitel 58
Kapitel 59
Kapitel 60
Kapitel 61
Kapitel 62
Kapitel 63
Kapitel 64
Kapitel 65
Der Mann in Schwarz
Kapitel 66
Epilog
Über den Autor

Gezielte Tötung – die vorsätzliche Ermordung eines Individuums durch eine staatliche Organisation oder Institution außerhalb einer Gerichtsbarkeit oder des Schlachtfeldes.

Prolog

Das Anwesen von Senator Cartwright, Washington. D.C. Einige Jahre zuvor

Senator Joseph Cartwright war immer schon ein äußerst ambitionierter Mann gewesen, dessen Arroganz im Senat häufig in Erscheinung trat. Und deshalb wusste er auch, dass irgendwann der Tag kommen würde, an dem er durch die Hand eines der Monster sterben würde, die er selbst geschaffen hatte.

Im Arbeitszimmer seines Anwesens ließ der Senator die Jalousien vor den gelegentlichen Blitzen des abendlichen Unwetters herunter und lief dann so schnell wie möglich zu seinem Schreibtisch zurück, um dort einige recht besondere Dossiers zusammenzulegen.

Es waren insgesamt acht, allesamt biografische Aufzeichnungen von Personen, die er zu einem einzigen, unaufhaltsamen Paket zusammengestellt hatte und die auf Abruf auf die Befehle der mächtigsten Männer dieses Landes warteten.

Hastig sammelte der Senator mit arthritischen Händen die Akten zusammen und hoffte, dass sein Tod den Anfang vom Ende von etwas bilden würde, das aus dem Ruder gelaufen war.

Während er sich mit geschlossenen Augen über die Akten beugte, spürte Senator Cartwright den Anflug von Reue, die ihn dafür plagte, geglaubt zu haben, er wäre unantastbar gewesen. Diese Arroganz hatte ihn zu weit getrieben, hatte ihn gewisse Würdenträger zu stark in die Enge treiben lassen, ohne sich um die ungeheure Macht zu sorgen, die diese besaßen.

Doch nun, da seine Amtszeit als Senator ein verfrühtes und tödliches Ende finden würde, bereute der Mann in der Rückschau seine Taten und wünschte sich, er hätte sich selbst davon abgehalten, jene herauszufordern, deren Zepter mehr Macht besaßen als seines.

Hinter den Jalousien seines Arbeitszimmers schlug ganz in der Nähe eine Reihe von Blitzen ein. Für einen kurzen Moment erhellte sich der Raum, dann erstarben die Lichter in den Winkeln und das Haus fiel in die Dunkelheit zurück, so tief und leer wie der Schlund eines Bohrloches.

Während sein Herz in einem unregelmäßigen Rhythmus in seiner Brust hämmerte, begriff der Senator, dass der Bund der Acht ihn holen würde.

Ihm blieben bestenfalls nur noch eine oder zwei Minuten.

Mit den Dossiers in seinen knorrigen Händen hockte sich der Senator hinter seinen Schreibtisch, lehnte seine Schulter gegen das Seitenteil des Tisches und drückte leicht dagegen. Das Panel glitt nach innen, dann nach oben und offenbarte ein kleines Geheimfach von der Größe eines Safes. Dort bewahrte er die unausgesprochenen Geheimnisse Anderer auf und hatte diese Informationen mehr als einmal als Druckmittel benutzt, um die Karrieren seiner politischen Gegner zu zerstören.

Nun würde er dieses Fach ein letztes Mal benutzen, in der Hoffnung, dass irgendwer diese Dossiers fand und sie dafür verwendete, den Bund der Acht und die Männer, die sie befehligten, zu zerschlagen.

Nachdem er die Akten darin abgelegt hatte, zog der Senator das Panel wieder an seinen ursprünglichen Ort zurück. Das Holz schloss so dicht ab, dass man den Spalt mit dem bloßen Auge kaum erkennen konnte.

Schwerfällig richtete er sich auf. Schmerzen begannen, sich in seiner Brust auszubreiten, bis sie ihm beinahe die Luft nahmen. Der Senator stützte sich mit seinen arthritischen Händen auf der Tischplatte ab.

Wo steckst du?

Hinter den Jalousien zuckte ein weiterer Blitz herab, ein kurzes und blendendes Aufflackern reinen Lichts, welches durch die Schlitze drang und eine Bewegung im Raum erahnen ließen.

Der Senator blieb stehen und wartete auf die Kugel, die sein Leben beenden würde.

Stattdessen traf ihn ein Schlag, nicht minder schmerzhaft als der Treffer einer Kugel. Es war die Stimme eines vorpubertären Jungen, der nach ihm rief. »Großvater?«

Oh nein!

Seine Angst hatte ihn seinen Enkelsohn vergessen lassen, die einzige verbliebene Verbindung zu seiner Blutlinie und seiner Familie. Wenn der Bund der Acht das Kind finden würde, würden sie es ohne Gnade ermorden – so sahen es die Protokolle vor, die er selbst erschaffen hatte.

Der Senator ging in die Hocke und streckte die Arme aus, in die der Junge lief. Er zog seinen Enkel fest an sich heran, streichelte ihn, wiederholte immer wieder die Worte: »Es tut mir so leid«, und schluchzte in das zerzauste Haar des Jungen.

»Großvater, hast du auch solche Angst vor dem Gewitter?«

Das Kind klang so unschuldig, dass die drohende Natur dessen, was bald geschehen würde, selbst die verdorbene Seele des Senators zu zerschmettern drohte.

»Es tut mir so leid«, flüsterte der Senator, während er sein Gesicht fest an den Kopf des Jungen presste. »Es tut … mir so leid.«

In diesem Moment erst erkannte er die Ähnlichkeit seiner Tochter und des Jungen. Das Kind besaß die Augen und Lippen seiner Mutter, wunderschön und trotzig. »Du siehst deiner Mutter so ähnlich«, ließ er ihn wissen. Oh, wie sehr wünschte ich, sie könnte hier sein, um dich heranwachsen zu sehen.

Zwei Jahre zuvor war seine Tochter an einem Bahndamm entlanggefahren, als ein betrunkener Fahrer durch eine Schranke gebrochen und in ihren Wagen gerast war. Sie starb noch im selben Moment, als ihr Körper durch die Wucht des Zusammenstoßes durch die Windschutzscheibe gebrochen war. Die Gerichtsmediziner hatten nicht genügend von ihr gefunden, um sich in einem offenen Sarg von ihr verabschieden zu können.

Das war das erste Mal im Leben des Senators gewesen, dass er sich völlig machtlos gefühlt hatte, die Geschehnisse nach seinem Willen umzuformen. Trotz seiner Befehlsgewalt wurde ihm schnell klar, dass auch seine Möglichkeiten begrenzt waren. Tote wieder zum Leben zu erwecken, gehörte nicht zu seinen Stärken, und diese schmerzhafte Lektion stutzte ihn wieder auf den Status eines Sterblichen mit all seinen Schwächen zurück.

Aber als ein Mann fester Überzeugungen, der er wahr, begrub er die Trauer um den Verlust seiner Tochter tief in seinem Inneren und konzentrierte sich wieder darauf, seine Macht zu vergrößern, bis er schließlich zu dem politischen Halbgott wurde, der ohne Konsequenzen über andere herrschte.

Bis heute.

Der alte Mann schloss die Augen und streichelte seinem Enkel liebevoll über den Rücken. Dann zwang er sich, einen gefassteren Anschein zu erwecken und zog den Jungen noch fester an sich heran, um sich seiner ungeteilten Aufmerksamkeit zu versichern. »Du musst mir jetzt ganz genau zuhören, Markie.«

Der Junge nickte.

»Ich will, dass du dir ein Versteck suchst«, erklärte er ihm. »Ich will, dass du dich vor den Blitzen und dem Donnern versteckst. Und ganz egal, was du auch siehst oder hörst – du darfst nicht aus deinem Versteck herauskommen. Ist das klar?«

»Großva…«

»Ist das klar, Markie?«

»Ja.« Der Junge war ganz offensichtlich verängstigt.

»Ich liebe dich, Markie, vergiss das nie. Ich liebe dich mehr als alles andere auf der Welt.« Dann wich er etwas zurück, bewunderte zum letzten Mal seinen Enkelsohn und fragte sich, was für ein Mann er geworden wäre, wenn man ihm noch mehr Lebenszeit geschenkt hätte.

Aus der Richtung des Eingangs drang ein Geräusch heran, zuerst das leise Klacken eines Riegels, der zurückgezogen wurde, gefolgt von dem unvermeidlichen Drehen des Türknaufs.

Der Senator dirigierte das Kind in den dunkelsten Winkel des Zimmers. »Schnell, Markie, versteck dich. Und komm nicht heraus.«

Während das Kind in die Schatten des Arbeitszimmers huschte, richtete sich der Senator mit steifen Gliedern auf und erwartete mit trotzig vorgerecktem Kinn das Unvermeidbare.

In diesem Moment schwang die Tür nach innen auf. Ein Blitz von draußen erhellte den gesamten Raum und das stakkatoartige Flackern zeigte einen leeren Türrahmen.

Der Senator schluckte. Seine Kehle war so trocken geworden wie altes Pergament.

Dann, und mit zitternder Stimme, die so gar nicht der eines souveränen Senators glich, rief er: »Zeigen Sie sich.«

Wie aufs Stichwort zuckte ein weiterer Blitz herab. Der Raum explodierte in einem grellen Licht erhellt und offenbarte den Bund der Acht.

Jeder der Elitesoldaten stand reglos wie eine griechische Statue vor ihm.

Jeder von ihnen verfügte über ganz besondere Fähigkeiten. Zusammen bildeten sie ein Mordkommando, welches den Senatoren und Joint Chiefs besser als die Force Elite bekannt war.

Sie standen in dem Raum verteilt, jeder der Soldaten ein perfektes Abbild des anderen, mit wächsernen Gesichtern und eiskaltem Blick.

Keiner von ihnen rührte sich. Niemand sprach.

Ihre Militärkleidung war schwarz und bestand aus unpolierten Stiefeln und einem schwarzen Barett, das die Insignien der Einheit trug – zwei gekreuzte Knochen unter einem grinsenden Schädel.

Meine Kinder …

Als das Licht erstarb, verschwand der Bund der Acht in der Dunkelheit.

»Wie könnt ihr mir das antun?« Der Senator wich einen Schritt zurück. »Ich habe euch erschaffen! Ich habe jeden Einzelnen von euch erschaffen!«

Draußen grollte ein lauter Donner, der jedoch schnell wieder einer unangenehmen Stille wich, die beinahe unendlich lang anzudauern schien.

Mit allem Mut, den der einst allmächtige Senator aufbringen konnte, rief Cartwright: »Ich verlange, dass ihr mir antwortet!«

Die Jalousien halfen nur wenig, um das grelle Licht auszusperren, welches das Arbeitszimmer mit einem weiteren spektakulären Blitz erhellte. In diesem kurzen Augenblick konnte der Senator das Gesicht seines Mörders nur wenige Zentimeter von seinem entfernt sehen, konnte den flachen Atem des Mannes auf seiner Haut spüren und die unendliche Leere in seinen Augen erblicken.

Weder hatte er gehört, wie sich der Attentäter ihm genähert hatte, noch hatte er bemerkt, dass die anderen den Raum verlassen hatten. Nun war er allein mit seinem Mörder.

»Wo sind die anderen?«, murmelte er. Seine Augen suchten das Zimmer ab. Wie war es möglich, dass der Bund der Acht den Raum so schnell und so leise wieder verlassen hatte, als wären sie nie hier gewesen?

»Sie kennen die Vorschriften«, erklärte ihm der Attentäter. »Sie suchen das Anwesen ab. Niemand wird verschont.«

»Dann werden sie enttäuscht werden«, antwortete der Senator, »denn außer mir ist niemand hier.«

»Da ist noch der Junge. Fünf Jahre alt.« Der Attentäter trug die Worte so kalt und mitleidslos vor, dass dem Senator klar wurde, dass die Männer ihre Mission bedingungslos ausführen und jeden umbringen würde, sogar ein Kind.

»Mein Enkel ist nicht hier«, antwortete er rasch.

Ein weiterer Blitz ließ ihn für eine Sekunde einen Blick in das Gesicht des Mannes erhaschen, welches ihn unbeeindruckt ansah. Seine Gesichtszüge waren jung, mit makelloser Haut, kantigen Wangenknochen und einer harten Kieferpartie. Er war groß, über einen Meter neunzig, und besaß die Statur eines Mannes, der seine Arm-, Schulter- und Brustmuskeln in vielen Stunden im Fitnessstudio trainiert hatte. Darüber hinaus war er als Mörder überaus begabt, und der Jüngste in seinem Team.

»Bitte«, flüsterte der Senator. »Ich habe Sie erschaffen. Ich habe das gesamte Team erschaffen. Ohne mich würde die Force Elite nicht existieren.«

In der Dunkelheit hörte der Senator, wie ein Kampfmesser langsam aus seiner Scheide gezogen wurde.

»Sie sind zu weit gegangen, Senator.«

»Und deshalb werden Sie mich jetzt richten?«

»Ich befolge einfach nur meine Befehle. Das wissen Sie … und Sie wissen auch, warum.«

Der Senator wich zurück und streckte dabei flehend die Hände aus. »Bitte, tun Sie meinem Enkel nichts«, flehte er aus tiefstem Herzen. »Ich bitte Sie nur, ihn gehen zu lassen.«

»Wenn ich das täte, würde ich meine Pflichten verletzen.«

»Er ist nur ein fünfjähriger Junge, verdammt!«

»Er ist zudem eine künftige Gefahr, die neutralisiert werden muss.«

Wieder flackerte der Raum auf. In den Händen des Mörders befand sich nun ein KA-BAR-Messer mit einer glatten Schneide auf der einen und einer schartigen auf der anderen Seite.

»Ich habe Sie entdeckt. Ich habe Sie zu dem gemacht, was Sie heute sind«, sagte der Senator. »Wollen Sie wirklich den Mann töten, der Sie zum Herzen des Bundes der Acht und zum Anführer der Force Elite machte?«

Der Attentäter schwieg. Stattdessen trat er einen weiteren Schritt auf den Senator zu, das Messer angriffsbereit in der Hand. Dann sagte er: »Als Zeichen meiner Dankbarkeit, Senator, werde ich es für Sie schnell machen.« Mit diesen Worten zog er das KA-BAR quer über die Kehle des Senators. Eine tiefe Wunde klaffte wie ein zweites, grauenerregendes Grinsen auf. In den anschließend folgenden Blitzen zeichnete sich das Blut tiefrot ab, während der Senator sich mit seiner knotigen Hand an den Hals krallte. Seine andere Hand fuhr durch die Dunkelheit auf der Suche nach der Tischkante. Seine Welt drehte sich in einem Mahlstrom sich immer weiter ausbreitender Schatten.

Als er die Kante zu fassen bekam, sank der Senator auf die Knie und fuhr mit seiner blutigen Hand über das versteckte Panel. Das geheime Fach zu markieren, war seine letzte Tat als Politiker, bevor er starb.

Während der Senator noch zu Füßen des Attentäters verblutete, machte sich dieser bereits daran, das Arbeitszimmer abzusuchen.

Jene biografischen Aufzeichnungen, das wusste er, mussten sich noch irgendwo hier befinden.

Das Kind hatte das Gespräch in sitzender Haltung in einem der Schränke zwischen den Buchregalen verfolgt, hatte gehört, wie sein Großvater um sein Leben gefleht hatte. Und dann hatte es auch die furchtbaren Geräusche eines Mannes gehört, der versuchte, durch seine aufgeschnittene Kehle zu atmen.

Kurz darauf ängstigte die plötzliche Stille den Jungen. Die Vorstellung, nicht zu wissen, was jenseits der Schranktüren geschah, brachte den Jungen dazu, entgegen der Warnung des alten Mannes nach seinem Großvater zu rufen.

Dann hörte er Schritte, leichtfüßig auf dem mit Teppich ausgelegten Boden. Die Schritte näherten sich dem Buchregal, der Schranktür.

Großvater?

Die Schranktüren um ihn herum öffneten und schlossen sich und brachten den Jungen dazu, seine Knie noch weiter an seine Brust zu ziehen. Doch der Versuch, sich auf diese Weise selbst zu schützen, war nutzlos, denn schließlich öffnete sich auch seine Tür.

Das Kind blickte über seine Knie hinweg. Seine Wangen schimmerten nass von den Tränen. Und seine kleine Brust hob und senkte sich unter Schluchzen.

Der Attentäter sah ihn für einen langen Moment lang nachdenklich an. Ihre Blicke trafen sich.

In dem grellweißen Licht, welches das Arbeitszimmer flutete, sah der Junge seinen Großvater zusammengesunken an der Seite des Schreibtisches lehnen, die Augen halb geschlossen, und die Vorderseite seines Hemdes schimmerte in der Röte eines kandierten Apfels. Der Attentäter folgte dem Blick des Jungen zu dem Senator. Dann wandte er sich wieder dem Kind zu.

In dem Schwertkampf, den sich die Blitze nun zu liefern und länger als gewöhnlich anzudauern schienen, betrachteten die beiden einander. In der Hand des Attentäters befand sich ein Messer, auf das der Junge seine ganze Aufmerksamkeit richtete. Und dann verstand er: das Messer, das blutgetränkte Hemd des Senators, der Mann mit der Waffe in der Hand.

Daraufhin schüttelte der Junge den Kopf wild hin und her.

In diesem Moment griff der Attentäter in den Schrank und legte seine Hand beruhigend auf den Kopf des Kindes. Dann strich er ihm sanft über die Wangen. Ohne ein weiteres Wort zu sagen, zog Kimball Hayden die Hand wieder zurück und schloss die Tür. Eine einfache Geste des Mitleids und der Absicht, mit den Vorschriften zu brechen und den Jungen am Leben zu lassen.

Kimball Hayden war dem Willen der Mitglieder des Senats und der Joint Chiefs gefolgt. Er war deren Marionette, mehr Maschine als Mensch. Er tötete, ohne dafür belangt zu werden. Und er tat es aus der Überzeugung, dass es für das Wohlergehen der Nation geschah. Aber in den folgenden Jahren sollte diese Tat ein Fadenkreuz auf Kimballs Rücken malen. Er hatte hochrangige Würdenträger auf Anordnung von Senatsmitgliedern getötet. Und da dieses Geheimnis vor einigen Politikern auf dem Capitol Hill verborgen bleiben musste, wurde Kimball rasch zu einem Sicherheitsrisiko, zu einem Mann, der zu viel wusste.

Deshalb wurden Vorkehrungen getroffen, dass diese Geheimoperationen auch genau das blieben: geheim. Kimball wurde auf einen Einsatz geschickt, von dem man annahm, dass er ihn nicht überleben würde. Kimball verschwand von der Frontlinie im Irak. Problem gelöst. Man hielt ihn für tot und setzte ihn zur Erleichterung der Befehlshaber der Force Elite posthum in Arlington bei.

Aber eines Tages sollte die Wahrheit ans Licht kommen. Kimball Hayden war nicht tot.

Und seine Vergangenheit sollte ihn einholen.

Teil I

Alte Hunde, alte Wunden

Kapitel 1

Vor zehn Tagen

Hart Senate Office Building, Washington, D.C.

Senator Jeffrey Rhames war ein übergewichtiger Mann mit teigigen Gesichtszügen und eng beieinanderstehenden Knopfaugen. Und weil er irgendwo einmal aufgeschnappt hatte, dass Schwarz einen dünner aussehen ließ, trug er nichts anderes mehr. Im Fall von Jeffrey Rhames aber war das ein Trugschluss, denn er war immer noch ein dicker Mann, egal, ob er nun Schwarz, Weiß oder irgendeine andere Farbe trug.

Einst war er ein grünschnäbliger Neuling gewesen, der seinen Aufstieg in die Ränge der Politik als Gouverneur von Colorado begonnen hatte. Seitdem hatte er mehr als drei Jahrzehnte damit zugebracht, zentimeterweise nach oben zu klettern, um schließlich einen Sitz im Senat zu ergattern.

Und nun gehörte er zu den mächtigsten Männern des Kongresses.

Er saß hinter seinem Schreibtisch des Hart Buildings in Washington, D.C., den stellvertretenden Direktoren der CIA gegenüber. Sie sprachen über einen gescheiterten Putsch in der Türkei und die sich daraus ergebenden Chancen.

»Die Beziehungen zwischen der Türkei und den Vereinigten Staaten sind im Moment allenfalls dürftig«, erklärte der Deputy Director. Sein Name war Hartlin. Er hatte dieses Amt seit fast einem Jahrzehnt inne. »Die Türkei verlangt von uns, einen Landsmann des alten Regimes auszuliefern, mit der Begründung, er wäre ein Helfershelfer in dem geplanten Putsch gewesen.«

Senator Rhames nickte. Ein alter Hut.

Hartlin fuhr fort. »Weil die Vereinigten Staaten nicht darauf reagierten und der Bitte der türkischen Regierung nicht nachkamen, sind unsere Beziehungen nun so angespannt …«

»… dass sie jederzeit reißen können«, beendete der Senator den Satz.

»Ganz genau.«

Die Türkei war das Tor für überprüfte Flüchtlinge, dem Konflikt in Syrien nach Europa zu entfliehen, und zudem ein starkes Mitglied der NATO-Streitkräfte, auch wenn sie hier eher die Rolle von Alliierten und weniger die von Freunden spielten. Aber diese Grenze begann nun zu bröckeln, und die derzeitigen Machthaber standen am Rand politischer Instabilität.

»Wenn die türkische Regierung weiter ihren Einfluss in der Region verliert«, erklärte Hartlin, »werden wir Stützpunkte in Angriffsreichweite des Mittleren Ostens errichten müssen.«

»Dem stimme ich zu«, sagte Rhames. »Dieser Umstand wurde schon länger als geheime Operation gehandelt. Die Frage lautet: Hat die CIA bereits einen geeigneten Standort gefunden?«

Der Executive Direktor nickte. »Das haben wir«, antwortete er. »Wir haben seit einiger Zeit Malta im Blick.«

Rhames kannte Malta gut – er war mehrere Male dort gewesen, liebte das Land und kannte sich mit seiner Geschichte aus, ganz besonders mit den es umgebenden Flugplätzen, die seit dem Zweiten Weltkrieg leer standen. Er wusste genau, worauf der Executive Director hinauswollte. Er hatte es auf die Flugfelder abgesehen, die etwa zweitausend Kilometer von der Türkei entfernt lagen und mit einer Spitzengeschwindigkeit von 1200 Meilen pro Stunde in unter einer Stunde Flugzeit erreicht werden konnten.

»Malta ist relativ unnachgiebig, was die Nutzung dieser Rollfelder für militärische Zwecke anbelangt«, bemerkte der Senator.

»Das ist richtig, das waren sie. Aber eine Reihe von Ereignissen könnte sie für die Öffnung wieder empfänglich machen, wenn es uns gelänge, in der nationalen Psyche ein Gefühl der Unsicherheit zu generieren«, sagte der Executive Director.

»Was schwebt Ihnen vor?«, fragte der Senator.

Der Deputy Director lehnte sich in seinem Sessel nach vorn, als würde er die Anwesenden in eine geheime Beratung einberufen. »Die in Malta vorherrschende Religion ist der Katholizismus. Das macht sie zu einem Hauptziel für terroristische Fraktionen. In drei Wochen wird Malta eine seiner jährlichen Festivitäten begehen, das Santa Marija.«

Der Senator nickte, was die Fleischberge unter seinem Kinn in Bewegung versetzte. »Fahren Sie fort.«

»Wir inszenieren einen Terroranschlag, um die innere Sicherheit zu beschädigen. Dann richten wir mit Hilfe der Presse den Finger auf die ISIS. Und da die ISIS sich mittlerweile zu jeder terroristischen Aktivität auf der ganzen Welt bekennt, nur um ihren Einfluss zu demonstrieren – ganz egal, ob sie nun darin involviert waren oder nicht – wäre auch Malta vor ihnen nicht immun.«

Senator Rhames begann, das größere Ganze zu erkennen. »Sie wollen also einen Bombenanschlag auf dem Höhepunkt des Festes fingieren … und die Schuld dann der ISIS zuschieben.«

»Das ist korrekt, Senator.«

»Und im Gegenzug«, fuhr Senator Rhames fort, »würden die Vereinigten Staaten künftig für die Sicherheit Maltas garantieren, solange man uns die Flugfelder überlässt.«

»Genau das ist unser Ziel, Sir. Die ISIS wird die Verantwortung für den Anschlag übernehmen, dessen sind wir uns sicher, und uns damit genau in die Hände spielen.«

Der Senator dachte darüber nach. »Das ist eine reine Geheimoperation, nicht wahr?«

Der Deputy Director nickte. »Und aus diesem Grund werden der Präsident und andere ranghohe Politiker auch nichts davon erfahren.«

»Ausgezeichnet.« Der Senator ließ sich in seinen Sessel zurücksinken und musterte die Kollegen der CIA. »Welchen Kollateralschäden sehen wir uns gegenüber?«, fragte er.

»Wenn wir in der Tradition der ISIS vorgehen, würde ich sagen irgendwo zwischen einhundert und zweihundert Todesopfer.«

»Das wäre ein maximaler Effekt.«

»Wir müssen dafür sorgen, dass die ISIS sich freiwillig zu dem Anschlag bekennt. Wenn der Blutzoll nur hoch genug ist und die Medien die ISIS verdächtigen, werden diese für alles die Verantwortung übernehmen.«

»Ich liebe Malta«, sagte der Senator. »Ich war einige Male dort. Aber die Welt befindet sich in einem derartigen Zustand des Verfalls, dass niemand mehr unverletzlich ist. Unglücklicherweise werden einige Menschen für das Erreichen eines größeren Ziels ihr Leben lassen müssen.« Der Senator tat so, als wäre er noch unentschlossen. Doch dann sagte er: »Sorgen Sie dafür. Zum Wohle unserer Nation … sorgen Sie dafür.«

»Nach dem Angriff werden die Vereinigten Staaten für Maltas Verteidigung zuständig sein«, sagte Hartlin. »Wenn wir erst diese Flugfelder besitzen, können wir eine Reihe von Smart Weapons ganz in der Nähe von Europa und dem Mittleren Osten stationieren. Es ist ein wasserdichter Plan.«

»Welcher uns in eine ganz außergewöhnlich gute Position bringt«, fügte der Senator hinzu. »Halten Sie mich über die Vorbereitungen des Anschlags auf dem Laufenden.«

»Natürlich, Senator.«

Als er sein Büro wieder für sich allein hatte, kam dem Senator ein Gedanke. Nur ein weiterer Schritt auf meinem Weg ins Präsidentenamt.

Senator Rhames rechnete sich gute Chancen dafür aus.

Kapitel 2

Washington, D.C.

Senator Rhames’ Heimfahrt war kurz. Er lebte in einer hochkarätigen Wohngegend westlich von Washington, D.C. Allein, seit seine Frau vor drei Jahren an Gebärmutterkrebs gestorben war, ein heftiger und schmerzhafter Tod, der ihm jedoch nicht allzu sehr zugesetzt hatte – waren die Leidenschaft und Liebe in ihrer Beziehung doch schon lange zuvor gestorben.

Er bewohnte ein luxuriöses Anwesen mit römischen Säulen und einem ausladenden Balkon, der auf den gepflegten Rasen und die Ziersträucher hinausblickte. Die Innenräume waren mit Walnussholz vertäfelt, und die stets funkelnden Bodenfliesen bestanden aus Marmor. In seiner Bibliothek fanden sich ganze Regalreihen voller Gesetzestexte und einige Taschenbücher. Und gegenüber der Regale befand sich eine moderne Ziegelwand mit einem Kamin. Darüber hing ein 70-Zoll-Flachbildfernseher.

Mit einem Hausanzug und einem Halstuch bekleidet saß er in einem Ohrensessel, hatte sich eine Pfeife angezündet, blies etwas Rauch in die Luft und widmete sich seinem geliebten Fernseher, wie so oft CNN. Der Sender berichtete von der letzten Etappe des Amerikabesuches von Papst Johannes Paul III. Er weilte gerade in New York, wo er zu den Massen sprach und ihnen erklärte, dass nur Vergebung der richtige Weg sei. Natürlich sprach er von den jüngsten Anschlägen auf den Vatikan und der Ermordung des letzten amtierenden Präsidenten.

Aber Rhames war alles andere als ein religiöser Mann. Er war ein reiner Politiker und weigerte sich, von religiösen Moralvorstellungen geleitet zu werden, ganz besonders in Krisenzeiten.

Als er gerade die Hand heben wollte, um mit der Fernbedienung den Sender zu wechseln, wäre ihm beinahe das Herz in der Brust stehen geblieben. Für wenige Sekunden glaubte er, einen Mann erblickt zu haben, den er für tot gehalten hatte.

Der Senator spielte mit der Aufzeichnung herum, spulte die betreffenden Bilder zurück und wieder ab und versuchte, sie an einem bestimmten Punkt anzuhalten, um die Identität des Mannes zu bestätigen. Er mühte sich und fluchte, weil die Einzelbilder entweder zu schnell vorbeiflogen oder sich zu langsam bewegten, bis er schließlich den entscheidenden Zeitpunkt fand.

Das Standbild zeigte eine Person aus dem Sicherheitsteam des Papstes, ein Gesicht, welches er seit Jahren nicht mehr gesehen hatte.

Der Mann war groß und kräftig, mit breiten Schultern und kantigen Gesichtszügen. Der Senator erhob sich langsam aus seinem Sessel, auch weil sein Körpergewicht schnelle Bewegungen unmöglich machte, und näherte sich dem Bildschirm.

Der Mann auf dem Bildschirm schien direkt auf den Senator hinabzublicken, und sein Gesicht wirkte wütend und rachsüchtig. Dann berührte der Senator mit seinen Fingerspitzen den Bildschirm und zog auf ihm das Gesicht des Mannes nach.

»Kimball Hayden«, flüsterte er. Dann trat er ein paar Schritte zurück und studierte ungläubig das Bild eingehender, als wollte er nicht wahrhaben, dass sein Albtraum nicht vor Jahren beendet worden war.

Sondern gerade erst begonnen hatte.

Er schloss die Augen und schüttelte den Kopf. »Du solltest tot sein«, sagte er sehr leise und in einer Art und Weise, als müsste er sich selbst von dieser so plötzlichen wie profanen Realität überzeugen.

… Du solltest tot sein …

Kapitel 3

Das Archiv des Pentagons, am nächsten Morgen

Das Archivgewölbe war ein mehrstöckiges unterirdisches Lagerhaus unter den Ringen des Pentagons mit einer mehr als drei Quadratmeilen großen Lagerfläche, in der sich Meilen von Regalen mit Kartons voller Geheiminformationen, versiegelten Dokumenten und Artefakten befanden, die von der Ermordung Kennedys bis zum Projekt »Blue Book« und darüber hinaus reichten.

In Etage 2, Sektion 3, Gang 74 lief ein Mann mit schwarzem Anzug und Krawatte, die einen starken Kontrast zu seinem weißen Hemd bildeten, mit hallenden Schritten den scheinbar endlosen Korridor entlang. Die Regale waren hoch, etwa neun Meter, und vollgepackt mit Kartons und Kisten, die sorgfältig nummeriert und katalogisiert worden waren.

Der Schatten des Mannes zerfloss und waberte unter dem Licht der Lampen, die von der Decke hingen. Jede der Lampen warf einen konischen Lichtkegel auf den Betonboden, die dort kreisrunde Lichtpunkte bildeten, die ihm den Weg wiesen.

Der Mann wusste genau, wonach er suchte: einen Karton.

Er sah auf seine Karte: Sektion 3, Gang 74.

Er befand sich bereits in Gang 74. Die Sektion 3 lag direkt vor ihm.

Der Mann begann, die oberen Regalreihen abzusuchen. Dort lagerten die größeren Kartons und Kisten, für die man einen Gabelstapler benötigte, um sie zu bewegen. Dann suchte er die mittleren und unteren Reihen nach der Nummer auf seiner Karte ab: 07104.

Die Regale waren präzise beschriftet, wie in einer Bibliothek. Jedes Dokument war an seinem Platz, und hier durfte man sich keinen Fehler leisten, denn jedes der Dokumente war streng geheim.

Da: Karton 07104

Der Mann fuhr mit den Fingern über die Ziffern auf dem Aufkleber, der vor langer Zeit auf den Karton geklebt worden war. Die Farbe des ursprünglich leuchtend orangefarbenen Aufklebers war ausgeblichen. 07104.

Er hob den Karton aus dem Regal, der erstaunlich leicht war, und stellte ihn auf dem Boden in der Mitte eines der Lichtkegel ab. Nachdem er den Deckel abgenommen und beiseitegelegt hatte, griff er nach einer Akte, etwa zweieinhalb Zentimeter dick, und zog sie heraus. Auch auf der Akte prangte die Zahl 07104, und darunter, in roten Buchstaben, die Erläuterung: TS GENEHMIGUNG ERFORDERLICH. SENSIBLE INFORMATIONEN.

TS stand für Top Secret – Streng geheim. So gekennzeichnete Unterlagen enthielten oft Informationen, die den höchsten Schutz erforderten, weil ihre Offenlegung die Sicherheit einer Nation gefährdet hätte. In diesem speziellen Fall die Vereinigten Staaten.

Der Mann schlug den Aktendeckel zurück.

Es war die Akte eines ganz besonderen Geheimsoldaten, der als Person ohne Vergangenheit ausgegeben wurde. Er besaß keine Sozialversicherungsnummer, keine Fingerabdrücke und keine Eltern oder irgendeinen anderen persönlichen Hintergrund. Es war ein Mann, den man eigens dafür erschaffen hatte, komplett unter dem Radar zu operieren, und das unter dem Befehl des Pentagons und der Joint Chiefs.

Er hatte Frauen und Kinder getötet, um bestimmte politische oder militärische Ziele zu erreichen. Kein Ziel war vor ihm sicher oder außerhalb seines moralischen Kompasses gewesen.

Er war seinem Dienst verpflichtet. Er war Soldat.

Und er tötete mit der kalten Gewissenlosigkeit einer Maschine.

Der Mann blätterte weiter durch die Seiten, las geheime Informationen, die er bereits kannte und die Geschichten, mit denen man sie verwischt hatte. Was er bislang nicht wusste, war, dass dieser Soldat einer Maschine gleich und ohne jegliche Bestrafung tötete und darüber hinaus Gefallen an seiner Arbeit zu finden schien.

Mit wachsendem Interesse las der Mann in der dunklen Kleidung mehr über diesen besonderen Soldaten.

Dann betrachtete er das Foto auf der ersten Seite. Es war das Porträt eines Mannes mit neutralen, ernsten Gesichtszügen, eines Mannes, der keinerlei Humor zu besitzen schien. Sein Gesicht wirkte kräftig mit seinen kantigen Zügen und den erstaunlich blauen Augen. Unter dem Foto war ein Name zu lesen: Kimball Hayden.

Der Mann betrachtete das Foto noch einen Moment länger, bevor er die Akte in den Karton zurücklegte, den Deckel schloss, den Karton anhob und ihn forttrug. Das Klackern seiner Absätze hallte leer durch die unterirdischen Gewölbe des Pentagons.

Kapitel 4

Hart Senate Building, Washington, D.C.

Als Senator Rhames am späten Morgen des darauffolgenden Tages im Hart Senate Building eintraf, sah er weniger wie ein mächtiger Mann, sondern eher wie jemand aus, der unter starkem Druck stand. Als er seine Sekretärin mit einem scharfen Unterton in der Stimme anwies, den Deputy Director der CIA zu kontaktieren, wies er zudem darauf hin, den Anruf über seine verschlüsselte Leitung vorzunehmen.

Zwanzig Minuten später stand Deputy Director Hartlin in Senator Rhames’ Büro.

Senator Rhames deutete auf den Stuhl gegenüber seinem Schreibtisch. »Setzen Sie sich.«

Nachdem Hartlin der Aufforderung nachgekommen war und die Beine übereinandergeschlagen hatte, sagte er: »Es klang sehr dringend, Senator. Was gibt es?«

Senator Rhames deutete auf einen alten Aktenordner auf seinem Tisch. »Das hier«, antwortete er. »Ich habe es aus dem Archiv des Pentagons ausgraben lassen. Etwas, von dem ich dachte, dass ich es mir nie wieder ansehen müsste.«

Hartlin nahm die Akte und schlug sie auf. Auf der ersten Seite war das Foto eines Mannes mit kantigen Zügen und eiskalten blauen Augen zu sehen. Dann las er den Namen unter dem Bild. »Kimball Hayden.«

Der Senator nickte. »Der Leibhaftige.«

»Es heißt hier, er wäre tot. Bei einer Geheimmission im Irak vor mehreren Jahren gestorben.«

»Bislang glaubten wir das.«

Hartlin hielt die Akte in die Luft. »Und was hat sich geändert?«

Der Senator kaute einen Augenblick lang auf der Unterlippe, bevor er sagte: »Was ich Ihnen jetzt erzählen werde, ist streng geheim. Die Information in dieser Akte wurde verschlüsselt auf einen USB-Stick übertragen, von wo aus sie auf einen abgesicherten Server abgelegt werden sollten.«

»Ich verstehe.«

»Dieses Briefing hat offiziell nicht stattgefunden, Hartlin. Ich hoffe, Sie verstehen mich.«

»Vollkommen.«

»Betrachten Sie die folgenden Informationen als Geheimoperation, von der der Präsident nie erfahren darf. Überhaupt darf kaum einer von dieser Mission erfahren. Nicht einmal der oberste Befehlshaber.« Der Senator zögerte kurz, als suchte er nach den richtigen Worten. »Sie haben zweifellos von dem Mordanschlag auf Senator Joseph Cartwright vor ein paar Jahren gehört, und dass man den Attentäter nie gefunden hat.«

»Natürlich.«

»Der Mann in der Akte, die Sie da in den Händen halten, ist dieser Attentäter gewesen. Weshalb die Akte auch tief in den Archiven vergraben war.«

Hartlin blickte auf die Aufzeichnungen hinunter. »Laut dieser Akte … war Hayden ein Auftragsmörder der USA.«

»Das ist korrekt. Das war er.«

Hartlin beugte sich nach vorn. »Wollen Sie mir erzählen, dass unsere Regierung die Ermordung eines amerikanischen Senators befahl?«

Senator Rhames nickte. »Und das ist der Mann, der den Befehl ausführte. Kimball Hayden. Er schnitt dem Mann von Ohr zu Ohr die Kehle durch.«

Hartlin versuchte, nicht überrascht zu wirken, aber das Flackern in seinen Augen verriet ihn.

»Was?«, fragte der Senator. »Glauben Sie, der Mord an amerikanischen Politikern wäre ungewöhnlich? Sie sollten nicht dem Irrtum erliegen, die Morde an den Kennedy-Brüdern als reine Verschwörungstheorien abzutun. Tatsächlich ist mehr an der Sache dran, als Sie glauben.«

»Aber Senator Cartwright …«

»… war ein Monster und ein Opfer seiner Selbstsucht«, unterbrach ihn der Senator. »Er besaß belastende Informationen über jeden wichtigen Senator, Kongressabgeordneten oder Repräsentanten des Unterhauses. Er bedrohte beinahe jeden, der nicht in seinem Sinne abstimmte, drohte damit, die Leichen aus den Kellern zu lassen und ihre Karrieren zu ruinieren, wenn sie nicht seinen Interessen folgten. Diese anhaltende Form von politischer Erpressung brachte das Machtgefüge durcheinander. Es wurden Gesetze verabschiedet, die nie hätten beschlossen werden dürfen, und das nur aufgrund seiner Fähigkeit, die Leute einzuschüchtern. Das war keine Demokratie mehr, sondern ihr Zusammenbruch.«

»Also wurde er von der Regierung als Bedrohung angesehen.«

»Als Bedrohung für das Leben jener, deren Karrieren aufgrund Cartwrights diktatorischer Mittel, sich durch die Gesetzgebungsverfahren zu manövrieren, am seidenen Faden hingen.«

»Das müssen eine Menge Keller voller Leichen gewesen sein«, sagte Hartlin.