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In einer Ära, in der die Bildungslandschaft sich ständig verändern muss und die Anforderungen an Schulleitungen immer komplexer werden, stellt dieses Buch einen Leuchtturm inmitten des Sturms dar. Es ist ein unverzichtbarer Leitfaden für alle, die sich den Herausforderungen der modernen Schulleitung stellen und dabei nicht nur überleben, sondern vielmehr erfolgreich sein möchten. Die agile Schulleitung: Inspirierend führen in unsicheren Zeiten taucht tief in die Probleme ein, die Schulleitungen heute konfrontieren. Es zeigt auf, wie sich Schulen in einem Überlebensmodus befinden, indem sie ständig auf der Suche nach neuen Lösungen für immer komplexer werdende Probleme sind. Es beleuchtet die unsichtbare Last der Verantwortung, die auf den Schultern von Schulleitungen liegt und die Herausforderungen, die die Millennial-Generation mit ihrer Ablehnung von Hierarchien mit sich bringt. Aber dieses Buch ist nicht nur eine Analyse der Probleme. Es ist auch ein Wegweiser für die Lösungen. Es zeigt auf, wie Schulleitungen den Übergang von der traditionellen Hierarchie zur Agilität meistern können. Es bietet praktische Ratschläge und Strategien, um in einer unsicheren und sich ständig verändernden Welt erfolgreich zu führen. Mit innovativen Lösungen und wegweisendem Denken führt der Autor den Leser in eine neue Ära des Leitungshandelns ein. Er präsentiert das revolutionäre Konzept der agilen Führung und stellt Scrum, eine in der Softwareentwicklung bewährte Methode, als leuchtenden Leitstern für den Führungsstil einer modernen Schulleitung vor. Er zeigt, wie durch eine Flexibilisierung der Führungsstrukturen und das Einbeziehen des gesamten Kollegiums Leitung effektiv, inspirierend und motivierend gestaltet werden kann. Die Vision, die dieses Buch zum Leben erweckt, ist eine Schule, in der Flexibilität, Zusammenarbeit und Effizienz vorherrschen. Eine Schule, in der Schulleitung, Lehrer- und Schülerschaft Hand in Hand gehen, um Bildungsziele zu erreichen. Ein Ort, an dem die Herausforderungen unserer Zeit gemeistert werden können, indem man die Stärken der agilen Methoden nutzt und sie in den Bildungskontext einbettet. Dieses Buch ist ein Aufruf zum Handeln. Es ist eine Einladung, die Art und Weise, wie wir Schulen führen, neu zu denken und zu transformieren. Es ist ein Manifest für eine neue Art der Schulleitung, die agil, flexibel und anpassungsfähig ist. Es ist Zeit, agil zu werden!
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Seitenzahl: 253
Veröffentlichungsjahr: 2023
Carsten Arntz
Die agile Schulleitung
Inspirierend führen in unsicheren Zeiten
Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.deabrufbar.
1. Auflage (August 2023)
© Carsten Arntz
www.digitaleschulleitung.de
Autor: Carsten Arntz
Titelbild, Layout, Satz, Korrektorat und Reinzeichnung: Carsten Arntz
Verlagslabel: Digitale Schulleitung
ISBN Softcover: 978-3-347-98941-2
ISBN Hardcover: 978-3-347-98942-9
ISBN E-Book: 978-3-347-98943-6
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Druck und Distribution im Auftrag des Autors:
tredition GmbH, Heinz-Beusen-Stieg 5, 22926 Ahrensburg, Germany
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Hinweis zur geschlechtsneutralen Schreibweise
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in diesem Buch verallgemeinernd die männliche Form (generisches Maskulinum), z. B. »der Schulleiter«, verwendet. Damit sind jedoch immer im Sinne der Gleichbehandlung alle Geschlechter gemeint. Die verkürzte Sprachform hat ausschließlich redaktionelle Gründe und ist absolut wertfrei.
Manche Menschen mögen keine Veränderungen,aber man muss sie annehmen, wenn die Alternative eine Katastrophe ist.
Elon Musk (US-amerikanischer Gründer von Tesla und SpaceXund einer der erfolgreichsten Unternehmer unserer Zeit)
Inhaltsverzeichnis
7
Inhaltsverzeichnis
Über den Autor12
Über dieses Buch14
Kapitel 01
Im Vakuum der Führung17
Last man standing: Schulen im Überlebensmodus19
Schulleitungen am Rande des Nervenzusammenbruchs23
Leerlauf im Chefbüro: Warum niemand Schulleiter sein möchte27
Vom Respekt zur Belustigung: Die Wandlung des Schulleiterimages36
Der Schmetterlingseffekt41
Überleben im Unbekannten45
Die unsichtbare Last48
Die pragmatischen Hürden51
Die Millennial-Herausforderung: Eine Generation, die sich gegen Hierarchien stellt54
Kapitel 02
Die Kunst der agilen Führung in der Schulleitung59
Von der Hierarchie zur Agilität61
Die AGILE Schulleitung
8
Die VUCA-Revolution: Wie man die Herausforderungen der heutigen Welt meistert64
Was ist agile Führung?67
Agilität in der Schulleitung71
Das agile Manifest76
Was agile Führung nicht ist80
Wie man Veränderungen in der Führung einer Schule erfolgreich umsetzt83
Die fünf Implementierungsphasender agilen Führung86
Checkliste ›Agiles Leadership‹: Kernkompetenzen von Agilität und agiler Füh-rung89
Kapitel 03
Agiles Projektmanagement93
Tabellarisches Lexikon agiler Führungsbegriffe95
Wie die Notwendigkeit das agile Projektmanagement vorangetrieben hat100
Scrum:Die Kraft des Kollektivs105
Im Zentrum des Scrum: Der Schulleiter als visionärer Product Owner111
Der Scrum-Master: Architekt der agilen Transformation115
Das Scrum Entwicklungsteam: Kollektive Intelligenz in Aktion118
Der Product Backlog: Das Herzstück der Scrum-Methode122
Das Sprint Backlog: Taktgeber der Innovation126
Inhaltsverzeichnis
9
Das Planning: Die Schlüsselpraxis in Scrum130
Die Implementation: Ein kritischer Schritt in Richtung agiler Schulleitung134
Der Daily Scrum: Das kraftvolle Herzstück agiler Schulpraxis138
Der Review: Das Zentrum der Reflexion und des Feedbacks141
Der Retrospect: Spiegel und Wegbereiter für kontinuierliche Verbesserung144
Das Deployment: Das Ende eines Sprints und der Anfang des nächsten147
Kapitel 04
Agile Methoden151
Die Grundlagen von Kanban: Herkunft und Kernprinzipien153
Agile Führung und Kanban: Ein notwendiges Zusammenspiel156
Einführung von Kanban in der Schulleitung: Ein Weg zur Selbstorganisation159
Design thinking160
Objectives and Key Results (OKR)164
Kapitel 05
Erfolgreich kommunizieren, inspirierend führen169
Effektive Kommunikation in agilen Schulstrukturen171
Erfolgsfaktoren für agile Schulen: Best Practices und Lessons Learned178
Umgang mit Widerständen bei der Einführung agiler Führung181
Die AGILE Schulleitung
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Emotionale Intelligenz und Führung184
Inspirierende Führungstechniken188
Barack Obamas transformative Führungstechniken190
Das Konzept der Achtsamkeit193
Das Kommunikationsmodell von Schulz von Thun195
Transparenz als Schlüssel zur effektiven Kommunikation197
Die Unvermeidbarkeit der Kommunikation: Ein Ausblick auf Watzlawick198
Die Bedeutung der Metakommunikation200
Die Verbindung zwischen Achtsamkeit und emotionaler Intelligenz201
Auswahl und Onboarding von neuen Lehrkräften202
Personalmanagement204
Karriereplanung durch Mitarbeiterstrategiegespräche205
No Blame Approach207
Feedback-Kultur in agilen Schulen208
Kapitel 06
Literaturverzeichnis211
Quellenverzeichnis213
Bildquellennachweise221
Anmerkungen222
Inhaltsverzeichnis
11
Weitere Bücher vom selben Autor223
Die AGILE Schulleitung
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Über den Autor
Carsten Arntz, Jahrgang 1974, ist Oberstudiendirektor i. K. und Schul-leiter des Erzbischöflichen Berufs-kollegs Köln.
Nach dem Abitur am Emil-Fischer-Gymnasium in Euskirchen studierte er an der Rheinischen Friedrich-Wil-helms-Universität Bonn und an der University of Nottingham die Fächer Anglistik und Pädagogik. Nach dem 1. Staatsexamen leistete er sein Lehramts-referendariat am Studienseminar Jülich und am Gymnasium der Stadt Kerpen ab.
Seit 2002 ist er am Erzbischöflichen Berufskolleg Köln als Lehrer tätig und wechselte dort 2018 in die Schulleitung; zuerst als stellvertretender Schullei-ter und seit 2022 als Schulleiter. Arntz unterrichtet die Fächer Englisch, Erzie-hungswissenschaften, Informatik und Medienpädagogik.
Er ist von der Industrie- und Handelskammer (IHK) jeweils mit Auszeichnung zertifizierte »Fachkraft für Digitalisierung, Selbst- und Zeitmanagement, Agi-le Führung und Agiles Projektmanagement«, von der Deutschen Akademie für pädagogische Führungskräfte (DAPF) zertifizierter »Digital Learning Leader« und vom Institut für Lernsysteme (ILS) zertifizierter »Multimedia-Designer«. Arntz ist zudem Mitglied des Digitalrates des Erzbistums Köln.
Mit seinem Kollegen Stephan Kämper publizierte er 2021 im Tredition-Verlag das Fachbuch Die digitale Schulleitung und das papierlose Büro: Strategien und Praxisbeispiele für das digitale Management in der Schulverwaltungund 2022 im Raabe-Verlag (einem Tochterunternehmen der Klett-Gruppe) das Nachfolge-werk Digitales Schulmanagement: Schule professionell leiten und verwalten. Ge-meinsam betreiben sie die Internetseite www.digitaleschulleitung.de
Arntz hält regelmäßig Keynote-Vorträge und Workshops zu den Themenbe-reichen: Die digitale Transformation in der Schulleitung, Das papierlose Büro,
Über den Autor
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Selbst- und Zeitmanagement, Agile Führung in der Schulleitung, Corporate Identity für Schulen, Präsentationstechniken, Digitale Kalenderverwaltung, Ordnerstrukturen und Dateibenennung, Digitalisierungsstrategien sowie Digi-tale Notenverwaltung und -verarbeitung.
Im Rahmen der Digitalen Fortbildungsoffensive für Schulleitungen des Landes Nordrhein-Westfalens entwickelten Arntz / Kämper in Kooperation mit der Raa-be Verlags-GmbH mehrere Web-based Trainings zu dem Oberthema: »Wie geht digitale Schulverwaltung: Tipps für die digitale Schulverwaltung und digitales Selbstmanagement« und führen im Auftrag von Klett MINT Online-Schulun-gen für Schulleitungen, Lehrkräfte und die Schulaufsicht durch. Für den Raabe-Verlag publizieren sie regelmäßig Aufsätze zu Themen rund um Digitalisierung und künstliche Intelligenz im Schulleitungsalltag.
Nebenberuflich interessiert er sich für Grafikdesign, Typografie, Fotografie, Vi-deo- und Musikproduktion.
Arntz wohnt mit seiner Frau Sarah, den zwei Söhnen Janis und Elias, Tochter Emilia sowie Hündin Nika in Brühl bei Köln.
Die AGILE Schulleitung
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Über dieses Buch
Wir leben in unsicheren Zeiten, in einer sogenannten VUCA-Welt. Dieses Para-digma hat sich nicht nur durch die Coronapandemie, sondern bereits in den Jahren zuvor in vielfältiger Weise in das gesellschaftliche Bewusstsein einge-brannt. Ob es die Digitalisierung, oder aktuell die Inflation, der Krieg in der Ukraine oder der Lehrkräftemangel ist, diese Ereignisse hallen tief in unserem Alltag nach. Unverkennbar verändern sie die Normen und Bedingungen, unter denen Schulleitungen und Bildungseinrichtungen operieren und funktionie-ren müssen. Doch es ist nicht allein das weltweite politische und wirtschaft-liche Geschehen, das unseren Fokus fordert. Innerhalb unserer eigenen Gesell-schaft sind wir Zeugen einer rasanten kulturellen Metamorphose. Diese hat spürbare Auswirkungen auf unser Bildungssystem und die Art und Weise, wie Schulleitungen handeln und entscheiden.
Die neuen Generationen – die digital native Generation Y und die wertorien-tierte Generation Z – sind Träger eines kulturellen Wandels, der uns vor enor-me Herausforderungen stellt, aber auch ungeahnte Möglichkeiten eröffnet. Ihre Welt ist die der Digitalität, des Klimaaktivismus, der Gendersensibilität, der Work-Life-Balance und der Aversion gegen traditionelle Hierarchien und Wertesysteme. Es ist eine Welt, die wir verstehen, anerkennen und in unsere Schulen integrieren müssen, denn sie erhält unweigerlich direkten Einzug in unserer Schulen.
Für eine erfolgreiche Schulleitung in diesem Kontext bedarf es einer neuen Art von Führung – einer agilen Führung. Dieses Konzept steht im Zentrum des vorliegenden Buches. Es ist mehr als nur ein Leitfaden – es ist ein Weckruf! Es ruft dazu auf, die Welt im Bereich der Führung mit anderen Augen zu sehen, zu hinterfragen und neu zu gestalten. Es ermutigt, den Status quo des Top-down-Führungsstils zu durchbrechen und sich dem Wandel nicht nur zu stellen, son-dern ihn mitzugestalten.
Die Führung von Schulen in der aktuellen Zeit verlangt Anpassungsfähigkeit und vor allem die Kompetenz, Menschen zu inspirieren. Sie fordert von den Schulleitungen, ein Umfeld zu schaffen, in dem das Lernen und die Entwick-lung in einem sich ständig wandelnden Lebensbereich stattfinden können. Es verlangt von uns, dass wir die Unterschiede feiern und eine Umgebung schaf-
Über dieses Buch
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fen, in der sich alle wohlfühlen können, unabhängig von ihrer Identität oder ihrem soziokulturellen Hintergrund. Indem wir das konventionelle Verständ-nis von Schulleitung infrage stellen, zielt dieses Buch darauf ab, den Weg für eine neue Art des Denkens zu ebnen. Es wird ermutigen, jenseits der festgefah-renen Strukturen und Prozesse zu denken und Möglichkeiten zur Verbesserung und Innovation zu erkunden.
Ich nehme Sie als Leser auf eine Reise mit, die sowohl herausfordernd als auch erkenntnisreich ist. Es ist eine Reise, die Hoffnung und Zuversicht in einer un-sicheren Zeit bietet und eine Brücke schlägt zwischen dem, was war, und dem, was sein könnte.
Willkommen bei Die agile Schulleitung: Inspirierend führen in unsicheren Zeiten.Ihre Reise beginnt hier!
Carsten Arntz
– Bale-Valle / Kroatien im Juli 2023 –
Die AGILE Schulleitung
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Kapitel 01
Im Vakuum der Führung
Anfang der 1980er-Jahre schrieb ein Grundschulklassenkamerad von mir in das seinerzeit sehr beliebte Freundschaftsbuch auf die Frage »Das möchte ich einmal werden?« lapidar die Antwort: »Chef«. Die Haltung gegenüber seiner zukünftigen Profession war damals schon im zarten Alter von neun Jahren deutlich. Er wollte nicht mehr oder weniger sein als »Chef«. Ganz gewiss hatte er nicht vor, als Schü-ler der vierten Klasse diese Funktion im Schulbereich einzunehmen und strebte eher die freie Wirtschaft an, aber sein Wunsch nach Leitung war bereits in jungen Jahren in ihm herangereift.
Mittels Social Media fand ich heraus, dass dieser alte Freund seinen damaligen Berufswunsch zwar nicht exakt in die Tat umgesetzt hat, jedoch seit Jahren als be-merkenswerter Architekt für eine Firma viele Großbauprojekte realisiert hat. Seine Disposition zur Führungspersönlichkeit war also bereits im Kindesalter vorhan-den, so fantastisch seine Träumereien damals auch gewesen sein mögen.
Ob eine Führungsposition für die heutigen Generationen überhaupt noch erstre-benswert, geschweige denn ein Traum ist, bleibt ungewiss …
Last man standing: Schulen im Überlebensmodus
Im weiten Feld des deutschen Bildungssystems erhebt sich derzeit ein Thema aus der Stille, das alarmierend und gleichzeitig dringlich ist: das unerzählte Drama der fehlenden Lehrkräfte und Schulleitungen. Eine prekäre Krise, die an den Eingangstüren unserer Schulen ihren Anfang nimmt, sich durch die Flu-re und Klassenzimmer fortführt und dabei das Fundament des Schulsystems erodiert. Doch in den öffentlichen Debatten scheint diese Krise kein Echo zu finden. Die Diskussion um den Mangel an qualifizierten Pädagogen wird we-der mit der gebotenen Aufmerksamkeit geführt, noch wird sie mit effektiven Strategien seitens der Politik bekämpft. So proklamiert die Ständige Wissen-schaftliche Kommission der Kultusministerkonferenz am 27. Januar 2023 in ihrer Reaktion auf den dramatischen Lehrermangel eine reine Augenwischerei als Allheilmittel: »Lehrkräfte auf Antrag über die geltende Altersgrenze hinaus weiterzubeschäftigen«, »die Möglichkeit zur Teilzeitarbeit zu begrenzen« und »die befristete Erhöhung der Unterrichtsverpflichtung in Anlehnung an das Konzept der Vorgriffsstunden« zu installieren (SWK2023, 10–12).
Anstatt den Beruf durch eine monetäre Aufwertung sofort begehrenswerter zu machen und die Implementierung umfassender Unterstützungsstrategien in Schulen zu priorisieren, werden die Maßnahmen zur Förderung qualifizierter Pädagogen weiterhin vernachlässigt. Und noch mehr: Diese ungeeigneten Lö-sungsvorschläge verstärken die ohnehin vorhandene Frustration jener immer noch aktiven Lehrkräfte, die sich seit Langem bemühen, das krisengeschüttel-te Bildungssystem vor einem vollständigen Kollaps zu bewahren. »Mit diesen Maßnahmen wird das Versagen der Politik auf dem Rücken der Lehrkräfte aus-getragen«, konstatiert Gerhard Brand, Vorsitzender des Verbands Bildung und Erziehung (Der Spiegel2023). »Die Empörung in den Lehrerzimmern ist rie-sig«, ergänzt die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Maike Finnern (GEW2023). Es handelt sich hierbei um kein isoliertes Phäno-men, sondern verweist auf grundlegende systemische Handlungsbedarfe im Bildungssektor, deren Verbesserung bisher nicht in Sicht ist.
Der Mangel an Lehrkräften ist mehr als nur eine Leerstelle im Personalbestand. Die daraus resultierenden Folgen sind vielschichtig und beeinflussen sowohl
Last man standing: Schulen im Überlebensmodus
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Last man standing: Schulen im Überlebensmodus
Im weiten Feld des deutschen Bildungssystems erhebt sich derzeit ein Thema aus der Stille, das alarmierend und gleichzeitig dringlich ist: das unerzählte Drama der fehlenden Lehrkräfte und Schulleitungen. Eine prekäre Krise, die an den Eingangstüren unserer Schulen ihren Anfang nimmt, sich durch die Flu-re und Klassenzimmer fortführt und dabei das Fundament des Schulsystems erodiert. Doch in den öffentlichen Debatten scheint diese Krise kein Echo zu finden. Die Diskussion um den Mangel an qualifizierten Pädagogen wird we-der mit der gebotenen Aufmerksamkeit geführt, noch wird sie mit effektiven Strategien seitens der Politik bekämpft. So proklamiert die Ständige Wissen-schaftliche Kommission der Kultusministerkonferenz am 27. Januar 2023 in ihrer Reaktion auf den dramatischen Lehrermangel eine reine Augenwischerei als Allheilmittel: »Lehrkräfte auf Antrag über die geltende Altersgrenze hinaus weiterzubeschäftigen«, »die Möglichkeit zur Teilzeitarbeit zu begrenzen« und »die befristete Erhöhung der Unterrichtsverpflichtung in Anlehnung an das Konzept der Vorgriffsstunden« zu installieren (SWK2023, 10–12).
Anstatt den Beruf durch eine monetäre Aufwertung sofort begehrenswerter zu machen und die Implementierung umfassender Unterstützungsstrategien in Schulen zu priorisieren, werden die Maßnahmen zur Förderung qualifizierter Pädagogen weiterhin vernachlässigt. Und noch mehr: Diese ungeeigneten Lö-sungsvorschläge verstärken die ohnehin vorhandene Frustration jener immer noch aktiven Lehrkräfte, die sich seit Langem bemühen, das krisengeschüttel-te Bildungssystem vor einem vollständigen Kollaps zu bewahren. »Mit diesen Maßnahmen wird das Versagen der Politik auf dem Rücken der Lehrkräfte aus-getragen«, konstatiert Gerhard Brand, Vorsitzender des Verbands Bildung und Erziehung (Der Spiegel2023). »Die Empörung in den Lehrerzimmern ist rie-sig«, ergänzt die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Maike Finnern (GEW2023). Es handelt sich hierbei um kein isoliertes Phäno-men, sondern verweist auf grundlegende systemische Handlungsbedarfe im Bildungssektor, deren Verbesserung bisher nicht in Sicht ist.
Der Mangel an Lehrkräften ist mehr als nur eine Leerstelle im Personalbestand. Die daraus resultierenden Folgen sind vielschichtig und beeinflussen sowohl
Die AGILE Schulleitung
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die Qualität des Unterrichts und des Lernklimas als auch die Bildungschancen kommender Schülergenerationen. Unterrichtsausfall, überfüllte Klassen und die Überlastung der vorhandenen Lehrkräfte sind nur einige der greifbaren und sichtbaren Manifestationen dieser Krise.
Zusätzlich zu diesem quantitativen Mangel steht das Bildungssystem vor quali-tativen Problemen. Der Prozess der Digitalisierung, der längst alle Teilbereiche der Gesellschaft durchdrungen hat, macht auch vor den Schultüren nicht Halt. Er erfordert von den Lehrkräften nicht nur technisches Verständnis, sondern vor allem die Fähigkeit, vorhandene Unterrichtskonzepte entsprechend zu ad-aptieren und zu modernisieren. Hinzu kommen die wachsende Notwendigkeit der individuellen Förderung und die Umsetzung der Inklusion, welche ein ho-hes Maß an pädagogischer Expertise und Differenzierungsfähigkeit verlangen. Jede dieser Herausforderungen einzeln genommen kann bereits als gravierend betrachtet werden, doch in ihrer Summe verleihen sie der Thematik eine Bri-sanz, die ein sofortiges und entschiedenes Handeln nahelegt.
Doch woher kommt dieser Mangel?
Die Gründe sind vielfältig und reichen von strukturellen Problemen in der Lehrerausbildung über die Attraktivität des Berufes in der Öffentlichkeit bis zu den Arbeitsbedingungen und der Vergütung. Die Ausbildung von Lehrkräften ist ein langwieriger und komplexer Prozess, der eine hohe Investition an Zeit und Ressourcen erfordert. Es ist ein Prozess, der eine Balance finden muss zwi-schen Theorie und Praxis, zwischen wissenschaftlicher Fundierung und päda-gogischer Praxiserfahrung. Ein Zustand, der nicht immer einfach zu erreichen ist und der dazu führt, dass viele angehende Lehrkräfte das Studium abbrechen oder sich nach Abschluss gegen den Schuldienst entscheiden. Zugleich ist der Lehrerberuf, trotz seiner enormen gesellschaftlichen Bedeutung, häufig mit einem zu geringen Maß an Anerkennung und Wertschätzung konfrontiert. Die Anforderungen, die an moderne Lehrkräfte gestellt werden, sind außerge-wöhnlich groß und umfassen weit mehr als die reine Wissensvermittlung. Der Funktionsumfang des Berufes hat sich enorm erweitert: Sie sind heutzutage zu-sätzlich Erzieher, Elternersatz, Psychotherapeuten, Sozialarbeiter, Konfliktma-nager, Berufsberater und immer mehr auch Technologie-Experten. Doch dieser Erweiterung des Anforderungsprofils steht oft eine mangelnde Anerkennung dieser vielfältigen Rollen gegenüber, was die Attraktivität des Berufes mindert.
Last man standing: Schulen im Überlebensmodus
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Die Arbeitsbedingungen und die Bezahlung spielen eine weitere entscheiden-de Rolle. Die Belastung durch Bürokratie, ständige Widersprüche gegen Noten, wechselnde Prüfungsformate und -bedingungen, die Nachwirkungen der Co-ronapandemie und eine hohe Unterrichtsverpflichtung wirken sich negativ auf das Arbeitsklima und die Berufszufriedenheit aus. Trotz dieser Anforderungen und der enormen Verantwortung, die mit dem Lehrerberuf einhergehen, bleibt die Bezahlung oft hinter vergleichbaren Akademikerberufen zurück. Die Dis-krepanz zwischen Anspruch und Realität demotiviert und schreckt potenzielle Bewerber ab.
In all diesen Aspekten manifestiert sich eine bildungspolitische Herausforde-rung, die sowohl ein strukturelles als auch ein gesellschaftliches Umdenken erfordert. Es gilt, den Lehrerberuf neu zu denken, ihn in seiner Komplexität zu verstehen, Aufgabenverpflichtungen und Bürokratie zu minimieren und die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass er für angehende Pädagogen wieder interessant wird.
Der Lehrermangel ist kein isoliertes Phänomen, sondern ein Spiegelbild der Mi-sere, vor der das Bildungssystem steht. Er wirft Fragen auf, die tief in das Fun-dament unserer Gesellschaft hineinreichen und deren Lösung entscheidend für die Zukunft der Bildung in Deutschland sein wird. Lehrkräfte sehen sich somit mit einer Realität konfrontiert, die dringend eine Veränderung erfordert. Die aktuelle Situation zwingt alle Beteiligten dazu, sich mit den strukturellen und sozialen Problemen auseinanderzusetzen, die zu dieser alarmierenden Si-tuation geführt haben. In Anbetracht der weitreichenden Konsequenzen, die ein anhaltender Mangel an Lehrkräften mit sich bringt, ist es von entscheiden-der Bedeutung, dass diese Thematik in all ihrer Komplexität verstanden wird. Sie bedarf einer ausführlichen, gewissenhaften Betrachtung, die über schnelle Lösungsansätze hinausgeht und den Kern des Problems in den Blick nimmt. Nur so kann das Ausmaß der Situation in seiner Gänze erfasst und angemessen darauf reagiert werden.
Die Wirkungsweisen des Lehrermangels sind vielschichtig und beeinflussen unweigerlich die Bildung der heranwachsenden Generationen. Die Kinder und Jugendlichen sind es, die die unmittelbaren Folgen des Mangels zu spüren be-kommen. Sie sind es, die in überfüllten Klassen sitzen und in manchen Fällen nicht die individuelle Aufmerksamkeit und Förderung erhalten, die sie benöti-gen und verdienen. Die wachsende Diskrepanz zwischen den Anforderungen,
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die an Schulen und Lehrkräfte gestellt werden und den tatsächlichen Ressour-cen, die zur Verfügung stehen, führt zu einer zunehmenden Ungleichheit im Bildungssystem.
Bildungsstätten in sozial schwierigen Gebieten oder in ländlichen Regionen, die ohnehin schon mit Herausforderungen zu kämpfen haben, sind insbeson-dere hart getroffen. Hier besteht die Gefahr, dass der Mangel an qualifizierten Lehrkräften die bestehenden sozialen Unterschiede noch weiter auseinander divergiert. Die Sorge, dass unsere Schulen ihre Rolle als Orte der Chancen-gleichheit nicht mehr erfüllen, liegt somit schwer auf dem deutschen Bil-dungssystem.
Es ist in diesem Kontext wichtig, die existenzielle Funktion zu betonen, die Schulen in unserem Leben einnehmen. Sie sind nicht nur Orte der Wissens-vermittlung, sondern gleichermaßen soziale Räume, in denen die Grundlagen und Werte für das zukünftige gesellschaftliche Zusammenleben gelegt werden. Sie bilden das Rückgrat einer funktionierenden, fortschrittlichen Sozialstruk-tur und sind von enormer Bedeutung für das gemeinschaftliche Leben mitei-nander. Der Lehrermangel gefährdet dieses fragile Gleichgewicht. Die Heraus-forderungen sind folglich nicht nur auf das Schulsystem beschränkt, sondern haben ebenso tiefgreifende Auswirkungen auf die Bevölkerung als Ganzes. Es geht um weit mehr als nur die Anzahl der Lehrkräfte. Es geht um die Qualität der Bildung, die wir unseren Kindern und Jugendlichen bieten. Es geht um die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaftsstruktur und um die Frage, wie wir uns als Bildungsnation in einer zunehmend globalisierten und digitalisierten Welt positionieren und mit anderen Ländern gleichauf sein möchten. Letztlich ist der Lehrermangel in Deutschland ein Weckruf, ein Symptom für tiefere Proble-me, die nicht ignoriert werden dürfen.
Schulleitungen am Rande des Nervenzusammenbruchs
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Schulleitungen am Rande des Nervenzusammenbruchs
Im Laufe der letzten Jahre hat sich ebenfalls die Situation der Schulleitungen gewandelt. Sie sind nicht mehr nur Verwalter ihrer Schulen, sondern spielen eine entscheidende Rolle in der Gestaltung und Führung ihrer Bildungsein-richtungen. Sie sind die Schlüsselfiguren, die in der Lage sind, den Schulalltag zu strukturieren, die Qualität der Lehre zu verbessern und Innovationen in die Praxis umzusetzen.
Den Anforderungen, denen sie gegenüberstehen, sind in den vergangenen Jahren exponentiell gestiegen. Neben der Verantwortung für das pädagogische Konzept und die Lehrqualität müssen Schulleitungen ebenfalls organisatori-sche, personelle und finanzielle Aufgaben bewältigen. Sie müssen über den Tellerrand hinausblicken und ihre Schulen in einem immer komplexeren und schnelllebigeren Bildungsökosystem positionieren.
Der Druck auf die Schulen hat zugenommen und die Komplexität dieser Her-ausforderungen scheint viele Lehrkräfte abzuschrecken, sich für Führungspo-sitionen zu interessieren. In einer Gesellschaft, die nach engagierten ›Leadern‹ verlangt, scheint dieser Berufswunsch immer mehr diametral im Widerspruch zu stehen: »Keiner will Chef sein!«, titelte Heike Schmoll, politische Korrespon-dentin in Berlin mit dem Zuständigkeitsbereich Bildungswelten, in der Frank-furter Allgemeinen Zeitung. »Die meisten Lehrer empfinden eine Schulleiter-stelle als unattraktiv. Wer möchte schon bis in den Abend in der Schule sitzen, sich mit Eltern, Kollegen und Schulaufsicht auseinandersetzen? (…) Selbst mit wesentlich mehr Geld wäre die Bereitschaft von Lehrern wohl kaum höher, sich für Schulleitungsaufgaben bereitzufinden.« (Schmoll2022). Dabei spie-len Schulleitungen eine existenzielle Rolle bei der Professionalisierung und Weiterbildung von Lehrkräften, bei der Implementierung neuer pädagogischer Konzepte und Methoden sowie bei der strategischen Gestaltung einer innovati-ven Schulentwicklung. Ohne diese Führungskräfte wird es für die o. g. Gruppen weniger Anreize und Möglichkeiten geben, ihre Fähigkeiten und Kenntnisse zu verbessern und zu professionalisieren. Dies führt zu mangelnder Motivation der Lehrkräfte, was wiederum negative Auswirkungen auf die Bildungsqualität unserer zukünftigen Schülergenerationen haben wird.
Die AGILE Schulleitung
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Die COVID-19-Pandemie von 2020 bis 2023 war sicherlich ein wesentlicher As-pekt für den aktuellen Mangel an Nachfolgern für die vakanten Schulleitungs-positionen. Für alle Menschen wurde plötzlich in einer noch nie dagewesenen Transparenz offenkundig, was Schulleiter in solchen Extremsituationen zu leisten haben. Die Dimension der Verantwortung und Belastung einer Schul-leitung wurde in dieser Zeit gänzlich neu definiert und um Unmengen an zu-sätzlichen Aufgabenbereichen erweitert. Dies hatte niemand kommen sehen – am wenigsten die Amtsinhaber. Ihnen blieb nichts anderes übrig, als sich entschieden dem Corona-Sturm entgegenzustellen und das Schulschiff durch die unruhigen Gewässer des sich im Katastrophenmodus befindenden Bil-dungswesens zu navigieren.
Corona hat Deutschland und die Welt in vielerlei Hinsicht verändert. Insbe-sondere die Bildungslandschaft wurde von der Pandemie nachhaltig geprägt, da Schulen als Orte der Zusammenkunft und des Lernens besonders anfällig für die Verbreitung des Virus waren. Die Schulleitungen mussten in dieser Zeit mit immensem Pflichtbewusstsein ihrer Tätigkeit nachgehen, um ihre Schulen sicher und gleichzeitig effektiv zu führen und am Laufen zu halten. Einer der wichtigsten Aspekte war die Umsetzung von Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie, was originär keine klassische Aufgabe von Schulleitern ist. Sie waren dafür verantwortlich, die Vorgaben des Landes oder der jeweiligen Kom-mune in ihren Schulen umzusetzen, zu organisieren und sicherzustellen, dass Schüler sowie Lehrkräfte diese Anordnungen einhielten. Hierzu gehörten Maß-nahmen wie das zeitweise verpflichtende Tragen von Masken, das regelmäßige Lüften der Klassen- und Kursräume, das standardisierte Testen im Klassenver-band, die entsprechenden Meldungen an die Gesundheitsämter und die Ein-haltung von Abstandsregeln und Hygienemaßnahmen, um nur einige zu nen-nen. Zeitgleich mussten sie dabei aber auch auf die individuellen Bedürfnisse der Schulgemeinschaft eingehen und Rücksicht nehmen. Und zu Corona gab es viele ambivalente Positionierungen und Haltungen, die zu Widerständen und Ablehnung führten. Und allein dieser Umstand bedeutete enormen Stress für die Schulleitungen.
Wenn man mit Außenstehenden, die mit dem Wahnsinn im Schulalltag wäh-rend dieser pandemischen Zeit nicht vertraut waren, spricht, erntet man im-merzu kopfschüttelndes Unverständnis. Welche Strapazen konnte es denn schon im Schulalltag während der Pandemie gegeben haben? Schulleitungen, Lehrkräfte und Schüler waren doch lange Zeit in den oktroyierten Lockdowns –
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sprich ›zu Hause‹ –, im Gegensatz zu den systemrelevanten Berufen. Die hatten doch nur Freizeit! Aber niemand erwähnt den wesentlichen Aspekt, der wäh-rend der Pandemie einen überaus hohen Stellenwert hatte und die Grundvo-raussetzung für die Gewährleistung des Unterrichts war: die Digitalisierung. Während der Lockdowns mussten Schulen spontan und ohne jegliche Vorbe-reitung auf digitale Unterrichtsformate umstellen und die Schülerschaft über das Internet beschulen. Hierbei gab es jedoch massive Unterschiede zwischen den Schulen in Deutschland, denn nicht alle Schulen verfügten über die not-wendige digitale Infrastruktur. Die Schulleiter waren dafür verantwortlich, ihre Lehrkräfte schnellstmöglich entsprechend weiterzubilden sowie zeit-gleich eine effektive digitale Infrastruktur aufzubauen, um einen reibungs-losen Unterrichtsbetrieb zu gewährleisten. Neben der Schulorganisation war gleichermaßen die psychologische Betreuung der Schüler und Lehrkräfte eine zu verrichtende Aufgabe der Leitungsinhaber. Die Pandemie hatte vor allem auf Kinder und Jugendliche einen massiven Einfluss und erst heute offenbaren sich sichtbar die horrenden Auswirkungen auf deren psychische Gesundheit.
Aber auch für die Lehrkräfte galt es, Verantwortung zu übernehmen. Hierbei ging es nicht nur um deren Gesundheit und zusätzliche Arbeitsbelastung, son-dern auch um die Organisation von Homeoffice und die Unterstützung bei technischen Fragen (z. B. bei der Verwendung von digitalen Dienstgeräten). Lehrkräfte mussten während der Pandemie oft zwischen Homeoffice und Prä-senzunterricht wechseln, was eine besondere Herausforderung darstellte und maximale Flexibilität abverlangte. Schulleiter mussten darauf achten, dass Lehrkräfte nicht überlastet wurden und gegebenenfalls zusätzlichen Beistand anbieten. Ganz zu schweigen von der äußerst belastenden Situation, wenn Lehrer von dem Virus infiziert waren und schwere Verläufe durchlitten.
Trotz aller Schwierigkeiten, die man zweifelsohne als Herkulesaufgabe be-zeichnen kann, boten sich auch viele Chancen und Möglichkeiten für Schul-leiter und Schulen. So können heute die während der Pandemie erlernten Kom-petenzen im Bereich der Digitalisierung und die vermehrte Nutzung digitaler Technologien im Unterricht dazu beitragen, Bildungsprozesse zu optimieren und zu personalisieren. Auch können innovative Unterrichtskonzepte und pädagogische Ansätze entwickelt und erprobt werden, die in einer immer di-gitaler werdenden Welt Bestand haben. Corona war sozusagen ein Schulent-wicklungsmotor für digitale Prozesse, die unter normalen Bedingungen viel mehr Zeit benötigt hätten, um im Schulleben etabliert zu werden.
Die AGILE Schulleitung
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In der Publikation Belastungen und Beanspruchungen von Schulleitungen wäh-rend der Coronapandemieeines Kooperationsprojektes der Universitäten Fulda, Bielefeld und Trier wurde offengelegt, dass ein hoher Anteil der Schulleitun-gen und Schulleitungsmitglieder coronabedingt unter Arbeitsstress litten, der sich u. a. in »Nervosität oder dem Gefühl des Kontrollverlusts« äußerte (Da-daczynski et al.2021, iii). Bis zu 90 Prozent der Schulleitungen fanden als einzige Bewältigungsmöglichkeit der Pandemiesituation nur »gesundheits-riskante Arbeitsbewältigungsformen«, wie ständige Erreichbarkeit sowie »in einem für sie belastendem Arbeitstempo zu arbeiten, welches sie nicht dauer-haft durchhalten könnten« (Ebenda). Das Ergebnis dieser Studie ist ein »hoher Handlungsbedarf, dies insbesondere für weibliche und Grundschulleitungen« (Ebenda, 14). Die daraus resultierende notwendige Unterstützung vonseiten des Schulministeriums bleibt bis heute aus. Deshalb soll dieses Buch in den folgenden Kapiteln schnell umsetzbare Möglichkeiten mittels agiler Füh-rung offerieren, die zumindest die persönliche Belastung dieses Betroffe-nenkreises umgehend lindern kann.
Nach drei Jahren in und mit der Pandemie wurden mit Wirkung zum 07. April 2023 bundesweit alle coronabedingten Schutzmaßnahmen von der Regierung abgeschafft. Für die Menschen ist es nun allerhöchste Zeit, nach dem Prinzip der hedonistischen Tretmühle wieder »relativ schnell zu einem relativ stabilen Level von Glück (im Sinne des subjektiven Empfindungsglücks) zurückzukeh-ren« (Wikipedia2023). Corona war eine ultimative Bewährungsprobe auf allen Ebenen und in allen Lebensbereichen. Wer unbeschadet daraus hervorgegan-gen ist, wird – wie Phoenix aus der Asche – ein Wiedererstarken der eigenen Kräfte erfahren und im Bereich der eigenen Resilienz Quantensprünge an Ent-wicklung feststellen. Wer mit den Nachwirkungen der Pandemie zu kämpfen hat, wird professionelle Unterstützung benötigen, um wieder auf das frühere Belastbarkeitslevel zurückzugelangen – falls dies überhaupt möglich ist.
Leerlauf im Chefbüro: Warum niemand Schulleiter sein möchte
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Leerlauf im Chefbüro: Warum niemand Schulleiter sein möchte
Die bundesweite repräsentative Studie Schulleitungsmonitor Deutschland. Zen-trale Ergebnisse aus der Befragung 2022hat ergeben, dass »knapp jede fünfte Schulleitung darüber nachdenkt, der eigenen Schule den Rücken zu kehren, sobald sich eine bessere Möglichkeit bietet.« (Tulowitzki et al.2023, 5). Ein alarmierendes Zeichen!
In der Erhebung wurden verschiedene Aspekte der Arbeit von Schulleitungen untersucht. Die Studie stellte fest, dass fast ein Viertel der Befragten ihre Schule als sozialen Brennpunkt betrachten. Administrative Aufgaben und Sitzungen dominieren den Arbeitsalltag der Schulleitungen und beanspruchen so viel Zeit, dass wenig Spielraum für Schulentwicklung bleibt. Die Professionalisie-rung und Weiterbildung von Schulleitungen erfolgt hauptsächlich informell und individuell, wie durch den Austausch mit anderen Schulleitungen oder das Lesen relevanter Literatur. Formalisierte Angebote werden weniger ge-nutzt. Fortbildungen werden als besonders effektiv wahrgenommen, wenn sie praktisch anwendbar sind und Raum für Reflexion und Austausch bieten. Ein gutes Beispiel für gelungene Weiterbildungsmaßnahmen war die Digitale Fort-bildungsoffensive NRW.
Die Studie zeigte auch, dass Schulleitungen häufig stark beansprucht sind, wo-bei 40 Prozent mehr als 50 Stunden pro Woche arbeiten und über die Hälfte das Arbeitstempo als belastend empfindet. Zudem verzichten viele Schulleitungen auf Pausen und sind auch in ihrer Freizeit für Schüler und Eltern erreichbar.
Das Vertrauen der Schulleitungen in die Bildungsadministration ist im Ver-gleich zu früheren Studien – wahrscheinlich coronabedingt – gesunken, wäh-rend das Vertrauen in das eigene Lehrpersonal hoch bleibt. Die Mehrheit der Schulleitungen sieht sich selbst als kooperativ, lösungsorientiert und offen für Innovationen. Viele Schulleitungen treiben aktiv die Digitalisierung des Unter-richts voran.
Schließlich äußern die Schulleitungen den Wunsch nach mehr Unterstützung von Schulbehörden und Schulträgern. Um ihre Schulen zu verbessern, sehen
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sie die Notwendigkeit zusätzlicher Ressourcen, insbesondere mehr Personal. Sie sehen auch ein großes Potenzial in der Stärkung ihrer eigenen Rolle durch beispielsweise geringere Unterrichtsverpflichtungen.
Die Erkenntnis aus dieser Studie ist, wenn in Zukunft niemand mehr bereit ist, eine Führungsposition in den Schulen zu übernehmen, hat dies katastrophale Auswirkungen auf das Bildungssystem. Ohne Schulleitungen wird es keine an-gemessene Führung und Organisation mehr geben, was zu einem Mangel an Qualität und Effizienz führt.
Als Autor, der zwischen 2022 und 2023 aktiv als Moderator für die Digitale Fort-bildungsoffensive NRW tätig war, habe ich mit vielen Schulleitungen unter-schiedlichster Schulformen gesprochen und die Auswirkungen der aktuellen Leitungsmisere aus erster Hand erfahren. Ich bin davon überzeugt, dass es dringend notwendig ist, die Belastungen und Herausforderungen von Schul-leitungen anzuerkennen und diese auch zu adressieren. Es müssen dringend Maßnahmen ergriffen werden, um zukünftige Schulleitungsanwärter zu quali-fizieren und zu motivieren. Ein erster Schritt könnte eine bessere Vergütung sein, um die Mehrarbeit und Verantwortung angemessen zu honorieren. Au-ßerdem sollten Schulleitungen bessere Begleitung und Entlastung bei ihren Aufgaben erfahren. Es müssen