Die Argonauten. Orpheus - Claudia Sperlich - E-Book

Die Argonauten. Orpheus E-Book

Claudia Sperlich

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Beschreibung

Jason war nicht wirklich unglücklich, Medea loszuwerden. Zwar hatte er sein Wort halten wollen, aber ihm graute heimlich vor Hekates Verehrerin. Die aber hörte seinen und ihres Bruders Beschluß und schrie Jason an: "Ich will nach Jolkos! Und wenn du meinen sauberen Bruder nicht beseitigst, so verbrenne ich dein schönes Schiff und dich und deine Genossen auch. Hekate gibt mir die Macht dazu."

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Seitenzahl: 96

Veröffentlichungsjahr: 2020

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CLAUDIA SPERLICH

DIE ARGONAUTEN.ORPHEUS

ZWEIGRIECHISCHE SAGEN

© Claudia Sperlich, 2020

Verlag: tredition GmbH,

Halenreie 40-44 / 22359 Hamburg

Einband unter Verwendung eines Bildes von Konstantinos Volanakis, Wikipedia common.

Paperback

ISBN 978-3-347-03135-7

Hardcover

ISBN 978-3-347-03136-4

e-Book

ISBN 978-3-347-03137-1

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

INHALTSVERZEICHNIS

Vorwort

Die Argonauten

Orpheus

VORWORT

Die antike Sagenwelt hat mich schon in der Kindheit fasziniert. Als längst Erwachsene bekam ich den Auftrag, die Argonautensage in etwa neunzig Minuten öffentlich vorzutragen. Dazu musste ich sie allerdings erst in eine hierzu geeignete Form bringen. Die Fassungen des 19. Jahrhunderts gefielen mir nicht, frühere waren ohne eine sehr spezifische Bildung nicht leicht verständlich, also schrieb ich sie neu, wobei ich mich an der spätantiken Fassung des Apollonios Rhodios orientierte.

Die Argo, das schnelle Schiff der Argonauten, hat es so vermutlich ebensowenig gegeben wie Skylla, Charybdis, die Stymphaliden und andere Ungeheuer. Aber die Sage entstand in einer Zeit, als der Schiffsbau sich entwickelte. Die Griechen nahmen mit Staunen wahr, daß es Schiffe gab, die nicht nur an den Küsten entlang fuhren, sondern recht weit auf die See hinaus. Ebenso haben die erwähnten berühmten Waffen der Chalyber im nördlichen Kleinasien einen realen Hintergrund – der Volksstamm war für seine Fertigkeit in der Metallverarbeitung berühmt. Das griechische Wort chalybes bedeutet etwa „Stahlleute”.

Erzählerin ist bei mir die Muse der Geschichtsschreibung, Kalliope, Mutter des Orpheus. Durch seine Rolle in der Argonautika angeregt, schrieb ich später auch die Orpheussage neu.

Die griechische Sagenwelt ist ebenso spannend wie düster. Es gibt kein Happy End. Aber Orpheus ist der eine Argonaut, der nie zur Waffe und oft mit erstaunlichem Erfolg zur Leier greift, der Seher und Sänger, der den Frieden will. Die frühchristliche Apologetik interpretiert ihn als Vorausbild Jesu Christi. In meiner Fassung der Orpheussage lasse ich das an einer Stelle ganz leise anklingen.

Daß dies Buch nach vielen Jahren der Einsamkeit auf der Festplatte nun endlich gedruckt ist, verdanke ich dem beharrlichfreundlichen Drängen von Frau Beate Sawitzki und ihrer Begeisterung für Georgien (das auf dem Gebiet des antiken Kolchis liegt).

DIE ARGONAUTEN

 

Πρῶτά νυν Ὀρφῆος μνησώμεθα,τόν ῥά ποτ' αὐτὴ

Καλλιόπη Θρήικι φατίζεται εὐνηθεῖσα

Οἰάγρωι σκοπιῆς Πιμπληίδ' ἄγχι τεκέσθαι.

Vor allem andern wollen wir an Orpheus erinnern,Den Kalliope selbst, wie man sagt, dem Thraker OiagrosAuf der Anhöhe Pimpla gebar, auf dem Ruhelager.

Apollonios Rhodios, Argonautica

*

König Athamas von Orchomenos in Boiotien, der junge Wolkengucker, verliebte sich in Nephele, die Wolkenfürstin - oder umgekehrt, was weiß ich. Jedenfalls kam sie zu ihm herab. Er wollte sie zu seiner Königin machen, und sie stellte eine Bedingung: Nie sollte er die Wolken vernachlässigen, nie vergessen, was die Menschen den Wolken zu verdanken haben. Sie hatten zwei Kinder, Phrixos und Helle, das Vieh vermehrte sich, das Land florierte, Athamas regierte - und vor lauter regieren und florieren vergaß er seine jugendliche Wolkenguckerei und hatte für Nephele keine Zeit mehr. Sie verließ ihn ohne Zorn.

Er heiratete Ino. Und die konnte die Kinder nicht leiden. Nephele merkte, wie sie mit den beiden umsprang, und verbot den Wolken, das Land zu beregnen. Die Dürre ging ins zweite Jahr, da schickte Athamas Boten zum Orakel von Delphi. Was Apoll gesagt hat, weiß keiner; Ino schickte Diener mit Bestechungsgeld, als die Boten auf dem Rückweg waren. Sie nahmen das Geld und sagten dafür, die Kinder sollten geopfert werden, dann werde es regnen. Athamas willigte traurig ein, kam nicht darauf, Nephele zu fragen, ob es wahr sei, setzte einen Tag fest.

Die Kinder spielten draußen, da schickte Nephele vom Himmel einen goldenen Widder. Die Kinder streichelten ihn, er war zahm und lieb. Sie setzten sich auf seinen breiten Rücken, hielten sich in der goldenen Wolle fest. Der Widder flog mit ihnen fort, über das Meer. Helle wurde müde, konnte sich nicht mehr festhalten und stürzte ab.

Der Widder flog über das Schwarze Meer und landete am Fuß des Kaukasus, in Kolchis, dem Reich des Sonnensohnes Aietes. Aietes nahm Phrixos auf, und der opferte den Widder zum Dank dem Ares, der hier besonders verehrt wurde. Nepheles sanftes, hilfsbereites Wolkentier wurde zum Schlachtopfer für den Kriegsgott. Das Fell, das goldene Vlies, schenkte Phrixos dem König. Der hörte die Weissagung: seine Herrschaft werde enden, wenn er das Vlies verlöre. So band ers an eine Eiche im heiligen Hain des Ares und setzte einen feuerspeienden Drachen als Wächter ein.

*

Zu jener Zeit war ich nach Thrakien gegangen, überdrüssig meiner Rolle als älteste von neun Schwestern. Dort entwickelte sich gerade eine neue Form der Vortragskunst, weniger eintönig und mit begleitenden Gesten, zugleich ein von alten Mustern abweichender Erzählstil – ich wollte die jungen Dichter und Sänger unterstützen.

Einen von ihnen traf ich in der Halle des Fürstenhauses, die der kunstbegeisterten Jugend offenstand. Oiagros hieß der schöne Makedonier, Sohn des Piëros, des Königs von Pella. Feinsinnig war er und klug, kannte die großen Sänger und dichtete gelegentlich, durchaus begabt, kleine Lieder. Nicht nur väterlicher Wille und fürstliche Tradition hatten den Prinzen reisen lassen. Er erzählte mir von seinen neun stimmbegabten Schwestern: „Sie singen wirklich wundervoll, eine wie die andere“, seufzte er, „und schön sind sie, weißhäutig, schwarzhaarig; wenn sie im Chor singen, eine Freude für Augen und Ohren! Aber“, er wand sich verlegen, „wenn sie nicht singen, schwätzen sie. Wie die Elstern, und genau so schwarz und weiß, nicht nur im Aussehen, wenn du verstehst, was ich meine.“ Ich verstand ihn nur zu gut.

Er trug mir seine neuen Gedichte vor; hie und da ergab sich im Gespräch eine Verbesserung oder ein ganz neuer Einfall. Seine Küsse waren der Dank.

Endlich blieb es nicht beim Dichten und Küssen, ich erwartete ein Kind, und wir ließen uns in Thrakien unweit des Königshauses nieder. König Piëros erschien zur Hochzeit mit seinen neun Töchtern, die wirklich gute Sängerinnen waren, die Feier dadurch und mit ihrer großen Schönheit sehr bereicherten, wenngleich sie auch sonst der Beschreibung ihres Bruders entsprachen. Piëros berichtete, er habe bei seiner Ankunft in Thrakien eine Orakelstätte aufgesucht und dort erfahren, neun göttliche Schutzherrinnen wachten über die Künste; er sprach von seinem Entschluß, ihre Verehrung in Pella einzuführen und sie zu bitten, auch über seine Töchter zu wachen. Die Situation war mir peinlich; ich konnte meinem Schwiegervater schlecht sagen, ich sei eine der Neun und wünsche diese jungen Schwätzerinnen nicht zu behüten. Im Grunde war ich froh, als die Feierlichkeiten hinter uns lagen und die Sippe wieder fortschwärmte. Meine Schwester Polyhymnia brachte später den boshaften Scherz auf, die Mädchen hätten sich in Elstern verwandelt nach einem Sängerwettstreit mit uns allen.

*

Linos kam gesund zur Welt und entwickelte bald ein Gespür für Rhythmus und Klang, lernte früh das Sprechen und machte davon so reichlichen Gebrauch, daß Oiagros manchmal entnervt meinte, der Kleine sei wie seine neun Tanten zusammen. Orpheus gebar ich wenige Jahre später; er schien Linos zunächst unterlegen, war zarter, sanfter und stiller, hörte mehr zu als er selbst sang – womit er begann, als er noch tapsig durch die Gegend stolperte -, sang mehr als er sprach, und hatte eine eigenartige Weise, seine kleine Kithara zu bearbeiten. Linos zeigte ihm immer wieder, wie es richtig ging – nach solchem Unterricht zog Orpheus sich maulig zurück. Oft saß er stundenlang allein im Garten. Hier hörte ich ihn einmal eine ungewöhnliche kleine Melodie vor sich hin summen, Intervalle, die er kaum je gehört hatte. Dabei grub er mit einem Finger die Erde auf. Ein Rotkehlchen saß still daneben, schien zu lauschen. Orpheus zog die Hand zurück, ließ den Vogel auf die lockeren Erdkrumen hüpfen und nach Würmern picken, summte dabei unablässig seine seltsame, durchaus gelungene kleine Melodie. Ich schenkte ihm anderntags eine bessere Kithara; er spielte hingerissen darauf, stundenlang, immer neue Variationen seiner Weise – bis Linos kam. Sofort legte Orpheus das Instrument beiseite.

Mir schien, als wüchsen die Kräuter und Blumen im Garten besser, seit Orpheus so häufig dort war, kleine Weisen spielte und vor sich hin sang. Oiagros lachte mich zwar aus deshalb und meinte, es sei umgekehrt – unser Sohn spiele und singe so gut, weil die Blumen, die er so liebte, in diesem Jahr besser wüchsen als sonst. Aber woher sollen Blumen solche Macht haben?

*

Immer wieder stritten die Brüder, und immer wieder lief es nach dem gleichen Muster ab: der ältere meinte, den jüngeren in irgendetwas – meist in Spiel- oder Gesangstechnik – verbessern zu müssen, der jüngere widersprach und versuchte, seine besondere Eigenart zu erklären, der ältere beharrte und schimpfte, der jüngere zog sich maulend zurück. Ich fand ihn dann oft leise weinend im Garten. Wenn ich die beiden einzeln zur Rede stellte, hieß es „Orpheus macht das aber doch falsch“ und „Linos hat gar nicht Recht“. Tatsächlich hatte Linos von früh an eine sehr sorgfältige Technik – er war ein ausgezeichneter Kitharaspieler und ein guter Sänger, und seine schnelle Auffassungsgabe ließ ihn Lieder nach einmaligem Hören genau wiederholen, aber niemals erdachte er Eigenes. Orpheus mußte alles erforschen: Wie klingt das Instrument, wenn ich es so oder so halte und anschlage? Was kann man mit der Stimme alles anstellen? So versuchte er, alle Geräusche nachzuahmen, die ihm begegneten, gleich ob es die Nachtigall war oder der Wiedehopf, quietschende Wagenräder oder Ziegen oder Hirtenflöten, Meeresrauschen oder der Wind in den Bergen. Er sammelte Klänge, wie andere Menschen Schaumünzen oder Schmuck sammeln.

*

Linos hatte guten Erfolg als Sänger und Lehrer, während Orpheus seine ungewöhnlichen, sonderbar mitreißenden Lieder einer kleinen Hörerschaft vortrug. Er erbat sich von Oiagros die Erlaubnis, zu reisen, und der gab sie ihm etwas zögernd, voll Sorge um das empfindsame Gemüt seines Sohnes. Auch mir war nicht ganz wohl – er war noch keine siebzehn Jahre alt -, aber ich sah ein, daß er zu Hause nicht genug lernen konnte. Schweren Herzens ließen wir ihn reisen.

Er kam nach über einem Jahr wieder, und nicht nur war mein kleiner Träumer männlicher geworden, blickte freier in die Welt; nicht nur vollbrachte er Erstaunliches mit Kithara und Stimme. Er sang von einem mächtigen Gott der Nubier, Osiris, dem Vollkommenen, dem Zwilling des düsteren Seth. Noch im Mutterleib sei in Osiris so große Liebe zu seiner älteren Schwester Isis gewachsen, daß sie als Herangewachsene ihre Verwandtschaft nicht mehr achteten und als Gatten lebten. Seth aber habe seinen Bruder schon im Mutterleib beneidet und habe ihn endlich ermordet und zerstückelt. Darauf habe die treue Schwestergattin die Teile ihres Gemahls zusammengesetzt und wieder lebendig gemacht, und Horus, ihr Sohn, habe später den Seth überwunden. Herr der Unterwelt sei Osiris geworden und zugleich Herr des Lebens. - Dies sonderbar schöne Lied traf den Nerv der Zeit, die jungen Leute strömten herbei, wenn Orpheus sang, und in immer neuen Abwandlungen mußte er das Lied von Osiris vortragen. Doch immer wieder machte er sich rar, nicht aus Eitelkeit, sondern aus einer beständigen Scheu, seinem eigenen Anspruch nicht zu genügen. Er bewahrte seine Liebe zum Alleinsein. Oft fand ich ihn nachts im Garten, die Augen bei den Sternen, ihre Namen murmelnd.

Mit Stolz auf seine Sangeskunst, aber auch mit Sorge sah ich seine Begeisterung für die blutige Geschichte des Osiris. Es war mir nur zu deutlich, daß zwischen Orpheus und Linos keine brüderliche Liebe bestehen konnte, und wenn ich Orpheus in wilder Freude singen hörte, wie der von Seth zerfetzte Osiris endlich mächtiger wurde, als sein Bruder je gewesen war, so graute mir vor meinen beiden Söhnen, und ich fürchtete für beide.

*