Die Farm - John Grisham - E-Book

Die Farm E-Book

John Grisham

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Beschreibung

Ein packender Familienroman

In der staubigen Hitze von Arkansas wird ein neugieriger Siebenjähriger plötzlich mit der harten Realität des Lebens konfrontiert. Während Luke noch von Baseball träumt und heimlich die Erwachsenen belauscht, gerät er unvermutet in ein Drama um Liebe und Tod, in dem er selbst eine entscheidende Rolle spielt.

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Seitenzahl: 637

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Das Buch

September 1952, es ist Erntezeit auf den Baumwollfeldern von Arkansas. Auch der siebenjährige Luke, der mit seinen Eltern auf der gepachteten Farm der Großeltern lebt, muss beim Pflücken helfen. Zusammen mit den Wanderarbeitern, einer Gruppe junger Mexikaner und der Familie Spruill aus den Bergen, zupft er Tag für Tag die flaumigen Kapseln von den Sträuchern. Luke ist ein neugieriger Junge, der das Treiben der Erwachsenen aufmerksam beobachtet. Und so entdeckt er in diesem Sommer zahlreiche Geheimnisse: verbotene Liebesaffären, heftige Streitereien und das ferne Donnern eines Krieges. Da geschieht ein Mord – und Luke hat genau gesehen, was passiert ist. Aus Angst, die brutalen Spruill-Brüder könnten sich an ihm und seiner Familie rächen, schweigt er. Noch ahnt er nicht, dass die Ereignisse dieses Sommers sein Leben für immer verändern werden.

Inhaltsverzeichnis

Das BuchWidmungKapitel 1Kapitel 2Kapitel 3Kapitel 4Kapitel 5Kapitel 6Kapitel 7Kapitel 8Kapitel 9Kapitel 10Kapitel 11Kapitel 12Kapitel 13Kapitel 14Kapitel 15Kapitel 16Kapitel 17Kapitel 18Kapitel 19Kapitel 20Kapitel 21Kapitel 22Kapitel 23Kapitel 24Kapitel 25Kapitel 26Kapitel 27Kapitel 28Kapitel 29Kapitel 30Kapitel 31Kapitel 32Kapitel 33Kapitel 34Kapitel 35Kapitel 36Werkverzeichnis der im Heyne Verlag erschienenen Titel von John GrishamDer AutorDie RomaneCopyright

Für meine Eltern, Weezund Big John,in Liebe und Bewunderung.

1

Die Leute aus den Bergen und die Mexikaner kamen am selben Tag. Es war ein Mittwoch, Anfang September 1952. Die Cardinals waren gegenüber den Dodgers fünf Spiele im Rückstand, und die Saison dauerte nur noch drei Wochen. Es schien hoffnungslos. Die Baumwolle allerdings reichte meinem Vater bis zur Hüfte, mir über den Kopf, und vor dem Abendessen flüsterten er und mein Großvater Worte, die man nur selten hörte. Es könnte eine »gute Ernte« werden.

Sie waren Farmer, hart arbeitende Männer, die nur zum Pessimismus neigten, wenn sie über das Wetter und die Ernte sprachen. Entweder schien die Sonne zu viel, oder es regnete zu viel, im Tiefland drohten Überschwemmungen, Saatgut oder Dünger waren teurer geworden, der Abnahmepreis für Baumwolle schwankte. An einem absolut perfekten Tag sagte meine Mutter manchmal leise zu mir: »Keine Sorge. Die Männer werden etwas finden, weswegen sie sich Sorgen machen können.«

Als wir aufbrachen, um Leute aus dem Hochland zu suchen, machte sich Pappy, mein Großvater, Sorgen wegen des Lohns der Arbeiter. Sie wurden pro hundert Pfund gepflückte Baumwolle bezahlt. Im Jahr zuvor hatten sie, laut meinem Großvater, einen Dollar fünfzig für hundert Pfund bekommen. Jetzt hieß es gerüchteweise, dass ein Farmer in Lake City einen Dollar sechzig zahlte.

Dieser Gedanke bedrückte mich sehr, als wir in die Stadt fuhren. Pappy sprach nie, wenn er Auto fuhr, und zwar weil er, laut meiner Mutter, die selbst keine gute Autofahrerin war, vor motorisierten Fahrzeugen Angst hatte. Unser Wagen war ein Ford Pick-up Baujahr 1939, und abgesehen von unserem alten John-Deere-Traktor war er unser einziges Transportmittel. Das war im Prinzip kein großes Problem, außer wenn wir zur Kirche fuhren und meine Mutter und meine Großmutter gezwungen waren, in ihrem Sonntagsstaat eng gedrängt vorn zu sitzen, während mein Vater und ich auf der Ladefläche mitfuhren, eingehüllt in Staub. Moderne Personenwagen waren eine Rarität im ländlichen Arkansas.

Pappy fuhr mit einer Geschwindigkeit von siebenunddreißig Meilen pro Stunde. Er vertrat die Theorie, dass es für jedes Automobil eine Geschwindigkeit gab, mit der es am effizientesten fuhr, und mittels einer nur vage definierten Methode hatte er beschlossen, dass unser alter Pick-up siebenunddreißig Meilen pro Stunde fahren sollte. Meine Mutter behauptete (mir gegenüber), das sei lächerlich. Sie behauptete außerdem, dass er und mein Vater sich irgendwann einmal gestritten hätten, ob der Pick-up schneller fahren sollte oder nicht. Aber mein Vater saß nur selten am Steuer, und wenn ich zufälligerweise dabei war, hielt er sich an die siebenunddreißig Meilen, aus Respekt vor Pappy. Meine Mutter vermutete, dass er wesentlich schneller fuhr, wenn er allein war.

Wir bogen auf die Landstraße, den Highway 135, und wie immer beobachtete ich Pappy dabei, wie er vorsichtig die Gänge einlegte – er trat langsam auf die Kupplung, betätigte gefühlvoll den Schalthebel am Lenkrad –, bis er die perfekte Geschwindigkeit erreicht hatte. Dann lehnte ich mich zur Seite, um den Tachometer zu kontrollieren: siebenunddreißig Meilen. Er lächelte mich an, als wären wir uns beide einig, dass das die richtige Geschwindigkeit für den Wagen war.

Der Highway 135 führte gerade und eben durch das Farmland des Arkansas-Delta. So weit ich blicken konnte, waren die Felder zu beiden Seiten weiß vor Baumwolle. Es war Zeit für die Ernte, eine wunderbare Zeit für mich, weil die Schule zwei Monate lang geschlossen war. Für meinen Großvater war es jedoch eine Zeit endloser Sorgen.

Rechts von uns, auf der Farm der Jordans, sahen wir eine Gruppe Mexikaner, die auf dem Feld neben der Straße arbeiteten. Sie waren vornübergebeugt, die Säcke mit Baumwolle hingen ihnen über den Rücken, ihre Hände bewegten sich flink zwischen den Zweigen und rissen die Samenkapseln ab. Pappy brummte. Er mochte die Jordans nicht, weil sie Methodisten waren – und Fans der Cubs. Und dass auf ihren Feldern bereits gepflückt wurde, war ein weiterer Grund, sie nicht zu mögen.

Unsere Farm lag knapp acht Meilen von der Stadt entfernt, aber bei siebenunddreißig Meilen pro Stunde dauerte die Fahrt zwanzig Minuten. Gleichbleibend zwanzig Minuten, auch wenn kaum Verkehr war. Pappy hielt nichts davon, langsamere Fahrzeuge zu überholen. Natürlich war er meistens der Langsamste. In der Nähe von Black Oak stießen wir auf einen Anhänger, der bis oben hin mit schneeweißen Bergen frisch gepflückter Baumwolle beladen war. Die vordere Hälfte war mit einer Plane bedeckt, und die Montgomery-Zwillinge, die so alt waren wie ich, hüpften vergnügt in der Baumwolle herum, bis sie uns auf der Straße entdeckten. Dann hielten sie inne und winkten. Ich winkte ebenfalls, aber mein Großvater rührte keinen Finger. Wenn er am Steuer saß, winkte oder nickte er nie jemandem zu, und zwar weil er Angst hatte, die Hände vom Lenkrad zu nehmen, behauptete meine Mutter. Sie behauptete weiterhin, dass die Leute hinter seinem Rücken über ihn redeten und sagten, er wäre unhöflich und arrogant. Ich persönlich glaube nicht, dass er sich um dieses Gerede scherte.

Wir fuhren hinter dem Anhänger der Montgomerys her, bis er bei der Entkörnungsanlage abbog. Er wurde von ihrem alten Massey-Harris-Traktor gezogen, den Frank fuhr, der älteste Montgomery-Sohn, der in der fünften Klasse mit der Schule aufgehört hatte und von dem alle in der Kirche glaubten, dass er noch in ernste Schwierigkeiten geraten würde.

Der Highway 135 wurde für die kurze Strecke durch Black Oak zur Main Street. Wir fuhren an der Baptistenkirche von Black Oak vorbei, eine seltene Ausnahme, denn normalerweise hielten wir immer für irgendeine Art Gottesdienst an. Alle Läden, Geschäfte, Betriebe, Kirchen, sogar die Schule standen an der Main Street, und an Samstagen, wenn die Leute vom Land ihre wöchentlichen Einkäufe erledigten, schob sich der Verkehr Stoßstange an Stoßstange durch den Ort. Aber es war Mittwoch, und als wir in der Stadt ankamen, parkten wir vor Pop und Pearl Watsons Lebensmittelladen in der Main Street.

Ich wartete auf dem Gehsteig, bis mein Großvater in Richtung des Ladens nickte. Das war das Zeichen, dass ich hineingehen und ein Tootsie Roll kaufen durfte, das ich anschreiben ließ. Es kostete nur einen Penny, aber es stand nicht von vornherein fest, dass ich jedes Mal, wenn wir in der Stadt waren, eins bekommen würde. Hin und wieder nickte er nicht, aber dann ich ging trotzdem in den Laden und trieb mich so lange neben der Registrierkasse herum, bis mir Pearl heimlich eins zusteckte und mich streng anwies, meinem Großvater nichts davon zu sagen. Sie hatte Angst vor ihm. Eli Chandler war ein armer Mann, aber zugleich war er über die Maßen stolz. Er würde lieber verhungern, bevor er sich Lebensmittel schenken ließe, worunter seiner Ansicht nach auch Tootsie Rolls fielen. Er hätte mich mit einem Stock geschlagen, hätte er gewusst, dass ich Süßigkeiten annahm, deswegen hatte Pearl Watson auch keine Mühe, mich auf Stillschweigen einzuschwören.

Aber heute nickte er. Wie immer, wenn ich eintrat, wischte Pearl die Ladentheke. Ich umarmte sie steif, dann nahm ich ein Tootsie Roll aus dem Glas neben der Kasse. Ich unterschrieb schwungvoll die Quittung, und Pearl begutachtete meine Handschrift. »Wird schon besser, Luke«, sagte sie.

»Nicht schlecht für einen Siebenjährigen«, sagte ich. Meine Mutter sorgte seit zwei Jahren dafür, dass ich übte, meinen Namen in Schreibschrift zu schreiben. »Wo ist Pop?«, fragte ich. Sie waren die einzigen Erwachsenen, die darauf bestanden, dass ich sie mit ihrem Vornamen ansprach, wenn niemand sonst im Laden war und zuhörte. Wenn ein Kunde hereinkam, hieß es plötzlich wieder Mr und Mrs Watson. Ich erzählte niemandem außer meiner Mutter davon, und sie meinte, dass sie sicher keinem anderen Kind dieses Privileg zugestanden.

»Hinten im Lager – er stockt die Vorräte auf«, sagte Pearl. »Wo ist dein Großvater?«

Es war Pearls Berufung im Leben, die Wege der Stadtbewohner zu überwachen, weswegen sie auf Fragen in der Regel mit einer Gegenfrage antwortete.

»Im Tea Shoppe, schaut nach den Mexikanern. Kann ich nach hinten?« Ich war entschlossen, sie an Fragen zu übertreffen.

»Besser nicht. Wollt ihr auch Leute aus den Bergen nehmen?«

»Wenn wir welche finden. Eli sagt, dass nicht mehr so viele wie früher kommen. Außerdem meint er, dass sie alle halb verrückt sind. Wo ist Champ?« Champ war der uralte Beagle, der zum Laden gehörte und nie von Pops Seite wich.

Pearl grinste, wann immer ich meinen Großvater beim Vornamen nannte. Sie wollte mir gerade eine weitere Frage stellen, als die kleine Ladenglocke bimmelte und die Tür geöffnet und wieder geschlossen wurde. Ein echter Mexikaner kam herein, allein und schüchtern, wie sie es alle anfänglich waren. Pearl nickte dem neuen Kunden höflich zu.

Ich rief: »Buenos días, señor!«

Der Mexikaner grinste und sagte verlegen »Buenos días«, bevor er nach hinten verschwand.

»Das sind gute Leute«, flüsterte Pearl, als spräche der Mexikaner Englisch und würde sich über eine nette Bemerkung ärgern. Ich biss in mein Tootsie Roll und kaute es langsam, während ich die andere Hälfte wieder einpackte und in die Tasche steckte.

»Eli macht sich Sorgen, dass er ihnen zu viel zahlen muss«, sagte ich. Da sich ein Kunde im Laden aufhielt, war Pearl plötzlich wieder geschäftig, wischte um die einzige Kasse herum Staub und rückte alles zurecht.

»Eli macht sich wegen allem Sorgen«, sagte sie.

»Er ist ein Farmer.«

»Willst du auch Farmer werden?«

»Nein, Ma’am, Baseballspieler.«

»Bei den Cardinals?«

»Klar.«

Pearl summte eine Weile vor sich hin, während ich auf den Mexikaner wartete. Ich konnte noch ein bisschen mehr Spanisch, das ich unbedingt an den Mann bringen wollte.

Die alten Holzregale waren bis oben hin mit frischen Waren gefüllt. Ich liebte den Laden während der Pflücksaison. Pop füllte ihn vom Boden bis zur Decke. Es war Erntezeit, und Geld wechselte die Hände.

Pappy machte die Tür gerade so weit auf, dass er den Kopf hereinstecken konnte. »Fahren wir«, sagte er. Und dann: »Hallo, Pearl.«

»Hallo, Eli«, sagte sie, tätschelte mir den Kopf und schickte mich zu ihm.

»Wo sind die Mexikaner?«, fragte ich Pappy, als wir auf der Straße standen.

»Sollen später am Nachmittag kommen.«

Wir stiegen wieder in den Pick-up und fuhren Richtung Jonesboro aus der Stadt, wo mein Großvater immer die Leute aus dem Hochland anheuerte.

Wir hielten auf dem Seitenstreifen neben der Straße an, nahe einer Kreuzung mit einer Schotterstraße. Pappy war der Meinung, dass das der beste Platz war, um Leute aus den Bergen zu finden. Ich war mir da nicht so sicher. Seit einer Woche versuchte er vergeblich, sie anzuheuern. Ohne auch nur ein Wort zu sprechen, saßen wir bereits eine halbe Stunde in der sengenden Sonne auf der Ladefläche, als der erste Pick-up bremste. Er war sauber und hatte gute Reifen. Wenn wir Glück hatten und Arbeiter fanden, würden sie die nächsten zwei Monate bei uns leben. Wir wollten ordentliche Leute, und die Tatsache, dass dieses Fahrzeug besser gepflegt war als Pappys, war ein gutes Zeichen.

»Tag«, sagte Pappy, nachdem der Motor ausgeschaltet war.

»Hallo«, sagte der Fahrer.

»Von wo kommen Sie?«, fragte Pappy.

»Nördlich von Hardy.«

Da kein Verkehr herrschte, trat mein Großvater mit freundlicher Miene auf die Straße und betrachtete den Wagen und seine Insassen. Der Fahrer und seine Frau saßen vorn, ein kleines Mädchen zwischen ihnen. Drei große Jungen dösten auf der Ladefläche. Alle wirkten gesund und gut gekleidet. Ich sah Pappy an, dass er diese Leute wollte.

»Suchen Sie Arbeit?«, fragte er.

»Ja. Wir suchen Lloyd Crenshaw, irgendwo westlich von Black Oak.« Mein Großvater deutete hierhin und dorthin, und sie fuhren weiter. Wir blickten ihnen nach, bis sie außer Sichtweite waren.

Er hätte ihnen mehr Geld anbieten können, als Mr Crenshaw ihnen versprochen hatte. Leute aus dem Hochland waren dafür berüchtigt, um ihren Lohn zu feilschen. Im Jahr zuvor, als wir gerade mit dem Pflücken angefangen hatten, verschwanden die Fulbrights aus Calico Rock eines Sonntagabends und arbeiteten anschließend bei einem Farmer zehn Meilen weit weg.

Aber Pappy war ein Ehrenmann und wollte außerdem keinen Preiskrieg anzetteln.

Wir warfen am Rand eines Baumwollfelds einen Baseball und hörten auf, sobald sich ein Fahrzeug näherte.

Mein Handschuh war ein Rawlings, den der Weihnachtsmann im Jahr zuvor gebracht hatte. Jeden Abend nahm ich ihn mit ins Bett, jede Woche fettete ich ihn ein, nichts war meinem Herzen näher.

Mein Großvater, der mir beigebracht hatte, den Ball zu werfen, zu fangen und zu schlagen, brauchte keinen Handschuh. Seine großen schwieligen Hände fingen meine Bälle schmerzlos auf. Einerseits war er ein stiller Mann, der niemals prahlte, andererseits war Eli Chandler ein legendärer Baseballspieler gewesen. Im Alter von siebzehn Jahren hatte er bei den Cardinals einen Vertrag als professioneller Spieler unterschrieben. Aber dann musste er in den Ersten Weltkrieg ziehen, und kurz nachdem er nach Hause zurückgekehrt war, starb sein Vater. Pappy blieb nichts anderes übrig, als Farmer zu werden.

Pop Watson liebte es, mir Geschichten zu erzählen, wie großartig Eli Chandler gewesen war – wie weit er den Baseball hatte schlagen, wie hart er hatte werfen können. »Wahrscheinlich der beste Spieler aus ganz Arkansas«, lautete sein Urteil.

»Besser als Dizzy Dean?«, fragte ich ihn dann.

»Der war nicht annähernd so gut«, sagte Pop und seufzte.

Wenn ich die Geschichten meiner Mutter erzählte, lächelte sie stets und sagte: »Sei vorsichtig. Pop ist ein Märchenonkel.«

Pappy, der den Baseball in seinen riesigen Händen drehte, legte den Kopf schief, weil er ein Motorengeräusch hörte. Aus Westen näherte sich ein Pick-up mit Anhänger. Als er noch eine Viertelmeile entfernt war, wussten wir, dass es sich um Leute aus den Bergen handelte. Wir traten auf den Seitenstreifen und warteten, während der Fahrer herunterschaltete, das Getriebe krachte und kreischte, als er den Wagen anhielt.

Ich zählte sieben Personen, fünf im Pick-up, zwei auf dem Anhänger.

»Hallo«, sagte der Fahrer langsam, musterte meinen Großvater, während wir unsererseits sie taxierten.

»Guten Tag«, sagte Pappy und trat einen Schritt näher, hielt aber immer noch Distanz.

Tabaksaft umrandete die Unterlippe des Fahrers. Das war kein gutes Zeichen. Meine Mutter glaubte, dass die meisten Leute aus dem Hochland nicht viel Wert auf Hygiene legten und zu schlechten Angewohnheiten neigten. Bei uns zu Hause waren Alkohol und Tabak verboten. Wir waren Baptisten.

»Heiße Spruill«, sagte er.

»Eli Chandler. Freut mich, Sie kennen zu lernen. Suchen Sie Arbeit?«

»Ja.«

»Woher kommen Sie?«

»Eureka Springs.«

Der Wagen war fast so alt wie der von Pappy, die Reifen waren abgefahren, die Windschutzscheibe hatte einen Sprung, die Schutzbleche waren verrostet, die Lackreste unter der Staubschicht schienen blau zu sein. Über der Ladefläche war eine Ablage konstruiert worden, die voll gestellt war mit Pappschachteln und Jutesäcken mit Vorräten. Darunter, auf der Ladefläche, lag neben der Fahrerkabine eine Matratze. Darauf saßen zwei große Jungen und starrten mich ausdruckslos an. Am Ende der Ladefläche saß ein massiger junger Mann, barfuß und ohne Hemd, mit breiten Schultern und einem Hals so dick wie ein Baumstamm. Er spuckte Tabaksaft zwischen Pick-up und Anhänger und schien Pappy und mich nicht wahrzunehmen. Er schwang gemächlich seine Beine hin und her, dann spuckte er wieder aus und blickte weiter unverwandt auf den Asphalt zu seinen Füßen.

»Ich suche nach Erntearbeitern«, sagte Pappy.

»Was zahlen Sie?«, fragte Mr Spruill.

»Eins sechzig für hundert«, sagte Pappy.

Mr Spruill runzelte die Stirn und sah zu der Frau neben ihm. Sie murmelten etwas.

An dieser Stelle des Rituals mussten schnell Entscheidungen getroffen werden. Wir mussten entscheiden, ob wir wollten, dass diese Leute bei uns lebten. Und sie mussten unser Angebot annehmen oder zurückweisen.

»Was für Baumwolle?«, fragte Mr Spruill.

»Stoneville«, sagte mein Großvater. »Die Samenkapseln sind so weit. Leicht zu pflücken.« Mr Spruill konnte sich umschauen und die berstenden Kapseln sehen. Bislang hatten Sonne, Boden und Regen zusammengearbeitet. Pappy allerdings machte sich Sorgen wegen schrecklicher Regenfälle, die der Bauernkalender vorhersagte.

»Wir haben letztes Jahr schon eins sechzig gekriegt«, sagte Mr Spruill.

Lohnverhandlungen interessierten mich nicht, deswegen ging ich den Mittelstreifen entlang, um den Anhänger zu inspizieren. Die Reifen des Anhängers waren noch glatter als die des Pick-ups. Einer war halb platt. Es war gut, dass ihre Reise bald zu Ende war.

In einer Ecke des Anhängers, die Ellenbogen auf die Seitenklappen gestützt, saß ein überaus hübsches Mädchen. Sie hatte dunkles Haar, das streng nach hinten gebunden war, und große braune Augen. Sie war jünger als meine Mutter, aber wesentlich älter als ich. Ich konnte nicht anders, ich musste sie anstarren.

»Wie heißt du?«, fragte sie.

»Luke«, sagte ich und trat nach einem Stein. Sofort brannten meine Backen. »Und du?«

»Tally. Wie alt bist du?«

»Sieben. Und du?«

»Siebzehn.«

»Wie lange seid ihr unterwegs?«

»Anderthalb Tage.«

Sie war barfuß, und ihr Kleid war schmutzig und sehr eng – eng bis zu den Knien. Es war das erste Mal, dass ich ein Mädchen wirklich musterte. Sie beobachtete mich und lächelte wissend. Auf einer Kiste neben ihr saß ein kleiner Junge, den Rücken mir zugewandt. Er drehte sich langsam um und sah mich an, als wäre ich nicht da. Er hatte grüne Augen und eine hohe Stirn, auf die feuchte schwarze Haare fielen. Sein linker Arm schien zu nichts zu gebrauchen zu sein.

»Das ist Trot«, sagte sie. »Er ist nicht ganz richtig im Kopf.«

»Freut mich, Trot«, sagte ich, aber er blickte weg. Er tat so, als hätte er mich nicht gehört.

»Wie alt ist er?«, fragte ich sie.

»Zwölf. Er ist ein Krüppel.«

Trot wandte sich unvermittelt von mir ab, sein linker Arm hing leblos herunter. Mein Freund Dewayne behauptete, dass Leute aus den Bergen ihre Cousins und Cousinen heirateten und deswegen gäbe es so viele Behinderte in ihren Familien.

Tally jedoch schien vollkommen. Sie blickte nachdenklich über die Baumwollfelder, und ich bewunderte erneut ihr schmutziges Kleid.

Ich wusste, dass sich mein Großvater und Mr Spruill geeinigt hatten, denn Mr Spruill ließ den Motor an. Ich ging an dem Mann auf der Heckklappe vorbei, der kurz aufwachte, aber immer noch auf die Straße starrte, und stellte mich neben Pappy. »Neun Meilen geradeaus, an einer abgebrannten Scheune nach links, dann sechs Meilen zum St. Francis River. Wir sind die erste Farm nach dem Fluss auf der linken Seite.«

»Tief gelegenes Land?«, fragte Mr Spruill, als würde er in einen Sumpf geschickt.

»Teilweise, aber es ist gutes Land.«

Mr Spruill blickte noch einmal zu seiner Frau, dann wandte er sich wieder uns zu. »Wo sollen wir unser Lager aufschlagen?«

»Es gibt eine schattige Stelle hinter dem Haus, gleich neben dem Silo. Das ist der beste Platz.«

Wir sahen ihnen nach, das Getriebe krachte, die Reifen eierten, Kisten, Schachteln und Töpfe hüpften herum.

»Du magst sie nicht, oder?«, fragte ich.

»Sie sind gute Leute. Sie sind nur anders.«

»Wir haben Glück, dass wir sie gefunden haben, oder?«

»Ja, das haben wir.«

Je mehr Helfer wir hatten, umso weniger Baumwolle müsste ich pflücken. Während der nächsten zwei Monate würde ich bei Sonnenaufgang auf die Felder gehen, mir einen Sack über die Schulter schlingen und einen Augenblick auf eine endlose Reihe Baumwolle starren, die Sträucher höher als ich, dann würde ich mich hineinstürzen und wäre nicht mehr zu sehen. Und ich würde Baumwolle pflücken, die flaumigen Kapseln in gleichmäßigem Tempo von den Zweigen reißen, sie in den schweren Sack stopfen und mich davor fürchten, die Reihe entlang zu blicken und daran erinnert zu werden, wie endlos lang sie war, und ich hätte Angst davor, langsamer zu werden, weil jemand es bemerken würde. Meine Finger würden bluten, mein Nacken wäre verbrannt, mein Rücken würde schmerzen.

Ja, ich wollte jede Menge Hilfe auf den Feldern. Jede Menge Leute aus den Bergen, jede Menge Mexikaner.

2

Wenn die Baumwolle wartete, verlor mein Großvater leicht die Geduld. Zwar fuhr er nach wie vor mit der gebotenen Geschwindigkeit, aber dass auf den Feldern entlang der Straße bereits gepflückt wurde und auf unseren nicht, raubte ihm die Ruhe. Unsere Mexikaner waren zwei Tage überfällig. Wieder parkten wir vor dem Laden von Pop und Pearl, und ich begleitete ihn in den Tea Shoppe, wo er mit dem Mann stritt, der für die Erntehelfer verantwortlich war.

»Entspann dich, Eli«, sagte der Mann. »Sie werden jede Minute hier sein.«

Er konnte sich nicht entspannen. Wir gingen zur Entkörnungsanlage am Rand von Black Oak, ein langer Weg – aber Pappy hielt nichts davon, Benzin zu verschwenden. Zwischen sechs und elf Uhr morgens hatte er zweihundert Pfund Baumwolle gepflückt, trotzdem ging er so schnell, dass ich laufen musste, um mit ihm mitzuhalten.

Auf dem Kiesplatz vor der Anlage standen zahllose Anhänger, manche leer, andere warteten darauf, dass ihre Ladung entkörnt würde. Wieder winkte ich den Montgomery-Zwillingen zu, die mit ihrem leeren Anhänger nach Hause zurückkehrten, um ihn neu zu beladen.

In dem Gebäude machten die schweren Maschinen einen Mordslärm. Sie waren unglaublich laut und gefährlich. Während jeder Ernte zog sich mindestens ein Arbeiter eine grauenhafte Verletzung zu. Ich hatte Angst vor den Maschinen, und als Pappy mir auftrug, draußen zu warten, fügte ich mich bereitwillig. Er ging, ohne auch nur zu nicken, an ein paar Erntehelfern vorbei, die auf ihre Anhänger warteten. Er war mit den Gedanken woanders.

Ich fand einen sicheren Platz nahe der Rampe, wo die fertigen Ballen herausgerollt und auf Anhänger verladen wurden, die sie nach North und South Carolina brachten. An einem Ende der Anlage wurde die frisch gepflückte Baumwolle durch ein langes Rohr mit einem Umfang von dreißig Zentimetern von den Anhängern gesaugt; sie verschwand im Gebäude, wo die Maschinen sie verarbeiteten. Am anderen Ende kam sie in ordentlichen eckigen Ballen wieder heraus, in Sackleinen gewickelt und von zweieinhalb Zentimeter breiten Stahlbändern zusammengehalten. Eine gute Entkörnungsanlage produzierte perfekte Ballen, die man wie Ziegelsteine aufeinander stapeln konnte.

Ein Ballen Baumwolle war einhundertfünfundsiebzig Dollar wert, ein bisschen mehr oder weniger je nach Marktlage. Ein Morgen warf bei einer guten Ernte einen Ballen ab. Wir hatten achtzig Morgen gepachtet. Die meisten Farmerkinder konnten den Ertrag berechnen.

Ja, die Rechnung war so einfach, dass man sich fragte, warum überhaupt jemand Farmer sein wollte. Meine Mutter sorgte dafür, dass ich die Zahlen verstand. Unter uns hatten wir heimlich ein Abkommen getroffen, dass ich nicht, unter keinen Umständen, auf der Farm bleiben würde. Ich würde alle zwölf Schulklassen absolvieren und dann bei den Cardinals spielen.

Pappy und mein Vater hatten sich im März vom Besitzer der Entkörnungsanlage vierzehntausend Dollar geliehen. Das war ihr Erntedarlehen, und mit dem Geld wurden Saatgut, Dünger, Arbeitskräfte und andere Ausgaben bezahlt. Bislang hatten wir Glück gehabt – das Wetter war nahezu perfekt gewesen, die Ernte sah gut aus. Wenn uns das Glück während des Pflückens treu blieb und die Felder einen Ballen pro Morgen abwarfen, dann konnte das Darlehen getilgt werden. Das war unser Ziel.

Aber wie die meisten Farmer hatten Pappy und mein Vater noch Schulden vom Vorjahr. Sie schuldeten dem Besitzer der Entkörnungsanlage zweitausend Dollar aus dem Jahr 1951, in dem die Ernte durchschnittlich ausgefallen war. Zudem schuldeten sie dem John-Deere-Händler in Jonesboro Geld für Ersatzteile, den Lance Brothers schuldeten sie Geld für Benzin, dem Co-op für Saatgut und andere Dinge sowie Pop und Pearl Watson für Lebensmittel.

Von den Erntedarlehen und Schulden sollte ich eigentlich nichts wissen. Aber im Sommer saßen meine Eltern häufig auf der Treppe vor dem Haus, warteten darauf, dass es abkühlte, damit sie schlafen konnten, ohne zu schwitzen, und unterhielten sich. Mein Bett stand neben dem Fenster zur Veranda. Sie glaubten, dass ich schlief, aber ich hörte mehr, als ich hören sollte.

Ich war mir zwar nicht sicher, aber ich hatte den starken Verdacht, dass sich Pappy noch mehr Geld leihen musste, um die Mexikaner und die Leute aus den Bergen zu bezahlen. Ich wusste nicht, ob er das Geld bekam oder nicht. Er hatte die Stirn gerunzelt, als wir zur Entkörnungsanlage gegangen waren, und er runzelte die Stirn, als wir zu unserem Pick-up zurückkehrten.

Die Leute aus dem Hochland kamen seit Jahrzehnten aus den Ozarks, einem Seengebiet in Missouri, um Baumwolle zu pflücken. Viele von ihnen besaßen eigene Häuser und Land, und oft hatten sie bessere Fahrzeuge als die Farmer, die sie für die Ernte anheuerten. Sie arbeiteten hart, sparten ihr Geld und schienen so arm zu sein wie wir.

Bis 1950 hatte sich die Zahl der Wanderarbeiter verringert. Der Nachkriegsboom hatte endlich auch Arkansas erreicht, zumindest einige Gegenden des Staats, und die jüngeren Leute aus dem Hochland brauchten das Extrageld nicht mehr so dringend wie ihre Eltern. Sie blieben schlichtweg zu Hause. Niemand pflückte freiwillig Baumwolle. Die Farmer waren mit einem Arbeitskräftemangel konfrontiert, der zunehmend schlimmer wurde; dann entdeckte jemand die Mexikaner.

Der erste Lastwagen mit Mexikanern traf 1951 in Black Oak ein. Zu uns kamen sechs von ihnen, darunter Juan, mein Freund, der mir die erste Tortilla meines Lebens gab. Juan und vierzig weitere Männer waren drei Tage lang auf einem Anhänger gefahren, dicht zusammengedrängt, mit kaum etwas zu essen, keinem Schutz vor Sonne oder Regen. Sie waren erschöpft und desorientiert, als sie in der Main Street eintrafen. Pappy sagte, der Anhänger habe schlimmer gerochen als ein Viehtransporter. Diejenigen, die es sahen, erzählten anderen davon, und es dauerte nicht lange, bis sich die Frauen in der Baptisten-und der Methodistenkirche öffentlich über die primitive Beförderung der Mexikaner beschwerten.

Auch meine Mutter hatte ihrem Unmut Luft gemacht, zumindest meinem Vater gegenüber. Ich hörte sie oft darüber diskutieren, nachdem die Ernte eingebracht war und die Mexikaner wieder nach Hause verfrachtet worden waren. Sie wollte, dass mein Vater mit den anderen Farmern darüber sprach und sich von dem Mann, der für die Arbeiter verantwortlich war, versichern ließ, dass diejenigen, die die Mexikaner aufsammelten und zu uns schickten, sie in Zukunft besser behandelten. Sie meinte, dass wir als Farmer verpflichtet wären, unsere Arbeiter zu beschützen, eine Anschauung, die mein Vater halbwegs teilte; er war jedoch nicht gerade begeistert davon, sich für sie ins Zeug zu legen. Pappy war es piepegal. Ebenso den Mexikanern; sie wollten einfach nur arbeiten.

Kurz nach vier Uhr nachmittags kamen die Mexikaner endlich an. Es hatte Gerüchte gegeben, dass sie angeblich mit dem Bus fuhren, und ich hoffte, dass die Gerüchte zutrafen. Weder wollte ich, dass meine Eltern das Thema einen weiteren Winter strapazierten, noch, dass die Mexikaner so schlecht behandelt wurden.

Aber sie kamen wieder auf einem alten Anhänger mit rohen Planken als Seitenklappen und ohne schützendem Dach. Es stimmte, dass das Vieh es besser hatte.

Sie sprangen vorsichtig von der Ladefläche auf die Straße, drei oder vier nebeneinander, eine Welle nach der anderen. Sie standen vor dem Co-op und sammelten sich in kleinen verwirrten Gruppen auf dem Gehsteig, streckten und dehnten sich und sahen sich um, als wären sie auf einem anderen Planeten gelandet. Ich zählte zweiundsechzig Männer. Zu meiner großen Enttäuschung war Juan nicht darunter.

Sie waren ein gutes Stück kleiner als Pappy, sehr mager, und alle hatten schwarzes Haar und braune Haut. Jeder hatte eine kleine Tasche mit Kleidung und Vorräten dabei.

Pearl Watson stand auf dem Gehsteig vor ihrem Laden, die Hände in die Hüften gestemmt, und blickte finster drein. Die Mexikaner waren ihre Kunden, und sie wollte auf keinen Fall, dass sie schlecht behandelt wurden. Ich wusste, dass sich die Frauen vor dem Gottesdienst am Sonntag wieder in Aufruhr befinden würden. Und ich wusste zudem, dass meine Mutter mich ausfragen würde, sobald wir mit unseren Leuten zu Hause angekommen wären.

Harsche Worte wurden zwischen dem Mann, der für die Arbeiter verantwortlich war, und dem Fahrer des Lastwagens gewechselt.

Jemand in Texas hatte tatsächlich versprochen, dass die Mexikaner mit einem Bus hergebracht würden. Und das war jetzt die zweite Ladung, die auf einem schmutzigen Lastwagenanhänger eintraf. Pappy ging einem Streit nie aus dem Weg, und ich sah ihm an, dass er sich am liebsten in den Kampf gestürzt und mit dem Fahrer kurzen Prozess gemacht hätte. Aber er war auch wütend auf den Vermittler, und vermutlich sah er keinen Sinn darin, beide zu verprügeln. Wir setzten uns auf die Heckklappe unseres Pick-ups und warteten, bis sich der Staub gelegt hatte.

Als das Geschrei verebbte, begann der Papierkram. Die Mexikaner scharten sich auf dem Gehsteig vor dem Co-op zusammen. Gelegentlich warfen sie uns und den anderen Farmern, die sich in der Main Street einfanden, einen Blick zu. Es hatte sich herumgesprochen – die neue Ladung war eingetroffen.

Pappy wurden die ersten zehn zugeteilt. Ihr Anführer war Miguel. Er schien der Älteste zu sein, und er war der Einzige, der eine Tasche aus Stoff besaß – wie mir schon bei meiner ersten Inspektion auffiel. Die anderen hatten ihre Habseligkeiten in Papiertüten verstaut.

Miguels Englisch war passabel, aber nicht annähernd so gut, wie das von Juan gewesen war. Ich plauderte mit ihm, während Pappy die Formalitäten erledigte. Miguel stellte mich den anderen vor. Da war ein Rico, ein Roberto, ein José, ein Luis, ein Pablo und andere, deren Namen ich nicht verstand. Ich wusste vom Jahr zuvor, dass es ungefähr eine Woche dauern würde, bis ich sie auseinander halten konnte.

Obwohl sie eindeutig erschöpft waren, machten alle den Versuch zu lächeln – außer einem, der mich spöttisch angrinste, als ich ihn ansah.

Er trug einen Cowboyhut, auf den Miguel deutete, als er sagte: »Er hält sich für einen Cowboy. Deswegen nennen wir ihn auch so.«

Cowboy war sehr jung, und für einen Mexikaner war er groß. Seine Augen waren schmal und blickten hinterhältig. Er hatte einen dünnen Schnurrbart, der zu seinem wilden Aussehen beitrug, und er jagte mir eine solche Angst ein, dass ich kurz daran dachte, mit Pappy über ihn zu sprechen. Ich wollte keinesfalls, dass der Mann während der nächsten Wochen auf unserer Farm lebte. Stattdessen wich ich jedoch nur einen Schritt zurück.

Unsere Gruppe Mexikaner folgte Pappy den Gehsteig entlang zum Laden von Pop und Pearl. Ich ging mit und achtete darauf, Cowboy nicht zu nahe zu kommen. Im Laden bezog ich Position neben der Kasse, wo Pearl nur auf jemanden zum Reden gewartet hatte.

»Sie behandeln sie wie Tiere«, sagte sie.

»Eli sagt, dass sie einfach nur froh sind, hier zu sein«, flüsterte ich. Mein Großvater stand neben der Tür, Arme vor der Brust verschränkt, und sah zu, wie die Mexikaner die paar Dinge nahmen, die sie brauchten. Miguel gab ihnen Anweisungen.

Pearl würde Eli Chandler nie kritisieren, aber sie warf ihm einen vernichtenden Blick zu, den er jedoch nicht bemerkte. Pearl und ich waren Pappy gleichgültig. Er machte sich Sorgen, weil die Baumwolle nicht gepflückt wurde.

»Es ist einfach schrecklich«, sagte sie. Ich wusste, dass Pearl nur darauf wartete, bis wir gegangen waren, um ihre Freundinnen aus der Kirche aufzuwiegeln. Pearl war Methodistin.

Als sich die Mexikaner mit ihren Waren an der Kasse anstellten, nannte Miguel ihre Namen, und Pearl legte für jeden eine Liste an. Sie rechnete die Gesamtsumme aus, trug den Betrag unter dem Namen des Arbeiters in ein Buch ein und zeigte den Eintrag sowohl Miguel als auch dem Kunden. Sofortkredit auf amerikanische Art.

Sie kauften Mehl und Fett, um Tortillas zu machen, jede Menge Bohnen, sowohl in Dosen als auch getrocknet in Tüten, und Reis. Sonst nichts – keinen Zucker, keine Süßigkeiten, kein Gemüse. Sie aßen so wenig wie möglich, weil Essen Geld kostete. Ihr Ziel war es, jeden nur möglichen Cent zu sparen und mit nach Hause zu nehmen.

Natürlich hatten die armen Kerle keine Ahnung, wo sie leben würden. Sie wussten nicht, dass meine Mutter eine leidenschaftliche Gärtnerin war, die mehr Zeit damit verbrachte, ihr Gemüse zu pflegen, als sich um die Baumwolle zu kümmern. Sie hatten Glück, denn meine Mutter war der Ansicht, dass jeder, der von unserer Farm aus zu Fuß zu erreichen war, etwas zu essen haben sollte.

Cowboy war der Letzte in der Schlange, und als Pearl ihn anlächelte, dachte ich, er würde ihr ins Gesicht spucken. Miguel blieb in seiner Nähe. Er hatte gerade drei Tage mit dem Jungen auf dem Lastwagen verbracht und wusste wahrscheinlich über ihn Bescheid.

Ich verabschiedete mich zum zweiten Mal an diesem Tag von Pearl, was merkwürdig war, denn normalerweise sah ich sie nur einmal in der Woche.

Pappy führte die Mexikaner zum Pick-up. Sie stiegen auf die Ladefläche und setzten sich Schulter an Schulter, Füße und Beine übereinander. Sie schwiegen und starrten ausdruckslos vor sich hin, als hätten sie keine Ahnung, wo ihre Reise enden würde.

Der alte Wagen ächzte unter der Last, schaffte schließlich jedoch siebenunddreißig Meilen, und Pappy lächelte beinahe. Es war später Nachmittag, das Wetter war heiß und trocken, ideal zum Pflücken. Mit den Spruills und den Mexikanern hatten wir endlich genug Leute, um unsere Baumwolle zu ernten. Ich langte in meine Tasche und holte die zweite Hälfte meines Tootsie Roll heraus.

Lange bevor wir zu Hause ankamen, sahen wir Rauch und dann ein Zelt. Zu unserem Haus führte eine Schotterstraße, die die meiste Zeit des Jahres staubte, und Pappy tuckerte dahin, damit die Mexikaner nicht erstickten.

»Was ist das?«, fragte ich.

»Sieht aus wie ein Zelt«, sagte Pappy.

Es stand nahe der Straße, im Hof vor dem Haus, unter einer großen Sumpfeiche, die hundert Jahre alt war, gleich neben der Stelle, wo das Schlagmal hingehörte. Als wir uns dem Briefkasten näherten, wurden wir noch langsamer. Die Spruills hatten die Hälfte unseres Hofs mit Beschlag belegt. Das große Zelt war schmutzig weiß mit einem spitzen Dach und wurde von grob geschnitzten Pflöcken und Metallstangen gehalten. Zwei Seiten des Zelts standen offen, und ich sah Schachteln und Decken auf dem Boden. Und ich sah Tally, die im Zelt schlief.

Ihr Pick-up stand daneben, eine Art Leinwand war über die Ladefläche gespannt und mit Stahlbändern, mit denen auch die Baumwollballen zusammengezurrt wurden, in der Erde verankert, sodass der Wagen nur fahren konnte, wenn er zuerst losgebunden wurde. Der alte Anhänger war teilweise entladen worden, Schachteln und Säcke lagen verstreut im Gras, als hätte ein Wirbelsturm gewütet.

Mrs Spruill schürte ein Feuer, deswegen hatten wir Rauch gesehen. Aus irgendeinem Grund hatte sie dafür eine nahezu unbewachsene Stelle gewählt, auf der Pappy oder mein Vater jeden Nachmittag in die Knie gingen, um meine schnell geworfenen geraden oder meine Kurvenbälle zu fangen. Am liebsten hätte ich geheult. Das würde ich Mrs Spruill nie verzeihen.

»Du hast ihnen doch gesagt, dass sie das Zelt hinten neben dem Silo aufstellen sollen«, sagte ich.

»Stimmt«, erwiderte Pappy. Er fuhr nur noch Schritttempo, als er auf unser Haus zusteuerte. Der Silo befand sich hinter dem Haus, in der Nähe der Scheune, in ausreichender Entfernung. Die Leute aus den Bergen hatten immer dort kampiert – nie vor dem Haus.

Er parkte unter einer anderen großen Sumpfeiche, die laut meiner Großmutter erst siebzig Jahre alt war. Es war der kleinste der drei Bäume, die für unser Haus und den Hof Schatten spendeten. Wir parkten nahe dem Haus, in den trockenen Furchen, in denen Pappy seit Jahrzehnten den Pick-up abstellte. Sowohl meine Mutter als auch meine Großmutter erwarteten uns auf der Treppe vor der Küche.

Ruth, meiner Großmutter, missfiel es, dass die Leute aus den Bergen den Hof vor dem Haus besetzt hatten. Pappy und ich wussten das, noch bevor wir ausgestiegen waren. Sie hatte die Hände in die Hüften gestemmt.

Meine Mutter wollte unbedingt die Mexikaner sehen und mich nach ihren Transportbedingungen ausfragen. Sie sah zu, wie sie aus dem Pick-up sprangen, während sie auf mich zuging und meine Schulter drückte.

»Zehn«, sagte sie.

»Ja, Ma’am.«

Gran fing Pappy vor dem Pick-up ab und sagte ruhig, aber streng: »Warum kampieren diese Leute im Hof vor dem Haus?«

»Ich habe ihnen gesagt, sie sollen ihr Zelt neben dem Silo aufstellen«, sagte Pappy, der nie klein beigab, nicht einmal bei seiner Frau. »Ich weiß nicht, warum sie sich für diesen Platz entschieden haben.«

»Kannst du sie bitten, umzuziehen?«

»Kann ich nicht. Wenn sie packen, werden sie abreisen. Du weißt doch, wie diese Leute sind.«

Und damit war Grans Frage beantwortet. Sie würden nicht vor mir und zehn Mexikanern streiten. Sie ging zurück ins Haus und schüttelte missbilligend den Kopf. Pappy war es wirklich einerlei, wo die Leute kampierten. Sie schienen kräftig zu sein und willens zu arbeiten, und nur das zählte.

Ich vermutete, dass auch Gran nicht ernsthaft verärgert war. Die Baumwollernte war so entscheidend, dass wir aneinander gekettete Strafgefangene aufgenommen hätten, wenn sie am Tag durchschnittlich dreihundert Pfund Baumwolle pflücken würden.

Die Mexikaner folgten Pappy zur Scheune, die von der Hintertreppe genau einhundertsieben Meter entfernt war. An den Hühnerställen, an der Wasserpumpe, der Wäscheleine und dem Geräteschuppen und an einem Zuckerahorn vorbei, der sich im Oktober hellrot verfärben würde. Mein Vater hatte mir im letzten Januar dabei geholfen, die genaue Entfernung zu messen. Mir kam es wie eine Meile vor. Vom Schlagmal zur linken Begrenzung des Felds in Sportsman’s Park, wo die Cardinals spielten, waren es genau einhundertsechs Meter, und jedes Mal, wenn Stan Musial einen Homerun schaffte, setzte ich mich am nächsten Tag auf die Treppe und wunderte mich über die Entfernung. Mitte Juli hatte er gegen die Braves einen Ball hundertzwanzig Meter weit geschlagen. Pappy hatte gesagt: »Er hat ihn über die Scheune geschlagen, Luke.«

Zwei Tage saß ich danach auf der Treppe und träumte davon, einen Ball über die Scheune zu schlagen.

Als die Mexikaner am Geräteschuppen vorbei waren, sagte meine Mutter: »Sie sehen sehr müde aus.«

»Sie sind auf einem Anhänger gekommen, zweiundsechzig Mann«, sagte ich, aus irgendeinem Grund ganz wild darauf, die Aufregung anzuheizen.

»Das habe ich befürchtet.«

»Auf einem alten Anhänger. Alt und dreckig. Pearl ist schon ganz wütend.«

»Das wird nicht wieder vorkommen«, sagte sie, und ich wusste, dass sie meinem Vater damit in den Ohren liegen würde. »Lauf und hilf deinem Großvater.«

Die letzten zwei Wochen war ich die meiste Zeit zusammen mit meiner Mutter in der Scheune gewesen, wo wir den Heuboden fegten und sauber machten, damit sich die Mexikaner dort wohl fühlten. Die meisten Farmer brachten sie in leer stehenden Nebengebäuden oder Scheunen unter. Es ging das Gerücht, dass Ned Shackleford, der drei Meilen weiter südlich lebte, seine Mexikaner im Hühnerstall einquartierte.

Nicht so auf der Farm der Chandlers. In Ermangelung einer anderen Unterkunft mussten die Mexikaner mit dem Heuboden unserer Scheune vorlieb nehmen, aber nirgendwo war ein Körnchen Staub zu finden. Und es roch angenehm. Seit einem Jahr sammelte meine Mutter alte Decken und Quilts, auf denen sie schlafen konnten.

Ich schlüpfte in die Scheune, blieb aber unten, neben Isabels Box. Sie war unsere Milchkuh. Pappy behauptete, dass ihm im Ersten Weltkrieg ein junges französisches Mädchen namens Isabel das Leben gerettet habe, und ihr zu Ehren benannte er unsere Jersey-Kuh nach ihr. Meine Großmutter glaubte kein Wort dieser Geschichte.

Ich hörte die Mexikaner über mir auf dem Heuboden, sie gingen herum, richteten sich ein. Pappy sprach mit Miguel, der beeindruckt war, dass der Heuboden so ordentlich und sauber war. Pappy nahm das Kompliment entgegen, als hätte er und nur er dort oben geschrubbt.

Er und Gran hatten die Anstrengungen meiner Mutter, den Arbeitern einen anständigen Schlafplatz zur Verfügung zu stellen, mit Skepsis beobachtet. Meine Mutter war auf einer kleinen Farm am Rand von Black Oak aufgewachsen, sie war fast eine Städterin. Sie war groß geworden mit Kindern, die zu fein waren, um Baumwolle zu pflücken. Sie ging nie zu Fuß zur Schule – ihr Vater fuhr sie. Bevor sie meinen Vater heiratete, war sie dreimal in Memphis gewesen. Sie war in einem weiß gestrichenen Haus aufgewachsen.

3

Wir Chandlers pachteten unser Land von Mr Vogel in Jonesboro, einem Mann, den ich noch nie gesehen hatte. Sein Name wurde selten erwähnt, aber wenn er sich in eine Unterhaltung einschlich, wurde er mit Respekt und Ehrfurcht geäußert. Ich hielt ihn für den reichsten Mann der Welt.

Pappy und Gran pachteten das Land seit vor der großen Wirtschaftskrise, die Arkansas früh erreicht hatte und lange anhielt. Nach dreißig Jahren Knochenbrecherarbeit hatten sie es geschafft, von Mr Vogel das Haus und die drei Morgen darum herum zu kaufen. Ihnen gehörten außerdem der John-Deere-Traktor, zwei Eggen, eine Drillmaschine, ein Anhänger für die Baumwolle, ein Flachbettanhänger, zwei Maultiere, ein Fuhrwerk und der Pick-up. Mit meinem Vater gab es eine vage Übereinkunft, die ihm einen Besitzanspruch an manchen dieser Vermögenswerte zugestand. Das Land war auf den Namen Eli und Ruth Chandler eingetragen.

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