Die Filmemacher I - Hans Billian - E-Book

Die Filmemacher I E-Book

Hans Billian

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Beschreibung

Der Regisseur Hans Billian wurde oft gefragt, wie es denn beim Drehen eines Films zugehen würde. Werfen Sie in diesem Roman einmal einen Blick hinter die Kulissen...-

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Hans Billian

Die Filmemacher I

Saga

Die Filmemacher ICopyright © 1994, 2019 Hans BillianAll rights reservedISBN: 9788711717271

1. Ebook-Auflage, 2019

Format: EPUB 2.0

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nachAbsprache mit dem Verlag gestattet.

Die ungeschminkten Erinnerungen eines Film-Regisseurs

„Sylvia, das war nix. Das müssen wir nochmal machen. Und, Schätzchen, bitte – wenn er deine Brüste berührt, dann muß man sehen, daß es dir dabei durch und durch geht! Und du, Rolf, du fäßt sie an, als würdest du eine Tomate auf ihre Festigkeit prüfen. Leg’ halt ein bißchen Schmalz in deine Fingerspitzen! Die Knospen müssen auf Anhieb auferstehen ... So, – und jetzt Aufnahme!“

„Ruhe bitte!“

„Ton ab!“

„Ton läuft.“

„Kamera!“

„Läuft.“

„Klappe!“

„Einstellung 258, zum 4. Mal!“

„Action! Und denkt bitte daran: Charme und Zärtlichkeit sind gefragt!“

Sie haben es längst erkannt, meine verehrten Leserinnen und Leser, hier wird ein Film gedreht. Und zwar auch wenn der obrige Text noch vergleichsweise zahm ist (man kann schließlich nicht schon am Anfang eines Buches mit der Tür ins Haus fallen) – ein Pornofilm. Beziehungsweise: eine Hardcore-Produktion, wie vornehme Leute sowas bezeichnen. Derjenige, der dabei soviel reingequatscht hat, ist der Regisseur. In diesem besonderen Fall: meine Wenigkeit. Ich, der Verfasser.

Mein Name steht auf dem Umschlag dieses Buches, in das Sie sich freundlicherweise gerade vertiefen. Das Sie vielleicht sogar selbst gekauft haben! In diesem Fall möchte ich mich herzlich für das Scherflein Tantieme bedanken, das Sie mir damit bescherten.

Übrigens, der Name ist echt. Kein Pseudonym, wie es viele Mitarbeiter bevorzugen, damit man um Himmelswillen nicht etwa Verdacht schöpft, sie hätten was mit dieser anrüchigen Branche zu tun! Das Geld, das sie trotzdem damit verdienen, macht ihnen allerdings weniger aus. Wenn man ehrlich ist, kann man ihnen gar nicht die Hauptschuld an diesem Verhalten geben. Eher den entscheidenden Leuten bei Film und Fernsehen, die sich hochmütig in den Mantel der Moral hüllen. Ebenso den Journalisten und Zeitschriften, die scheinheilig Entrüstung mimen angesichts von Reportagen, von denen sie genau genommen leben, weil sie die Auflage erhöhen.

Ich habe mich nie darum geschert, und so ist dieses Buch entstanden. Nun hatte mein Name durchaus nicht immer mit Pornografie zu tun. Seit drei Jahrzehnten können Sie ihn auf Filmplakaten lesen. Und zwar bei ganz anständigen, jugendfreien Musiklustspielen und Heimatfilmen. Und bevor ich selbst Filme schrieb und inszenierte, amtierte ich für reichlich zehn Jahre als Produktionschef des prominenten Constantin-Filmverleihs. Noch weiter davor finden Sie mich erwähnt auf Theaterzetteln in Braunschweig, Wolfenbüttel und Hamburg. Das war die Zeit, zu der ich noch glaubte, ich sei zum Schauspieler berufen. Und noch ein paar Jahre zurück ... da begann ich eine Ausbildung als Opernsänger. Doch unter diese Absicht zog der Krieg einen dicken, endgültigen Strich. Immerhin machte diese Tatsache es möglich, daß ein Fachblatt vor einiger Zeit einen biographischen Bericht über mich unter dem Titel „Vom Opernsänger zum Pornoregisseur“ drucken konnte.

Es ist schon ein buntes Leben, auf das ich zurückblicke! Ein Leben, das wirklich reichlich Stoff zum Erzählen bietet. Besonders, weil es mich eben vor etwa zwanzig Jahren in eine Richtung manövrierte, an die viele Menschen nur mit einer Art wohliger Gänsehaut denken. Was nicht bedeutet, daß sie nicht gern Näheres darüber erfahren würden.

Und weil das so ist (und ich zu dem stehe, was ich ,verbrochen‘ habe), entschloß ich mich, aus der Schule zu plaudern. Einmal ausführlich zu schildern, wie diese „schlimmen“ Filme entstehen und was für köstliche, aber auch nervenzerreißende Zwischenfälle, Pannen und Streß-Situationen sich dabei ereignen.

Natürlich kann man in einer solchen Reportage auch private Dinge nicht ausklammern. Bei der Arbeit am Film entwickeln sich Freundschaften, manchmal zerbrechen sie auch; ebenso kann eine persönliche Liebschaft zur beruflichen Zusammenarbeit führen. Und nachdem es mir auf meine alten Tage gelungen ist, auf diesem Fachgebiet sogar eine Art Ruhm zu erwerben ich hoffe, Sie rümpfen nicht zu sehr die Nase über die Bezeichnung „Ruhm“ in diesem Zusammenhang will ich nicht verschweigen, auf welchen Schleichwegen das Schicksal einen Gesangsschüler zum Pornoregisseur werden ließ ...

Dem Baby, das meine Mutter vor fast siebzig Jahren vom Hausarzt in den Schoß gelegt bekam, war das jedenfalls noch nicht anzusehen. Wobei ich mich noch nachträglich wundern muß, daß ich überhaupt geboren wurde. Meine Mama hatte nämlich keinerlei Vergnügen an zwischenmenschlichen Beziehungen. Wenn sowas möglich wäre – aber der letzte, allgemein bekannte Fall ereignete sich vor knapp 2000 Jahren – könnte man behaupten, sie kam wie die Jungfrau zum Kind, also zu mir. Aus dieser betrüblichen Tatsache ergab sich quasi zwangsläufig, daß sich mein Papa zehn Jahre später von der Familie verabschiedete. Er hatte eine Lebensgefährtin gefunden, die den Bettfreuden aufgeschlossener gegenüberstand. Liegt vielleicht im väterlichen Erbgut der Keim für meine Entwicklung?

Umsomehr muß ich andererseits meine Mutter bestaunen, die trotz der Aversion gegen alles, was mit Sex zu tun hat, die beruflichen Windungen meines Lebens wohlwollend verfolgte. Lange Zeit entsprachen sie ja auch den gutbürgerlichen Erwartungen. Aber selbst, als ich zu Deutschlands prominentestem „Mutzenbacher“-Regisseur avancierte, schluckte sie diesen „Höhepunkt“ ohne Bauchgrimmen. Sie starb mit 93 erst vor wenigen Jahren, aber bis zuletzt paßte sie in die Zeit.

„Junge“, meinte sie realistisch, „mir ist klar, daß man sich beim Film die Arbeit nicht immer aussuchen kann. Man muß nehmen, was man kriegt, wenn man leben will. Dich hat der Wind nun mal in diese Ecke geweht! Ich wünsche mir nur, daß du auch dort versuchst, deine Sache gut zu machen.“

Ich finde das einen bewundernswerten Standpunkt für jemanden, der persönlich eine völlig konträre, geradezu asketische Einstellung zu diesen Dingen hat. Andererseits konnte es durchaus Vorkommen, daß ihre Liebesfeindlichkeit mal ausbrach. So zum Beispiel, als ich mir im nicht mehr ganz jünglingshaften Alter von 46 eine Wahnsinnsliebschaft mit einer zwanzigjährigen Salzburger Abiturientin namens Gaby leistete. Sie hatte in meinem noch „sauberen“ Film „Die lustigen Weiber von Tirol“ als Komparsin mitgewirkt. „Wozu brauchst du noch eine Freundin?“ schrieb meine Mutter empört. „Kümmere dich um deine Kinder, da hast du genug zu tun!“ (Ich war zwei Jahre vorher geschieden worden und meine Frau hatte mir auf meinen Wunsch hin die beiden Töchter, 7 und 5, überlassen).

Aber Gaby und ich – wir waren so ineinander verkrallt, daß uns die Leidenschaft fast auffraß. Das hinreißende Mädchen spielte im darauffolgenden Jahr wieder in einem Film von mir mit („Ich kauf mir lieber einen Tirolerhut“) und, so absurd es Außenstehenden auch vorgekommen sein mag, wir schmiedeten Heiratspläne!

„Wenn du dieses Mädchen heiratest, bist du nicht mehr mein Sohn!“ wetterte die Mama diesmal, und das war ja schon starker Tobak!

Ich hätte mich gewiß auch dadurch nicht irritieren lassen, aber Gaby sorgte von sich aus dafür, daß die Kraftprobe unterblieb. Sie flog zu einem harmlosen Bekanntenbesuch in die USA, wollte nach sechs Wochen zurück sein und dann sollte unser Privatleben legalisiert werden. Nur: sie kam nicht zurück. Sie blieb drüben an einem Gleichaltrigen hängen und wohnt noch heute in Kalifornien, als Mutter von zwei Söhnen. Ich war am Boden zerstört – ich hoffe, einige der geschätzten Leser können das nachempfinden. Später sagt man sich natürlich: wer weiß, wozu’s gut war – beziehungsweise, wer weiß, ob’s gut gegangen wäre?

Zwei Jahre spielten sich mit Bagatellen ab, doch dann geriet ich ein weiteres Mal in Gefahr, meine Freiheit aufs Spiel zu setzen. Die Neue hieß Christina, eine Schauspielerin aus Hamburg. Sie war nur vierundzwanzig Jahre jünger als ich – gegenüber der Gaby-Affäre immerhin ein Fortschritt von zwei Jahren. In meinem Film „Hörig bis zur letzten Sünde“ hatte sie eine größere Rolle gespielt – der aufmerksame Leser erkennt am Titel, daß wir uns erotischeren Filmzeiten nähern – und am fünften Tag unserer Bekanntschaft schlüpfte sie bereits in meinem Wigwam unter.

Diese Beziehung wurde ein Unglücksfall, ebenso wie der Film „Hörig ...“ Ich übernahm ihn erst, als er nach halber Drehzeit wegen finanzieller Schwierigkeiten stecken geblieben war. Man fand, daß er zu wenig „Sünde“ enthielt, um den Titel zu rechtfertigen und ich sollte ihn aufmöbeln. Die Hauptrolle spielte Horst Naumann. Für Christina, die sich mir eben als Nachwuchs vorgestellt hatte, schrieb ich einen zusätzlichen Part und man muß sagen: die erotische Substanz wurde auf diese Weise beträchtlich gesteigert. Christina war ein durchtriebenes Geschöpf, aber sie knisterte vor Sinnlichkeit.

Wir drehten fünf Tage lang. Das Endergebnis blieb trotzdem enttäuschend. Auch mit meinen Reparaturversuchen konnte der Film keinen Blumentopf gewinnen. Es ist immer höchst undankbar, ein unfertiges, oft mißglücktes Werk zu übernehmen – kein Regisseur reißt sich um diese Ehre.

Christina jedoch wies neben ihrer Sex-Ausstrahlung auch ein helles, raffiniertes Köpfchen auf. Daher nimmt sie in meinem beruflichen Werdegang einen entscheidenden Platz ein, der auch dem Anliegen dieses Buches weiterhilft: sie ist diejenige, die mich mit der Nase auf die Pornographie stieß. Man schrieb das Jahr 69 und in Deutschland lastete noch der Nebel strengsten Verbots auf dieser delikaten Sparte. Ganz anders in Schweden. Ich meine damit: soweit es sich um die Herstellung solcher Filme handelte, denn erwerben konnte man sie auch bei uns. Zwar nur unter obskuren Umständen, aber sie waren mir immerhin schon vom privaten Sektor her vertraut.

Es mag etwa in der Mitte der sechziger Jahre gewesen sein, als man anfing, von verschwiegenen, besonders kessen Parties zu munkeln. Wo zum Beispiel Gesellschaftsspiele wie Partnertausch und dergleichen praktiziert wurden. Dafür hatte man extra aus den USA den aparten Ausdruck ,Swinging‘ eingeführt. Dieselbe Zeit bescherte uns auch den appetitlichen Minirock – ohne daß ich ihm etwa die Schuld an den lockerer werdenden Sitten geben möchte.

Der Autor dieser Lebensbeichte – immer bemüht, sich weiterzuentwickeln und allem Neuen gegenüber aufgeschlossen – vernahm diese Signale des Fortschritts. Waren solche Swinging-Veranstaltungen nicht ein wundervoller Pausenfüller, um Durststrecken zu überbrücken? Solche wie die zwischen meiner Scheidung und der Affäre Gaby oder zwischen den Affären Gaby und Christina?

Ich fing an, ,Swinging-Parties‘ zu arrangieren. Schnell fand sich aus Film- und ähnlichen Kreisen eine fröhliche, bunte Clique zusammen, mit denselben herzund kreislauffördernden Absichten. Ein Regiekollege stiftete die dazu passenden Filmchen – es waren die ersten dieser Art, die ich in meinem Leben sah. Sie kamen aus nordischen oder französischen Quellen; schwarzweiß, stümperhaft, aber für uns damalige Greenhorns enorm aufregend. Auf jeden Fall erfüllten sie ihren Zweck. Doch wie umständlich lief das damals im Vergleich zu heute ab, da man sich bequem und stundenlang per Video berieseln lassen kann. Man mußte Leinwand und Vorführgerät aufbauen und alle zehn bis fünfzehn Minuten war der Film zu Ende. Er mußte zurückgespult werden, bevor man den nächsten einspannen konnte! Besonders diese Unterbrechungen zehrten am Stimmungsnerv der gerade in Fahrt gekommenen Gemeinde! Wie gut haben es dagegen die modernen Sünder!

Durchaus nicht immer nahmen die Treffen den Verlauf, der unseren geheimen Wünschen entsprach. Es brauchte nur ein (meist weiblicher) Angsthase darunter sein, der schon beim Auskleiden in Panik geriet – sofort brachen auch bei den anderen Teilnehmern Hemmungen aus. Man fing an, über Gott und die Welt zu diskutieren, nur unserem Ziel kamen wir damit nicht näher. Manchmal sammelten wir in heller Verzweiflung das Geld für ein Taxi, um den verabscheuungswürdigen Spielverderber heimzuschicken, bevor der Abend endgültig in den Eimer ging.

Im Lauf der Zeit besserte sich die Lage. Man wurde auch im Adamskostüm selbstbewußter, war schon vertrauter miteinander – es gab Stammgäste, aber auch immer wieder neue Gesichter.

Und, wie schon gesagt, die Filme! Sie stellten das zweite Antriebsbonbon dar. Womit meine Gedanken wieder zu der erwähnten Christina zurückpendeln, die sich bei einigen dieser Parties in mein Herz liebte. Die aber auch diejenige war, die sich – über das Vergnügen am Betrachten hinaus – mit dem Problem der Herstellung solcher Lustförderer beschäftigt. Klar, in Deutschland mußte man derlei Absichten noch in den Wind schreiben, aber die Schweden fuhren bereits voll auf die Marktlücke ab.

Christina, nebenbei auch Konsumentin einschlägiger Magazine, hatte sich an einem speziellen Inserat festgebissen. Ein Verlag, bisher auf pornografische Druckerzeugnisse beschränkt, plante die Produktion entsprechender Kurzfilme. Die inzwischen mit mir Verlobte nahm Kontakt auf. VENUS-Film hieß die Firma. Sie saß in Stockholm und wurde sogar von einem Deutschen geleitet: Rolf Buschmann. Christina machte einen Besuchstermin aus.

Weil wir allerdings zu schwach auf der Brust waren, um als Produzenten fungieren zu können, fand das clevere Ding einen frappierenden Ausweg: sie mobilisierte ihren Exfreund, einen wohlhabenden Hamburger Gebrauchtwagenhändler, dem ich sie eben erst ausgespannt hatte. Das charmante Biest besaß wirklich ein einmaliges Talent, Männer um den Finger zu wickeln. Sie brachte es fertig, ihrem Ex-Liebhaber einzureden, daß es ihn nicht zu stören brauche, Seite an Seite mit seinem Nachfolger den Trip nach Stockholm zu unternehmen und zu finanzieren. Natürlich tat es der Kamerad nicht nur aus alter Anhänglichkeit an die so schnöde Davongeschwirrte. Er witterte bei der Aktion auch eine lukrative Einnahmequelle.

Die Unterredung mit Buschmann war hochinteressant. Christina hatte selbst ein Manuskript für die erste Produktion entworfen und gleich in die Vollen gegriffen: es schilderte den haarsträubenden Abstieg einer aus den moralischen Fugen geratenen Nonne! Offenbar waren in ihre Story ein paar eigene Sehnsüchte eingeflossen, deren Erfüllung sie auf unseren Parties bisher vergeblich entgegengefiebert hatte. Wir allerdings fanden es riskant, es gleich beim ersten Film mit der Kirche zu verderben und nahmen Abstand davon.

Ich arbeitete etwas Anderes aus: einen humorvollen Krankenhaus-Sketch, in dem schmucke Patientinnen die jungen Ärzte so in die Zwickmühle nahmen, daß diese schließlich, dem Erschöpfungstod nahe, mit den Kranken die Betten tauschen mußten. Der Chefarzt fiel in Ohnmacht, als er bei der Visite die veränderte Belegung wahrnahm. Diese Rolle wurde von mir gespielt, wobei ich ehrlich zugebe, einer der Assistenzärzte wäre mir lieber gewesen! Aber da hätte ich halt zwanzig Jährchen jünger sein müssen.

Schon vor Drehbeginn dieses Films, der unter dem Titel „Sexy Clinic“ in den Handel kam, war allerdings Christinas Exfreund schmollend abgereist. Er und Venus-Buschmann hatten keinen finanziellen Nenner gefunden: zwei ausgekochte Schlitzohren, die sich gegenseitig in die Pfanne hauen wollten.

Unseren Plänen tat das zum Glück keinen Abbruch. Der deutsche Schwede war vom Enthusiasmus meiner Verlobten so angetan, daß er die Kosten für die ersten beiden Produktionen – die zweite erhielt den Titel „Red Lolita“ – selbst übernahm.

Wir sahen uns in den drei Wochen, in denen wir die Buschmannsche Gastfreundschaft genossen – er stellte uns in seiner geräumigen Wohnung ein Zimmer zur Verfügung – eine große Anzahl Konkurrenzfilme an. Fast durchweg waren sie unbeschreiblich dämlich und einfallslos. Als wären sie alle nach der Anweisung des Kameramannes entstanden: „So, legt euch da auf die Couch und ab geht die Post!“ Etwa noch ein zweites Paar als Teilnehmer – das grenzte bereits an den Aufwand eines Ausstattungsfilms! Sonst keinerlei Handlung, keine Kamerafahrten, keine Spur von Schnitt und Gegenschnitt, wie es zur gescheiten Gestaltung einer Szene gehört. Dafür jede Menge Achsensprünge, die Kamera postiert sich mitten in einem Komplex plötzlich auf der falschen Seite der ,Achse‘, so nennt man die Verbindungslinie von etwa zwei Gesprächspartnern. Was zur Folge hat: die Blickrichtungen, aus denen sich die beiden bei Großaufnahmen ansehen, stimmen nicht mehr.

Buschmann war geradezu happy, in mir einen Spielfilmregisseur gefunden zu haben, der sich mit diesen Dingen auskannte. Immerhin hatte ich bis zum Jahr 69 cirka ein Dutzend Unterhaltungsfilme geschrieben und teilweise inszeniert, wenn auch die Titel nicht gerade auf die Sparte hinwiesen, die wir in Stockholm planten: „Wenn die Musik spielt am Wörthersee“, „Übermut im Salzkammergut“, „Holiday in St. Tropez“, „Tausend Takte Ubermut“ usw. Diese Filme hatten mir jedoch das Rüstzeug vermittelt, um solide, abwechslungsreich und allgemeinverständlich eine Geschichte auf die Leinwand zu bringen. Diesen Weg, eine wirkliche Story zu erzählen, wollten wir auch bei pornographischen Filmen beschreiten und uns nicht nur mit primitiven Bumsereien begnügen. Wie sich bald herausstellte, schlugen wir damit die Konkurrenz aus dem Felde und das bisher gering geschätzte Zelluloidprodukt wurde auch für anspruchsvollere Konsumenten interessant.

Es war nur logisch (oder Christina und ich wären keine Menschen aus Fleisch und Blut gewesen), daß die Dreharbeiten von „Sexy Clinic“ und „Rote Lolita“ uns aufregten. Zwar hatten wir in „Hörig bis zur letzten Sünde“ schon einige Nacktszenen verarbeitet; aber das hier in Schweden, das war doch von anderer Qualität. So hautnah waren wir bisher nur privat mit der schönsten aller Beschäftigungen konfrontiert worden! Natürlich konnte ich nicht zulassen, daß meine Verlobte etwa auch hier aktiv wurde. Oder sagen wir richtiger: ich hatte mich noch nicht zu der Erkenntnis durchgerungen, daß tüchtige Freundinnen auch tüchtige Darstellerinnen sein können. Christina jedenfalls durfte zu ihrem Leidwesen nur als Regie-Assistentin tätig werden.

Es war auch ein ganz anderes Gefühl als bei unseren Parties. Dort hatten wir zum Mittelpunkt gehört, hier beim Drehen war man zu Distanz gezwungen. Man mußte sozusagen als nüchterner Beobachter das Beste aus den Akteuren herauszaubern, sie anfeuern – und doch cool bleiben. Von Christina war das zuviel verlangt. Sie gestand am Ende des ersten Drehtags, sie käme sich wie kastriert vor. Sie war so wepsig, daß sie ungeduldig das Ende des Umtrunks herbeisehnte, mit dem das Ehepaar Buschmann den Start in ein neues Schlaraffenland mit uns feierte. So landeten wir zügig in unserer Koje und die Gastgeber durften die Jubeltöne mitanhören, mit denen sich mein sensibles Herzchen den Frust des Drehtags hinwegliebte.

Mir dämmerte bald, daß das heißblütige Sweetheart mit dem Job der Regieassistentin auf die Dauer nicht ausgefüllt sein würde. Wen soll sowas auch begeistern: dafür zu sorgen, daß die Aschenbecher immer an demselben Platz stehen, daß die Akteure immer dieselben Ketten, Ringe und Uhren tragen, daß die Fuß- und Fingernägel am nächsten Tag mit derselben Farbe gelackt sind wie am Tag zuvor? Darauf zu achten, daß ein bumsendes Mädchen in der Nah-Aufnahme nicht plötzlich die Beine hinter dem Rücken des Mannes verschränkt, wenn sie in der dazugehörenden Totalen auf seinen Schultern lagen ... und was der (leider wichtigen) Nebensächlichkeiten mehr sind.

Christina litt unter der unzulänglichen Verwendung. Schon bei der zweiten Produktion, der „Roten Lolita“, entdeckte sie eine Bresche, in die es sich hineinzuspringen lohnte. Die Story des Films spielte sich zwischen einem Mädchen und drei Männern ab und damit tauchte ein neues Problem auf: drei Männer mußten gleichzeitig aktionsbereit sein, das heißt auf gut deutsch: einen Steifen vorweisen! Das zu schaffen, war eine harte Nuß für eine einzige Darstellerin; sagen wir ruhig: eine unlösbare Aufgabe. So kam Christinas große Stunde, die ihr die Freude am Dasein zurückgab : sie übernahm die Präparierung und Instandhaltung der überzähligen Herren und kreierte hiermit einen neuen Job. Einen Job, der sich als so nützlich erwies, daß ich ihn auch bei späteren Produktionen meistens beibehielt. Eine Bezeichnung für diesen ungewöhnlichen Beruf wurde rasch gefunden: ,Erektionshilfe‘.

Aber ich habe ein Kapitel übersprungen, über das sich auch zu sprechen lohnt, nämlich das Suchen und Vorstellen der Modelle. Ein Erlebnis ganz eigener Art. Es wäre undelikat, diese Sache mit dem Etikett ‚Jahrmarkt‘ zu versehen. Andererseits kann man nicht leugnen, es ist eine Art Fleischbeschauung: die Bewerber – Frauen und Männer liefen uns die Bude ein – müssen sich vor unseren prüfenden Augen entblättern, da beißt die Maus keinen Faden ab. Es handelt sich nunmal um eine Bewerbung für eine Porno-Rolle, da will man den nackten Körper sehen – dafür entfällt das Vortragen eines Monologs von Shakespeare. Allerdings ist es lobenswert, wenn Produzent und Regisseur Taktgefühl mitbringen. Wenn sie es verstehen, den manchmal doch recht verlegenen Kandidaten die Unsicherheit zu nehmen. Man muß berücksichtigen, daß es die meisten Überwindung kostet, plötzlich vor einer Gruppe nüchtern oder gar neugierig dreinschauender Herren alle Hüllen fallen zu lassen – es sei denn, man ist als Striptease-Inkarnation auf die Welt gekommen. Daher sollten die Verantwortlichen schon bei diesem ,Casting‘ (der englische Ausdruck für diese Präsentation) versuchen, den Modellen einen Begriff von der Atmosphäre zu vermitteln, die später auch beim Drehen herrschen muß: völlige Lockerheit und Ungezwungenheit, die aber den Akteuren niemals das Gefühl geben darf, sie seien Menschen zweiter Klasse. Humorvolle Freizügigkeit, aber keine ordinären Anspielungen auf Kosten derer, die hier ihre Haut zu Markte tragen.

Ich kann sagen, es ist mir trotz aller Strapazen, die diese Art von Filme-Machen mit sich bringt, immer gelungen, gute Laune zu verbreiten. Einfach, indem ich die Dinge, die dem Schamgefühl der Darsteller noch weh taten, frischfröhlich beim Namen nannte und damit entschärfte. Wenn zum Beispiel in einer Einstellung nur die Oberkörper des Paares aufgenommen wurden, das Mädchen jedoch – weil es den Eindruck erwecken mußte, es masturbiere seinen Freund – den Arm in völlig falscher Richtung bewegte, erkundigte ich mich freundlich:

„Schätzchen, was meinst du, wo der Rudi seinen Pimmel hat? An der Hüfte? Am besten, du greifst gleich an die richtige Stelle, dann brauchst du später nicht mehr lange zu suchen. Denn ohne daß du dich gründlich mit seinem Dingsbums beschäftigt hast, kommst du heut sowieso nicht heim.“

Oder einer schüchternen Künstlerin, die sich vor einer ihr ungewohnten Position genierte, redete ich aufmunternd zu:

„Edith, nun trau dich schon! Was glaubst du, wie begeistert dein Mann sein wird, wenn du ihm heut Nacht zeigst, was für tolle neue Sachen du bei uns gelernt hast! Was wir dir hier beibringen, ist keine graue Theorie, das kannst du voll in deinem weiteren Leben einsetzen. Dazu kassierst du noch gut ... eigentlich müßtest du Geld mitbringen!“

Dann mußten alle lachen und die Scheu war verflogen. Ich habe mich auch immer strikt dagegen verwahrt, daß Mitarbeiter wie Kameraleute, Beleuchter etc. die Darsteller (oder treffender: die Darstellerinnen) als Freiwild zum Abbau ihrer aufgestauten Gelüste betrachteten. 1972, als ich zum erstenmal mit einem deutschen Produzenten in Dänemark drehte (weil in Deutschland noch Produktionsverbot herrschte), gab es deswegen einen Riesenkrach. Er war der Meinung, aufgrund ihrer Gage müßten ihm die Mädchen nach Drehschluß auch privat zur Verfügung stehen. Er hätte mich gefeuert, wenn ich entbehrlich gewesen wäre. Aber so konnte ich erreichen, daß aus der Abkommandierung eine Freiwilligkeit wurde. Für ein Extrahonorar zierten sich die meisten Mädchen nicht, noch eine Nummer anzuhängen.