Die fremdartige Idee des Schönen - François Jullien - E-Book

Die fremdartige Idee des Schönen E-Book

François Jullien

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Beschreibung

Im Lauf der Jahrhunderte hat man immer wieder die Kriterien und Konzeptionen des Schönen in Frage gestellt, seine Definition unterlag einem fortwährenden Wandel. Doch hat man dabei auch jene in der Sprache verankerte Vorbedingung bedacht, nämlich überhaupt "das Schöne" sagen zu können? Als Angelpunkt unserer Metaphysik lehrt uns das Schöne, die Vielfalt des Sinnlichen zugunsten der Einheitlichkeit einer "Idee" aufzugeben. Das Schöne bestürzt und bewegt uns, indem es als Absolutes ins Sichtbare einbricht; zugleich ist es der letzte Erlösungsweg, der uns nach dem Tod der Götter noch bleibt. Das chinesische Denken freilich hat nie "das Schöne" abstrahiert und isoliert. In der Herausarbeitung dieses Unterschiedes sucht François Jullien Möglichkeiten freizulegen, die sich nicht dem Monopol des Schönen unterordnen; der zeitgenössischen Kunst, im Krieg mit dem Schönen befindlich, neue und fruchtbare Wege zu eröffnen. Das Schöne wird von erschöpfenden Gemeinplätzen befreit: um es in seiner Fremdartigkeit wiederherzustellen.

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Im Lauf der Jahrhunderte hat man immer wieder die Kriterien und Konzeptionen des Schönen in Frage gestellt, seine Definition unterlag einem fortwährenden Wandel. Doch hat man dabei auch jene in der Sprache verankerte Vorbedingung bedacht, nämlich überhaupt „das Schöne“ sagen zu können? Als Angelpunkt unserer Metaphysik lehrt uns das Schöne, die Vielfalt des Sinnlichen zugunsten der Einheitlichkeit einer „Idee“ aufzugeben. Das Schöne bestürzt und bewegt uns, indem es als Absolutes ins Sichtbare einbricht; zugleich ist es der letzte Erlösungsweg, der uns nach dem Tod der Götter noch bleibt. Das chinesische Denken freilich hat nie „das Schöne“ abstrahiert und isoliert. In der Herausarbeitung dieses Unterschiedes sucht François Jullien Möglichkeiten freizulegen, die sich nicht dem Monopol des Schönen unterordnen; der zeitgenössischen Kunst, im Krieg mit dem Schönen befindlich, neue und fruchtbare Wege zu eröffnen. Das Schöne wird von erschöpfenden Gemeinplätzen befreit: um es in seiner Fremdartigkeit wiederherzustellen.

François Jullien, geboren 1951, lehrt an der Universität Paris VII klassische chinesische Philosophie und Ästhetik, ist Direktor des UFR (Langues et Civilisations de l’Asie Orientale) und war Präsident des Collège International de Philosophie.

DIE FREMDARTIGE IDEE DES SCHÖNEN

PASSAGEN FORUM

François Jullien

Die fremdartige Idee des Schönen

Aus dem Französischenvon Christian Leitner

Herausgegeben von Peter Engelmann

Deutsche ErstausgabeTitel der Originalausgabe: Cette étrange idée du beauAus dem Französischen von Christian Leitner

Cet ouvrage a été réalisé grâce au soutien de l’Université Paris Diderot – Paris 7. Cet ouvrage, publié dans le cadre du Programme d’Aide à la Publication (P.A.P.) MUSIL, bénéficie du soutien du Ministère français des Affaires Etrangères et de l’Ambassade de France en Autriche.

Die deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-7092-5012-9 (E-Book)ISBN 978-3-7092-0050-6 (Broschur)© 2010 by Éditions Grasset & Fasquelle, Paris© der dt. Ausgabe 2012 by Passagen Verlag Ges. m. b. H., Wienhttp://www.passagen.atGrafisches Konzept: Gregor EichingerSatz: Passagen Verlag Ges. m. b. H., Wien

Inhalt

I.

Schön, das Schöne

II.

Vom Schönen: Philosophische Übungen

III.

Spurrillen einer unmöglichen Definition

IV.

Befund: China kannte das Monopol des Schönen nicht

V.

Was geht uns durch das Schöne verloren?

VI.

Das Schöne, Angelpunkt der Metaphysik

VII.

Trennung-Vermittlung: Worauf sich das Schöne gründet

VIII.

Oder: „Den Geist übermitteln“ durch das Greifbare

IX.

Die Schönheit kommt von der Form

X.

Oder: Die Transformation malen

XI.

Varietät oder Varianz

XII.

Essenz/Valenz

XIII.

Ähnlichkeit/Resonanz

XIV.

Gegenwart/Tränkung

XV.

Vom Akt oder von der Schönheit

XVI.

Die „schöne Vorstellung von einem Dinge“

XVII.

„Das ist schön“ – oder: Was kann ich anderes tun als zu „urteilen“?

XVIII.

Geht es um Lust?

XIX.

Demokratie des Schönen

XX.

Die Bestürzung über das Schöne

XXI.

Das tote Schöne

XXII.

Das Schöne als Kult

XXIII.

Das Schöne hinter sich lassen?

XXIV.

Das Schöne in seiner Fremdartigkeit wiederherstellen

Anmerkungen

Für Liliana Albertazzi, Hüterin der Avantgarden

Es gibt nichts Verdächtigeres als die Behaglichkeit, mit der man über das Schöne verhandelt hat.

Mir graut vor dem Geschwätz, das durch sie begünstigt wird, indem sie sogleich jedes Hinterfragen zum Schweigen bringt – ein solches betrifft allenfalls das ewige Problem der Definition des Schönen, ohne dass jemals die vorauszusetzende Frage gestellt würde: War es angebracht, die Wertschätzung des wahrgenommenen Objekts unter diesem hegemonial gewordenen, ja zum Absoluten erhobenen Terminus – „das Schöne“ – zu isolieren? War es nicht bereits voreilig, ein solches „Objekt“ (des Schönen) zu setzen? Und entsprach dies nicht zuerst den Notwendigkeiten unserer Metaphysik? Aber das Schöne hat nichtsdestoweniger über der europäischen Kultur gethront, ohne dass man die Befangenheiten erkundet hätte, auf die es sich stützte. Die Moderne hat gegen das Schöne revoltiert, ohne jene nennenswert zu erhellen.

Das „Schöne“ versteht sich also nicht von selbst. Doch wie kann man die Fragen aus einer angemessenen Distanz stellen, um ein solches Maß an Konformismus ins Wanken zu bringen?

Im Zeitalter unserer klassischen Vernunft konnte man sich ohne Mühe vorstellen, einen christlichen Philosophen und sein chinesisches alter ego miteinander diskutieren zu lassen. Ein naiver Gedanke vielleicht, denn in welcher Sprache hätte man sie sprechen lassen sollen, ohne dass der Austausch sogleich auf das Gebiet der einen oder der anderen kippte? Damals hielt man die Sprache für transparent und neutral, ohne zu ahnen, dass wir in ihren Verwerfungen zu denken beginnen.

Es wird folglich notwendig sein, dass wir dazwischen gehen, um die Bedingungen für ein Aufeinandertreffen zwischen ihnen einzurichten; und dass wir, anstatt den Begriff frontal dekonstruieren zu wollen, ihn umkreisen, ihn immer wieder auf Umwegen attackieren, dabei ein ums andere Mal zurückprallen, sodass schrittweise, über den eröffneten Abstand hinweg, der Sockel des von uns Ungedachten sichtbar wird.

Denn den Weg über China zu nehmen bedeutet nicht etwa, einen exotistischen Juckreiz zu befriedigen, sondern – indem man durch Rückzug an Boden gewinnt – die Frage mit größerer Radikalität zu betrachten, oder vielmehr eine Frage eben dort aufkommen zu lassen, wo keine erkennbar gewesen war. Das „Schöne“ wird in der Folge beginnen, aus seiner Banalität herauszusteigen; ja sogar eine faszinierende Fremdheit freizulegen.

Es gibt einen weiteren Dialog, den ich hier hätte entwickeln wollen: nicht nur mit China, sondern mit der zeitgenössischen Kunst. Ruft auf diesen Seiten nicht alles dazu auf? Zumindest einige erste Elemente dafür werden gegeben, werden als Steine in Warteposition gesetzt. Denn die Künstler, nicht die Philosophen, sind die ersten Abenteurer, oder sagen wir, die Pioniere des Denkens. Die Philosophie, das weiß man, steht immer spät auf.

I. Schön, das Schöne

Gehen wir also vom Nächstliegenden aus, dicht an der Sprache, von den Ausdrucksmitteln der Sprache, die das Denken vorbestimmen. Was geschieht, wenn wir vom einen zum anderen übergehen, vom Adjektiv zum Substantiv: von „schön“ zum „Schönen“? „Schön“ (als Adjektiv) hat ein breites Spektrum, es lässt uns zwischen diesen Möglichkeiten umherwandern. Einerseits, im engeren Sinn, dient es dazu zu sagen, was man als angenehm für Gehör oder Gesichtssinn erkennt, was also einen Genuss in der Wahrnehmung hervorruft; doch andererseits, in einem weniger begrenzten oder selektiven Sinn, was ein viel allgemeineres, ungeteiltes Gefühl der Bewunderung oder Zufriedenheit empfinden lässt: was schicklich, vollendet, gelungen ist. „Eine schöne Frau“ sagt die Sprache, aber auch „ein schöner Zug“, im Französischen spricht man von einer „belle santé“ (einer „schönen Gesundheit“) und einer „belle affaire“ (einer „schönen Geschichte“)… Bella cosa far niente. Der Zug oder die Geschichte sind nicht eigentlich „schön“. Wenn man zum Substantiv übergeht, wird dagegen die engere Bedeutung des Schönen isoliert und erhält ausschließlichen Charakter: Das Schöne (die Schönheit) ist die Eigenheit dessen, was schön ist. Aus der Verschwommenheit des Schicklichen wird, allein durch den Artikel, eine Bedeutung hervorgehoben und isoliert, die man „ästhetisch“ nennen kann. Die Schönheit eines Gesichts, einer Landschaft, eines Gemäldes.

Das gilt schon für das Griechische – denn was ließe sich nicht darauf zurückzuführen? „Von schönem Wuchs“, sagt Homer, kalos to sôma. Doch liest man bei ihm auch, dass ein „schöner Hafen“ (kalos limen) ein gut gelegener Hafen oder ein „schöner Wind“ (kalos anemos) ein günstiger Wind ist. Odysseus irrt lange Zeit auf der Suche nach diesen zwei Dingen umher, um heimkehren zu können. „Schön“ heißt hier, was in der Welt als Ressource dient und sich zur Verwendung anbietet, was der Situation dienlich ist und was man nutzen kann, ohne dass der eine oder der andere Sinn – Gehör oder Gesichtssinn – es als selbstlosen Selbstzweck von der dinglichen Funktionalität loslöste. Ohne dass diese ihn zur Musik erheben, könnte es der Wind in den Segeln oder in der Landschaft sein: Nausikaa am Strand, oder der Gesang der Sirenen. „Das Schöne“ (to kalon) hingegen bezeichnet ausschließlich das, was, vom Nutzen losgelöst und diese Abhängigkeiten durchbrechend, für eine spezifische Eigenschaft gehalten wird – ob es sich nun um moralische oder um physische Schönheit handelt. Wie zu erwarten substantialisiert (essentialisiert) das Substantiv. Aus der semantischen Weite alles Angeeigneten trifft es seine Auslese und behält nur das bei, was Gegenstand eines reinen und klar definierten Genusses ist. Das Schöne ist damit bereits als eigenständiges Verlangen, als eine Berufung des Menschen etabliert – wir sind auf unserem Weg…

Wie ergeht es ihm aber nun in anderen Sprachen? Ist dort eine derartige semantische Selektion bekannt, die von der Morphologie ganz allein bewirkt wird? Betrachten wir das Chinesische. Was wir heute aus dem Chinesischen als „schön“ (mei) übersetzen, oszilliert gleichmäßig zwischen beiden Aspekten. Einerseits eine offene Bedeutung – jene der Vortrefflichkeit und der Genugtuung, wie sie sich in jeder Erfahrung feststellen lassen: die Fülle eines Vermögens, einer Fähigkeit ist „schön“ (mei); und auch „eine Nachbarschaft ist schön, wenn dort das Gefühl der Menschlichkeit herrscht“ (Gespräche des Konfuzius, IV, 1). Andererseits erklärt Konfuzius die Musikstile von Wu und Shao als „vollkommen schön“ (mei), wobei der eine zugleich „vollkommen gut“ ist, der andere hingegen nicht; oder er nennt ein Auge „schön“ (mei), in dem das Weiße und das Schwarze klar getrennt sind und einen Kontrast bilden. Aber nun ist es eben so, dass die chinesische Sprache an und für sich keine morphologische Unterscheidung zwischen Adjektiv und Substantiv kennt; sie sagt nicht „das Schöne“ (oder die Schönheit): das Schöne als Begriff und die Schönheit als Eigenschaft. Sie isoliert vom Wort „schön“ (mei) keine rein ästhetische Bedeutung, die das Denken in der Folge hypostasieren könnte. Und auch nur aufgrund eines Imports aus dem Okzident kam es dazu, dass man am Ende des 19. Jahrhunderts, in China wie in Japan, „Ästhetik“ – „Kallistik“ sagte man im 18. Jahrhundert auch in Europa – als „Studium des Schönen“ (mei-xue im Chinesischen, bi-gaku im Japanischen) übersetzen musste.

Was lässt sich daraus – bereits jetzt – Entscheidendes ableiten?

II. Vom Schönen: Philosophische Übungen

Denn was macht Platon beim Errichten seines philosophischen Systems in Summe anderes, als eben jenen Rohstoff zu nutzen, den ihm die griechische Sprache zur Verfügung stellt? Als zu lernen, von einem schönen Gegenstand zum Schönen als solchem überzugehen? Dies ist gerade die Eingangstür der Philosophie, die zu durchschreiten der Gesprächspartner des Sokrates in seinem Dialog über das Schöne (Hippias maior) Mühe hat, weil er lange braucht, um diesen Unterschied zu erkennen. Philosophische Übungen für Anfänger: Ich frage dich nicht, was „schön ist“, sondern was „das Schöne“ ist (ti esti to kalon). Lerne, vom Adjektiv zum Substantiv überzugehen – anders gesagt, von der Benennung einer Eigenschaft zum Wesen, vom Konkreten zum Abstrakten, von den Einzelfällen zur Allgemeinheit: nicht länger zu benennen, sondern zu definieren. Man sollte meinen, dass es sich um einen einfache Explizierung handelt, doch der Schritt, der hier getan wird, ist entscheidend, oder vielmehr ergibt sich alles andere aus ihm – es gibt keine Umkehr mehr, ein Zurückgehen ist unmöglich: Wenn Gegenstände als schön beurteilt werden, heißt das, dass es „das Schöne“ gibt, das sie schön macht. Im Substantiv „das Schöne“ ist „schön“ auf nichts anderes mehr bezogen, sondern zieht sich in das zurück, was zu seiner Substanz wird; es setzt seiner endlosen Verstreuung über die Gegenstände ein Ende, um sich als Subjekt zu behaupten. Das Schöne ist folglich nicht länger eine „schöne Jungfrau“ (eine schöne Stute, eine schöne Leier, ein schöner Kessel), sondern ist dieses „in sich“ – auto – das sich all dieser Vielfalt hinzufügt und, von ihr ablösbar, die einzige Ursache für ihre Eigenschaft ist. Von „schön“ zu „das Schöne“: Die (europäische) Philosophie ist aus diesem hinzugefügten Artikel geboren und entwickelt sich im Rahmen dieser Verschiebung.

Wenn man von „schön“ das Schöne ablöst, wird damit ein wichtiger Anstoß gegeben, der es erlaubt, dass das Denken nicht länger von einer Okkurrenz zur nächsten wandert wie die Biene auf Nektarsuche, dicht über den Dingen, die Welt buchstabierend, so wie es sie entdeckt, und zufrieden mit diesem Inventar – von all diesem Anekdotischen nehmen wir Abschied. Es wird sich in der Folge aus sich selbst heraus konstruieren, und zwar zuerst durch Definition – so hat es Platon ein für alle Mal bestimmt: es wird daran arbeiten, das Erfasste zu vereinheitlichen, um der entmutigenden Zersplitterung in Einzelfälle zu entkommen, und sich den souveränen Aussichtspunkt des Begriffs erlauben. – Gut, schon ist es geschehen: Die Naivität jedes Realismus (Phänomenalismus), der mit dem Finger auf das zeigt, was er vor den Augen hat, ist überwunden. Und Sokrates kann spotten: Wäre es nicht entschieden zu lächerlich hinzunehmen, dass man dieses Schöne mit einer beliebigen Materie vergleicht, und sei es, weil man sie in so vielen verschiedenen Objekten als immer Gleiche wiederfindet? Da es kein Gegenstand, Gold oder Marmor, sein kann, muss das Schöne folglich ein Begriff sein. Denn der Meinung zu sein, in der Statue der Athene sei der Marmor an einer gewissen Stelle schön, schöner als Elfenbein, „weil er in angebrachter Weise verwendet wird“, bedeutet, das Schöne nicht mehr in einem Gegebenen zu suchen, dessen Begrenztheit zu offensichtlich ist, sondern als ein Prinzip. Wer dies tut, wird mühelos das Gewimmel des Vielfältigen durchdringen. Das „Angebrachte“ (to prepon): Ist das nicht gerade die Definition des Schönen?

Nun aber die erste Enttäuschung der entstehenden Philosophie in ihrer Eroberungslust: So wie das Denken auf Abwege geriet, solange man von Gegenstand zu Gegenstand wanderte, um das Schöne durch Assimilation zu identifizieren, so verliert es sich nun wieder, indem es uns von Prinzip zu Prinzip irren lässt. Denn ist man nicht gleichwohl zur Reduktion verurteilt, egal, worauf man das Schöne auch bezieht – was dazu führt, dass das Schöne wiederum entflieht? Indem wir verfolgen, wofür die Suche nach dem Schönen eine Übung ist (immer noch im Hippias maior): Ist ein hölzerner Löffel schöner als ein Löffel aus Gold, weil er eher dem Gebrauch „angemessen“ ist? Und wer versichert uns andererseits dass das, was wir als „angebracht“ hinnehmen, nicht bloß diesen Anschein erweckt? Verbessern wir also den Begriff des Angebrachten durch das „Nützliche“ (chresimon) und laden so seine Zielgerichtetheit mit größerer Wirksamkeit auf. Besteht dann aber nicht die Gefahr, dass das Nützliche sich zu weit vom Guten entfernt, indem es auf eigennützige Zwecke abzielt? Ersetzen wir also das Nützliche durch das „Vorteilhafte“ (ophelimon); aber das Vorteilhafte seinerseits würde, wenn es das Gute hervorbringt, vom Guten unterschieden sein, et cetera.

Wenn es die Mühe wert ist, diese dialektischen Übungen, denen Platon „das Schöne“ unterzogen hat, noch einmal und immer wieder durchzugehen, dann deshalb, weil sie uns ermessen lassen, in was für Schwierigkeiten wir uns unwiderruflich befinden, sobald wir einmal „das Schöne“ als Begriff gesetzt haben. Der Weg der Abstraktion selbst, der das Schöne als Begriff definiert, dieser Weg, der sich als Königsweg angekündigt hatte, wird vermutlich auch nicht – zumindest nicht so bald – der Ausweg sein, auf den man gehofft hat. Warum also zuwarten, zu dem zurückzukehren, was uns der Hausverstand sagt und worauf sich die Sprache von Anfang an verständigt: dass das Schöne „der Genuss ist, den Gehör und Gesichtssinn bereiten“, wie es, nach allen Argumenten, Sokrates in fine vorschlägt? Aber wenn man das Schöne in dieser Weise auf die Wahrnehmung beschränkt, lässt sich dann noch von moralischer Schönheit sprechen? Und warum überhaupt zweien unserer Sinne, dem Gehör und dem Gesichtssinn, das Privileg über dieses Angenehme in der Wahrnehmung zugestehen, auf Kosten der anderen? Insofern es nicht einem Sinn allein eigen ist, aber auch nicht allen fünfen zugehörig, lässt das Schöne unklar, wie es zugleich in den Bereich dieser beiden und jedes einzelnen für sich fallen kann. Wieder einmal bleibt das Wesen der Gemeinsamkeit ungreifbar. Denn wenn am Ende des Weges dieser Genuss des Gehörs und des Gesichtssinns zur Abgrenzung der anderen Genüsse einzig dadurch definiert wird, dass er der „unschuldigste“ (asines) und beste ist, dann ist das lediglich ein erster – schwankender – Schritt, das Schöne vom Angenehmen zu unterscheiden und sein „uneigennütziges“ Wesen, wie man es, allerdings deutlich später, bezeichnen wird, zur Geltung zu bringen. Um die Wahrheit zu sagen, die Untersuchung, an ihr Ende geführt, beginnt gerade erst.

III. Spurrillen einer unmöglichen Definition

Dennoch hat Platon, indem er uns vom einen Ende dieser Untersuchung zum anderen geführt hat, und wenn auch nur, um endgültig zu erkennen, dass sie zu keinem Schluss kommen kann, ein für alle Mal das abgesteckt, was nach ihr, in ihrem Kielwasser, zum „Problem des Schönen“ wurde. Mit dem hat dieses Problem Wurzeln geschlagen, und man wird nicht mehr so leicht daraus entkommen. Wird es je möglich sein, von ihm abzulassen? Wird man sich eines Tages von ihm befreien können? Bis wohin würde sein Schlagschatten nicht reichen? Wenn auch die Antworten unendlich variieren, so bleibt doch die Frage bestehen. Von ihr bleibt, aus der Sprache bezogen, der : das Schöne. Wenn wir auch nicht definieren können, was das Schöne ist, so wird zumindest anerkannt, dass es „vorhanden ist“, wir „glauben“ () an seine Existenz. Das heißt, wenn ich diese philosophischen Anfängerübungen noch einmal durchgehe, dann weil es Zeit ist, von außen abzumessen, wie sehr sie uns geformt haben.

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