Die Geheimnisse der Wertpapieranalyse - Benjamin Graham - E-Book

Die Geheimnisse der Wertpapieranalyse E-Book

Benjamin Graham

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Beschreibung

Benjamin Graham ist der Vater der Wertpapieranalyse. In diesem unschlagbaren Buch gibt Ihnen der Autor aufsehenerregende Antworten auf alle Kardinalfragen der Geldanlage. Seit über 70 Jahren werden Die Geheimnisse der Wertpapieranalyse nun schon an die jeweils nächste Generation von Anlegern weitergegeben. Warren Buffett beispielsweise, einer der reichsten Anleger der Neuzeit, bekennt sich ganz offen zu Benjamin Grahams Analysemethoden. Schöpfen auch Sie Wissen und Kraft aus der Bibel der Wertpapieranalyse. Warum konnte dieses Buch über alle Jahrzehnte hinweg nichts von seiner Faszination verlieren? Anhand von Grahams Wertpapieranalyse lernen Sie den inneren Wert eines Unternehmens kennen. Sie erfahren, was die Kennzahlen über ein Unternehmen verraten und wie Sie Bilanzen problemlos lesen und verstehen. Die Bewertung von Aktien bildet den Themenschwerpunkt. Handfeste Praxisbeispiele, klare Tabellen und sorgfältig ausgewählte Abbildungen machen dieses Buch zu einem Mega-Kompendium brillanter Informationen. Die überlegenen Analysemethoden von Graham und Dodd in einem Buch der Extraklasse! »Die Geheimnisse der Wertpapieranalyse«. Wissen für jetzt und immer.

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Seitenzahl: 1463

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MIT EINEM VORWORT VON WARREN BUFFETT

BENJAMIN GRAHAMDAVID L. DODD

Die Geheimnisse der WERTPAPIER ANALYSE

Überlegenes Wissen für Ihre Anlageentscheidung

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen:

[email protected]

8. korrigierte Auflage 2021

© der deutschen Ausgabe 2008 by FinanzBuch Verlag,

ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Türkenstraße 89

80799 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

© der Originalausgabe 1934 by The McGraw-Hill Companies, Inc., Copyright renewed 1962 by The McGraw-Hill Companies, Inc., All rights reserved. Die Originalausgabe erschien unter dem Titel »Security Analysis, The Classic 1940 Edition«

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Die im Buch veröffentlichten Ratschläge wurden von Verfasser und Verlag sorgfältig erarbeitet und geprüft. Eine Garantie kann dennoch nicht übernommen werden. Ebenso ist die Haftung des Verfassers beziehungsweise des Verlages und seiner Beauftragten für Personen-, Sach-, und Vermögensschäden ausgeschlossen.

Redaktion: Leonie Zimmermann; Moritz Malsch, buch-concept.de

Lektorat: Marion Reuter, Katrin Schlechtriemen

Übersetzung: Reno Basler, Florian Schulze, Horst Fugger (Vorwort W. E. Buffett)

Satz: Daniel Förster, Belgern

Druck: Dimograf Druckerei sp. z.o.o., Bielsko-Biala/Polen

eBook: ePubMATIC.com

ISBN Print 978-3-89879-953-9

ISBN E-Book (PDF) 978-3-86248-858-2

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-86248-859-9

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.finanzbuchverlag.de

INHALT

Vorwort von Warren E. Buffett

Vorwort zur zweiten Ausgabe

Vorwort zur ersten Ausgabe

Wertpapieranalyse

Einleitung: Die Probleme von Anlagestrategien

TEIL I Überblick und Einführung

KAPITEL 1 Anwendungsbereich und Grenzen der Wertpapieranalyse: Das Konzept des inneren Wertes

KAPITEL 2 Fundamentale Elemente einer Wertpapieranalyse: Quantitative und Qualitative Faktoren

KAPITEL 3 Informationsquellen

KAPITEL 4 Unterschiede zwischen Investment und Spekulation

KAPITEL 5 Klassifizierung von Wertpapieren

TEIL II Investitionen mit Festbetragansprüchen/Festverzinsliche Wertpapiere

KAPITEL 6 Zur Auswahl von Investitionen mit Festbetragsansprüchen

KAPITEL 7 Zur Auswahl von Investitionen mit Festbetragsansprüchen: Zweiter und Dritter Grundsatz

KAPITEL 8 Spezifische Standards für Investitionen in Anleihen

KAPITEL 9 Spezifische Standards für Investitionen in Anleihen (Fortsetzung)

KAPITEL 10 Spezifische Standards für Investitionen in Anleihen (Fortsetzung)

KAPITEL 11 Spezifische Standards für Investitionen in Anleihen (Fortsetzung)

KAPITEL 12 Besonderheiten der Analyse von Eisenbahn- und Versorgeranleihen

KAPITEL 13 Weitere Besonderheiten der Anleihenanalyse

KAPITEL 14 Theorie der Vorzugsaktien

KAPITEL 15 Auswahltechnik bei Investitionen in Vorzugsaktien

KAPITEL 16 Gewinnschuldverschreibungen und mit Garantien ausgestattete Wertpapiere

KAPITEL 17 Mit Garantien ausgestattete Wertpapiere (Fortsetzung)

KAPITEL 18 Schutzbestimmungen und Rechtsmittel vorrangiger Wertpapiere

KAPITEL 19 Schutzbestimmungen (Fortsetzung)

KAPITEL 20 Schutzmechanismen bei Vorzugsaktien – Substanzerhaltung nachrangiger Finanzierungspapiere

KAPITEL 21 Laufende Überprüfung des Portfolios

TEIL III Vorrangige Wertpapiere mit spekulativen Eigenschaften

KAPITEL 22 Bevorrechtigte Emissionen

KAPITEL 23 Technische Eigenschaften von bevorrechtigten Wertpapieren

KAPITEL 24 Technische Aspekte von wandelbaren Wertpapieren

KAPITEL 25 Vorrangige Wertpapiere mit Optionen. Partizipierende Wertpapiere. Wechsel und Kursabsicherung

KAPITEL 26 Vorrangige Wertpapiere mit bedenklicher Sicherheit

TEIL IV Theoretische Betrachtung von Aktieninvestitionen. Der Dividendenfaktor

KAPITEL 27 Theoretische Betrachtung von Aktieninvestitionen

KAPITEL 28 Neuere Ansätze für Aktieninvestitionen

KAPITEL 29 Der Dividendenfaktor in der Aktienanalyse

KAPITEL 30 Gratisaktien

TEIL V Analyse des Erfolgskontos. Der Ertragsfaktor bei der Beurteilung des Stammaktienwerts

KAPITEL 31 Analyse des Erfolgskontos

KAPITEL 32 Außerordentliche Verluste und weitere sonstige Positionen in der Erfolgsrechnung

KAPITEL 33 Irreführende Kunstgriffe in der Erfolgsrechnung. Gewinne von Tochtergesellschaften

KAPITEL 34 Das Verhältnis von Abschreibungen und ähnlichen Aufwendungen zur Ertragskraft

KAPITEL 35 Die Abschreibungsverfahren von öffentlichen Versorgungsunternehmen

KAPITEL 36 Abschreibungen aus Sicht des Investors

KAPITEL 37 Bedeutung des Ertragsverlaufs

KAPITEL 38 Besondere Gründe für die kritische Betrachtung oder Ablehnung des führenden Verlaufes

KAPITEL 39 Kurs-Gewinn-Verhältnisse bei Stammaktien. Anpassungen bei Kapitalisierungsänderungen

KAPITEL 40 Kapitalstruktur

KAPITEL 41 Preisgünstige Stammaktien. Eine Analyse der Einkommensquelle

TEIL VI Bilanzanalyse. Die Auswirkung von Vermögenswerten

KAPITEL 42 Bilanzanalyse: Die Bedeutung des Buchwertes

KAPITEL 43 Die Bedeutung des Umlaufvermögenswertes

KAPITEL 44 Auswirkungen des Liquidations wertes. Beziehungen zwischen Aktionären und Management

KAPITEL 45 Bilanzanalyse (Abschluss)

TEIL VII Weitere Aspekte der Wertpapieranalyse: Unterschiede zwischen Kurs und Bewertung

KAPITEL 46 Aktienoptionen

KAPITEL 47 Finanzierungs- und Managementkosten

KAPITEL 48 Aspekte von Unternehmensverschachtelungen

KAPITEL 49 Vergleichende Analyse von Unternehmen derselben Branche

KAPITEL 50 Unterschiede zwischen Kurs und Wert

KAPITEL 51 Unterschiede zwischen Kurs und Wert (Fortsetzung)

KAPITEL 52 Markt- und Wertpapieranalyse

Anhang

Anmerkungen zur Einleitung

Anmerkungen zu Teil I

Anmerkungen zu Teil II

Anmerkungen zu Teil III

Anmerkungen zu Teil IV

Anmerkungen zu Teil V–VII

Über die Autoren

VORWORT VON WARREN E. BUFFETT

In meiner überfüllten Bibliothek stehen vier Bücher, die ich ganz besonders schätze. Sie alle wurden schon vor mehr als 50 Jahren geschrieben. Dennoch wäre jedes von ihnen auch dann von enormem Wert für mich, läse ich es heute zum ersten Mal. Ihre Weisheit bleibt, obwohl das Papier verblasst.

Zwei dieser Bücher sind Erstausgaben von Der Wohlstand der Nationen (1776) von Adam Smith und Intelligent Investieren (1949) von Benjamin Graham. Ein drittes ist die Originalausgabe des Buches, das Sie gerade in den Händen halten: Die Geheimnisse der Wertpapieranalyse von Graham und Dodd. Ich habe dieses Buch schon während meiner Zeit an der Columbia University 1950 und 1951 studiert, als ich das außergewöhnliche Glück hatte, Ben Graham und Dave Dodd als Lehrer zu haben. Das Buch und diese beiden Männer haben mein Leben verändert.

In praktischer Hinsicht wurde das, was ich lernte, zum Fundament aller meiner Entscheidungen als Investor und im Geschäftsleben. Schon lange vor meiner Begegnung mit Ben und Dave war ich vom Aktienmarkt fasziniert. Ehe ich mit 11 Jahren meine erste Aktie kaufte – früher konnte ich mir die für den Kauf nötigen 115 Dollar nicht leisten – hatte ich in der öffentlichen Bibliothek in Omaha jedes Buch gelesen, das mit dem Aktienmarkt zu tun hatte. Viele von ihnen fand ich faszinierend – interessant waren sie alle. Aber wirklich nützlich war keines von ihnen.

Meine intellektuelle Odyssee war allerdings vorbei, als ich Ben und Dave kennenlernte; zunächst durch ihre Veröffentlichungen, später auch persönlich. Sie haben eine Straßenkarte des Investierens geschaffen, an der ich mich nun schon seit 57 Jahren orientiere. Es gab nie einen Grund, nach einer anderen Karte zu suchen.

Warren E. Buffett

VORWORT ZUR ZWEITEN AUSGABE

Der Umstand, dass seit der Erstveröffentlichung dieses Werkes sechs Jahre vergangen sind, liefert die Rechtfertigung, wenn nicht sogar die Notwendigkeit für die vorliegende umfangreiche Überarbeitung. Die rasanten Veränderungen in der Wirtschaftswelt gestatten den Autoren keine lange Bequemlichkeit. Der Einfluss eines großen Krieges erweitert unsere Aufgabenstellung um einen besonderen Punkt. In Bezug auf Anlagestrategien können wir die Bedeutung des Krieges für die Zukunft bestenfalls andeuten. Hinsichtlich der Wertpapieranalyse an sich können die neuen Unsicherheiten die Thematik komplizieren, doch sollten sie deren Grundlagen oder Methoden nicht verändern.

Wir haben den Text im Hinblick auf einige Zielsetzungen überarbeitet. Zahlreiche Schwachpunkte wurden korrigiert und durch einige neue Beurteilungen ersetzt. Im Finanzbereich wurde den aktuellen Entwicklungen Rechnung getragen, insbesondere den Auswirkungen der Regulierungen durch die Securities and Exchange Commission. Die Beständigkeit von niedrigen Zinssätzen rechtfertigt eine neue Herangehensweise an diese Thematik. Dagegen bringt uns die erneute Bestätigung des Vertrauens der Wall Street auf Trends zu einer umfassenderen, jedoch nicht wesentlich anderen Kritik dieser modernen Anlagephilosophie.

Obwohl sich, da die Zeit schnell verstreicht, ein zu großes Beharren auf aktuellen Beispielen als Bumerang erweisen kann, haben wir Veranschaulichungen verwendet, die in den Rahmen der Jahre 1939 bis 1940 passen. Doch glauben wir ebenso, dass viele alte Beispiele, die bei ihrer ersten Erwähnung die Zukunft herausgefordert haben, gegenwärtig ziemlich nützlich sind, um die vorgeschlagenen Methoden zu überprüfen. Daher haben wir in Anlehnung an eine unserer Ideen gewagt, zu allen relevanten Beispielen aus 1934 das Nachspiel als »Labortest« angewandter Wertpapieranalyse zu betrachten. Die im Text bzw. als Anmerkung vorgenommene Bezugnahme auf jeden einzelnen Fall ermöglicht es dem Leser, zu den Behauptungen des Wertpapieranalysten eigene Überprüfungen durchzuführen.

Die Erweiterung des Umfangs dieses Buches ergibt sich zum Teil aus der erhöhten Anzahl von Beispielen, zum Teil aus zusätzlichen Klarstellungen hinsichtlich vieler Punkte und vor allem aus einer erweiterten Analyse von Eisenbahngesellschaften und zusätzlichen neuen Statistiken zu allen an der New York Stock Exchange gelisteten Industrieunternehmen. Die allgemeine Gliederung des Werkes wurde beibehalten, obwohl einige Personen, die es als Text verwenden, andere Vorschläge unterbreitet haben. Wir vertrauen jedoch darauf, dass die Reihenfolge der Kapitel beim Lesen ohne große Schwierigkeiten abgeändert werden kann zur Vereinfachung für Leser, die beispielsweise mit der Theorie und Praxis der Stammaktienanalyse beginnen möchten.

BENJAMIN GRAHAM

DAVID L. DODD

New York City, Mai 1940

VORWORT ZUR ERSTEN AUSGABE

Dieses Buch richtet sich an alle, die ein ernstes Interesse an der Bewertung von Wertpapieren haben. Es ist jedoch nicht für den Einsteiger gedacht, da es einige Bekanntschaft mit der Terminologie und den grundlegenden Konzepten der Finanzierungslehre voraussetzt. Der Anwendungsbereich dieses Werkes ist umfassender, als es der Titel aussagen mag. Es behandelt nicht nur die Analysemethoden für einzelne Wertpapiere, sondern ebenso die Festlegung allgemeiner Richtlinien zur Auswahl und Absicherung von Wertpapieren. Infolgedessen liegt der Schwerpunkt auf der Unterscheidung von Anlage und Spekulation, der Durchführung von seriösen und brauchbaren Sicherheitstests sowie dem Verständnis der Rechte und wahren Interessen von Anlegern vorrangiger Wertpapiere und Besitzern von Stammaktien.

Das vorrangige, jedoch nicht alleinige Kriterium bei der Aufteilung der Seiten auf die verschiedenen Themen war die jeweilige Bedeutsamkeit. Einige grundlegend wichtige Themen, zum Beispiel die Bestimmung der zukünftigen Aussichten von Unternehmen, finden nur kurz Berücksichtigung, da hierzu wenig Nützliches gesagt werden kann. Andere Themen wurden nur gestreift, da sie weithin bekannt sind. Umgekehrt haben wir die Verfahren zur Aufdeckung von günstigen Wertpapieren weit über ihre Bedeutung für den gesamten Anlagebereich hinaus betont, da die dem Wertpapieranalysten eigentümlichen Begabungen bei dieser Aktivität vielleicht ihren ergiebigsten Ausdruck finden. Auf ähnliche Weise haben wir die Eigenschaften von vorrangigen Wertpapieren (Wandelanleihen etc.) ziemlich ausführlich untersucht, da diesen Instrumenten – angesichts ihrer umfangreichen Entwicklung in den letzten Jahren – in gewöhnlichen Lehrbüchern nur unzureichende Aufmerksamkeit zukommt.

Unser vorherrschendes Ziel war jedoch, dieses Werk eher kritisch als deskriptiv zu gestalten. Wir befassen uns in erster Linie mit Konzepten, Methoden, Standards, Prinzipien und vor allem logischer Argumentation. Bei der Hervorhebung von Theorie ist ihr praktischer Nutzen relevant. Weiterhin haben wir vermieden, Richtlinien vorzugeben, die nur schwer verfolgt werden können, oder technische Vorgehensweisen, die mehr Probleme bereiten, als sie nützen.

Die hauptsächliche Aufgabenstellung dieses Werkes betraf jedoch die Perspektive – die unterschiedlichen Erfahrungen der jüngeren und entfernten Vergangenheit sollen zu einer Synthese verbunden werden, die der Überprüfung durch eine stets mysteriöse Zukunft standhält. Während des Schreibens mussten wir gegen die weitverbreitete Auffassung kämpfen, dass Katastrophen in der Finanzwelt eine dauerhafte Ordnung bilden; zum Veröffentlichungszeitpunkt sehen wir bereits die jahrhundertealte Schwäche des Anlegers wiederauferstehen, dass sein Geld ein Loch in seine Tasche brennt. Jedoch ist es vor allem der konservative Anleger, der ständig an die Lektionen der Jahre 1931 bis 1933 und die vorhergehenden Zusammenbrüche erinnert werden muss. Die von uns als Investitionen mit fixen Rückflüssen bezeichneten Anlagen können nur vernünftig ausgewählt werden, wenn sie – um mit Spinoza zu sprechen – »vom Standpunkt der Katastrophe aus« betrachtet werden. Bei anderen Arten von Wertpapierengagements haben wir uns durchgehend bemüht, den Leser vor einer Überbetonung von oberflächlichen und kurzzeitigen Gegebenheiten zu schützen. Zwanzig Jahre vielseitiger Erfahrungen an der Wall Street haben den älteren Autor gelehrt, dass diese Überbetonung zugleich der Irrglaube und der Untergang der Finanzwelt ist.

Unser größter Dank gehört unseren vielen Freunden, die uns bei der Vorbereitung dieses Werkes ermutigt und geholfen haben.

BENJAMIN GRAHAM

DAVID L. DODD

New York City, Mai 1934

WERTPAPIERANALYSE

EINLEITUNGDIE PROBLEME VON ANLAGESTRATEGIEN

Obwohl die Wertpapieranalyse genau genommen ohne Bezugnahme auf irgendwelche genauen Anlagepläne oder -standards betrieben werden kann, wäre eine derartige Aufgabenspezialisierung ziemlich unrealistisch. Eine kritische Analyse von Bilanzen und Gewinn- und Verlustrechnungen, Vergleiche von ähnlichen Wertpapieren, die Untersuchung von Vertragsbedingungen und Schutzklauseln bei Anleihen und Vorzugsaktien – diese typischen Tätigkeiten des Wertpapieranalysten werden ausnahmslos mit dem Ziel praktischer Kauf- und Verkaufsabsichten ausgeführt und sie müssen innerhalb eines umfassenden Rahmens von Anlageprinzipien oder spekulativen Grundsätzen betrachtet werden. In diesem Werk trachten wir nicht nach einer genauen Abgrenzung zwischen Anlagetheorie und Analysetechnik, doch zuweilen vereinen wir beide Begriffe in ihrer engen Beziehung innerhalb der Finanzwelt.

Daher scheint es am besten, unsere Darstellung mit einem kurzen Rückblick auf die Probleme der Methoden einzuleiten, denen der Wertpapierkäufer gegenübersteht. Eine derartige Diskussion ist, zumindest teilweise, durch die beim Verfassen dieses Kapitels vorherrschenden Bedingungen geprägt. Doch hoffen wir, dass mögliche Veränderungen ausreichend in Betracht gezogen werden, um unseren Schlussfolgerungen mehr als nur vorübergehendes Interesse und vorübergehende Wertschätzung beizumessen. Tatsächlich betrachten wir solche Veränderungen als zentralen Dreh- und Angelpunkt in der Finanzwelt. Zum besseren Verständnis unseres Standpunktes stellen wir zusammengefasstes Datenmaterial vor, das die Umkehrungen und Umbrüche von Werten und Standards verdeutlichen soll, die sich im letzten Vierteljahrhundert ereignet haben.

Periode

1911–1913

1923–1925

1936–1938

Hoch

Tief

Durchschnittswert

Hoch

Tief

Durchschnittswert

Hoch

Tief

Durchschnittswert

Index*

118,8

94,6

107,9

174,9

136,0

157,9

164,9

106,0

137,0

Wertpapierrendite* (in %)

4,22

4,02

4,09

4,82

4,55

4,68

3,99

3,36

3,65

Index der Industriewerte

121,6

92,2

107,6

198,6

128,6

153,4

293,4

124,8

211,1

Dow Jones Industriewerte – Durchschnittswert–(pro Einheit):

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kursspanne

94

72

82

159

86

112

194

97

149

Erträge (in $)

8.69

7.81

8.12

13.54

10.52

11.81

11.41

6.02

9.14

Dividenden

5,69

4,50

5,13

7,09

5,51

6,13

8,15

4,84

6,66

KGV?

11,6 ×

8,9 ×

10,1 ×

13,5 ×

7,3 ×

9,5 ×

21,2 ×

10,6 ×

16,3 ×

Rendite (in %)?

5,5

7,1

6,3

3,9

7,1

5,5

3,4

6,9

4,5

U.S. Stahl‡

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kursspanne

82

50

65

139

86

111

178

53

96

Ertrag pro Aktie (in $)

11.00

5.70

7.53

16.40

11.80

13.70

11.22

-5.30

3.33

Dividende pro Aktie

5,00

5,00

5,00

7,00

5,25

6,42

1,40

Nil

0,42

KGV?

10,9 ×

6,6 ×

8,6 ×

10,1 ×

6,3 ×

8,1 ×

53,4 ×

15,9 ×

28,8 ×

Rendite (in %)?

6,1

10,0

7,7

4,6

7,5

5,8

0,2

0,8

0,4

General Electric§:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kursspanne

196

142

172

524

262

368

1,580

664

1,070

Ertrag pro Aktie (in $)

16.72

12.43

14.27

32.10

27.75

30.35

53.50

23.40

38.00

Dividende pro Aktie ||

10,40

8,00

8,80

19,80

19,80

19,80

53,50

21,85

38,90

KGV?

13,7 ×

10,0 ×

12,1 ×

17,2 ×

8,6 ×

13,8 ×

41,5 ×

17,5 ×

28,2 ×

Rendite (in %)?

4,5

6,2

5,1

3,8

7,6

5,4

2,5

5,9

3,6

American Can¶:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kursspanne

47

9

25

297

74

150

828

414

612

Ertrag pro Aktie (in $)

8.86

0.07

4.71

32.75

19.64

24.30

36.48

26.10

32.46

Dividende pro Aktie

Nil

Nil

Nil

7,00

5,00

6,00

30,00

24,00

26,00

KGV?

10,0 ×

1,9 ×

5,3 ×

12,2 ×

3,0 ×

6,2 ×

25,5 ×

12,7 ×

18,8 ×

Rendite (in %)?

Nil

Nil

Nil

2,0

8,1

4,0

3,1

6,3

4,2

Pennsylvania R.R.:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kursspanne

65

53

60

55

41

46

50

14

30

Ertrag pro Aktie (in $)

4.64

4.14

4.33

6.23

3.82

5.07

2.94

0.84

1.95

Dividende pro Aktie

3,00

3,00

3,00

3,00

3,00

3,00

2,00

0,50

1,25

KGV?

15,0 ×

12,2 ×

13,8 ×

10,9 ×

8,1 ×

9,2 ×

25,6 ×

7,2 ×

15,5 ×

Rendite (in %)?

4,6

5,7

5,0

5,5

7,3

6,5

2,5

8,9

4,1

American Tel. & Tel.:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kursspanne

153

110

137

145

119

130

190

111

155

Ertrag pro Aktie (in $)

9.58

8.64

9.26

11.79

11.31

11.48

9.62

8.16

9.05

Dividende pro Aktie

8,00

8,00

8,00

9,00

9,00

9,00

9,00

9,00

9,00

KGV?

16,5 ×

11,9 ×

14,8 ×

12,6 ×

10,4 ×

11,3 ×

21,0 ×

12,3 ×

17,1 ×

Rendite (in %)?

5,2

7,3

5,8

6,2

7,6

6,9

4,7

8,1

5,8

* Axe-Houghton Konjunktur- und Industrieaktienindex, beide nicht trendbereinigt; Renditen von 10 hochwertigen Eisenbahnanleihen – alle mit freundlicher Genehmigung von E. W. Axe & Co., Inc.

? Die Höchst-, Tief- und Durchschnittskurse wurden mit den durchschnittlichen Gewinnen und Dividenden in jeder Periode verglichen.

‡ Die Zahlen der Jahre 1936 bis 1938 wurden angepasst, um eine Aktiendividende in Höhe von 40 Prozent anzugeben.

§ Die Zahlen wurden angepasst, um verschiedene Aktiendividenden und Aktiensplits zwischen 1913 und 1930 widerzuspiegeln (letztendlicher Gegenwert: etwa 25 Aktien im Jahr 1936 für eine Aktie im Jahr 1912).

|| Ausschließlich eine Aktie der Electric Bond and Share Securities Corporation, die 1925 als Dividende ausgeschüttet wurde.

¶ Die Zahlen der Jahre 1936 bis 1938 wurden angepasst, um einen Aktientausch im Verhältnis 6 : 1 im Jahr 1926 widerzuspiegeln.

Die drei Referenzzeiträume 1911 bis 1913, 1923 bis 1925 und 1936 bis 1938 wurden ausgewählt, da sie die besten Annäherungen zum »Normalzustand« bzw. zur relativen Stabilität darstellen, die in den Intervallen während des letzten Vierteljahrhunderts gefunden werden konnten. Zwischen dem ersten und zweiten Dreijahreszeitraum gab es den Zusammenbruch durch den Krieg und hektischen Wohlstand, gefolgt von einer Nachkriegsunterbrechung, Inflation und einer tief gehenden Depression. Zwischen 1925 und 1936 gab es einen »Neuzeit-Boom«, den großen Zusammenbruch und die Depression und anschließend eine ungleichmäßige Erholung zum Normalzustand. Doch wenn wir die Dreijahreszeiträume an sich untersuchen, kommen wir nicht umhin, die selbst in relativ normalen Zeiten steigende tendenzielle Instabilität festzustellen. Dies zeigt sich anschaulich in der fortschreitenden Ausweitung der Kurven in Grafik A, welche die Schwankungen der allgemeinen Konjunktur und der Kurse von Industrieaktien während der betreffenden Jahre nachzeichnen.

Es wäre töricht, aus diesen Entwicklungen eine noch größere Instabilität für die Zukunft abzuleiten. Doch wäre es gleichfalls unvorsichtig, die Bedeutung dieser Vorgänge zu bagatellisieren und allzu bereit zu der bequemen Überzeugung von 1925 zurückzukehren, dass wir kontinuierlich auf höhere Stabilität und größeren Wohlstand hinsteuern. Die Zeiten scheinen flexible und aufgeschlossene Anlagestrategien zu gebieten sowie Vorsicht bei Akzeptanz jeder Theorie hinsichtlich der Zukunft. Mit diesen Warnungen als Orientierungshilfe wollen wir nun dazu übergehen, bestimmte Anlageprobleme kurz zu untersuchen.

ANLAGEN IN HOCHWERTIGE ANLEIHEN UND VORZUGSAKTIEN

Anlagen in Anleihen werfen heutzutage mehr verwirrende Probleme auf, als es 1913 der Fall zu sein schien. Die wichtigste Frage drehte sich damals um die Erzielung der höchsten Rendite bei entsprechender Sicherheit; und falls der Anleger mit den niedrig verzinsten Standardemissionen (fast ausschließlich Pfandbriefe von Eisenbahngesellschaften) zufrieden war, konnte er sie angeblich »mit geschlossenen Augen kaufen, beiseitelegen und vergessen«. Heutzutage muss der Anleger mit einem dreifachen Problem ringen: der Sicherheit von Zinsen und Kapital, den zukünftigen Anleihenrenditen und -kursen und dem zukünftigen Wert des Dollar. Die Beschreibung dieses Dilemmas ist einfach, eine zufriedenstellende Lösung erscheint jedoch beinahe unmöglich.

DIE SICHERHEIT VON ZINSEN UND KAPITAL – Zwei schwere Depressionen in den letzten zwanzig Jahren und der Zusammenbruch einer hohen Anzahl von Eisenbahnwertpapieren, die einst unzweifelhaft als sicher galten, deuten darauf hin, dass die Zukunft eventuell weitere unsanfte Erschütterungen für den selbstgefälligen Anleiheninvestor mit sich bringt. Die alte Vorstellung von »beständigen Kapitalanlagen«, die von Veränderungen und Sorgen ausgenommen sind, hat ohne Zweifel endgültig ausgedient. Unsere Untersuchungen führen uns jedoch zu dem Schluss, dass der Anleger durch ausreichend strenge Auswahlstandards und halbwegs häufige anschließende Überprüfungen in der Lage sein sollte, den meisten schwerwiegenden Verlusten, die ihn in der Vergangenheit verwirrt haben, zu entgehen. Somit sollte sich der Zufluss an Zinsen und Kapital selbst in einer Depression als zufriedenstellende Einnahme herausstellen. Eine sorgfältige Auswahl muss auch eine entsprechende Betrachtung von zukünftigen Aussichten einschließen, doch wir gehen nicht davon aus, dass der Anleger hellseherische Fähigkeiten haben oder sich auf Unternehmen beschränken muss, die außergewöhnliche Gewinnsteigerungen versprechen. Diese Hinweise beziehen sich auf (wahrhaft) hochwertige Vorzugsaktien und Anleihen.

DIE ZUKUNFT VON ZINSSÄTZEN UND ANLEIHENKURSEN – Die beispiellos niedrigen Renditen kurz- und langfristiger Anleihen können für den Anleger – neben der angeborenen Unzufriedenheit mit einer geringen Rendite – auch aus anderen Gründen besorgniserregend sein. Falls sich die niedrigen Zinssätze als vorübergehend erweisen und auf bisherige Niveaus ansteigen, könnten die Kurse von langfristigen Anleihen mindestens 25 Prozent ihres Marktwertes verlieren. Ein derartiger Preisverfall entspräche einem Zinsverlust von etwa zehn Jahren. 1934 gingen wir davon aus, dass diese Möglichkeit ernsthaft in Betracht gezogen werden muss, da die zu diesem Zeitpunkt niedrigen Zinssätze ebenso gut das Phänomen einer unterentwickelten Konjunktur sein konnten, vorbehaltlich eines radikalen Anstiegs mit wiederkehrender Handelsaktivität. Doch das Verharren dieser niedrigen Zinssätze über mehrere Jahre, trotz der beträchtlichen Konjunkturausweitung 1936 bis 1937, würde nachhaltig für eine Akzeptanz dieser Situation als bekanntes Ergebnis von Überschussliquidität oder staatlicher Fiskalpolitik oder beidem sprechen. Durch den Ausbruch eines europäischen Krieges 1939 wurde diesem Problem eine neue Unsicherheit hinzugefügt. Der Erste Weltkrieg bewirkte einen starken Anstieg der Zinssätze und einen gleichzeitigen Kursverfall hochwertiger Anleihen. Zwischen den Situationen von 1914 und 1939 gibt es ausreichende Ähnlichkeiten und Unterschiede, die eine einfache Prognose zu riskant machen. Offensichtlich ist die Gefahr eines beträchtlichen Verfalls der Anleihenkurse (vom Niveau Anfang 1940 aus betrachtet) immer noch reell; doch unterliegt eine Nichtanlagepolitik in Erwartung eines derartigen Ereignisses vielen praktischen Einwänden. Die schlüssigste Reaktion auf diese unsichere Situation ist vielleicht eine Vorliebe für Laufzeiten von nicht länger als 15 Jahren ab Kaufdatum. Für den Kleinanleger stellen US-Sparbriefe eine optimale Lösung dieses (und des vorangehenden) Problems dar, da das Recht der Ablösung nach Ermessen des Inhabers gegen einen Kursverfall absichert. Die Einführung dieser Kleinschuldverschreibungen hat, wie wir in einer ausführlicheren Diskussion aufzeigen werden, die Lage der meisten Wertpapierkäufer wahrhaft revolutioniert.

DER WERT DES DOLLAR – Falls der Anleger sicher ist, dass die Kaufkraft des Dollar in der Zukunft erheblich abnimmt, sollte er statt Anleihen ohne Zweifel Stammaktien oder Rohstoffe bevorzugen. Soweit Inflation – im allgemein verwendeten Sinn – eine Rolle spielt, gestaltet sich die Anlagestrategie des typischen Anleihenkäufers verwirrender. Die Argumente für und gegen eine endgültige Inflation sind ungewöhnlich bedeutsam und wir müssen eine Wahl treffen. Der Verlauf des Kursniveaus seit 1933 scheint falsche Inflationsängste zu suggerieren, doch die Vergangenheit ist hinsichtlich der Zukunft nicht zwangsläufig aufschlussreich. Vorsichtigerweise sollte eine ausgeglichene Anlagestrategie erwogen werden, das heißt die Einbeziehung von Stammaktien oder Sachwerten, um Absicherung gegen einen Sturz des Dollar zu bieten. Eine derartige Mischstrategie brächte Probleme eigener Art mit sich und in letzter Instanz muss jeder Anleger selbst entscheiden, welches Alternativrisiko er bevorzugen würde.

SPEKULATIVE ANLEIHEN UND VORZUGSAKTIEN

Die Probleme dieser großen Gruppe von Wertpapieren liegen nicht in der Gruppe selbst, sondern entstehen aus den Gruppen von festverzinslichen Anlagepapieren und Stammaktien, zwischen denen sie liegen. Die umfassenden Grundsätze, die dem Kauf von spekulativen vorrangigen Wertpapieren zugrunde liegen, bleiben aus unserer Sicht unverändert: (1) Das Risiko des Kapitalverlustes kann nicht allein durch eine höhere Rendite ausgeglichen werden, sondern muss mit der angemessenen Aussicht eines Kursanstiegs einhergehen. (2) Generell ist es sinnvoller, diese Emissionen – statt als eine untergeordnete Art vorrangiger Wertpapiere – als Stammaktien zu betrachten, jedoch unter Berücksichtigung ihrer limitierten Ansprüche.

DAS ANLAGEPROBLEM BEI STAMMAKTIEN

Die Spekulation mit Stammaktien, wie der Begriff im Allgemeinen verstanden wird, ist nicht so schwierig zu verstehen, wie praktisch durchzuführen. Der Spekulant riskiert sein Geld allerdings aufgrund seiner Vermutung oder Beurteilung hinsichtlich des allgemeinen Marktes, der Bewegung einer bestimmten Aktie oder möglicherweise der zukünftigen Entwicklung eines Unternehmens. Zweifellos haben sich die Probleme des Spekulanten mit den Jahren verändert, doch neigen wir zu der Ansicht, dass sich die für den Erfolg notwendigen Fähigkeiten beziehungsweise die notwendige Übung sowie die rechnerischen Wahrscheinlichkeiten, die gegen ihn stehen, im Vergleich zu früheren Jahren nicht wesentlich unterscheiden. Doch die Aktienspekulation im eigentlichen Sinn ist nicht Gegenstand dieser Ausgabe.

AKTUELLE PRAXIS – Wir befassen uns mit der Anlage in Stammaktien, die wir vorläufig als Käufe definieren, die auf einer Wertanalyse basieren und durch eindeutige Richtlinien der Kapitalerhaltung überprüft werden. Wenn wir uns zur Bestimmung dieser Richtlinien die aktuelle Praxis ansehen, finden wir wenig, außer der recht unklaren Vorstellung, dass »eine gute Aktie eine gute Anlage darstellt«.

»Gute« Aktien stammen entweder von (1) erstklassigen Unternehmen mit zufriedenstellenden Bilanzen – eine verlässliche Kombination, um in der Zukunft positive Ergebnisse zu erzielen – oder von (2) finanzstarken Unternehmen mit besonders attraktiven Aussichten auf zukünftige Gewinnsteigerungen. (Von Anfang 1940 an können wir Coca-Cola als Beispiel für (1), Abbott Laboratories als Beispiel für (2) und General Electric als Beispiel für beide angeben.)

Doch obwohl das Börsenpublikum sehr eindeutige und anscheinend logische Vorstellungen hinsichtlich der Qualität der als Anlage gekauften Stammaktien hat, sind seine quantitativen Standards – das Verhältnis von Kurs zu bestimmbarem Wert – so unklar, dass sie fast nicht existieren. Bilanzielle Werte scheinen vollkommen außer Acht gelassen zu werden. Durchschnittliche Gewinne haben geringe Bedeutung, sofern es einen Markttrend gibt. Das sogenannte »Kurs-Gewinn-Verhältnis« wird verschiedenartig angewendet, manchmal auf vergangene, gegenwärtige oder zukünftige Daten. Doch kann die Kennzahl selbst kaum als Standard bezeichnet werden, da sie von der Anlagepraxis beherrscht wird – und nicht umgekehrt. Um es anders auszudrücken: Das »richtige« Kurs-Gewinn-Verhältnis ist jenes, das vom Markt bestimmt wird. Es lässt sich kein Beweis dafür finden, dass zu irgendeiner Zeit von 1926 bis heute Anleger von Stammaktien als Gruppe ihre Anteile verkauft haben, weil das Kurs-Gewinn-Verhältnis zu hoch war.

Doch wie die gegenwärtige Praxis von Anlegern in Stammaktien, einschließlich nahezu allen Investmentfonds, in Anbetracht der scheinbaren Abwesenheit von Überwachungsstandards als Anlage bezeichnet werden kann, können wir nicht ergründen. Es wäre wesentlich logischer und hilfreicher, dies als »Spekulation mit Aktien von soliden Unternehmen« zu bezeichnen. Gewiss waren die Ergebnisse solcher »Anlagen« am Aktienmarkt nicht von denen altbekannter Spekulation zu unterscheiden, außer vielleicht bei der Gewinnspanne. Eine auffallende Bestätigung dieser Behauptung, bei Anwendung auf die Jahre nach dem Zusammenbruch von 1929, findet sich beim Vergleich der Kursspanne von General Electric seit 1930 mit der Kursspanne von Stammaktien allgemein. Die aufgeführten Daten zeigen, dass die Stammaktie von General Electric – als wahrscheinlich führende und unzweifelhaft renommierteste Industrieaktie heutzutage – größere Kursschwankungen aufwies als die breite Masse von Stammaktien.

Die Behauptung des Aktienmarktes im Jahr 1937, dass General Electric einen Wert von 1,87 Mrd. Dollar hatte und fast ein Jahr später einen Wert von 784 Mio. Dollar, war geradezu widersinnig. Innerhalb von zwölf Monaten gab es sicherlich kein Ereignis, das mehr als die Hälfte des Wertes dieses mächtigen Unternehmens vernichtet hätte, und es gab nicht den Anschein einer Behauptung der Anleger, dass der Gewinnrückgang von 1937 bis 1938 irgendeine dauerhafte Bedeutung für die Zukunft des Unternehmens hatte. Die Aktie von General Electric notierte bei 64,90 Dollar, weil das Börsenpublikum optimistisch eingestellt war, und bei 27,25 Dollar, weil das gleiche Börsenpublikum Pessimismus hegte. Diese Kurse als »Anlagewert« zu bezeichnen bedeutet entweder, die englische Sprache oder den gesunden Menschenverstand zu verdrehen oder beides.

VIER PROBLEME – Angenommen, der Käufer von Stammaktien würde nach eindeutigen Anlagerichtlinien suchen, nach denen er seine Transaktionen ausrichten kann, dann könnte er seine Aufmerksamkeit auf vier Fragestellungen richten: (1) die zukünftigen Gewinne des Unternehmens, (2) der Qualitätsunterschied zwischen verschiedenen Arten von Unternehmen, (3) der Einfluss von Zinssätzen auf die von ihm geforderten Dividenden oder Erträge und schließlich (4) der Zeitfaktor, durch den seine Käufe im Unterschied zum Kurs bestimmt werden.

DIE ALLGEMEINE ZUKUNFT VON UNTERNEHMENSGEWINNEN – Wenn wir diese Fragestellung im Hinblick auf frühere Erfahrungen untersuchen, ist unsere eindeutige Reaktion wahrscheinlich ein gesunder Zweifel an der Seriosität der Beurteilung des Aktienmarktes bezüglich aller Angelegenheiten in der Zukunft. Die Daten in unserer ersten Tabelle zeigen sehr deutlich, dass der Markt die Attraktivität von industriellen Stammaktien für die Jahre vor 1926 insgesamt unterschätzt hat. Deren Kurse zeigten eine eher vorsichtige Einschätzung vergangener und aktueller Gewinne, ohne Anzeichen, dass ein Aufschlag für Wachstumsmöglichkeiten gezahlt wurde, die erstklassigen Unternehmen einer schnell expandierenden Staatengemeinschaft innewohnen. 1913 machten Wertpapiere von Eisenbahngesellschaften und Beförderungsunternehmen die Mehrheit an festverzinslichen Anlagepapieren und Aktien aus. 1925 war ein Großteil der Investitionen in Straßenbahnen durch die Entwicklung des Automobils gefährdet, doch selbst zu dieser Zeit gab es keine Neigung, eine ähnliche Bedrohung für die Dampfeisenbahnen zu erkennen.

Die weitverbreitete Anerkennung eines zukünftigen Wachstums von Stammaktien behauptete sich als Einfluss auf den Aktienmarkt erst zu einer Zeit, als die dynamischsten Faktoren unserer nationalen Expansion (territoriale Entwicklung und rapider Bevölkerungszuwachs) eigentlich nicht länger wirksam waren und unsere Wirtschaft im Begriff war, schwerwiegenden Problemen von Instabilität entgegenzusehen, die sich aus diesen Dämpfern des Wachstums ergaben. Die Überbewertungen der Neuzeitjahre erstreckten sich auf nahezu jedes Wertpapier und selbst solche mit nur kurzzeitig steigenden Gewinnen galten als Kaufempfehlung, wobei öffentliche Versorgungsunternehmen und Handelsketten besonders favorisiert wurden. Selbst zum Ende des Jahres 1931 zeigten die für diese Wertpapiere gezahlten hohen Preise nicht die innewohnenden Beschränkungen dieser Aktien, so wie der Markt fünf Jahre später nicht in der Lage war, die kritischen Veränderungen der Positionen von Eisenbahnanleihen und -aktien wahrzunehmen.

QUALITÄTSUNTERSCHIEDE – Der Aktienmarkt von 1940 hat seine klar definierten Eigenschaften, die hauptsächlich auf der Erfahrung der jüngeren Vergangenheit und den eher scheinbaren Zukunftsaussichten begründet sind. Die Tendenz, größere und finanzstärkere Unternehmen zu bevorzugen, ist vielleicht deutlicher denn je. Dies wird durch den Höchststand von 1929 unterstützt, der aus unserer Sicht sowohl auf einen besseren Widerstand gegen eine Depression als auch auf eine vollständigere Erholung der Ertragskraft von erstklassigen Unternehmen hinweist. Ebenso gibt es eine gewöhnliche Vorliebe für bestimmte Branchen, einschließlich kleinerer Unternehmen. Am bedeutendsten sind Aktien von Chemie- und Luftfahrtunternehmen, Erstere aufgrund ihres in der Tat bemerkenswerten Wachstums durch Forschung, Letztere aufgrund des hohen Zugangs an Rüstungsaufträgen. Doch diese Vorlieben des gegenwärtigen Aktienmarktes, obwohl sie leicht nachzuvollziehen sind, lassen bei Skeptikern einige Fragen aufkommen. Als Erstes muss der außergewöhnliche Unterschied zwischen den Kursen von beliebten und weniger bekannten Wertpapieren beachtet werden. Falls die durchschnittlichen Gewinne der Jahre 1934 bis 1939 als Kriterium herangezogen werden, scheinen die »guten Aktien« etwa zum Zwei- bis Dreifachen der anderen Aktien zu notieren. Hinsichtlich der Vermögenswerte ist der Unterschied weitaus größer, da die bekannten Wertpapiere offensichtlich eine wesentlich höhere Kapitalrendite hatten. Die Übergehung von Vermögenswerten hat eine Stufe erreicht, wo selbst das Umlaufvermögen wenig beachtet wird, sodass der Marktwert eines halbwegs erfolgreichen Unternehmens wahrscheinlich deutlich unter seinem Liquidationswert liegt, falls es ein hohes Nettoumlaufvermögen besitzt.

Das Verhältnis von »guten Aktien« und sonstigen Aktien muss im Hinblick darauf gesehen werden, was von der amerikanischen Konjunktur allgemein erwartet wird. Jede Prognose hierzu wäre äußerst leichtsinnig, doch es ist angebracht, darauf hinzuweisen, dass der Verlauf der letzten fünfzehn Jahre an sich keine Basis für die Erwartung einer langfristigen Aufwärtsbewegung von Umsätzen und Gewinnen liefert. Wenn wir die Zukunft anhand der Vergangenheit beurteilen, müssen wir eine vollständige Wandlung des scheinbaren Ausblicks von 1940 im Vergleich zu 1924 erkennen. 1924 wurden eine stetige Erhöhung der Produktion und ein konstanter Anstieg des als »normal« erachteten Wertes als selbstverständlich angesehen. Doch, soweit zur Zeit ersichtlich, muss der Durchschnitt der Industrieproduktion für die Jahre 1923 bis 1925, der im Index des Federal Reserve Board früher mit 100 gesetzt wurde1, weiterhin als Normalwert angesehen werden, sofern wir eine Prognose erstellen können.

Natürlich wird der Anleger nicht die Möglichkeit eines abermaligen dauerhaften Anstiegs bestreiten, doch wichtig für ihn ist, dass er sich darauf nicht verlassen kann.

Falls dies die Arbeitshypothese des gegenwärtigen Aktienmarktes darstellt, folgt daraus, dass Aktienkäufer allgemein ein weiteres Wachstum der Gewinne von großen Unternehmen auf Kosten kleinerer Unternehmen und von vorteilhaften Branchen auf Kosten aller anderen erwarten. Eine derartige Erwartung scheint die theoretische Basis für die hohen Kurse der einen Gruppe und die niedrigen Kurse der anderen darzustellen. Dass Aktien mit guten vergangenen Entwicklungen und günstigen Aussichten mehr wert sind als andere, versteht sich von selbst. Doch ist es nicht möglich, dass die Wall Street ihre Vorlieben, in diesem wie in vielen anderen Fällen, zu weit getrieben hat? Kann nicht das typische große und erfolgreiche Unternehmen einer zweifachen Beschränkung unterliegen: (1) dass seine bloße Größe ein weiteres eindrucksvolles Wachstum ausschließt; (2) dass seine hohe Kapitalrendite das Unternehmen anfällig für Angriffe von Wettbewerbern bzw. Regulierungsbehörden macht?

Vielleicht sind kleinere Unternehmen und weniger gefragte Branchen als Gruppe auch eindeutig unterbewertet, sowohl absolut als auch im Verhältnis zu den bevorzugten Wertpapieren. Theoretisch kann dies sicherlich zutreffen, da auf einem bestimmten Kursniveau die guten Aktien zu hoch und die anderen zu niedrig notieren. Doch gibt es überzeugende, wenn nicht beweiskräftige Gründe, zu behaupten, dass dieses Niveau 1940 bereits erreicht worden sein könnte. Die beiden möglichen Schwachpunkte der »guten Aktien« gehen mit entsprechenden günstigen Möglichkeiten anderer Aktien einher. Die zahlreichen unter ihrem Umlaufvermögenswert notierenden Wertpapiere sind selbst in normalen Märkten ein überzeugendes Anzeichen, dass die Wall Street ihre Vorlieben übertrieben hat. Und schließlich müssen wir bei Weiterführung unserer Analyse erkennen, dass die Börsennotierungen kleiner Unternehmen Hunderttausende landesweiter privater Unternehmen jeder Größe repräsentieren. Allem Anschein nach prognostiziert die Wall Street den kontinuierlichen Rückgang aller Unternehmen außer sehr großen, die sich überaus gut entwickeln sollen. Aus unserer Sicht scheint eine solche Entwicklung weder wirtschaftlich wahrscheinlich noch politisch möglich.

Ähnliche Zweifel können hinsichtlich der Gewichtung vorgebracht werden, die der Aktienmarkt auf bestimmte bevorzugte Branchen legt. Eine derartige Vorgehensweise muss aufgrund ihres Charakters immer übertrieben werden, denn die enthusiastischen Neigungen des Börsenpublikums sind quantitativ nicht überprüfbar. Der Markt hat nicht nur seinen Optimismus übersteigert, sondern auch ein überraschendes Talent bei der Favorisierung von Branchen gezeigt, die sich bald danach ungünstigen Entwicklungen ausgesetzt sahen. (Als Beispiel hierfür stehen die Aktien von Backwarenunternehmen 1925, die Wertpapiere von Funk- und Kältetechnik 1927, die öffentlichen Versorgungsunternehmen und Handelsketten 1928 bis 1929 und Spirituosenemissionen 1933). Es ist interessant, die Kaufbegierde der »Anleger« in Bezug auf Abbott Laboratories im Jahr 1939 mit ihrer verhältnismäßigen Gleichgültigkeit gegenüber American Home Products zu vergleichen – das Erstere ein Pharmaunternehmen mit angeblich hervorragenden, das Letztere mit mittelmäßigen Aussichten. Diese Unterscheidung kann sich als gründlich und scharfsinnig herausstellen. Doch der Leser, der sich an den nicht so entfernten Enthusiasmus des Marktes für American Home Products und deren Partnergesellschaften (insbesondere Lambert) im Jahr 1927 erinnert, kann vom Ergebnis kaum überzeugt sein.2

ZINSSÄTZE – Bei Betrachtung des dritten bedeutsamen Punktes, das heißt dem Verhältnis von Zinssätzen und Stammaktienkursen, wird deutlich, dass bei einem Andauern der momentanen niedrigen Anleihenrenditen die durchschnittlichen Aktienrenditen entsprechend fallen müssen und die erwartete Ertragskraft je Dollar ansteigen muss (im Vergleich zur Situation 1923 bis 1925). Die großzügigere Bewertung der Gewinne in den Jahren 1936 bis 1938 scheint, wie die Daten des Dow Jones Industrial Average Index auf Seite 14 zeigen, somit durch eine Veränderung des langfristigen Zinssatzes gerechtfertigt zu sein. Die beunruhigende Frage ist daher, ob der Rückgang der Zinssätze nicht eng mit dem Ende der Expansion der Wirtschaft und mit einem Absinken der durchschnittlichen Kapitalrentabilität verbunden ist. Falls dies zutrifft, können die negativ auf die Aktienwerte wirkenden Faktoren allgemein den positiven Einfluss von niedrigen Zinsen übertreffen. In diesem Fall könnte die Ertragskraft je Dollar 1936 bis 1938 nicht wirklich höher gewesen sein als anderthalb Dekaden zuvor.

DIE WAHL DES RICHTIGEN ZEITPUNKTES – In den letzten Jahren hat die Wahl des richtigen Kauf- und Verkaufszeitpunktes, im Unterschied zum richtigen Kurs, an Bedeutung gewonnen. Da Wertpapierkurse früher gewöhnlich keinen starken Schwankungen unterlagen, war der Zeitpunkt des Kaufs nicht von besonderer Bedeutung. Zwischen 1924 und 1929 entwickelte sich eine bequeme, jedoch irreführende Zuversicht in das unbegrenzte zukünftige Wachstum solider Aktien, sodass jeder Fehler bei der Wahl des richtigen Zeitpunktes durch eine Erholung des Marktes auf ein höheres Niveau korrigiert werden musste. In der letzten Dekade gab es – mit Ausnahme von wenigen Wertpapieren – weitreichende Schwankungen ohne einen langfristigen Aufwärtstrend. Unter diesen Umständen ist es nicht verwunderlich, dass eine erfolgreiche Kapitalanlage, ähnlich einer erfolgreichen Spekulation, unausweichlich an die Wahl des richtigen Kauf- und Verkaufszeitpunktes gebunden ist. Wir stellen daher fest, dass eine Prognose der hauptsächlichen Marktzyklen nunmehr ein integraler Bestandteil der Anlagekunst bei Stammaktien zu sein scheint.

Die Aussagekraft von Aktienmarktprognosen ist Gegenstand ausgiebiger Recherchen und möglicherweise energischer Auseinandersetzungen. An dieser Stelle müssen wir uns mit einer abgekürzten Beurteilung zufriedengeben, die vielleicht unsere eigenen Vorurteile zusammen mit unseren Untersuchungen widerspiegelt. Wir sind der Ansicht, dass ein richtiger Zeitpunkt nicht durchgängig erfolgreich bestimmt werden kann, sofern nicht der Kaufzeitpunkt mit einem – nach analytischen Standards gemessenem – attraktiven Preisniveau zusammenfällt. In ähnlicher Weise muss sich der Anleger danach richten, nicht hauptsächlich aufgrund technischer Marktsignale zu verkaufen, sondern aufgrund eines Anstiegs des Kursniveaus über einen durch objektive Bewertungsstandards gerechtfertigten Punkt hinaus. Es kann sein, dass es im Rahmen dieser Höchstgrenzen verfeinerte Techniken gibt, die ein besseres Timing und zufriedenstellendere Gesamtergebnisse liefern. Dennoch können wir uns nicht dem Schluss entziehen, dass der am meisten akzeptierte Grundsatz der Wahl des richtigen Zeitpunktes, das heißt, Käufe erst nach eindeutiger Ankündigung eines Aufschwungs vorzunehmen, im Grunde genommen dem wesentlichen Charakter einer Kapitalanlage widerspricht. Traditionsgemäß besaß der Anleger die Geduld und den Mut seiner Überzeugung und kaufte, wenn der gestresste oder entmutigte Spekulant verkaufte. Doch inwiefern unterscheidet sich der Anleger, der abwartet, bis er durch den Markt ermutigt wird, von einem Spekulanten und verdient somit ein besseres Schicksal als dieser?

FAZIT – Unsere Suche nach eindeutigen Anlagerichtlinien für den Käufer von Stammaktien hat mehr Warnungen als konkrete Ratschläge hervorgebracht. Wir sind zu dem alten Prinzip geführt worden, dass der Anleger ein Konjunkturtief und ein niedriges Marktniveau abwarten sollte, um repräsentative Stammaktien zu kaufen. Zu anderen Zeiten kann er nur zu Kursen kaufen, die er später bereut. Dagegen sollten die unzähligen sogenannten zweitklassigen Unternehmen unter allen Umständen zumindest einige wirkliche Anlagemöglichkeiten bieten – außer auf dem Höhepunkt einer Hausse. Dieses breite, doch recht unbeliebte Gebiet stellt vielleicht eine bessere Herausforderung für die Interessen eines echten Anlegers und die Begabungen des Wertpapieranalysten dar.

TEIL I

ÜBERBLICK UND EINFÜHRUNG

KAPITEL 1

ANWENDUNGSBEREICH UND GRENZEN DER WERTPAPIERANALYSE: DAS KONZEPT DES INNEREN WERTES

Eine Analyse verlangt das gewissenhafte Studium aller verfügbaren Fakten mit dem Anspruch, aus diesen und auf Grundlage akzeptierter Prinzipien und schlüssiger Logik Rückschlüsse ableiten zu können. Das ist eine wissenschaftliche Methode. Die Analyse von Wertpapieren aber wird dadurch behindert, dass Investitionen von Natur aus keine exakte Wissenschaft darstellen. Das Gleiche gilt für die Jurisprudenz und die Medizin, auch bei diesen spielen sowohl individuelle Fähigkeiten (Kunstfertigkeit) als auch der Zufall eine wichtige Rolle bei der Entscheidung über Erfolg oder Misserfolg. Nichtsdestoweniger ist in diesen Berufsfeldern Analytik nicht nur hilfreich, sondern auch unersetzlich, sodass dies auch in Bezug auf Investitionen und möglicherweise ebenfalls in Bezug auf Spekulation angenommen werden dürfte.

Während der letzten drei Dekaden hat das Ansehen von Wertpapieranalysten an der Wall Street beide Extreme erlebt, zunächst einen brillanten Aufstieg und dann einen unbeschreiblichen Fall – gekoppelt mit der Veränderung der Aktienkurse, jedoch keineswegs parallel zu dieser. Der Aufstieg der Wertpapieranalyse währte ohne Unterbrechung bis 1927 und kennzeichnet damit eine lange Periode, während der ein allseitig anwachsendes Interesse an Finanzberichten und statistischen Daten festzustellen war. Aber die mit dem Jahr 1927 einsetzende »New Era« kam einer Loslösung von analytischen Ansätzen gleich; und weil dem Anschein nach weiterhin Wert auf Zahlen und Fakten gelegt werden sollte, wurden diese von Pseudoanalysten manipuliert, um für den Selbstbetrug dieser Zeit eine Lanze zu brechen. Der Marktzusammenbruch im Oktober 1929 war zwar für jene Analysten, die einen kühlen Kopf bewahrt hatten, keine Überraschung, aber der im Fortgang der Krise um sich greifende Einbruch der Ertragskraft selbst lang bewährter Unternehmen machte ihre Berechnungen sinnlos. Im Ergebnis gerieten seriöse Analysten doppelt in Verruf: zunächst – vor dem Kollaps – wegen ihres Widerstands gegen imaginäre Werte und dann – nach dem Kollaps – wegen der verschwundenen realen Werte.

Die Erfahrungen aus der Zeit zwischen 1927 bis 1933 tragen einen dermaßen außergewöhnlichen Charakter, dass sie nur schwerlich die geeignete Grundlage für eine Bewertung des Nutzens einer Wertpapieranalyse darstellen können. Für die Zeit ab 1933 kann man vielleicht zu einer anderen Einschätzung gelangen. In Bezug auf Anleihen und Vorzugsaktien wird hier die Auffassung vertreten, dass geeignete Prinzipien bei der Auswahl und Ablehnung von Wertpapieren ihren Nutzen hinreichend unter Beweis gestellt haben. Bei Stammaktien scheinen partielle Marktbesonderheiten den konservativen Standpunkt unterlaufen zu haben, im Gegenzug zeigten viele aus analytischen Gesichtspunkten zunächst billige Papiere eine eindrucksvolle Entwicklung. Auf der anderen Seite lieferte der analytische Ansatz Anlass, das allgemeine Aktienkursniveau Anfang 1937 als zu hoch und ein Jahr darauf als zu niedrig einzuschätzen.

BESCHREIBENDE FUNKTION EINER ANALYSE

Die mit einer Wertpapieranalyse verfolgten Funktionen können mit den drei Überschriften »beschreibend«, »selektiv« und »kritisch« umschrieben werden. Die intuitivste, die beschreibende Form, beinhaltet die Zusammenfassung der wichtigsten Fakten eines Wertpapiers sowie ihre sinnvolle und übersichtliche Darstellung. Diese Funktion wird zumindest für alle marktgängigen Unternehmenspapiere durch die verschiedenen Publizitätsverpflichtungen und durch Standard Statistics and Fitch Services u. a. adäquat gewährleistet. Ein weitergehender Ansatz besteht darin, die spezifischen Stärken und Schwachstellen eines Wertpapiers zu bestimmen und diese mit denen von Unternehmen zu vergleichen, die einen ähnlichen Charakter haben, und anschließend zu entscheiden, welche Faktoren für die zukünftige Entwicklung maßgeblich sein werden. Derartige Analysen können für nahezu alle Unternehmenspapiere vorgenommen werden und ihre Anwendung sollte sich nicht nur in Bezug auf Investitionsentscheidungen, sondern auch in Bezug auf intelligente Spekulationen als hilfreich erweisen, da sie eine strukturierte qualitative Basis für Bewertungen bieten.

DIE SELEKTIVE FUNKTION EINER WERTPAPIERANALYSE

In ihrer selektiven Funktion geht die Wertpapieranalyse weiter und liefert bereits im Ergebnis selbst eine bestimmte Handlungsempfehlung. Dabei wird das Ziel verfolgt, zu klären, ob ein Wertpapier gekauft, verkauft, gehalten oder gegen ein anderes ausgetauscht werden sollte. Zunächst ist jedoch noch unklar, für welche Arten von Wertpapieren und welche Entscheidungssituationen sich diese positive Analysefunktion besonders eignet. Es bietet sich an, mit einer Reihe von Beispielen für analytische Bewertungen zu beginnen, um darauf aufbauend später einen allgemeinen Ansatz zu entwickeln.

BEISPIELE FÜR ANALYTISCHE BEWERTUNGEN – Im Jahr 1928 wurden von St. Louis-San Francisco Railway Company 6-prozentige nicht kumulative Vorzugsaktien mit großem Volumen aufgelegt und an die Öffentlichkeit zu einem Preis von 100 verkauft. Aus den Unternehmensdaten war ersichtlich, dass dieses Unternehmen während seiner ganzen Geschichte nicht in einem Jahr mehr als das Eineinhalbfache seiner festen Verbindlichkeiten zuzüglich der Vorzugsdividenden erwirtschaftet hatte. In Anbetracht dieser Fakten folgte denn auch aus der Anwendung allgemein anerkannter Standards bei der Auswahl von Wertpapieren, dass dieses Wertpapier als ungenügend abgesichert einzustufen war und daher für einen Kauf nicht infrage hätte kommen dürfen.

Ein Gegenbeispiel: Im Juni 1932 wurden 5-Prozent-Anleihen von Owens-Illinois Glass Company, fällig 1939, zu einem Kurs von 70 gehandelt, die so eine jährliche Rendite von 11 Prozent bis zur Fälligkeit in Aussicht stellten. Die Unternehmenserträge überstiegen die Zinsverpflichtungen um ein Vielfaches – und dies nicht nur im Durchschnitt der zurückliegenden Jahre, sondern auch in den schweren Depressionsjahren. Die in der Anleihe verbrieften Schulden waren zudem hinreichend durch Vermögenswerte des Unternehmens gedeckt und nachrangig zu den Anleihen waren noch Vorzugs- und Stammaktien mit einem sehr hohen aggregierten Marktwert im Umlauf – selbst wenn man für diese Berechnung das jeweilige Kurstief veranschlagt hatte. Aus der Analyse für dieses Wertpapier folgte wegen der überzeugenden Absicherung und des attraktiven Preises eine deutliche Kaufempfehlung.

Nun zu einem Beispiel aus dem Bereich der Stammaktien. Im Jahr 1922, vor dem Boom für Wertpapiere aus der Luftfahrtindustrie, wurden Aktien von Wright Aeronautical Corporation an der New York Stock Exchange für nur 8 Dollar gehandelt, obwohl sie eine Dividende von einem US-Dollar ausschüttete, eine Zeit lang mehr als 2 Dollar pro Aktie Gewinn erwirtschaftete und in der Bilanz ein Finanzvermögen ausgewiesen war, das pro Aktie 8 Dollar überstieg. In diesem Fall wäre man bei einer Analyse zu dem Ergebnis gelangt, dass der innere Wert der Aktie substanziell über ihrem Marktpreis lag.

Dasselbe Wertpapier hatte im Jahr 1928 mit 280 Dollar pro Aktie sein Kurshoch erreicht. Die Unternehmenserträge betrugen zu diesem Zeitpunkt 8 Dollar pro Aktie, im Vergleich dazu 3,77 Dollar im Jahr 1927. Es wurde eine Dividende von 2 Dollar pro Aktie ausgeschüttet und jeder Aktie standen Nettovermögenswerte von weniger als 50 Dollar gegenüber. Eine Analyse hätte zu dem Ergebnis geführt, dass der Aktienkurs zum größten Teil auf Grundlage einer Kapitalisierung zukünftiger und unsicherer Gewinnaussichten gebildet wurde – mit anderen Worten, dass der innere Wert weit niedriger zu vermuten war als der Marktpreis.

Eine dritte Variante von Analyseergebnissen kann anhand des Vergleichs von Interbo-rough Rapid Transit Company First and Refunding 5s mit den Collateral 7 % Notes desselben Unternehmens veranschaulicht werden, als beide Papiere im Jahr 1933 zum gleichen Preis (62) notierten. Die 7-Prozent-Schuldverschreibungen verbrieften offensichtlich einen höheren Wert als die 5s. Je Stückelung der Schuldverschreibung von 1000 Dollar waren zur Absicherung 5s-Papiere mit einem Nominalwert von 1736 Dollar hinterlegt; die Tilgung der Schuldverschreibungen wurde fällig; dafür war entweder die vollständige Rückzahlung des Nennwertes oder der Verkauf der hinterlegten Sicherheiten vorgesehen. Die jährlichen auf die Sicherheiten entfallenden Einzahlungen betrugen für jede 7– Prozent-Schuldverschreibung ungefähr 87 Dollar (dieser Betrag wurde auch tatsächlich an die Inhaber ausgezahlt), sodass der jährlich erzielte Einkommensstrom für die 7s hinreichend größer als der für die 5s zu bezeichnen war. Welche technischen Schwierigkeiten auch immer angenommen würden, welche die Inhaber von solchen Schuldverschreibungen dabei behindern, ihre vertraglichen Rechte vollständig und unverzüglich durchzusetzen, es bleibt nur schwer vorstellbar, dass die 7s nicht einen hinreichend größeren inneren Wert verbrieften als die 5s.

Ein aktuellerer Vergleich desselben allgemeinen Typs könnte zwischen Paramount Pictures First Convertible Preferred mit einem Kurs von 113 im Oktober 1936 und den Stammaktien dieses Unternehmens angestellt werden, die zu 15,825 gehandelt wurden. Die Vorzugsaktien waren mit einem Wandlungsrecht in Stammaktien ausgestattet, wobei das Wandlungsverhältnis sieben Stämme pro Vorzug betrug, und mittlerweile waren Dividenden in Höhe von 11 Dollar pro Vorzug aufgelaufen. Offensichtlich waren die Vorzüge günstiger als die Stämme, da auf sie zunächst substanzielle Dividenden ausgeschüttet werden mussten, bevor überhaupt etwas an Stammaktien hätte ausgeschüttet werden können und Inhaber von Vorzugsaktien durch ihre Wandlungsoption an jeder Wertsteigerung der Stammaktien partizipieren konnten. Einem Stammaktionär, der diese Analyse akzeptiert und seine Anzahl Stammaktien für ein Siebtel Vorzugsaktien getauscht hätte, wären dadurch bald große Gewinne sowohl in Bezug auf die bezogenen Dividenden als auch in Bezug auf Kurssteigerungen seiner Papiere zuteil geworden.3

INNERER WERT VERSUS PREIS – Aus den vorangestellten Beispielen sollte klar hervorgehen, dass die Leistung von Wertpapieranalysten nicht ohne konkrete Ergebnisse mit praktischem Nutzwert ist und die Anwendungsmöglichkeiten breit gestreut sind. Im Erkenntnisinteresse steht dabei immer der innere Wert eines Wertpapiers, genauer die Aufdeckung möglicher Unterschiede zwischen innerem Wert und Marktwert. Dabei muss allerdings beachtet werden, dass mit dem inneren Wert auf ein schwer fassbares Konzept zurückgegriffen wird. Im Allgemeinen wird unter dem inneren derjenige Wert verstanden, der durch Fakten gerechtfertigt ist, nämlich durch Vermögenswerte, Ertragslage, Dividenden, bestimmte Zukunftsaussichten, und der sich von der Marktbewertung unterscheidet, wenn er künstlich hochgerechnet wird oder durch psychologische Auswüchse vermindert ist. Ein großer Fehler aber bestünde darin, davon auszugehen, dass innere Werte mit der gleichen Eindeutigkeit bestimmbar wären wie Marktwerte. Vor einiger Zeit noch wurden innere Werte (im Fall von Stammaktien) mit »Buchwerten« gleichgesetzt, entsprachen also dem Nettovermögen eines Unternehmens; ehrlich bewertet. Bei dieser Auffassung erreichte man schon eine ziemlich hohe Bestimmtheit, bei Anwendung erwies sie sich jedoch als praktisch nutzlos, weil weder die durchschnittlichen Erträge noch der durchschnittliche Marktwert einen systematischen Zusammenhang mit Buchwerten aufwiesen.

INNERER WERT UND »ERTRAGSKRAFT« – Diese Auffassung des inneren Wertes entstammt einem jüngeren Ansatz, nämlich dass der innere Wert eines Unternehmens von seiner »Ertragskraft« determiniert wird. Aber die Bezeichnung »Ertragskraft« impliziert eine gewisse Sicherheit bei der Erwartungsbildung hinsichtlich erst zukünftig eintretender Ereignisse. Es reicht nicht aus, zu wissen, welcher durchschnittliche Ertrag in der Vergangenheit erzielt werden konnte, auch nicht, welchen positiven oder negativen Trend die Erträge während dieser Zeit beschrieben. Es bedarf unbedingt schlüssiger Argumente dafür, dass der jeweilige Durchschnitt oder Trend als verlässliche Grundlage für die Abschätzung zukünftiger Ereignisse verwendet werden darf. Die Erfahrung hat unmissverständlich aufgezeigt, dass dies keineswegs immer vorausgesetzt werden darf. Damit ist gemeint, dass aus der Verwendung des Konzepts der »Ertragskraft«, ausgedrückt durch eine eindeutig bestimmbare Zahl, für den inneren Wert nicht auch der Anspruch auf ein gleichwertiges Bestimmtheitsmaß des Letzteren abgeleitet werden kann und dieses Konzept mithin nicht die nötige Treffsicherheit bietet, die von einem allgemeinen Standard der Wertpapieranalyse verlangt werden muss.

Beispiel: Um diese Schlussfolgerung klarer herauszuarbeiten, soll folgendes konkretes und typisches Beispiel herangezogen werden. Welcher innere Wert wäre Stammaktien der J. I. Case Company zugeordnet worden, hätte man sie zum Beispiel Anfang 1933 analysiert? Ihr Marktwert betrug 30 Dollar; es standen Vermögenswerte von 176 Dollar pro Aktie in den Büchern; Dividendenausschüttungen fanden nicht statt; im Durchschnitt wurden in den zurückliegenden zehn Jahren Erträge von 9,50 Dollar pro Aktie erzielt; im Rechnungslegungsjahr 1932 wurde ein Fehlbetrag von 17 Dollar pro Aktie ausgewiesen. Ein gebräuchlicher Bewertungsansatz würde den Zehnjahresdurchschnitt des Ertrags pro Aktie verwenden und nach Multiplikation mit zehn einen inneren Wert von 95 Dollar pro Aktie ausweisen. An dieser Stelle lohnt ein prüfender Blick auf die einzelnen Jahreswerte, die dem verwendeten Durchschnitt zugrunde liegen. Sie sind in der folgenden Tabelle abgebildet. Der Durchschnitt von 95 Dollar ist offensichtlich nicht mehr als das Ergebnis einer arithmetischen Prozedur, durchgeführt mit zehn nicht zusammenhängenden Zahlen. Schwerlich könnte man behaupten, dass dieser Durchschnitt in irgendeiner sinnvollen Weise repräsentativ sein könnte, weder für die typische Lage in der Vergangenheit noch für das, was man in der Zukunft erwartet. Daher ist bei jeder Zahl, die als »realer« oder innerer Wert aus einem solchen Durchschnitt abgeleitet wurde, eben die gleiche Anfälligkeit und Künstlichkeit ihres Charakters zu berücksichtigen.4

1932

-17,40

1931

-2,90

1930

11,00

1929

20,40

1928

26,90

1927

26,00

1926

23,30

1925

15,30

1924

-5,90

1923

-2,10

Durchschnitt

9,50

Aktienrendite für I. J. Case Stammaktie (in Dollar)

DIE BEDEUTUNG DES INNEREN WERTES BEI DER ARBEIT VON ANALYSTEN – Hier soll der Versuch unternommen werden, die Bedeutung des inneren Wertes bei der Arbeit von Analysten in einer Weise zu formulieren, welche die eher widersprüchlich anmutenden Implikationen aus den verschiedenen Beispielen miteinander in Einklang bringen soll. Der springende Punkt liegt darin, dass Analysten keineswegs den Anspruch verfolgen, den exakten inneren Wert eines Wertpapiers berechnen zu wollen. Es ist völlig ausreichend, zu bestimmen, ob der Wert adäquat ist – also hinreichend Schutz für eine Anleihe bietet oder einen Aktienkauf rechtfertigt – oder ob er bemerkenswert niedriger respektive höher als der gegenwärtige Marktwert ist. Hierfür könnte eine unbestimmte und näherungsweise Messung des inneren Wertes hinreichend sein. Um einen einfachen Vergleich zu nehmen: Es ist durchaus möglich, zu entscheiden, ob eine Frau wahlberechtigt ist, ohne ihr exaktes Alter zu kennen, oder ob ein Mann mehr wiegt, als er sollte, ohne sein tatsächliches Gewicht zu kennen.

Diese Aussage soll durch eine kurze Rückkehr zu den Beispielen verdeutlicht werden. Die Ablehnung der Vorzugsaktien der St. Louis-San Francisco bedurfte nicht einer exakten Berechnung des inneren Wertes dieser Eisenbahngesellschaft. Es reichte aus, sehr einfach aus den Ertragszahlen zu zeigen, dass der nach Zusammenfassung der Ansprüche von Anleihengläubigern und Vorzugsaktionären verbleibende Spielraum wertmäßig zu gering war, um hinreichende Sicherheit annehmen zu dürfen. Genau das Gegenteil trifft auf Owens Illinois Glass 5s zu. Auch in diesem Fall wäre es zweifelsfrei schwer gewesen, zu einer fairen Bewertung des Unternehmens zu gelangen; dagegen war es ziemlich einfach, zu entscheiden, dass der betreffende Wert unter allen Umständen weit über dem der Unternehmensschulden liegen würde.

Beim Beispiel Wright Aeronautical sprachen die Fakten bei der früheren Betrachtung dafür, dass das Eigenkapital des Unternehmens substanziell mehr wert war als 8 Dollar pro Aktie oder 1.800.000 Dollar. Im späteren Jahr war das ebenso schlüssige Ergebnis, dass das Unternehmen keine vernünftige Grundlage dafür bot, 280 Dollar pro Aktie oder 70.000.000 Dollar für das gesamte Eigenkapital zu zahlen. Schwierig wäre es dagegen gewesen, im Jahr 1922 zu entscheiden, ob der wahre Wert einer Aktie 20 Dollar oder 40 Dollar beträgt – beziehungsweise 50 Dollar oder 80 Dollar im Jahr 1929. Glücklicherweise war die Beantwortung dieser Fragen irrelevant dafür, den Preis von 8 Dollar als attraktiv und den Preis von 280 Dollar als unattraktiv einzuordnen.

Das Beispiel J. I. Case illustriert die wohl weit typischere Ausgangssituation bei der Bewertung von Stammaktien, in der Analysten zu keiner verlässlichen Einschätzung des Verhältnisses von innerem Wert und Marktwert gelangen können. Aber auch hier gilt: Wäre der Marktpreis hoch oder niedrig genug gewesen, hätte eine Schlussfolgerung abgeleitet werden können. Um in diesem Fall die vorliegende Unsicherheit zu unterstreichen, könnte man auch davon sprechen, dass es Anfang 1933 schwer zu entscheiden war, ob der innere Wert näher an 30 Dollar oder 130 Dollar lag. Sobald die Aktien aber zu einem Preis von 10 Dollar gehandelt worden wären, hätten Analysten zweifelsfrei erklärt, dass das Unternehmen mehr wert sei als sein Marktwert.

FLEXIBILITÄT DES KONZEPTS VOM INNEREN WERT – Es sollte aufgezeigt werden, wie flexibel das Konzept vom inneren Wert bei der Anwendung in der Wertpapieranalyse ist. Abhängig vom Einzelfall wird die Bestimmtheit dessen, was hier unter innerem Wert verstanden wird, einmal größer und einmal kleiner sein. Der Grad der Unbestimmtheit kann durch eine sehr hypothetische »Bandbreite möglicher Werte« ausgedrückt werden, die bei steigender Unsicherheit zunimmt, nämlich 20 Dollar bis 40 Dollar für Wright Aeronautical im Jahr 1922 gegenüber 30 Dollar bis 130 Dollar für Case im Jahr 1933. Daraus folgt, dass selbst eine äußerst unscharfe Angabe des inneren Wertes das Ziehen von Schlussfolgerungen erlaubt, nämlich dann, wenn der Marktpreis weit niedriger als die untere Grenze oder weit höher als die obere Grenze notiert.

GRÖSSERE BESTIMMTHEIT IN SPEZIALFÄLLEN – Das Beispiel Interborough Rapid Transit erlaubt wie keines der anderen Beispiele eine Präzisierung der Schlussfolgerungen. Hier liefert ein gegebener Marktpreis für die 5-Prozent-Anleihen eine Bewertung für die 7-Prozent-Schuldverschreibungen von äußerst hoher Bestimmtheit. Wenn mit Sicherheit davon ausgegangen werden kann, dass die als Sicherheiten hinterlegten Wertpapiere für die Inhaber der Schuldverschreibung erworben wurden und an sie ausgeschüttet werden, ergibt sich daraus ein zwingender mathematischer Zusammenhang – nämlich 1736 Dollar als Wert für die 7s und 1000 Dollar für die 5s –, der sich vielleicht am Markt durchsetzen würde. Wegen quasipolitischer Komplikationen kann diese normale Prozedur jedoch nicht als selbstverständlich vorausgesetzt werden. Aus praktischen Gesichtspunkten ist es daher nicht zulässig, zu behaupten, die 7s wären tatsächlich 74 Prozent mehr wert als die 5s. Zulässig dagegen ist die Schlussfolgerung, dass die 7s erheblich mehr wert seien – was schon eine sehr nützliche Erkenntnis bedeutet, wenn beide Papiere zum gleichen Preis gehandelt werden.

Die Interborough-Papiere geben ein Beispiel für den eher seltenen Spezialfall ab, dass aus der Analyse des inneren Wertes Schlussfolgerungen mit einem vergleichsweise höheren Bestimmtheitsgrad gezogen werden können, als eine gewöhnliche Ausgangssituation dies zuließe. Solche Spezialfälle können zur Liquidation führen oder technische Maß-nahmen, bekannt als »Arbitrage« oder »Hedging«, auslösen. Wenn auch rein theoretisch betrachtet solche Spezialfälle den aussichtsreichsten Bereich der Arbeit von Analysten darstellen, lässt die Tatsache, dass sie einen sehr speziellen Charakter tragen und unregelmäßig vorkommen, sie aus einem allgemeinen Fokus auf die Investitionstheorie und -praxis jedoch relativ unwichtig erscheinen.

GRUNDSÄTZLICHE HINDERNISSE FÜR DEN ERFOLG VON ANALYSTEN – Inadäquate oder unkorrekte Ausgangsdaten: Es ist unnötig, zu betonen, dass Analysten nicht immer richtigliegen können. Darüber hinaus kann eine Schlussfolgerung logisch einwandfrei hergeleitet, aber schlecht praktisch umgesetzt sein. Die größten Hindernisse bei der Arbeit von Analysten lassen sich auf folgende drei Kategorien zurückführen: (1) inadäquate oder unkorrekte Ausgangsdaten, (2) die Unsicherheit über zukünftige Ereignisse und (3) irrationales Verhalten der Marktteilnehmer. Das erste dieser Hindernisse, obwohl folgenreich, ist das mit der geringsten Bedeutung der drei. Vorsätzliche Fälschung von Daten kommt selten vor, die meisten fehlerhaften Darstellungen resultieren aus der trickreichen Anwendung von Rechnungslegungsprozeduren, die ein fähiger Analyst aufdecken können sollte. Verheimlichungen sind weit häufiger als Falschdarstellungen. Jedoch wurde das Ausmaß solcherart vorenthaltener Informationen als Ergebnis der Regulierungsbestrebungen von New York Stock Exchange und SEC stark reduziert, indem die Erfordernisse einer vollständigen Darstellung und ausführlichen Erläuterung der verwendeten Rechnungslegungsprozeduren Verbindlichkeit erlangten. Sollten wichtige Informationen vorenthalten werden, sollten die Fähigkeit und die Fertigkeit eines Analysten zur Aufdeckung dieses Mankos führen und sich in einem Malus niederschlagen – jedenfalls solange er nicht in der Lage ist, die nötigen Informationen verlässlich auf einem anderen Wege zu beschaffen. Zweifelsohne wird es Fälle geben, in denen die Zurückhaltung von wichtigen Informationen nicht aufgedeckt wird und Anlass zu unkorrekten Schlussfolgerungen gibt. Unsicherheit über zukünftige Entwicklungen: Weit gewichtiger wirkt die Unsicherheit über zukünftige Veränderungen. Eine Schlussfolgerung auf Grundlage der Auswertung der vorhandenen Fakten und der scheinbaren Zukunftsaussichten kann durch unvorhergesehene Entwicklungen zunichtegemacht werden. Daraus ergibt sich die Frage, inwieweit es zu den Aufgaben eines Wertpapieranalysten gehört, zukünftige Veränderungen zu antizipieren. Die Beantwortung dieser Frage soll zunächst aufgeschoben werden und erfolgt später bei der Diskussion der verschiedenen Einflussfaktoren, die in den Analyseprozess Eingang finden. Es steht allerdings fest, dass zukünftige Veränderungen in hohem Maße unvorhersagbar sind und dass Analysten unbedingt von der Annahme ausgehen müssen, dass Vergangenheitsdaten höchstens eine grobe Orientierungshilfe bei der Bildung von Erwartungen über die Zukunft liefern. Je stärker diese Annahme abgeschwächt wird, desto weniger aussagekräftig ist die Analyse. Grundsätzlich kann aber festgehalten werden, dass sich diese Technik eher für die Analyse vorrangiger Wertpapiere (die gegen zukünftige Veränderungen abgesichert sind) als für die von Stammaktien eignet, größeren Nutzen bei der Analyse von Wirtschaftszweigen mit inhärenter Stabilität liefert als bei solchen, die regelmäßig breiten Schwankungen ausgesetzt sind, und schließlich dann besonders hilfreich ist, wenn die gegenwärtige Lage allgemein als normal charakterisiert werden kann und keine gesteigerte Grundunsicherheit über die Zukunft mit der Erwartung radikaler Veränderungen besteht. Irrationales Verhalten der Marktteilnehmer: Das dritte Element, das die Arbeit von Wertpapieranalysten behindert, erwächst aus dem Markt selbst. In gewisser Hinsicht bedingen Markt und Zukunft dieselbe Art von Schwierigkeiten. Beide Faktoren können vom Analysten weder vorhergesagt noch gesteuert werden, haben jedoch einen entscheidenden Anteil am Erfolg eines Analysten. Die Hauptaktivitäten von Wertpapieranalysten können als nur wenig oder gar nicht die Marktpreise betreffend aufgefasst werden. Eine typische Aufgabe ist die Identifizierung erstklassiger, feste Einkommensströme generierender Anleihen, die aus der Beobachtung des Analysten heraus als sicher in Bezug auf eingesetztes Kapital und Zinszahlungen eingeordnet werden können. Den Käufern solcher Wertpapiere wird geraten, den aktuellen Kursschwankungen keine Beachtung zu schenken, sondern stattdessen zu prüfen, ob die Anleihen auch weiterhin intakte Investments bleiben. Hier wird die Auffassung vertreten, dass diese traditionelle Sichtweise der Einstellung von Investoren unzutreffend und in gewisser Hinsicht scheinheilig ist. Inhaber von Wertpapieren, unabhängig vom jeweiligen Charakter, interessieren sich für die Marktwerte derselben. Dieser Fakt findet in dem Umstand Berücksichtigung, dass der Marktgängigkeit in der Investitionspraxis immer eine starke Betonung zugewiesen wird. Falls es wichtig ist, dass ein Wertpapier schnell veräußert werden kann, ist es zwangsläufig auch wichtig, dass dies zu einem angemessenen Preis abgewickelt wird. Während Inhaber von erstklassigen Anleihen offensichtlich weit weniger stark von Marktfluktuationen betroffen sind als Spekulanten, existiert bei Ersteren dennoch ein starkes psychologisches, wenn nicht finanzielles Motiv. Daher müssen Analysten auch in diesem Bereich alle möglichen Faktoren, die den Marktwert negativ beeinflussen könnten, berücksichtigen. Hinzu kommen natürlich noch die Faktoren, welche die grundsätzliche Sicherheit der Kapitalüberlassung betreffen. Der Bereich der Analystenaktivitäten, der auf die Aufdeckung möglicher Über- und Unterbewertungen von Wertpapieren abstellt, bezieht Marktpreise naturgemäß stärker in die Analyse mit ein. Hier beruht die Rechtfertigung der Bewertung größtenteils auf einer ganzheitlichen Betrachtung der Marktentwicklung eines Wertpapiers. Bei dieser analytischen Ausrichtung sollte man von zwei Grundannahmen ausgehen können: erstens, dass der Marktwert regelmäßig vom wahren Wert abweicht, und zweitens, dass Marktwerte eine inhärente Tendenz aufweisen, diese Abweichung zu korrigieren. Am Wahrheitsgehalt der ersten Aussage besteht wohl wenig Zweifel – auch wenn an der Wall Street die »Unfehlbarkeit des Marktes« propagiert und gern eingewendet wird, dass »eine Aktie gerade so viel wert ist wie ihr Geldkurs – nicht mehr und nicht weniger«.

GEFAHR AUS VERZÖGERTEN PREISKORREKTUREN – Die zweite Annahme ist theoretisch ebenso zutreffend, ihre Umsetzung in der Praxis erfolgt jedoch oft nicht zufriedenstellend. Durch Nachlässigkeiten oder Vorurteile bedingte Unterbewertungen können sich unangenehm lange im Markt halten, Gleiches gilt für inflationierte Preise, die aus übertriebenem Enthusiasmus resultieren oder künstlich stimuliert sind. Für Analysten folgt aus solchen Verzögerungen die Gefahr, dass neue Einflussfaktoren in die Preisbildung eingehen, bevor der Preis dasjenige Niveau erreicht hat, das zuvor abgeleitet wurde. Mit anderen Worten: Es kann vorkommen, dass zu dem Zeitpunkt, in dem Marktpreis und Wert übereinstimmen, der Wert mittlerweile einer beträchtlichen Änderung unterworfen war und sich die eingangs verwendeten Fakten wie die aus ihnen abgeleitete Schlussfolgerung als nicht länger vertretbar erweisen.