Intelligent Investieren - Benjamin Graham - E-Book

Intelligent Investieren E-Book

Benjamin Graham

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Beschreibung

Seit Erscheinen der Erstausgabe 1949 ist Benjamin Grahams »Intelligent Investieren« das mit Abstand wichtigste und meistverkaufte Werk zum Thema »Value Investing« und einer der meistgeschätzten Wegweiser wie man langfristig erfolgreich investiert. Der Grund dafür ist seine zeitlose Philosophie der Anlage in Wachstumswerte, die den Anlegern dabei hilft, mögliche Stolpersteine zu erkennen, langfristige Erfolgsstrategien zu entwickeln und Gewinne zu erzielen. Nicht umsonst sagt Warren Buffett, als der erfolgreichste Investor aller Zeiten über »Intelligent Investieren«: »Mit Abstand das beste Buch über Investieren das jemals geschrieben wurde.«

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Seitenzahl: 977

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Benjamin Graham

Intelligent investieren

Der Jahrhundertbestseller The Intelligent Investor auf Deutsch

Mit einem Vorwort von Warren Buffett

Für E.M.G.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen:

[email protected]

1. Auflage der Neuübersetzung 2024

© 2024 by FinanzBuch Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH,

Türkenstraße 89

81671 München

Tel.: 089 651285-0

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Wir behalten uns die Nutzung unserer Inhalte für Text und Data Mining im Sinne von § 44b UrhG ausdrücklich vor.

Copyright © 1973 by Benjamin Graham. All rights reserved. Aktuelle Kommentare: Copyright © 2003 by Jason Zweig. All rights reserved.

Published by arrangement with HarperBusiness, an imprint of HarperCollins Publishers, Inc.

Die im Buch veröffentlichten Ratschläge wurden von Verfasser und Verlag sorgfältig erarbeitet und geprüft. Eine Garantie kann dennoch nicht übernommen werden. Ebenso ist die Haftung des Verfassers beziehungsweise des Verlages und seiner Beauftragten für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ausgeschlossen.

Übersetzung: Sascha Mattke

Korrektorat: Manuela Kahle

Lektorat: Judith Engst

Umschlaggestaltung: Marc-Torben Fischer

Umschlagabbildung: Shutterstock.com/zentilia

Satz: ZeroSoft, Timisoara

eBook: ePUBoo.com

ISBN Print 978-3-95972-764-8

ISBN E-Book (PDF) 978-3-98609-487-4

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-98609-488-1

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter:

www.finanzbuchverlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter www.m-vg.de.

Inhalt

Benjamin Graham 1894 – 1976

Einleitung: Was dieses Buch erreichen soll

Kommentar zur Einleitung

Kapitel 1: Geldanlage versus Spekulation: Welche Ergebnisse der intelligente Anleger erwarten kann

Geldanlage versus Spekulation

Welche Ergebnisse der defensive Anleger erwarten kann

Welche Ergebnisse der offensive Anleger erwarten kann

Kommentar zu Kapitel 1

Kapitel 2: Der Anleger und Inflation

Inflation und Unternehmensgewinne

Alternativen zu Aktien als Inflationsabsicherung

Schlussfolgerung

Kommentar zu Kapitel 2

Kapitel 3: Ein Jahrhundert Börsengeschichte: Der Stand der Aktienkurse Anfang 1972

Der Stand der Aktienkurse Anfang 1972

Kommentar zu Kapitel 3

Kapitel 4: Allgemeine Portfoliopolitik: Der defensive Anleger

Das grundlegende Problem bei der Aufteilung in Anleihen und Aktien

Die Anleihekomponente

Einfache (nicht wandelbare) Vorzugsaktien

Andere Wertpapiere

Kommentar zu Kapitel 4

Kapitel 5: Der defensive Anleger und Aktien

Vorteile der Geldanlage in Aktien

Regeln für die Aktienkomponente

Wachstumsaktien und der defensive Anleger

Portfolioveränderungen

Sparpläne und der Durchschnittskosteneffekt

Die persönliche Situation des Anlegers

Anmerkung zum Verständnis von »Risiko«

Anmerkung zur Kategorie »große, bekannte und solide finanzierte Unternehmen«

Kommentar zu Kapitel 5

Kapitel 6: Portfoliopolitik für den aktiven Anleger: das Ausschlussprinzip

Anleihen der zweiten Reihe und Vorzugsaktien

Ausländische Staatsanleihen

Neuemissionen allgemein

Neuemissionen von Stammaktien [amerikanischen Typs, Anmerkung der Redaktion]

Kommentar zu Kapitel 6

Kapitel 7: Portfoliopolitik für den aktiven Anleger: Die positive Seite

Aktivitäten mit Stammaktien [amerikanischen Typs, Anmerkung der Redaktion]

Allgemeine Vorgehensweise – Timing mit Formeln

Ansatz mit Wachstumsaktien

Drei empfohlene Felder für »aktive Geldanlage«

Kommentar Zu Kapitel 7

Kapitel 8: Der Anleger und das Thema »Schwankungen am Markt«

Marktschwankungen als Orientierung für Anlageentscheidungen

Der »Niedrig-kaufen-hoch-verkaufen«-Ansatz

Formelhafte Geldanlage

Marktschwankungen im Portfolio des Anlegers

Unternehmenswert versus Börsenbewertung

Das Beispiel A. & P.

Zusammenfassung

Der Kursverlauf bei Anleihen

Kommentar zu Kapitel 8

Kapitel 9: Geldanlage mit Fonds

Performance von Investmentfonds insgesamt

»Performance«-Fonds

Geschlossene versus offene Fonds

Geldanlage mit ausgewogenen Fonds

Kommentar zu Kapitel 9

Kapitel 10: Der Anleger und seine Berater

Anlageberatung und Trust-Dienste bei Banken

Finanzdienste

Beratung von Brokerhäusern

Das CFA-Zertifikat für Finanzanalysten

Umgang mit Brokerhäusern

Investmentbanker

Andere Berater

Zusammenfassung

Kommentar zu Kapitel 10

Kapitel 11: Wertpapieranalyse für den privaten Anleger: Allgemeiner Ansatz

Anleiheanalyse

Analyse von Stammaktien

Faktoren mit Einfluss auf die Kapitalisierungsrate

Kapitalisierungsraten für Wachstumsaktien

Branchenanalyse

Ein zweistufiger Bewertungsprozess

Kommentar zu Kapitel 11

Kapitel 12: Was beim Gewinn pro Aktie zu beachten ist

Arbeit mit durchschnittlichen Gewinnen

Berechnung der historischen Wachstumsrate

Kommentar zu Kapitel 12

Kapitel 13: Ein Vergleich von vier börsennotierten Unternehmen

Allgemeine Beobachtungen zu den vier Unternehmen

Kommentar zu Kapitel 13

Kapitel 14: Aktienauswahl für den defensiven Anleger

Anwendung unserer Kriterien auf den Dow Jones Ende 1970

Öffentliche Versorger als »Lösung«

Investieren in Aktien von Finanzunternehmen

Eisenbahnaktien

Auswahlprinzipien für den defensiven Anleger

Kommentar zu Kapitel 14

Kapitel 15: Aktienauswahl für den aktiven Anleger

Eine Zusammenfassung der Graham-Newman-Methoden

Unternehmen der zweiten Reihe

Aussortieren im Stock Guide

Einzelkriterien für die Auswahl von Stammaktien

Schnäppchenaktien nach Netto-Umlaufvermögen

Sondersituationen oder »Workouts«

Kommentar zu Kapitel 15

Kapitel 16: Wandelanleihen und Optionsscheine

Auswirkung von wandelbaren Papieren auf die Stammaktie

Signale für Wechsel von Stammaktien in Vorzugsaktien

Aktienoptionsscheine

Nachtrag zur Praxis

Kommentar zu Kapitel 16

Kapitel 17: Vier extrem lehrreiche historische Fallstudien

Der Fall Penn Central

Ling-Temco-Vought Inc.

Die Übernahme von Sharon Steel (ein Sammlerstück) durch NVF

AAA Enterprises

Kommentar zu Kapitel 17

Kapitel 18: Ein Vergleich von acht Unternehmenspaaren

Paar 1: Real Estate Investment Trust (Geschäfte, Büros, Fabriken et cetera) und Realty Equities Corp. of New York (Immobilieninvestitionen, Bau allgemein)

Paar 2: Air Products and Chemicals (industrielle und medizinische Gase et cetera) und Air Reduction Co. (Industriegase- und -anlagen, Chemie)

Paar 3: American Home Products (Medikamente, Kosmetik, Haushaltsprodukte, Süßigkeiten) und American Hospital Supply Co. (Vertrieb und Produktion von Krankenhausbedarf und -technik)

Paar 4: H & R Block, Inc. (Steuerdienste) und Blue Bell, Inc. (Produktion von Arbeitskleidung, Uniformen et cetera)

Paar 5: International Flavor & Fragrances (Duftstoffe et cetera für Unternehmen) und International Harvester Co. (Lastwagen, Agrarmaschinen, Baumaschinen)

Paar 6: McGraw Edison (Versorger und Technik, Haushaltswaren) und McGraw-Hill, Inc. (Bücher, Filme, Lehrsysteme; Magazine und Zeitungen; Informationsdienste)

Paar 7: National General Corp. (großes Konglomerat) und National Presto Industries (diverse Elektrogeräte, Kampfmittel)

Paar 8: Whiting Corp. (Fördertechnik) und Willcox & Gibbs (kleines Konglomerat)

Allgemeine Beobachtungen

Kommentar zu Kapitel 18

Kapitel 19: Aktionäre und Management: Dividendenpolitik

Aktionäre und Dividendenpolitik

Aktiendividenden und Splits

Kommentar zu Kapitel 19

Kapitel 20: »Sicherheitsmarge« als das zentrale Konzept bei der Geldanlage

Theorie der Diversifizierung

Ein Kriterium für Geldanlage versus Spekulation

Erweiterung des Konzepts Geldanlage

Zusammenfassung

Kommentar zu Kapitel 20

Nachtrag

Kommentar zum Nachtrag

Anhänge

1. Die Superanleger von Graham-und-Doddsville

2. Wichtige Regeln zur Besteuerung von Anlageerträgen und Wertpapiertransaktionen (im Jahr 1972)

3. Die Grundlagen der Besteuerung von Geldanlagen (aktualisiert auf den Stand 2003)

4. Die neue Spekulation mit Aktien

5. Eine Fallstudie: Aetna Maintenance Co.

6. Steuerliche Behandlung der Übernahme von Sharon Steel durch NVF

7. Technologieunternehmen als Geldanlage

Endnoten

Bei dem hier abgedruckten Text handelt es sich um die vierte überarbeitete Auflage, aktualisiert von Graham in den Jahren 1971 – 1972 und erstmals veröffentlicht im Jahr 1973. Bitte beachten Sie, dass die ursprünglichen Fußnoten von Graham (in seinen Kapiteln gekennzeichnet mit hochgestellten Zahlen) im Abschnitt Endnoten ab Seite 651 zu finden sind. Die von Jason Zweig neu eingeführten Fußnoten stehen am Ende von Grahams Seiten (und in einer anderen Schrifttype gelegentlich als Ergänzung in den Endnoten von Graham).

Vorwort zur vierten Auflage

von Warren E. Buffett

Ich habe die erste Ausgabe dieses Buches im Jahr 1950 gelesen, als ich 19 Jahre alt war. Damals dachte ich, dass es das mit Abstand beste Buch über Geldanlage ist, das je geschrieben wurde, und das denke ich noch immer.

Um ein Leben lang erfolgreich zu investieren, sind kein stratosphärischer IQ, kein besonderes Wissen über die Wirtschaft und keine Insider-Informationen erforderlich. Man braucht lediglich einen soliden intellektuellen Rahmen, um Entscheidungen zu treffen, und die Fähigkeit zu verhindern, dass Emotionen diesen Rahmen zerfressen. Dieses Buch beschreibt präzise und deutlich den richtigen Rahmen. Die emotionale Disziplin müssen Sie selbst mitbringen.

Wenn Sie den Grundsätzen zu Verhalten und Vorgehensweisen folgen, die Graham empfiehlt – insbesondere den unbezahlbaren Ratschlägen in den Kapiteln 8 und 20 –, werden Sie bei der Geldanlage keine schlechten Ergebnisse erzielen (und das ist schon eine beachtlichere Leistung, als Sie vielleicht glauben). Ob Ihre Ergebnisse herausragend werden, hängt davon ab, wie viel Mühe und Intellekt Sie dieser Aufgabe widmen, und zusätzlich davon, wie viel Verrücktheit an der Börse während Ihrer Laufbahn als Anleger herrscht. Je dümmer das Verhalten des Marktes, desto größer sind die Chancen für den professionell agierenden Anleger. Hören Sie auf Graham und Sie werden vom Wahnsinn profitieren, statt ihm zu erliegen.

Für mich war Ben Graham viel mehr als ein Autor oder Lehrer. Mehr als jeder andere Mensch, mit Ausnahme meines Vaters, hat er mein Leben beeinflusst. Kurz nach seinem Tod im Jahr 1976 schrieb ich die folgende Erinnerung an Ben für das Financial Analysts Journal. Ich bin überzeugt: Wenn Sie sein Buch lesen, werden Sie einige der Qualitäten erkennen, die ich darin erwähnt habe.

Benjamin Graham 1894 – 1976

Vor einiger Zeit brachte Benjamin Graham, damals fast 80 Jahre alt, gegenüber einem Freund den Gedanken zum Ausdruck, dass er jeden Tag »etwas Dummes, etwas Kreatives und etwas Großzügiges tun« wolle.

Die Nennung des eigenwilligen ersten Ziels zeigte sein Talent dafür, Ideen in eine Form zu bringen, die jeglichen Unterton des Dozierens oder der Selbstherrlichkeit vermied. Seine Ideen waren mächtig, aber die Darstellung stets freundlich.

Leser dieses Magazins brauchen keine Erklärung zu Grahams Leistungen nach dem Maßstab der Kreativität. Nur selten ergeht es dem Begründer einer neuen Disziplin nicht so, dass seine Arbeit schon wenig später von Nachfolgern übertroffen wird. Doch mehr als 40 Jahre nach der Veröffentlichung seines Buches, das Struktur und Logik in eine ungeordnete und verwirrte Aktivität brachte, fällt es auf dem Gebiet der Wertpapieranalyse immer noch schwer, Kandidaten auch nur für den zweiten Platz zu finden. In einem Bereich, in dem vieles schon Wochen oder Monate nach dem Erscheinen dumm aussieht, sind die Grundsätze von Graham solide geblieben – oft nahm ihr Wert noch zu und wurde besser verstanden im Nachklang von Finanzmarktstürmen, die weniger robuste Denkstrukturen einrissen. Sein Rat zur Solidität zahlte sich für seine Anhänger zuverlässig aus – selbst für solche, deren natürliche Fähigkeiten nicht an diejenigen von begnadeteren Anlegern heranreichten, die in Schwierigkeiten gerieten, weil sie scheinbar brillanten Empfehlungen folgten oder solchen, die gerade in Mode waren.

Ein bemerkenswerter Aspekt von Grahams Dominanz auf seinem professionellen Gebiet lag darin, dass er sie ohne die geistige Enge erreichte, die mit der Konzentration auf ein einziges Ziel einhergeht. Sie war eher das zufällige Nebenprodukt eines Intellekts, dessen Breite sich einer Definition fast entzieht. Mit Sicherheit habe ich nie eine Person mit ähnlich umfassendem Denken getroffen. Sein praktisch perfektes Erinnerungsvermögen, seine unendliche Faszination für neues Wissen und die Fähigkeit, es in eine Form zu bringen, die sich auf scheinbar nicht damit zusammenhängende Probleme anwenden lässt, machten den Kontakt mit seinen Überlegungen auf beliebigen Gebieten zu einem Vergnügen.

Sein dritter Imperativ aber – Großzügigkeit – war derjenige, bei dem er mehr Erfolg hatte als jeder andere. Ich kannte Graham als Lehrer, Arbeitgeber und Freund. In jeder dieser Beziehungen – so wie bei all seinen Schülern, Angestellten und Freunden – zeigte er eine vollkommen unbegrenzte, nicht berechnende Großzügigkeit in Bezug auf Ideen, Zeit und Geist. Wenn klares Denken gefragt war, gab es keine bessere Anlaufstelle. Und wenn Ermutigung oder Rat benötigt wurde, war Graham ebenfalls da.

Walter Lippmann hat von Menschen gesprochen, die Bäume pflanzen, unter denen andere Menschen sitzen werden. Benjamin Graham war ein solcher Mensch.

Nachdruck aus Financial Analysts Journal, November/Dezember 1976.

Eine Bemerkung über Benjamin Graham

von Jason Zweig

Wer war Benjamin Graham, und warum sollten Sie auf ihn hören?

Graham war nicht nur einer der besten Anleger, die je gelebt haben, er war auch der größte praktische Anlagedenker aller Zeiten. Vor Graham benahmen sich Vermögensverwalter ähnlich wie eine mittelalterliche Gilde, zu großen Teilen geleitet von Aberglauben, Raterei und obskuren Ritualen. Grahams Security Analysis war das Lehrbuch, das aus diesem muffigen Zirkel eine moderne Profession machte.1

Zudem war The Intelligent Investor das erste Buch, das jemals für private Anleger den emotionalen Rahmen und die analytischen Werkzeuge beschrieb, die für finanziellen Erfolg essenziell sind. Es ist immer noch das beste Buch über Geldanlage, das für die breite Öffentlichkeit je geschrieben wurde. The Intelligent Investor war das Buch, das ich als Erstes las, als ich im Jahr 1987 als junger Reporter zum Forbes-Magazin kam, und ich war beeindruckt von der Sicherheit, mit der er erklärte, dass früher oder später jeder Bullenmarkt böse enden müsse. In jenem Oktober erlebten US-Aktien den schwersten Einbruch innerhalb eines Tages ihrer Geschichte, und ich war überzeugt (nach dem wilden Bullenmarkt der späten 1990er und dem brutalen Bärenmarkt, der Anfang 2000 begann, liest sich The Intelligent Investor prophetischer als je zuvor).

Graham gewann seine Erkenntnisse auf dem schwierigen Weg: Indem er aus erster Hand den Schmerz finanzieller Verluste kennenlernte und über Jahrzehnte die Historie und Psychologie der Märkte studierte. Geboren wurde er als Benjamin Grossbaum am 9. Mai 1984 in London. Sein Vater handelte mit Porzellan und Figuren aus China.2 Als Ben ein Jahr alt war, zog die Familie nach New York um. Zuerst hatten sie dort ein bequemes Leben – mit Haushälterin, Koch und französischer Gouvernante in der Upper Fifth Avenue. Doch im Jahr 1903 starb sein Vater, das Porzellan-Geschäft lief schlecht und die Familie rutschte nach und nach in die Armut ab. Bens Mutter machte aus ihrem Zuhause eine Pension und lieh sich Geld, um Aktien auf Kredit zu kaufen; im Crash von 1907 verlor sie alles. Für den Rest seines Lebens sollte er sich an die Demütigung erinnern, die er erlebte, als er in der Bank einen Scheck für seine Mutter einlösen sollte und den Kassierer fragen hörte, »Sind 5 Dollar für Dorothy Grossbaum gedeckt?«.

Zu seinem Glück erhielt Graham ein Stipendium an der Columbia University, wo seine Brillanz zu voller Blüte kam. Im Jahr 1914 machte er seinen Abschluss, als Zweitbester in seinem Jahrgang. Vor dem Ende seines letzten Semesters wurde er von drei Fakultäten – Englisch, Philosophie und Mathematik – gebeten, sich ihnen anzuschließen. Er war gerade einmal 20 Jahre alt.

Statt in der Wissenschaft beschloss Graham, sich an der Wall Street zu versuchen. Er begann als Aushilfe in einer Anleihehandelsfirma, wurde bald Analyst, dann Partner, und dann dauerte es nicht mehr lang, bis er seine eigene Partnership für Geldanlage betrieb.

Die Internet-Blase und ihr Platzen hätten Graham nicht überrascht. Im April 1919 machte er 250 Prozent Gewinn am ersten Handelstag von Savold Tire, einer Neuemission im boomenden Automobilgeschäft. Bis Oktober hatte sich das Unternehmen als betrügerisch erwiesen und die Aktie war wertlos.

Graham wurde ein Meister darin, Aktien im mikroskopischen, fast molekularen Detail zu betrachten. Im Jahr 1925 ging er die obskuren Berichte durch, die Öl-Pipelines bei der U.S. Interstate Commerce Commission eingereicht hatten, und fand dabei heraus, dass Northern Pipeline Co. – bei einem damaligen Kurs von 65 Dollar – pro Aktie mindestens 80 Dollar an hochwertigen Anleihen besaß (er kaufte die Aktie, brachte das Management dazu, die Dividende zu erhöhen, und bekam drei Jahre später 110 Dollar pro Aktie).

Trotz eines verheerenden Verlusts von fast 70 Prozent während des großen Crashs von 1929 bis 1932 überlebte Graham und florierte im Nachgang, indem er aus den Trümmern des Bullenmarktes Schnäppchen aufsammelte. Über seine frühesten Renditen gibt es keine exakten Daten, doch von 1936 bis zu seinem Ruhestand im Jahr 1956 gewann seine Graham-Newman Corp. jährlich mindestens 14,7 Prozent im Vergleich zu 12,2 Prozent für den gesamten Aktienmarkt – eine der besten langfristigen Historien in der Geschichte der Wall Street.3

Wie hat Graham das gemacht? Er kombinierte seine außerordentliche Denkfähigkeit mit tiefem gesundem Menschenverstand und reichlich Erfahrung, und auf diese Weise entwickelte er seine Kernprinzipien, die heute noch mindestens so viel Gültigkeit haben wie zu seinen Lebzeiten:

Eine Aktie ist nicht nur ein Börsenkürzel oder eine Zahl auf einem Bildschirm; sie ist eine Beteiligung an einem echten Unternehmen mit einem zugrunde liegenden Wert, der nicht von seinem Aktienkurs abhängt.

Der Markt ist ein Pendel, das ewig zwischen nicht nachhaltigem Optimismus (der Aktien zu teuer macht) und unberechtigtem Pessimismus (der sie zu billig werden lässt) hin und her schwingt. Der intelligente Anleger ist ein Realist, der an Optimisten verkauft und von Pessimisten kauft.

Der zukünftige Wert jeder Geldanlage hängt von ihrem aktuellen Preis ab. Je mehr Sie bezahlen, desto niedriger wird Ihre Rendite sein.

Unabhängig davon, wie sorgfältig Sie sind, kann kein Anleger jemals das Risiko ausschließen, sich zu irren. Nur indem Sie konsequent auf das setzen, was Graham als »Sicherheitsmarge« bezeichnet, also nie zu viel bezahlen, egal wie spannend eine Anlagemöglichkeit zu sein scheint, können Sie Ihre Wahrscheinlichkeit minimieren, Fehler zu machen.

Das Geheimnis Ihres finanziellen Erfolgs liegt in Ihrer eignen Person. Wenn Sie zum kritischen Denker werden, der die vermeintlichen »Fakten« der Wall Street nicht einfach glaubt, und wenn Sie mit geduldiger Zuversicht agieren, können Sie selbst von den schlimmsten Bärenmärkten stetig profitieren. Indem Sie Disziplin und Mut entwickeln, können Sie verhindern, dass die Stimmungsschwankungen anderer Leute über Ihr finanzielles Schicksal bestimmen. Letztlich kommt es viel weniger darauf an, wie sich Ihre Geldanlagen entwickeln, als darauf, wie Sie sich verhalten.

Das Ziel dieser überarbeiteten Ausgabe von The Intelligent Investor ist, Grahams Ideen auf die heutigen Finanzmärkte anzuwenden, seinen Text dabei aber vollkommen unangetastet zu lassen (mit der Ausnahme von Fußnoten zur Klarstellung).4 Hinter jedem von Grahams Kapiteln finden Sie einen neuen Kommentar. In diese Gebrauchsanleitungen für Leser habe ich aktuelle Beispiele aufgenommen, die Ihnen zeigen dürften, wie relevant – und wie befreiend – Grahams Grundsätze noch heute sind.

Ich beneide Sie um die Begeisterung und Erleuchtung, die Sie erleben werden, wenn Sie Grahams Meisterwerk zum ersten Mal lesen – oder auch zum dritten oder vierten Mal. Wie alle Klassiker verändert es die Art und Weise, wie wir die Welt sehen, und erneuert sich selbst, indem es uns aufklärt. Und je mehr Sie lesen, desto besser wird es. Mit Graham als Vorbild können Sie garantiert ein weitaus intelligenterer Anleger werden.

Einleitung

Was dieses Buch erreichen soll

Ziel dieses Buches ist, in einer für Laien geeigneten Form Orientierung dabei zu geben, eine Anlagestrategie zu etablieren und umzusetzen. Von der Technik der Wertpapieranalyse wird darin relativ wenig zu lesen sein; das Hauptaugenmerk gilt Anlagegrundsätzen und der Einstellung von Anlegern. Um die wichtigen Aspekte anschaulich zu erläutern, die bei der konkreten Auswahl von Aktien eine Rolle spielen, werden wir jedoch eine Reihe zusammengefasster Vergleiche bestimmter Wertpapiere präsentieren, hauptsächlich in Paaren, die nebeneinander in der Liste der New York Stock Exchange stehen.

Viel Platz im Buch wird dagegen historischen Mustern der Finanzmärkte gewidmet sein, in vielen Fällen im Rückblick über viele Jahrzehnte. Um intelligent zu investieren, sollte man mit angemessenem Wissen darüber gerüstet sein, wie sich die unterschiedlichen Typen von Aktien und Anleihen unter unterschiedlichen Rahmenbedingungen entwickelt haben – zumindest einige davon werden in der eigenen Erfahrung wahrscheinlich erneut auftreten. Nichts ist wahrer und besser auf die Wall Street anwendbar als die berühmte Warnung von George Santayana: »Wer sich nicht an die Vergangenheit erinnert, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen.«

Unser Text richtet sich an Anleger in Abgrenzung zu Spekulanten, und unsere erste Aufgabe wird sein, diese heute fast vergessene Unterscheidung zu erklären und zu betonen. Wir sollten gleich am Anfang sagen, dass dies kein »So-machen-Sie-eine-Million«-Buch ist. Es gibt keinen sicheren und einfachen Weg zum Reichtum an der Wall Street oder irgendwo sonst. Vielleicht sollten wir das an dieser Stelle mit einem Stück Finanzhistorie belegen – zumal sich mehr als nur eine Lehre daraus ziehen lässt. Im Boom-Jahr 1929 lobte John J. Raskob, eine in der US-Politik wie an der Wall Street wichtige Persönlichkeit, in einem Artikel im Ladies Home Journal mit dem Titel »Jeder sollte reich sein« die Segnungen des Kapitalismus.5 Seine These: Nur 15 Dollar pro Monat, investiert in gute Aktien und mit reinvestierten Dividenden – sollten bei Gesamtzahlungen von nur 3600 Dollar über 20 Jahre ein Vermögen von 80.000 Dollar entstehen lassen. Hätte der Tycoon bei General Motors Recht gehabt, wäre dies tatsächlich ein einfacher Weg zum Reichtum gewesen. Wie nahe war er an der Wahrheit dran? Unsere grobe Berechnung – basierend auf einer angenommenen Investition in die 30 Aktien im Dow Jones Industrial Average (kurz Dow Jones) – lässt erkennen, dass ein Anleger Anfang 1949 Aktien im Wert von rund 8500 Dollar besessen hätte, wenn er in der Zeit von 1929 bis 1948 Raskobs Rat gefolgt wäre. Dies ist ein gutes Stück entfernt von den 80.000 Dollar, die der große Mann versprochen hatte, und es zeigt, wie wenig man sich auf solche optimistischen Prognosen und Zusicherungen verlassen kann. Nebenbei sollten wir allerdings erwähnen, dass die Rendite mit dem Programm jährlich mehr als 8 Prozent mit Zinseszinseffekt über 20 Jahre betragen hätte – und das trotz der Tatsache, dass der Anleger seine Käufe bei einem Dow-Jones-Stand von 300 Punkten begonnen und bei einem Stand von 177 Punkten Ende 1948 beendet hätte. Diese Daten können als überzeugendes Argument für das Prinzip verstanden werden, Monat für Monat durch dick und dünn solide Aktien zu kaufen – eine Vorgehensweise, die als Cost-Average-Effekt bezeichnet wird.

Weil sich unser Buch nicht an Spekulanten richtet, ist es nicht für diejenigen gedacht, die am Markt aktiv handeln. Die meisten dieser Leute orientieren sich an Charts oder anderen weitgehend mechanischen Methoden, um den richtigen Zeitpunkt für Käufe und Verkäufe zu bestimmen. Das Prinzip, das beinahe alle diese so genannten »technischen Ansätze« eint, ist die Empfehlung zu kaufen, weil eine Aktie gestiegen ist, und zu verkaufen, weil sie gefallen ist. Dies ist überall sonst genau das Gegenteil von gesundem Geschäftssinn, und dass es zu dauerhaftem Erfolg an der Wall Street führen kann, ist höchst unwahrscheinlich. Nach unseren eigenen Erfahrungen und den Beobachtungen am Aktienmarkt, die mehr als 50 Jahre umfassen, haben wir keine einzige Person kennengelernt, die konsistent oder dauerhaft Geld verdient hätte, indem sie auf diese Weise »dem Markt folgte«. Wir zögern nicht zu erklären, dass dieser Ansatz so irrig wie beliebt ist. Dies werden wir später anhand einer kurzen Diskussion der berühmten Dow-Theorie zu Engagements am Aktienmarkt veranschaulichen – was aber natürlich nicht als Beweis verstanden werden sollte.6

Seit der Erstveröffentlichung im Jahr 1949 sind in Abständen von ungefähr fünf Jahren Überarbeitungen von The Intelligent Investor erschienen. Bei der Aktualisierung der vorliegenden Version werden wir uns mit einer ganzen Reihe von neuen Entwicklungen beschäftigen müssen, die sich seit der Ausgabe von 1965 ereignet haben:

Ein beispielloser Anstieg des Zinssatzes bei hochwertigen Anleihen.

Ein Rückgang des Kurses führender Aktien um rund 35 Prozent bis Mai 1970. Dies war der höchste prozentuale Verlust seit etwa 30 Jahren (bei zahllosen Aktien niedrigerer Qualität war er noch viel höher).

Anhaltende Inflation bei Großhandels- und Verbraucherpreisen, die im Jahr 1970 trotz allgemeiner Konjunkturschwäche noch an Dynamik gewann.

Die rapide Entstehung von Unternehmen mit einer Holding-Struktur, Franchise-Konzepten und anderen relativen Neuheiten in Wirtschaft und Finanzwesen (dazu zählen auch eine Reihe von trickreichen Instrumenten wie »Letter Stocks«,i Verbreitung von Aktienoptionen, irreführende Namen, Nutzung ausländischer Banken und andere).7

Die Insolvenz unserer größten Eisenbahngesellschaft, exzessive kurz- und langfristige Verschuldung vieler früher fest etablierter Unternehmen, und sogar ein beunruhigendes Solvenzproblem unter Wall-Street-Firmen.8

Das Aufkommen der »Performance«-Mode beim Management von Anlagefonds, darunter einige von Banken verwaltete Treuhand-Fonds, mit beunruhigenden Ergebnissen.

Diesen Phänomenen werden wir uns sorgfältig und aufmerksam widmen, und einige erfordern es, die Schlussfolgerungen und Schwerpunkte gegenüber der vorigen Ausgabe zu verändern. Die zugrunde liegenden Prinzipien solider Geldanlage dürften von Jahrzehnt zu Jahrzehnt unverändert bleiben, doch die Anwendung dieser Prinzipien muss an bedeutende Veränderungen bei Finanzmechanismen und -klima angepasst werden.

Die letzte Aussage wurde während der Arbeit an der vorliegenden Ausgabe auf die Probe gestellt. Der erste Entwurf war im Januar 1971 abgeschlossen, und zu dieser Zeit befand sich der Dow Jones in einer starken Erholungsphase von seinem Tief bei 632 Punkten im Jahr 1970 in Richtung eines Jahreshochs bei 951 Punkten. Bei Abgabe des letzten Manuskripts im November 1971 befand sich der Markt in den Wehen eines weiteren Rückgangs, der den Index auf 797 Punkte fallen und allgemeine Sorge über seine Zukunft wieder aufleben ließ. Wir haben nicht zugelassen, dass diese Schwankungen unsere allgemeine Haltung bezüglich solider Anlagepolitik beeinflussen, die im Kern seit der ersten Ausgabe dieses Buches im Jahr 1949 unverändert geblieben ist.

Das Ausmaß der Kursverluste in den Jahren 1969 – 1970 hätte eine Illusion verschwinden lassen sollen, die in den beiden Jahrzehnten zuvor an Boden gewonnen hatte. Ihr zufolge konnten führende Aktien jederzeit und zu jedem Kurs gekauft werden, wodurch nicht nur ultimative Gewinne sicher waren, sondern auch die Tatsache, dass jegliche zwischenzeitlichen Verluste bald durch einen Anstieg des Marktes auf neue Hochs ausgeglichen würden. Das war zu schön, um wahr zu sein. Letztendlich ist die Börse insofern »zur Normalität zurückgekehrt«, als sowohl Spekulanten als auch Anleger damit rechnen müssen, signifikante und möglicherweise anhaltende Verluste in ihren Positionen ebenso zu erleben wie Anstiege.

Bei vielen Aktien der zweiten und dritten Reihe waren die Folgen des jüngsten Einbruchs am Markt katastrophal, insbesondere bei Unternehmen, die erst vor kurzem an die Börse gegangen sind. Das war für sich genommen nichts Neues. In den Jahren 1961 und 1962 war Ähnliches passiert, doch neu war dieses Mal die Tatsache, dass einige Anlagefonds große Positionen in hochgradig spekulativen und offensichtlich überbewerteten Papieren dieser Art hatten. Offensichtlich müssen nicht nur Anfänger darauf hingewiesen werden, dass Begeisterung, auch wenn sie an anderer Stelle zu großen Erfolgen führen kann, an der Wall Street fast unweigerlich in einer Katastrophe endet.

Die große Frage, mit der wir uns beschäftigen müssen, ergibt sich aus dem enormen Anstieg der Zinsen bei erstklassigen Anleihen. Seit Ende 1967 konnte der Anleger mit solchen Anleihen doppelt so hohe Erträge erzielen wie mit den Dividenden typischer Aktien. Anfang 1972 betrug die Rendite 7,19 Prozent bei Anleihen mit bester Bewertung gegenüber nur 2,76 Prozent bei Industrieaktien (Ende 1964 waren die entsprechenden Werte 4,40 Prozent bzw. 2,92 Prozent). Nur schwer kann man sich vorstellen, dass es fast genau umgekehrt war, als wir 1949 die erste Ausgabe dieses Buches schrieben: Anleihen lieferten nur 2,66 Prozent Ertrag und Aktien 6,82 Prozent.ii In früheren Ausgaben haben wir regelmäßig eindringlich gefordert, dass Aktien mindestens 25 Prozent vom Portfolio eines konservativen Anlegers ausmachen sollten, und allgemein haben wir eine Aufteilung von 50 zu 50 zwischen beiden Wertpapiergattungen favorisiert. Jetzt müssen wir erwägen, ob der aktuelle große Renditevorteil von Anleihen gegenüber Aktien eine Strategie rechtfertigen würde, bei der nur in Anleihen investiert wird, bis ein vernünftiges Verhältnis zurückkehrt, wie wir es erwarten. Natürlich ist auch die Frage anhaltender Inflation von großer Bedeutung dafür, zu welchem Schluss wir hier kommen. Dieser Diskussion wird ein eigenes Kapitel gewidmet sein.9

In der Vergangenheit haben wir eine grundlegende Unterscheidung zwischen den zwei Anlegertypen getroffen, an die dieses Buch gerichtet ist – den »defensiven« und den »aktiven«. Der defensive (oder passive) Anleger wird hauptsächlich daran interessiert sein, schwere Fehler und Verluste zu vermeiden. Sein zweites Ziel wird darin bestehen, frei von Mühe, lästiger Arbeit und häufigen Entscheidungen zu sein. Die bestimmende Eigenschaft für den aktiven (oder offensiven) Anleger ist seine Bereitschaft, sich Zeit für die Auswahl von Wertpapieren zu lassen und sie sorgfältig vorzunehmen, um Papiere zu finden, die sowohl solide als auch überdurchschnittlich attraktiv sind. Über viele Jahrzehnte könnte ein solcher Anleger eine ansehnliche Belohnung für sein zusätzliches Können und seinen Aufwand erwarten in Form einer durchschnittlichen Rendite oberhalb der eines passiven Anlegers. Wir haben einige Zweifel daran, dass der aktive Anleger unter den heutigen Bedingungen tatsächlich mit einer nennenswerten Prämie rechnen kann. Aber im nächsten Jahr oder in späteren Jahren könnte das durchaus anders sein. Entsprechend werden wir den Möglichkeiten aktiver Geldanlage, wie sie in früheren Zeiten existierten und zurückkommen könnten, auch weiterhin Aufmerksamkeit widmen.

Lange lautete die vorherrschende Meinung, dass die Kunst der erfolgreichen Geldanlage vor allem in der Auswahl derjenigen Branchen liege, die mit der höchsten Wahrscheinlichkeit wachsen würden, und dann die aussichtsreichsten Unternehmen in diesen Branchen zu identifizieren. So hätten schlaue Anleger – oder ihre schlauen Berater – schon vor langer Zeit das hervorragende Wachstumspotenzial der Computerindustrie insgesamt und speziell von International Business Machines erkannt. Ähnlich soll es bei einer Reihe weiterer Wachstumsbranchen und -unternehmen gewesen sein. Aber das ist nicht immer so einfach, wie es im Rückblick aussieht. Lassen Sie uns, um diesen Punkt gleich zu Beginn deutlich zu machen, an dieser Stelle einen Absatz einfügen, der bereits in der Ausgabe 1949 dieses Buches enthalten war.

Ein solcher Anleger könnte zum Beispiel Aktien von Luftfahrtunternehmen kaufen, weil er glaubt, dass ihre Zukunft noch brillanter ist, als gemäß dem Trend, den der Markt bereits berücksichtigt. Für diese Klasse von Anlegern wird der Wert unseres Buches eher in den Warnungen vor den Tücken liegen, die dieser beliebte Ansatz der Geldanlage hat, als in irgendeiner positiven Technik, die ihm auf seinem Weg weiterhilft.10

In der erwähnten Branche haben sich die Tücken als besonders gefährlich erwiesen. Natürlich ließ sich leicht vorhersagen, dass das Volumen des Luftverkehrs über die Jahre spektakulär zunehmen würde. Aufgrund dieses Faktors wurden Aktien aus diesem Bereich zur bevorzugten Wahl von Anlagefonds. Doch trotz der Zunahme des Umsatzes – in einem Tempo, das noch über dem in der Computer-Industrie lag – führte eine Kombination aus technischen Problemen und übermäßiger Kapazitätssteigerung zu schwankenden und sogar katastrophalen Ergebnissen beim Gewinn. Im Jahr 1970 gab es einen neuen Rekord im Luftverkehr, doch die Fluggesellschaften machten für ihre Aktionäre ungefähr 200 Millionen Dollar Verlust (auch 1945 und 1961 hatten sie schon Verluste ausgewiesen). Von 1969 bis 1970 verzeichneten die Aktien dieser Unternehmen erneut einen stärkeren Rückgang als der Markt insgesamt. Die Historie zeigt, dass selbst die gut bezahlten Vollzeit-Experten bei den Fonds mit Blick auf die recht kurzfristige Zukunft einer bedeutenden und nicht exotischen Branche vollkommen falsch lagen.

Auf der anderen Seite hatten Fonds zwar substanzielle Positionen von IBM und machten substanzielle Gewinne damit, doch die Kombination aus einem hoch anmutenden Kurs und der Unmöglichkeit, die künftige Wachstumsrate mit Sicherheit zu prognostizieren, hielt sie davon ab, mehr als zum Beispiel 3 Prozent ihrer Mittel in diesen Star-Performer zu investieren. Somit war der Effekt dieser exzellenten Wahl für ihr Gesamtergebnis keineswegs entscheidend. Zudem scheinen viele – wenn nicht die meisten – ihrer Investitionen in Computer-Unternehmen mit Ausnahme von IBM unprofitabel gewesen zu sein. Aus diesen zwei allgemeinen Beispielen ziehen wir für unsere Leser zwei Lehren:

Von der offensichtlichen Aussicht auf ein wachsendes Volumen in einer Branche kann man nicht auf offensichtliche Gewinne für Anleger schließen.

Experten verfügen nicht über verlässliche Methoden, um die aussichtsreichsten Unternehmen in den aussichtsreichsten Branchen auszuwählen und sich darauf zu konzentrieren.

Der Autor ist diesem Ansatz in seiner Finanzkarriere als Fondsmanager nicht gefolgt, und er kann denjenigen, die ihn ausprobieren möchten, weder konkrete Ratschläge bieten noch sie dazu ermutigen.

Was wollen wir mit diesem Buch dann erreichen? Unser Hauptziel wird sein, den Leser von Gebieten mit potenziell schlimmen Fehlern wegzusteuern und Richtlinien zu entwickeln, mit denen er sich wohl fühlen kann. Wir werden recht viel über die Psychologie von Anlegern zu berichten haben. Denn das größte Problem – und der schlimmste Feind – des Anlegers ist wahrscheinlich er selbst (»der Fehler, lieber Anleger, liegt nicht in unseren Sternen – und nicht in unseren Aktien, sondern in uns selbst ...«). Dies hat sich in den vergangenen Jahrzehnten als umso wahrer erwiesen, als für konservative Anleger zunehmend die Notwendigkeit besteht, Aktien zu kaufen und sich somit wohl oder übel den Aufregungen und Versuchungen des Aktienmarktes auszusetzen. Mit Argumenten, Beispielen und Mahnungen hoffen wir, unseren Lesern dabei helfen zu können, die richtige mentale und emotionale Einstellung im Hinblick auf ihre Anlageentscheidungen zu entwickeln. Wir haben gesehen, wie »normale Leute«, die charakterlich gut für Geldanlage geeignet waren, mehr Geld verdienten und behielten als andere, denen es an dieser Eigenschaft fehlte, auch wenn sie über umfassendes Wissen über Finanzen, Bilanzierung und Börsenweisheiten verfügten.

Zusätzlich hoffen wir, im Leser die Neigung zum Messen oder Quantifizieren zu wecken. Für 99 von 100 Wertpapieren könnten wir sagen, dass sie bei irgendeinem Preis billig genug für einen Kauf und bei irgendeinem anderen Preis so teuer sind, dass man sie verkaufen sollte. Die Angewohnheit, den zu bezahlenden Preis ins Verhältnis zu dem zu setzen, was dafür geboten wird, ist in der Geldanlage von unschätzbarem Wert. In einem Artikel in einer Frauenzeitschrift haben wir Leserinnen vor vielen Jahre geraten, Aktien zu kaufen wie Lebensmittel, nicht wie Parfüm. Die wirklich schrecklichen Verluste der jüngeren Vergangenheit (und zu vielen früheren Zeiten) ereigneten sich bei Aktien, deren Käufer nicht fragten: »Was soll das kosten?«

Im Juni 1970 ließ sich die Frage »Was soll das kosten?« mit der magischen Zahl 9,40 Prozent beantworten – der Rendite, die Neuemissionen hochwertiger Anleihen von öffentlichen Versorgern einbringen. Mittlerweile ist sie auf 7,3 Prozent gesunken, aber selbst dieser Wert bringt uns in Versuchung, ihn für die alleinige Antwort auf alles zu halten. Aber es gibt noch andere mögliche Antworten, und diese müssen sorgfältig erwogen werden. Zudem möchten wir wiederholen, dass sowohl wir als auch unsere Leser im Voraus auf möglicherweise ganz andere Umstände zum Beispiel in den Jahren 1973 – 1977 vorbereitet sein müssen.

Aus diesem Grund werden wir recht detailliert ein Programm für eine Geldanlage in Aktien präsentieren, von dem ein Teil für beide Typen von Anlegern relevant ist und ein Teil hauptsächlich für die aktive Gruppe. Auch wenn es sonderbar erscheint: Wir werden als eine unserer wichtigsten Anforderungen vorschlagen, dass unsere Leser sich auf Papiere beschränken, deren Kurs nicht weit über ihrem Substanzwert liegt.11 Der Grund für diesen scheinbar altmodischen Rat ist sowohl praktisch als auch psychologisch. Die Erfahrung hat uns gelehrt, dass es zwar viele gute Wachstumsunternehmen gibt, die ein Vielfaches ihres Nettovermögens wert sind, dass der Käufer ihrer Aktien aber zu sehr abhängig ist von den Unwägbarkeiten und Schwankungen der Börse. Wer dagegen zum Beispiel in öffentliche Versorger ungefähr auf dem Kursniveau ihres Substanzwerts investiert, kann sich stets als Teileigentümer eines soliden und wachsenden Unternehmens verstehen, das zu einem vernünftigen Preis gekauft wurde – unabhängig davon, ob der Aktienmarkt vielleicht gegenteiliger Meinung ist. Letztendlich dürfte das Ergebnis einer solchen konservativen Strategie besser sein als das von spannenden Abenteuern auf glamourösen und gefährlichen Gebieten mit antizipiertem Wachstum.

Die Kunst der Geldanlage hat eine Eigenheit, die nicht überall gewürdigt wird: Schon mit einem Minimum an Aufwand und an Kompetenz kann ein Anleger als Laie ein vorzeigbares, wenn auch unspektakuläres Ergebnis erzielen; diesen leicht zu erreichenden Standard zu übertreffen, erfordert jedoch großen Einsatz und mehr als nur ein bisschen Klugheit. Wenn Sie lediglich versuchen, nur ein bisschen zusätzliches Wissen und Denken für Ihr Anlageprogramm aufzuwenden, könnte es Ihnen durchaus passieren, dass Sie schlechter abschneiden statt etwas besser.

Weil jeder – indem er schlicht eine repräsentative Auswahl von Aktien kauft und hält – die gleiche Performance erreichen kann wie die Marktdurchschnitte, könnte es vergleichsweise einfach erscheinen, »den Durchschnitt zu schlagen«. Tatsächlich aber ist der Anteil der klugen Menschen, die das versuchen und dabei scheitern, überraschend hoch. Selbst die Mehrheit der Fonds hat, mit all ihrem erfahrenen Personal, im Lauf der Zeit nicht so gut abgeschnitten wie der allgemeine Markt. Hier besteht ein Zusammenhang zu den von Brokerfirmen veröffentlichten Börsenprognosen, denn es gibt deutliche Belege dafür, dass diese Berechnungen etwas weniger zuverlässig waren als das schlichte Werfen einer Münze.

Beim Schreiben dieses Buches haben wir versucht, diese grundlegende Tücke der Geldanlage im Kopf zu behalten. Die Tugenden einer einfachen Portfoliopolitik – der Kauf von hochwertigen Anleihen sowie einer diversifizierten Liste von führenden Aktien – werden betont; jeder Anleger kann mit ein wenig professioneller Hilfe so vorgehen. Das Abenteuer, dieses sichere und solide Territorium zu verlassen, steckt voller Schwierigkeiten und Herausforderungen, insbesondere für den Charakter. Bevor der Anleger ein solches Wagnis angeht, sollte er sich seiner selbst und seiner Berater sicher sein – insbesondere mit Blick auf die Frage, ob er klar zwischen Geldanlage und Spekulation sowie zwischen Börsenkurs und zugrunde liegendem Wert unterscheiden kann.

Eine willensstarke Herangehensweise an Geldanlage, fest basierend auf dem Prinzip der Sicherheitsmarge, kann sich erheblich auszahlen. Doch die Entscheidung, sich an Zusatzerträgen zu versuchen, statt bei den gesicherten Früchten defensiver Geldanlage zu bleiben, sollte nicht ohne ein großes Maß an Selbstbetrachtung fallen.

Ein letzter retrospektiver Gedanke. Als der junge Autor im Juni 1914 an die Wall Street kam, hatte er keine Ahnung davon, was das nächste halbe Jahrhundert für ihn bereithalten würde (die Börse ahnte nicht einmal, dass zwei Monate später ein Weltkrieg ausbrechen und die New York Stock Exchange geschlossen würde). Heute, im Jahr 1972, finden wir uns im reichsten und mächtigsten Land der Welt wieder, das aber von großen Problemen aller Art geplagt wird und eher besorgt als zuversichtlich in die Zukunft blickt. Doch wenn wir unsere Aufmerksamkeit auf die Anlageerfahrung in den USA beschränken, bieten die vergangenen 57 Jahre einen gewissen Trost. Durch alle Wechselfälle und Unglücke hindurch, so markerschütternd wie unvorhergesehen, erwies es sich immer als wahr, dass solide Anlageprinzipien allgemein zu soliden Ergebnissen führten. Wir müssen auf Grundlage der Annahme agieren, dass dies so bleiben wird.

Hinweis für Leser: Dieses Buch behandelt nicht die gesamte Finanzpolitik für Sparer und Anleger; es beschäftigt sich nur mit dem Teil ihres Geldes, den sie in handelbare (oder einlösbare) Wertpapiere investieren wollen, also Anleihen und Aktien. Demzufolge sprechen wir so wichtige Instrumente wie Sparkonten und Festgeld, Sparverträge, Lebensversicherungen, Leibrenten sowie Hypotheken oder Beteiligungen nicht an. Der Leser sollte im Kopf behalten, dass Ende 1971 oder Anfang 1972 gemeint ist, wenn er im Text auf »heute« oder ähnliche Formulierungen trifft.

Kommentar zur Einleitung

Wenn du Schlösser in der Luft gebaut hast, muss deine Arbeit nicht verloren sein; genau dort gehören sie hin. Jetzt musst du die Fundamente unter ihnen errichten.

Henry David Thoreau, Walden

Beachten Sie, dass Graham von Anfang an sagt, dieses Buch werde Ihnen nicht erklären, wie Sie den Markt schlagen. Das kann kein ehrliches Buch.

Stattdessen wird Sie dieses Buch drei wertvolle Dinge lehren:

wie Sie die Wahrscheinlichkeit irreversibler Verluste minimieren können,

wie Sie die Chance auf nachhaltige Gewinne maximieren können,

wie Sie selbstschädigendes Verhalten kontrollieren können, das die meisten Anleger davon abhält, ihr volles Potenzial zu erreichen.

In den Boom-Jahren der späten 1990er-Jahre, als sich Technologieaktien quasi täglich verdoppelten, schien die Vorstellung absurd, man könnte an der Börse fast sein gesamtes Geld verlieren. Doch bis Ende 2002 hatten viele der Dotcom- und Telecom-Aktien tatsächlich 95 Prozent oder mehr ihres Wertes verloren. Wenn Sie einmal 95 Prozent Verlust gemacht haben, müssen sie 1900 Prozent gewinnen, nur um wieder auf den Ausgangswert zurückzukommen.12 Ein dummes Risiko einzugehen, kann Sie so weit zurückwerfen, dass es praktisch unmöglich ist, wieder aufzuholen. Aus diesem Grund betont Graham beständig, wie wichtig es ist, Verluste zu vermeiden – nicht nur in den Kapiteln 6, 14 und 20, sondern auch in Warnhinweisen, die er in den gesamten Text eingeflochten hat.

Trotzdem wird der Kurs Ihrer Geldanlagen unabhängig davon, wie sorgfältig Sie sind, von Zeit zu Zeit nachgeben. Dieses Risiko kann niemand eliminieren, doch Graham wird Ihnen zeigen, wie Sie damit umgehen können – und wie Sie Ihre Ängste unter Kontrolle bekommen.

Sind Sie ein intelligenter Anleger?

Beantworten wir jetzt eine Frage von entscheidender Bedeutung. Was genau meint Graham mit dem Ausdruck »der intelligente Anleger«? In der ersten Ausgabe dieses Buches hat er diesen Ausdruck definiert – und machte klar, dass Intelligenz hier nichts mit dem IQ oder mit Testergebnissen zu tun hat. Sie bedeutet schlicht, geduldig, diszipliniert und lernbegierig zu sein; Sie müssen Ihre Emotionen bändigen und für sich selbst denken können. Diese Art von Intelligenz, erklärt Graham, »ist eher eine Frage des Charakters als des Gehirns«.13

Es gibt Belege dafür, dass ein hoher IQ und gute Bildung nicht genügen, um einen Anleger intelligent zu machen. Im Jahr 1998 verlor der Hedgefonds Long-Term Capital Management L.P., unter der Ägide von einer Armee von Mathematikern, Informatikern und zwei Nobelpreisträgern in Wirtschaftswissenschaften, innerhalb von zwei Wochen mehr als 2 Milliarden Dollar mit einer riesigen Wette darauf, dass der Anleihemarkt zur »Normalität« zurückkehren würde. Stattdessen aber wich er immer mehr von der Norm ab – und LTCM hatte sich so viel Geld geliehen, dass sein Kollaps fast das globale Finanzsystem mit sich riss.14

Sogar schon im Frühjahr 1720 besaß Sir Isaac Newton Aktien der South Sea Company, der heißesten Aktie in England. Der große Physiker bekam das Gefühl, dass der Markt außer Kontrolle geriet, und murmelte, er könne »die Bewegungen von Himmelskörpern berechnen, nicht aber die Verrücktheit von Menschen«. Newton verkaufte seine South-Sea-Aktien, womit er sich 100 Prozent Gewinn in Höhe von 7000 Pfund sicherte. Doch nur Monate später ließ er sich von der ungezügelten Begeisterung am Markt anstecken und stieg zu einem viel höheren Kurs wieder ein – und verlor 20.000 Pfund (oder mehr als 3 Millionen Dollar zu heutigen Preisen). Für den Rest seines Lebens verbot er jedem, in seiner Gegenwart die Worte »South Sea« auszusprechen.15

Sir Isaac Newton war einer der intelligentesten Menschen, die je gelebt haben, wenn man nach der üblichen Definition geht. Doch für Grahams Begriffe war er weit entfernt von einem intelligenten Anleger. Indem er zuließ, dass die Masse seine eigene Einschätzung überstimmte, benahm sich der größte Wissenschaftler der Welt wie ein Dummkopf.

Kurz gesagt, wenn Sie mit der Geldanlage bislang keinen Erfolg hatten, liegt das nicht daran, dass Sie dumm wären. Es liegt daran, dass Sie wie Newton nicht die emotionale Disziplin entwickelt haben, die dafür erforderlich ist. In Kapitel 8 beschreibt Graham, wie Sie Ihre Intelligenz stärken, indem Sie Ihre Emotionen bändigen und sich weigern, sich der Irrationalität des Marktes zu beugen. Dort können Sie sich von ihm erklären lassen, warum es eher eine Frage des »Charakters« als des »Gehirns« ist, ein intelligenter Anleger zu sein.

Eine Chronologie der Katastrophen

Nehmen wir uns jetzt einen Moment Zeit, um uns einige der bedeutenden Finanzentwicklungen der vergangenen Jahre anzusehen:

Der schwerste Einbruch bei Aktien seit der Großen Depression; von März 2000 bis Oktober 2002 verloren US-Aktien 50,2 Prozent ihres Wertes – 7,4 Billionen Dollar.

Noch viel tiefere Einbrüche bei den heißesten Unternehmen der 1990er-Jahre, darunter AOL, Cisco, JDS Uniphase, Lucent und Qualcomm – sowie die vollständige Zerstörung Hunderter Internet-Aktien.

Anschuldigungen zu Finanzbetrug in massivem Ausmaß bei einigen der größten und angesehensten Unternehmen der USA wie Enron, Tyco und Xerox.

Insolvenzen von einst schillernden Unternehmen wie Conseco, Global Crossing und WorldCom.

Behauptungen, dass Wirtschaftsprüfer Bilanzen manipuliert und sogar Unterlagen zerstört hätten, um ihren Kunden bei der Irreführung der Öffentlichkeit zu helfen.

Vorwürfe, dass Topmanager bei führenden Unternehmen Hunderte Millionen Dollar für ihren persönlichen Vorteil abgezweigt hätten.

Belege dafür, dass Wertpapieranalysten an der Wall Street Aktien öffentlich anpriesen, im Privaten aber zugaben, dass diese Schrott waren.

Ein Aktienmarkt, der selbst nach einem haarsträubenden Rückgang gemessen an historischen Standards immer noch überbewertet erscheint, was für viele Experten dafür spricht, dass Aktien noch weiter fallen müssen.

Ein unerbittlicher Rückgang des Zinsniveaus, wodurch Anlegern keine attraktive Alternative zu Aktien bleibt.

Ein Anlageumfeld, das massiv unter dem Einfluss der unkalkulierbaren Bedrohung durch globalen Terrorismus und Krieg im Nahen Osten steht.

Wer als Anleger Grahams Grundsätze studiert und beachtet hat, konnte sich von vielen dieser Schadensfälle fernhalten (und tat es auch). Schließlich erinnerte er daran, »dass Begeisterung, auch wenn sie an anderer Stelle zu großen Erfolgen führen kann, an der Wall Street fast unweigerlich in einer Katastrophe endet«. Indem sie sich – bei Internet-Aktien, großen »Wachstumswerten«, Aktien überhaupt – mitreißen ließen, machten viele Leute dieselben dummen Fehler wie Sir Isaac Newton. Sie ließen die Einschätzungen anderer Anleger über die eigenen bestimmen. Sie ignorierten Grahams Warnung, dass »die wirklich schrecklichen Verluste« stets dann entstehen, wenn Anleger die Frage »Wie viel?« vergessen. Und am schmerzhaftesten: Indem sie ihre Selbstkontrolle ausgerechnet dann verloren, als sie am dringendsten gebraucht wurde, waren diese Menschen der lebende Beweis für Grahams Behauptung, dass »das größte Problem des Anlegers – und sogar sein schlimmster Feind – wahrscheinlich er selbst« ist.

Die sichere Sache, die keine war

Viele dieser Menschen ließen sich vor allem bei Technologie- und Internet-Aktien mitreißen, in dem Glauben an den Hightech-Hype, dass diese Branchen noch jahrelang schneller wachsen würden als alle anderen, wenn nicht für immer:

Im Mai 1999 hatte der Monument Internet Fund allein in den ersten fünf Monaten des Jahres eine Rendite von 117,3 Prozent erzielt, und sein Manager Alexander Cheung sagte voraus, dass er in den nächsten drei bis fünf Jahren 50 Prozent pro Jahr und »über die nächsten 20 Jahre« durchschnittlich 35 Prozent pro Jahr gewinnen würde.16

Nachdem der Amerindo Technology Fund im Jahr 1999 um unglaubliche 248,9 Prozent gestiegen war, machte sich sein Portfoliomanager Alberto Vilar über jeden lustig, der daran zu zweifeln wagte, das Internet sei eine ewig laufende Maschine zum Geldverdienen: »Wenn Sie nicht in diesem Sektor sind, werden Sie eine unterdurchschnittliche Performance erzielen. Sie haben einen Pferdewagen und ich einen Porsche. Sie mögen keine zehnfachen Wachstumschancen? Dann gehen Sie woanders hin.«17

Im Februar 2000 verkündete der Hedgefonds-Manager James J. Cramer, Unternehmen mit Internet-Bezug seien »die einzigen, deren Besitz sich derzeit lohnt«. Diese »Gewinner der neuen Welt«, wie er sie nannte, »sind die Einzigen, die in guten wie schlechten Zeiten konsistent weiter steigen werden«. Sogar einen Seitenhieb auf Graham leistete sich Cramer: »Sie müssen all die Vorlagen und Formeln und Texte wegwerfen, die es vor dem Web gab. (...) Wenn wir irgendetwas von dem beachtet hätten, was Graham und Dodd lehren, hätten wir keine 10 Cent zu verwalten.«18

Alle diese so genannten Experten ignorierten Grahams nüchtern warnende Worte: »Von der offensichtlichen Aussicht auf Volumenwachstum in einer Branche kann man nicht auf offensichtliche Gewinne für Anleger schließen.« Die Prognose, welche Branche am schnellsten wachsen wird, kann einfach erscheinen, doch das hat keinen echten Wert, wenn die meisten Anleger bereits die gleiche Erwartung hegen. Bis jeder den Schluss gezogen hat, dass eine bestimmte Branche »offensichtlich« die beste für ein Investment ist, wurden die Kurse ihrer Aktien bereits so weit nach oben getrieben, dass für die zukünftige Entwicklung nur noch die umgekehrte Richtung bleibt.

Zumindest vorerst traut sich jetzt niemand mehr zu behaupten, dass Technologie weiterhin die größte Wachstumsbranche der Welt sein wird. Aber achten Sie darauf, eines nicht zu vergessen: Diejenigen, die jetzt erzählen, dass die nächste »sichere Sache« Gesundheit oder Energie oder Immobilien oder Gold sein wird, werden am Ende mit nicht höherer Sicherheit Recht behalten, als es bei dem Hightech-Hyper der Fall war.

Der Silberstreif

Wenn für Aktien in den 1990er-Jahren kein Preis zu hoch erschien, erreichten wir 2003 den Punkt, an dem kein Preis niedrig genug war. Das Pendel schlug, wie es das laut Graham immer tut, zur anderen Seite aus, von irrationalem Überschwang zu ungerechtfertigtem Pessimismus. Im Jahr 2002 zogen Anleger 27 Milliarden Dollar aus Aktienfonds ab, und laut einer Umfrage der Security Industries Association hatte jeder Zehnte seine Aktienpositionen um mindestens 25 Prozent verringert. Dieselben Leute, die Ende der 1990er-Jahre unbedingt Aktien kaufen wollten, als deren Kurse stiegen und diese somit teurer wurden, verkauften Aktien, als die Kurse fielen und sie definitionsgemäß billiger wurden.

Wie Graham in Kapitel 8 brillant zeigt, ist das genau falsch herum gedacht. Der intelligente Anleger erkennt, dass Aktien bei steigenden Kursen riskanter werden, nicht weniger riskant – und risikoärmer, nicht -reicher, wenn die Kurse fallen. Der intelligente Anleger fürchtet Bullenmärkte, weil sie den Kauf von Aktien verteuern. Und umgekehrt sollten Sie (solange Sie genügend Liquidität haben, um ihren Ausgabenbedarf zu decken) einen Bärenmarkt willkommen heißen, denn durch ihn sind Aktien wieder im Sonderangebot zu haben.19

Also nur Mut: Der Tod eines Bullenmarktes ist nicht die schlechte Nachricht, für die jeder sie hält. Dank der gefallenen Aktienkurse ist dann eine bedeutend sicherere – und gesündere – Zeit angebrochen, um Vermögen aufzubauen. Lesen Sie weiter, dann erklärt Ihnen Graham, wie das funktioniert.

Kapitel 1

Geldanlage versus Spekulation: Welche Ergebnisse der intelligente Anleger erwarten kann

Dieses Kapitel skizziert die Standpunkte, die im Rest des Buches näher erläutert werden. Vor allem wollen wir zu Beginn unser Konzept einer angemessenen Portfoliopolitik für den privaten, nicht-professionellen Anleger entwickeln.

Geldanlage versus Spekulation

Was meinen wir mit dem Wort »Anleger«? In diesem Buch wird dieser Ausdruck als Gegensatz zum »Spekulanten« gebraucht. Schon im Jahr 1934 haben wir in unserem Lehrbuch Security Analysisiii versucht, den Unterschied zwischen beidem präzise zu definieren: »Geldanlage ist eine Aktivität, die nach gründlicher Analyse die Sicherheit des eingesetzten Kapitals und eine adäquate Rendite verspricht. Aktivitäten, die dieser Anforderung nicht entsprechen, sind Spekulation.«

An dieser Definition haben wir in den 38 darauffolgenden Jahren hartnäckig festgehalten, doch die radikalen Veränderungen, die es seitdem bei der Verwendung des Ausdrucks »Anleger« ansonsten gegeben hat, sind bemerkenswert. Nach dem großen Rückgang am Markt 1929 – 1932 wurde sämtlichen Aktien weithin ein spekulativer Charakter zugeschrieben (eine führende Autorität erklärte geradeheraus, nur noch Anleihen könnten zu Anlagezwecken gekauft werden).iv Also mussten wir unsere Definition damals gegen den Vorwurf verteidigen, sie lege den Begriff zu großzügig aus.

Inzwischen haben wir genau das entgegengesetzte Problem. Wir müssen unsere Leser davor bewahren, den üblichen Sprachgebrauch zu akzeptieren, nach dem alles und jeder an der Börse als »Anleger« bezeichnet wird. In unserer vorigen Auflage zitierten wir die folgende Überschrift eines Artikels auf der Titelseite der führenden Finanzzeitung im Juni 1962:

KLEINANLEGER PESSIMISTISCH: LEERVERKÄUFE IN GERINGEN STÜCKZAHLEN

Im Oktober 1970 wurden in einem Editorial derselben Publikation Personen kritisiert, die darin als »leichtsinnige Anleger« bezeichnet wurden, weil sie jetzt auf die Käuferseite strömten.

Diese Zitate zeigen deutlich, wie viele Jahre lang schon die Wörter »Geldanlage« und »Spekulation« durcheinandergebracht werden. Denken Sie an unsere oben aufgeführte Definition und vergleichen Sie sie mit dem Verkauf einiger Aktien durch eine unerfahrene Privatperson, der diese Aktien nicht einmal gehören und die hauptsächlich aus dem Gefühl heraus davon überzeugt ist, sie später zu einem niedrigeren Preis kaufen zu können (nicht unwichtig zu erwähnen ist, dass der Markt beim Erscheinen des ersten Artikels im Jahr 1962 bereits einen erheblichen Rückgang verzeichnet hatte und auf einen noch deutlicheren Aufschwung zusteuerte. Es war also eine denkbar schlechte Zeit für Leerverkäufe). Allgemeiner konnte man die später verwendete Formulierung »leichtsinnige Anleger« als lächerlichen Widerspruch in sich ansehen, ähnlich wie einen »verschwenderischen Geizhals« – wenn dieser Missbrauch von Sprache nicht so schädlich wäre.

Die Zeitung verwendete in diesen Artikeln das Wort »Anleger«, weil in der einfachen Sprache der Wall Street jeder ein Anleger geworden war, unabhängig davon, was er kauft, aus welchem Grund, zu welchem Preis und ob mit eigenem Geld oder auf Kredit. Vergleichen wir das mit der Haltung der Bevölkerung im Jahr 1948, als mehr als 90 Prozent angaben, den Kauf von Aktien abzulehnen.v Ungefähr die Hälfte nannte als Grund dafür »nicht sicher, ein Glücksspiel«, die andere Hälfte »nicht damit vertraut«.20 Dass Aktien in einer Zeit, in der sie zu überaus attraktiven Kursen zu haben waren und bald den größten Anstieg ihrer Geschichte beginnen sollten, allgemein als hochgradig spekulativ oder riskant angesehen wurden, ist eine Ironie des Schicksals (aber nicht überraschend). Andersherum machte später genau die Tatsache, dass sie auf ein Kursniveau stiegen, das im Vergleich zu früheren Erfahrungen zweifellos gefährlich hoch war, Aktien zu »Geldanlagen« und die gesamte aktienkaufende Bevölkerung zu »Anlegern«.

Die Unterscheidung zwischen Geldanlage und Spekulation war bei Aktien seit jeher nützlich, und ihr Verschwinden gibt Anlass zur Sorge. Wir haben mehrfach erklärt, dass die Wall Street als Institution gut beraten wäre, diese Unterscheidung wieder einzuführen und sie in ihrem gesamten Umgang mit der Öffentlichkeit zu betonen. Andernfalls könnten die Börsen eines Tages für schwere spekulative Verluste verantwortlich gemacht werden, weil Kunden, die sie erlitten haben, nicht ausreichend gewarnt wurden. Ebenfalls widersinnig: Ein Großteil der jüngsten Zahlungsschwierigkeiten bei manchen Börsenfirmen scheint durch die Aufnahme spekulativer Aktien in ihren eigenen Kapitalstock ausgelöst worden zu sein. Wir vertrauen darauf, dass Leser dieses Buches eine hinreichend klare Vorstellung von den Risiken bekommen werden, die mit Engagements in Aktien untrennbar verbunden sind. Diese inhärenten Risiken müssen in das Kalkül ebenso einbezogen werden wie die Chance auf Gewinne.

Was wir eben geschrieben haben, lässt erkennen: So etwas wie eine lupenreine Geldanlage mit Aktien gibt es möglicherweise nicht mehr – in dem Sinn, dass man nicht mehr stets abwarten kann, bis sich ein Preis für sie einstellt, bei dem kein Risiko für einen Kursrückgang in beunruhigendem Ausmaß mehr besteht. Der Anleger muss zur Kenntnis nehmen, dass in seinen Aktienpositionen zu den meisten Zeiten ein spekulativer Faktor enthalten ist. Seine Aufgabe besteht darin, diese Komponente innerhalb enger Grenzen zu halten und finanziell sowie psychologisch auf negative Entwicklungen vorbereitet zu sein, die von kurzer oder langer Dauer sein können.

Zwei Absätze seien noch zu Aktienspekulation im engeren Sinn hinzugefügt, zu unterscheiden von der spekulativen Komponente, die inzwischen auch normalen Aktien innewohnt. Reine Spekulation ist weder illegal noch unmoralisch noch macht sie (bei den meisten Leuten) die Geldbörse dicker. Mehr noch – manche Spekulation ist sogar notwendig und unvermeidbar. Denn in vielen Situationen besteht erhebliches Potenzial für Gewinne wie auch Verluste, und irgendjemand muss die darin liegenden Risiken auf sich nehmen.21 Es gibt intelligente Spekulation, so wie es intelligente Geldanlage gibt. Doch Spekulation kann auch auf vielerlei Weise unintelligent sein. Dazu zählen hauptsächlich: (1) Spekulieren und dabei glauben, man würde investieren, (2) ernsthaft spekulieren statt als Zeitvertreib, ohne über das nötige Wissen und Können zu verfügen, und (3) mehr Geld spekulativ aufs Spiel setzen, als man sich zu verlieren leisten kann.

Unserer konservativen Meinung nach sollte jeder nicht-professionelle Anleger, der Kredite22 einsetzt, sich darüber im Klaren sein, dass er damit automatisch zum Spekulanten wird, und es ist die Pflicht seines Brokers, ihn darüber aufzuklären. Jeder, der eine so genannte heiße Aktienemission oder etwas Ähnliches kauft, betreibt entweder Spekulation oder Glücksspiel. Spekulation ist stets faszinierend und sie kann großen Spaß machen, solange man in dem Spiel vorne liegt. Wenn Sie Ihr Glück versuchen wollen, legen Sie einen Teil Ihres Kapitals – je kleiner, desto besser – in einen eigenen Topf speziell für diesen Zweck. Zahlen Sie niemals zusätzliches Geld auf dieses Konto ein, nur weil die Börse gestiegen ist und Gewinne hereinströmen (in solchen Zeiten sollten Sie stattdessen darüber nachdenken, Geld aus dem spekulativen Topf herauszunehmen). Vermischen Sie Spekulation und Geldanlage niemals auf demselben Konto und auch nicht in irgendeinem Teil Ihres Denkens.

Welche Ergebnisse der defensive Anleger erwarten kann

Den defensiven Anleger haben wir bereits definiert als eine Person, die hauptsächlich an Sicherheit interessiert ist und keinen großen Aufwand treiben möchte. Welchen Weg sollte er generell einschlagen und was kann er unter »durchschnittlichen Normalbedingungen« erwarten – falls es diese überhaupt gibt? Um diese Fragen zu beantworten, möchten wir zunächst darauf eingehen, was wir vor sieben Jahren zu diesem Thema geschrieben haben, dann darauf, welche bedeutenden Veränderungen es seitdem bei den grundlegenden Faktoren gegeben hat, die über die zu erwartende Rendite bestimmen, und schließlich, was der betreffende Anleger tun sollte und was er unter den heutigen Bedingungen (Anfang 1972) erwarten kann.

1. Was wir vor sechs Jahren schrieben

Damals haben wir dem Anleger empfohlen, seine Positionen in hochwertige Anleihen (Renten) und führende Aktien aufzuteilen. Der Rentenanteil sollte nie unter 25 Prozent oder über 75 Prozent liegen, wobei das Umgekehrte entsprechend für den Aktienanteil gilt. Die einfachste Option bestünde darin, eine Aufteilung im Verhältnis 50:50 zu wählen und es mit Anpassungen wiederherzustellen, wenn es durch Marktbewegungen eine Verschiebung um beispielsweise 5 Prozent gegeben hat. Als alternative Regel könnte der Anleger seinen Aktienanteil auf 25 Prozent verringern, »wenn er das Gefühl hat, dass das Marktniveau gefährlich hoch ist«, und auf der anderen Seite das Maximum von 75 Prozent wählen, »wenn er glaubt, dass ein Kursrückgang Aktien zunehmend attraktiv macht«.

Im Jahr 1965 konnte der Anleger (in den USA, Anmerkung der Lektorin) mit hochwertigen steuerpflichtigen Anleihen ungefähr 4,5 Prozent verdienen und 3,25 Prozent mit guten steuerfreien Anleihen. Die Dividendenrendite bei führenden Aktien (mit dem Dow Jones Industrial Average bei 892 Punkten) betrug nur 3,2 Prozent. Dieser Umstand und andere sprachen für Vorsicht. Wir befanden, dass der Anleger »bei einem normalen Kursniveau am Markt« in der Lage sein müsste, eine anfängliche Dividendenrendite von 3,5 bis 4,5 Prozent auf seine Aktien zu erzielen und dazu einen stetigen Anstieg des zugrunde liegenden Wertes (sowie des »normalen Börsenkurses«) in ungefähr derselben Höhe, woraus sich eine Rendite aus Dividenden und Wertzuwachs von zusammen etwa 7,5 Prozent pro Jahr ergibt. In Kombination mit 50 Prozent Anleihen würden 6 Prozent Rendite vor Einkommenssteuer herauskommen. Die Aktienkomponente dürfte zudem ein ansehnliches Maß an Absicherung gegenüber einem Kaufkraftverlust durch ausgeprägte Inflation gewährleisten, fügten wir hinzu.

Dabei sollte erwähnt werden, dass diese Berechnungen auf der Erwartung von viel niedrigeren Zuwächsen am Aktienmarkt basierten, als sie zwischen 1949 und 1964 tatsächlich zu beobachten waren. Für börsennotierte Aktien insgesamt lagen sie im Durchschnitt bei deutlich über 10 Prozent, und weithin wurde als eine Art Garantie davon ausgegangen, dass man sich in Zukunft auf ähnlich befriedigende Ergebnisse verlassen könne. Nur wenige Personen waren bereit, ernsthaft die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass die hohen Anstiege der Vergangenheit bedeuten, dass die Aktienkurse »jetzt zu hoch« sind und dass deshalb »die wunderbaren Ergebnisse seit 1949 für die Zukunft nicht etwa sehr gute, sondern schlechte Ergebnisse erwarten lassen«.vi

2. Was seit 1964 passiert ist

Die bedeutendste Veränderung seit 1964 war ein Anstieg der Zinsen erstklassiger Anleihen auf ein Rekordniveau, auch wenn eine erhebliche Erholung eingetreten ist, seit sie 1970 ihre Tiefstkurse erreicht haben. Mit guten Unternehmen als Emittenten kann man derzeit rund 7,5 Prozent Rendite oder mehr gegenüber 4,5 Prozent im Jahr 1964 erzielen. Unterdessen ist auch die Dividendenrendite im Dow Jones inmitten der Kursverluste von 1969 bis 1970 merklich gestiegen. Doch während wir dieses Buch schreiben (der Dow steht bei 900 Punkten), beträgt sie weniger als 3,5 Prozent im Vergleich zu 3,2 Prozent im Jahr 1964. Die Veränderung des herrschenden Zinsniveaus führte im selben Zeitraum zu einem Rückgang von bis zu etwa 38 Prozent bei den Kursen von Anleihen mit mittlerer Laufzeit (um 20 Jahre).

Diese Entwicklungen haben etwas Paradoxes an sich. Im Jahr 1964 haben wir ausführlich die Möglichkeit diskutiert, dass die Aktienkurse zu hoch sein und letztlich einen heftigen Rückgang erleben könnten. Wir (und auch nicht irgendjemand sonst, von dem wir wüssten) zogen aber nicht konkret die Möglichkeit in Betracht, dass dies auch bei hochwertigen Anleihen passieren könnte. Zwar warnten wir (auf Seite 90), dass »der Kurs einer langfristigen Anleihe als Reaktion auf Zinsveränderungen erheblich schwanken« kann. Doch angesichts dessen, was seitdem passiert ist, glauben wir, dass wir diese Warnung – mit begleitenden Beispielen – nicht deutlich genug hervorgehoben haben. Denn Tatsache ist: Hätte der Anleger im Jahr 1964 zum Endstand von 874 Punkten eine bestimmte Summe in den Dow Jones investiert, hätte er damit bis Ende 1971 einen kleinen Gewinn gemacht. Selbst auf dem niedrigsten Punktestand (631 Punkte) von 1970 wäre der rechnerische Verlust niedriger gewesen als bei langlaufenden Anleihen guter Bonität. Hätte er seine festverzinslichen Anlagen dagegen auf US-Sparbriefe, kurzlaufende Unternehmensanleihen oder Sparkonten begrenzt, hätte er während der gesamten Zeit keinen Kursverlust mit seinem eingesetzten Kapital erlitten und höhere Einnahmen erzielt, als mit soliden Aktien möglich waren. Also erwiesen sich Geldwerte im Jahr 1964 als bessere Anlage denn Aktien – trotz Inflation, die der Theorie nach eher Aktien begünstigt. Der Wertverlust langlaufender börsennotierter Anleihen guter Bonität war auf Entwicklungen am Geldmarkt zurückzuführen, einem exotischen Segment, das normalerweise keine große Bedeutung für die Anlageentscheidungen von Privatanlegern hat.

Dies war nur eine weitere in einer endlosen Reihe von Erfahrungen, die zeigen, dass die Zukunft von Wertpapierkursen unvorhersehbar ist.23 Fast immer schwankten die Kurse von Anleihen deutlich weniger als die von Aktien, und meist konnten Anleger Papiere mit beliebiger Laufzeit kaufen, ohne sich Sorgen um Veränderungen ihres Marktwertes zu machen. Es gab wenige Ausnahmen von dieser Regel, und die Zeit nach 1964 erwies sich als eine davon. Über Veränderungen bei Anleihekursen haben wir in einem späteren Kapitel noch mehr zu sagen.

3. Erwartungen und Vorgehen Ende 1971 und Anfang 1972

Gegen Ende 1971 war es (in den USA, Anmerkung der Lektorin) möglich, mit hochwertigen Unternehmensanleihen mittlerer Laufzeit vor Steuern 8 Prozent Zinseinnahmen zu erzielen und steuerfrei 5,7 Prozent mit Anleihen von Bundestaaten oder Kommunen. Bei kürzeren Laufzeiten konnten Anleger ungefähr 6 Prozent mit US-Staatsanleihen realisieren, die nach fünf Jahren fällig wurden. Bei diesen Papieren muss sich der Käufer keine Gedanken über einen möglichen Kursverlust machen, denn die volle Rückzahlung einschließlich der 6 Prozent Zinsen ist zum Ende der relativ kurzen Laufzeit sicher. Der Dow Jones mit seinem erholten Stand von 900 Punkten bot im Jahr 1971 nur einen laufenden Ertrag von 3,5 Prozent.

Nehmen wir jetzt an, dass die grundlegende Entscheidung wie in der Vergangenheit darin besteht, wie Geld auf Anleihen guter Bonität (oder andere so genannte Geldwerte) und Standardwerte wie die Aktien im Dow Jones zu verteilen ist. Welchen Weg sollte der Anleger unter den herrschenden Bedingungen wählen, wenn es keinen klaren Grund dafür gibt, in näherer Zukunft eine erhebliche Bewegung nach oben oder unten zu erwarten? Dazu wollen wir zunächst festhalten, dass es für den defensiven Anleger möglich sein müsste, mit seinen Aktien die aktuelle Dividendenrendite von 3,5 Prozent und zusätzlich einen Wertzuwachs von im Durchschnitt