Die Gespielin - Fanny Lasalle - E-Book

Die Gespielin E-Book

Fanny Lasalle

4,9
9,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
  • Herausgeber: Goldmann
  • Kategorie: Erotik
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2011
Beschreibung

Sie ist die geheime Mätresse des Königs. Doch ihr wahres Verlangen gilt einem anderen

Die junge Waise Suzanne d’Aubry hat keine Wahl: Ohne Mitgift muss sie die Geliebte eines reichen Adeligen werden. In Paris lernt die lebenshungrige junge Frau die freizügigen Spiele der Aristokraten kennen und verbringt sinnliche Nächte als geheime Mätresse des Königs. Doch Suzanne treibt ein gewagtes Spiel: Unter falschem Namen will sie am Hof von Versailles herausfinden, wer schuld am Tod ihres Vaters ist, und bringt sich dadurch in große Gefahr. Womit sie nicht gerechnet hat, ist die Liebe. Der ebenso attraktive wie unverschämte Alexandre de Bournonville erobert ihr Herz, aber er scheint unerreichbar für sie …

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 566

Bewertungen
4,9 (16 Bewertungen)
14
2
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



FANNY LASALLE

Die Gespielin

Buch

Frankreich, 1733. Die zwanzigjährige Waise Suzanne d’Aubry ist endlich der Klosterschule entronnen, wo sie aufgewachsen ist, seit ihre Familie enteignet wurde und ihr Vater im Gefängnis starb. Nun hofft die lebenshungrige junge Frau, dass ihr Vormund, der Vicomte de Guéret, einen geeigneten Ehemann für sie auswählt – doch er hat andere Pläne: Sie soll die Geliebte eines reichen Adeligen werden, damit er in Versailles Karriere machen kann. Dass Suzanne schon während der Reise nach Paris ihre Unschuld verliert und bald darauf die freizügigen Spiele der Aristokraten kennenlernt, ahnt er nicht.

Und auch, dass Suzanne ein geheimes Ziel verfolgt, behält sie für sich: Sie will herausfinden, was ihr Vater verbrochen hat, und nimmt dafür einen falschen Namen an. Es gelingt ihr, die Aufmerksamkeit des Königs auf sich zu ziehen, der sie als seine geheime Mätresse an den Hof von Versailles holt. Doch obwohl sie mit dem König sinnliche Nächte verbringt, kann Suzanne ihre leidenschaftliche Begegnung mit Alexandre de Bournonville, dem Kommandanten der königlichen Leibwache, nicht vergessen. Ausgerechnet ihn stellt der König ihr als Aufpasser zur Seite, und Suzanne verstrickt sich in ein gewagtes Spiel …

Autorin

Fanny Lasalle ist das Pseudonym einer jungen deutschen Autorin, die bereits für ihre Kurzgeschichten ausgezeichnet wurde. »Die Gespielin« ist ihr erster Ausflug in die erotische Literatur. Fanny Lasalle arbeitete einige Zeit als Textildesignerin und lebt heute mit ihrer Familie in der Schweiz nahe der italienischen Grenze. Sie besitzt weder Haustiere noch Zimmerpflanzen, wodurch ihr ausreichend Zeit bleibt, ihre Fantasie schweifen zu lassen.

Fanny Lasalle

Die

Gespielin

Erotischer Roman

Originalausgabe

1. Auflage

Originalausgabe Januar 2012

Copyright © 2012 by Fanny Lasalle

Copyright © dieser Ausgabe 2012

by Wilhelm Goldmann Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Dieses Werk wurde vermittelt

durch die Literarische Agentur Michael Gaeb.

Umschlaggestaltung: UNO Werbeagentur, München

Umschlagfoto: © FinePic, München

AG · Herstellung: Str.

Satz: IBV Satz- u. Datentechnik GmbH, Berlin

ISBN: 978-3-641-06415-0

www.goldmann-verlag.de

Frankreich

März 1733



St. Agnes



Es gelang Suzanne tatsächlich, der Cellerarin den Schlüssel zu stehlen – auch wenn ihr Herz so schnell und heftig pochte, dass sie Angst hatte, Schwester Felizitas könnte davon aufwachen. Mit nackten Füßen tappte sie über den kalten Steinboden, was übertönt wurde vom lauten Schnarchen der Nonne. Dennoch wagte Suzanne kaum zu atmen, als sie nach dem Schlüsselbund griff, der auf dem Nachttisch lag, genau neben dem Kopf der Schlafenden. Ein Mondstrahl fiel schräg durch das kleine Fenster auf das kräftige Gesicht der Cellerarin. Es klirrte leise, und Suzanne erstarrte, aber nichts geschah. Es schien Stunden zu dauern, bis sie den eisernen Schlüsselring hochgehoben hatte. Als wäre er ein rohes Ei trug sie ihn vor sich her zur Tür, voller Angst, die Bestohlene könnte jeden Augenblick erwachen, doch sie schlüpfte ungesehen auf den Gang. Nun lief sie, so schnell sie konnte. Séraphine wartete im Kreuzgang, der still im Mondlicht lag, als wäre er verzaubert.

»Hast du ihn?« Séraphines Gesicht war angespannt. Sie hatte versucht, Suzanne davon abzubringen, den Schlüssel zu stehlen, hatte aber wie immer letztendlich nachgegeben und versprochen, ihr zu helfen.

Suzanne hielt den Schlüsselbund hoch. Der Triumph über den gelungenen Streich rann heiß durch ihre Adern. Sie hatte schon oft gegen die Regeln der Klosterschule verstoßen, aber was sie gerade getan hatte, war tolldreist. Sie unterdrückte ein Kichern, und dann huschten die beiden jungen Frauen in den Gemüsegarten. Wie aufregend es war, nachts außerhalb des Schlafsaals unterwegs zu sein! Suzanne dachte lieber nicht daran, wie viele Ave Maria sie beten müssten, falls sie erwischt würden. Vor der alten Gartenpforte machten sie Halt. Die niedrige Holztür war in die bemooste Mauer eingelassen, das Schloss verrostet und offensichtlich seit Langem nicht mehr benutzt worden. Hoffentlich hing der passende Schlüssel auch am Bund der Cellerarin, sonst war die ganze Mühe vergeblich gewesen.

»Suza, beeil dich doch!«, flehte Séraphine und sah immer wieder ängstlich zum Klostergebäude zurück, doch dort blieb alles dunkel. Suzanne begann, die Schlüssel nacheinander auszuprobieren, denn sie waren sämtlich unbeschriftet. Das Metall klirrte, und Suzanne zischte vor Ungeduld, weil keiner der Schlüssel zu passen schien. Sie merkte kaum, wie kalt es war und dass Séraphine in ihrem Leinenhemd begonnen hatte, mit den Zähnen zu klappern. Verbissen stieß sie einen Schlüssel nach dem anderen in das alte Schloss und drehte ihn. Endlich! Mit einem lauten Knacken öffnete es sich, und Suzanne drückte die Türe auf. Dahinter lag eine stille Straße, auf deren gegenüberliegender Seite auch wieder eine Mauer stand. Bei dem Gedanken daran, wer morgen Abend diese Straße entlanggehen und vor der Pforte auf sie warten würde, lächelte sie in sich hinein.

Einer plötzlichen Laune folgend machte Suzanne einen Schritt über die Schwelle hinaus auf die Straße.

»Heilige Muttergottes, komm wieder herein!«, flüsterte Séraphine. »Wenn dich jemand sieht!«

»Dann wird er glauben, er sähe ein Gespenst, und die Beine in die Hand nehmen!« Suzanne fasste die Zipfel ihres Nachthemdes und schwenkte sie. Séraphine fing an, hysterisch zu kichern.

Suzanne fühlte eine seltsame Mischung aus Anspannung, Neugier und Angst. Seit vierzehn Jahren hatte sie das Klostergelände nur selten verlassen, und niemals alleine. Nun könnte sie einfach davonlaufen, und niemand würde je erfahren, was aus ihr würde. Verwandte hatte sie nicht, und ihr Vormund kümmerte sich nicht darum, was mit ihr geschah. Er bezahlte zwar das Schulgeld, schrieb ihr aber weder Briefe, noch besuchte er sie. Suzanne wusste nur, dass Héctor de Gouzon, Vicomte de Guéret, ein Freund ihres Vaters gewesen war und sie nach dessen Tod hierhergebracht hatte. Sie erinnerte sich nur vage daran. Es war Nacht gewesen, sie hatte in einer schaukelnden Kutsche geschlafen, und vorher waren da Flammen gewesen, so nah, dass sie die Hitze auf ihrem Gesicht gespürt hatte. Soldatenstiefel, die die Treppe des Familienschlosses heraufpolterten, und einer der Fremden hatte die Apollo-Statue, die in der Eingangshalle stand, zerschmettert. Doch all diese Eindrücke wollten sich zu keinem Bild zusammenfügen. Was hatte ihr Vater getan, so dass Soldaten gekommen und alles in Brand gesetzt hatten? Sie hatte sogar die Mutter Oberin danach gefragt, aber auch die konnte Suzanne keine Antworten geben.

»Suza, bitte lass uns gehen!«, bat Séraphine erneut, und diesmal kehrte Suzanne zurück in den Garten. Sie schloss die Pforte sorgfältig ab, nahm den Schlüssel vom Bund und versteckte ihn in einer Mauerritze.

»Komm doch, bitte!« Séraphine ergriff ihre Hand und zog sie zurück zum Klostergebäude. Schwester Felizitas schlummerte selig in ihrer Kammer, und Suzanne legte den Schlüsselbund wieder genauso hin wie vorher. Als sie hinausschlich, fiel ihr Blick auf das Holzkreuz, das gegenüber dem Bett hing. Das Mondlicht fiel nun genau auf den beinahe nackten Körper des Erlösers. Suzanne bemerkte zum ersten Mal, wie schön er war, nicht leidend oder ausgemergelt, sondern kraftvoll und muskulös. Der Anblick ließ sie daran denken, was sie erwartete, und sie seufzte unwillkürlich auf. Schwester Felizitas grunzte im Schlaf und schreckte Suzanne auf. Lautlos huschte sie aus dem Zimmer.

Am nächsten Tag konnte Suzanne ihre Ungeduld kaum beherrschen. Sie wünschte, dass es Abend würde, und gleichermaßen fürchtete sie sich davor. Eine kurze Ablenkung gab es am Nachmittag, als unvermutet Nicole-Françoise de la Lande zu einem Besuch ins Kloster zurückkehrte. Nichts an ihr erinnerte mehr an die rotwangige Fünfzehnjährige, die vor drei Monaten mit ihren Eltern nach Paris aufgebrochen war. Ihre Haare waren aufgesteckt, unter dem winzigen Häubchen ringelten sich kokette Stirnlocken hervor. Ihre Augen waren dunkel umrandet, die Lippen hatten die Farbe überreifer Kirschen. Sie trug ein hellgrünes Kleid aus Atlasseide, an dem überall cremefarbene Spitze herunterrieselte, und ihre Brüste, die in Wirklichkeit allenfalls die Ausmaße von Mandarinen besaßen, waren dermaßen hochgeschnürt, dass sie so groß wie Pampelmusen wirkten.

»Sie ist wunderschön«, sagte Séraphine, die mit Suzanne etwas abseits stand, während die jüngeren Mädchen Nicole umringten, die ihre Huldigungen mit einer Anmut entgegennahm, die sie früher nicht besessen hatte. Schwester Fidelis, die die Aufsicht führte, ließ die Mädchen lächelnd gewähren.

»Nun sag schon, Nicole, wer ist es?«, drängte eines der jüngeren Mädchen. Nicole senkte in gespielter Schamhaftigkeit die Augen, konnte sich jedoch ein triumphierendes Lächeln nicht verkneifen.

»Louis Erasme, Marquis de Contades«, platzte sie heraus. »Wir werden uns im Mai offiziell verloben und im September heiraten. Mädchen, ich gehe nach Versailles!«

Nun wurde sie über jede Einzelheit ihres Pariser Aufenthalts ausgefragt. Sie bestätigte, dem König begegnet zu sein. Er habe sogar geruht, kurz stehen zu bleiben und ihre Schönheit mit einigen Worten zu würdigen.

»Er ist göttlich!«, schwärmte sie. »Seine Portraits zeigen nicht annähernd, wie groß und gutaussehend er ist.«

Während Nicoles Bewunderinnen verzückt seufzten, verdrehte Suzanne die Augen. »Göttlich!«, äffte sie Nicoles affektierten Tonfall nach und zog Séraphine, die sie fest untergehakt hatte, zum Springbrunnen in der Mitte des Klostergartens. Umgeben von einer Rosenhecke, bot ihr Lieblingsplatz Schutz vor Beobachtung. Sie ließen sich auf einer der Steinbänke nieder. Suzanne presste die Lippen zusammen. »Sie ist fünfzehn, und in einem halben Jahr wird sie die Marquise de Contades sein. Ich bin zwanzig, und so wie es aussieht, werde ich hier als alte Jungfer verschimmeln. Und du verlässt mich auch bald!«

Séraphine streichelte ihre Hand, und Suzanne wurde bewusst, wie alleine sie sein würde, wenn Séraphine auf das Schloss ihrer Eltern zurückkehrte.

»Ich will ja nicht weg von dir. Aber meine Eltern verlangen, dass ich nach Hause komme«, sagte Séraphine beinahe flehentlich.

»Und dann wirst du auch heiraten und Kinder kriegen und mich vergessen.« Sie drehte eine der braunen Locken, die sich unter ihrer Haube hervorgeschlängelt hatten, um den Finger. Die Vorstellung, noch jahrelang oder sogar für immer in St. Agnes bleiben zu müssen, war entsetzlich.

»Wer wird mich schon heiraten, ohne Mitgift«, lächelte Séraphine, deren Eltern zwar von altem Adel, aber vollkommen verarmt waren.

»Dir bleibt immerhin dein klangvoller Name«, erwiderte Suzanne dumpf. »Ich bin anscheinend eine Ausgestoßene, weil mein Vater irgendetwas Schreckliches angestellt hat. Mein Vormund scheint mich in dieser Gruft vergessen zu haben. Wahrscheinlich hofft er darauf, dass ich mich zur Nonne berufen fühle, wenn er mich nur lange genug hier lässt.«

Séraphine musste lachen. »Es gibt sicher niemanden, der weniger für das Klosterleben geeignet ist als du! Obwohl Baptiste bestimmt erfreut wäre, wenn du für immer hierbliebst.«

Sofort fühlte Suzanne sich besser. »Du lässt mich doch nachher nicht im Stich und passt auf?«

»Natürlich.« Séraphine drückte Suzannes Hand. »Auch wenn mir alle Glieder schlottern werden. Ich darf gar nicht daran denken, was geschieht, wenn wir erwischt werden.«

»Was sollen die Schwestern schon tun?« Suzanne machte eine verächtliche Geste. »Mehr als hinauswerfen können sie mich nicht.« Plötzlich wurde sie ganz still und biss sich auf die Unterlippe, während sie die Brunnenfontäne betrachtete, die in der kraftlosen Märzsonne glitzerte. Nach einiger Zeit des Nachdenkens entschied sie sich, das Wagnis einzugehen. Sie wandte sich Séraphine zu.

»Du musst etwas für mich tun«, sagte sie. »Schwöre, dass du mir hilfst.«

Und ohne zu wissen, was von ihr verlangt werden würde, nickte Séraphine.

»Bitte, tu es nicht«, bat Séraphine, als sie mit Suzanne sofort nach der Vesper aus der Kapelle huschte. In dem allgemeinen Durcheinander, das stets dem Abendessen vorausging, war es einfach, für kurze Zeit im dämmrigen Garten zu verschwinden.

»Du hast es geschworen«, erinnerte Suzanne die Freundin, und Séraphine folgte ihr schicksalsergeben.

Sie liefen an den leeren Kohl- und Rübenbeeten vorbei zu den Stangenbohnen, wo Séraphine zurückblieb, während Suzanne zur Pforte hinüberlief. Sie zog den Schlüssel aus seinem Versteck, öffnete und stand Baptiste gegenüber. Er hatte genau vor der Tür gewartet. Ihre Nase stieß gegen sein nicht gerade sauberes Hemd, das nach frischem Schweiß und Stall roch, und dann umfingen sie seine Arme. Er grinste auf sie herunter und fegte mit einer Kopfbewegung die Locken aus seiner Stirn. Es war das erste Mal, dass ein Mann sie umarmte, und es fühlte sich unbeschreiblich gut an. Wie etwas, nach dem sie sich gesehnt hatte, ohne zu wissen, was es war.

Sie umarmte ihn ebenfalls und schmiegte das Gesicht in seine Halsbeuge. Sie spürte die Muskeln unter seiner schäbigen Kleidung, was ganz köstliche Gefühle in ihr aufsteigen ließ, dann bot sie ihm die Lippen. Er küsste sie heftig und biss in ihre Oberlippe, bis sie Blut schmeckte. Suzanne wurde ganz weich unter seinen groben Zärtlichkeiten. Sie dachte an die Frauen, die er normalerweise berührte: Köchinnen, Wäscherinnen, Schankmädchen, und es gefiel ihr, sich zu fühlen wie eine von ihnen. Baptiste war es gleichgültig, wer sie war und was ihr Vater getan haben mochte.

Sie zog ihn in den Garten und lehnte die Pforte an. Kein Vorübergehender würde ahnen, was hinter der Gartenmauer des Klosters geschah. Baptistes Augen wurden dunkel vor Begehren. Er drückte Suzanne gegen die Mauer und schob ihr ein Knie zwischen die Schenkel. Seine Hand raffte den Saum ihres Kleides, dann spürte sie seine rauen, schwieligen Hände auf ihrer weichen Haut. Sie flüsterte seinen Namen. Seine Hand umrundete ihren Schenkel, wanderte höher und packte ihr unter den Röcken nacktes Gesäß. Suzanne stöhnte auf, da legte er ihr seine andere Hand auf den Mund.

In Baptistes Armen spürte sie zum ersten Mal den Sog des Begehrens, diesen dunklen See, der sie dazu verlockte, sich hineinfallen zu lassen, selbst wenn sie darin ertrinken mochte. Baptistes warmer Mund lag an ihrem Hals, seine Locken kitzelten sie am Kinn. Sie legte den Kopf zurück und sah in den farblosen Himmel, der vom Geäst eines kahlen Birnbaums zerteilt wurde. Die Kälte der Mauersteine durchdrang ihr Kleid, aber sie wünschte sich, dieser Augenblick könnte währen bis in alle Ewigkeit. Sie seufzte, als seine Finger unter ihr Schultertuch fuhren.

Zum ersten Mal gesehen hatten sie sich am Kücheneingang, der auf den Wirtschaftshof führte. Die Lieferanten waren die einzigen Männer, die das Kloster betreten durften. Schwester Bernadette hatte bis über die Ellbogen in Teig gesteckt, die beiden Küchenmädchen waren verschwunden, und deshalb hatte sie Suzanne gebeten, an die Tür zu gehen, obwohl Schülerinnen jeder Umgang mit Außenstehenden verboten war. Da, zwei tote Hühner im Arm, hatte Baptiste gestanden, mit wilden, schwarzen Locken und noch schwärzeren Augen, Sommersprossen auf der Nase und einem Lächeln, das einem König angestanden hätte. Sie hatten sich angeblickt, und nach wenigen Wimpernschlägen wusste Suzanne, dass sie alles daransetzen würde, ihn wiederzusehen.

Schließlich war es lächerlich einfach gewesen, das einzurichten. Ein Küchenmädchen wurde mit Naschwerk bestochen, mündliche Botschaften zu übermitteln, Suzanne hatte den Schlüssel gestohlen, und nun waren sie beide hier, an der Mauer, und pressten sich aneinander.

Seine Hand wollte weiter vordringen und schob sich zwischen ihren Schenkeln aufwärts, doch Suzanne presste die Beine zusammen. Sie mochte es, geküsst und berührt zu werden, aber das hier machte ihr Angst. Auch als Baptiste versuchte, ihre Hand an seinen Schritt zu führen, zuckte sie zurück.

»Nicht«, murmelte sie und bot ihm als Ausgleich einen Kuss. Baptiste gehorchte, denn er wusste wohl, dass bei diesem Spiel Suzanne die Regeln festlegte, selbst wenn sie sich ihm auszuliefern schien. Wollte er sie wiedersehen, musste er sich daran halten. Er stöhnte leise, während er seine Zunge über ihren Hals gleiten ließ. Ein Schauer der Lust durchrieselte Suzanne. Wie schade war es, dass ihre erste Begegnung wahrscheinlich auch ihre letzte sein würde!

Sie verloren sich in Zärtlichkeiten, aber gelegentlich warf Suzanne einen Blick auf Séraphine, die hinter den Bohnenstangen auf Marie Veyrac wartete, Suzannes Erzfeindin, der sie den Spitznamen »Die Heilige« angehängt hatte. Séraphine hatte ihr erzählen müssen, sie habe ihr etwas ungeheuer Aufregendes zu zeigen. Auf Maries Neugier war immer Verlass. Schon sah Suzanne sie vom Kreuzgang herüberkommen und sich suchend umblicken. Kaum erspähte sie Suzanne mit Baptiste neben der Pforte, schlug sie die Hand vor den Mund und suchte Deckung hinter einem blattlosen Haselstrauch. Dort blieb Marie lange genug, um mit anzusehen, wie Baptiste seine Hand in Suzannes Dekolleté schob. Erst dann drehte sie sich um und rannte zurück zum Kloster, als wäre der Leibhaftige hinter ihr her.

Nun würde es nicht mehr lange dauern, bis sie kamen. Baptiste, der nicht ahnte, dass er benutzt wurde, um Suzanne die Flucht aus dem Kloster zu ermöglichen, sollte dann nicht mehr bei ihr sein. Sie wollte ihm keinen Ärger einbrocken.

»Du musst gehen«, murmelte sie. »Da kommt jemand!«

Baptiste nahm sich noch die Zeit, sie ein letztes Mal zu küssen, während Suzanne ihn schon durch die Pforte drängte. Geschwind drehte sie den Schlüssel, lehnte sich mit dem Rücken gegen das Holz und sah ruhig Schwester Felizitas entgegen, die mit wehendem Schleier auf sie zukam.

Die Oberin saß über ihren Schreibtisch gebeugt. Durch ein hochgelegenes Fenster hinter ihr fiel ein schwacher Sonnenstrahl auf den Steinboden. Vor ihr lag das ledergebundene Ausgabenbuch. Durch die halb offene Tür drang entferntes Lachen herein, und die Oberin bat Schwester Felizitas, sie zu schließen. Die dicke Nonne, außer Atem und hochrot im Gesicht, ließ nur widerwillig Suzanne los, ganz so, als könnte die Delinquentin davonfliegen. Suzanne rieb sich den Arm und beobachtete die Belustigung in den Augen der Oberin, als die dicke Nonne wieder vor ihren Tisch kugelte.

»Schwester Oberin, es ist unerhört!«, stammelte diese. »Ich habe so etwas noch nie … in zwanzig Jahren nicht … unsittlich …« Sie keuchte, unfähig weiterzusprechen.

Die Oberin legte die Feder weg, lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und schob die Hände in die Ärmel ihres Gewandes. »Beruhigt Euch, Schwester«, sagte sie gelassen. »Und dann berichtet, was Euch so in Aufregung versetzt hat.«

»Dieses Mädchen! Es ist zu schrecklich, ich kann es nicht aussprechen!«

»Das werdet Ihr wohl müssen, wenn ich verstehen soll, worum es geht.«

»Marie hat beobachtet, wie Suzanne mit dem Jungen, der die Hühner liefert, herumpoussiert hat. Sie hat ihm die hintere Gartenpforte geöffnet. Sie haben sich – gütiger Gott –, sie hat zugelassen, dass dieser Schmutzfink sie berührt!«

Die Oberin richtete sich auf und sah Suzanne scharf an. »Stimmt das?«

Suzanne nickte schweigend.

»Marie sagt, sie sagt, er habe ihre – Heilige Mutter, steh mir bei –, ihre Brüste berührt und auch ihre Schenkel unter dem Kleid!« Schwester Felizitas sank zusammen wie ein Ballon, aus dem die Luft entweicht.

»Hat er dir Gewalt angetan?«, forschte die Oberin.

»Nein«, murmelte Suzanne. Die Oberin sank in ihrem Lehnstuhl zurück.

»So etwas musste ja früher oder später passieren«, sagte sie wie zu sich selbst, dann sah sie Suzanne fest in die Augen. »Wenn du bestätigst, dass der Hühnerlieferant dich gegen deinen Willen berührt hat, wirst du nicht bestraft, mein Kind.«

»Ich bin doch kein Kind mehr!«, rief Suzanne. »Ich bin bald einundzwanzig Jahre alt und sollte schon längst verheiratet sein!« Ein Zorn wallte in ihr auf, den sie nicht länger unterdrücken konnte. Sie stampfte mit dem Fuß auf. »Ich werde hier eingesperrt für etwas, das mein Vater getan hat, obwohl ich nicht einmal weiß, was das war. Soll ich mein Leben hinter Klostermauern verbringen, nur damit der Name d’Aubry für immer vom Erdboden getilgt wird? Ist das der Plan, den ihr alle verfolgt?«

Die Oberin blieb äußerlich ruhig. »Suzanne, ich weiß ebenso wenig wie du, was dein Vater getan hat, das rechtfertigte, sein Schloss niederzubrennen und seine Ländereien zu konfiszieren. Aber du bist hier nicht eingesperrt, sondern dein Vormund bezahlt nicht wenig Geld, um dir hier die einer jungen Edeldame angemessene Erziehung angedeihen zu lassen.«

Suzanne drängte die Tränen zurück. Sie wollte vor Schwester Felizitas, die sie hasste, keine Schwäche zeigen, aber ihre Stimme klang gepresst, als sie der Oberin antwortete.

»Und wie lange soll diese Erziehung dauern? Bis ich klein beigebe und den Schleier nehme?«

Zu ihrem Erstaunen lächelte die Oberin.

»Davor möge der Herr dich und uns bewahren. Aber wie lange du hierbleibst, ist deinem Vormund überlassen.«

»Mein Vormund schreibt mir ja nicht einmal, er hat gar kein Interesse an mir!«

»Es war sehr großzügig von Vicomte de Guéret, dich als Mündel anzunehmen«, erwiderte die Oberin. »Er muss ein guter Freund deines Vaters gewesen sein, und du bist ihm ganz sicher nicht gleichgültig, sonst hätte er nicht für dich gesorgt. Überlege einmal, was ohne seine Hilfe aus dir geworden wäre.«

Suzanne senkte den Kopf. Sie musste der Oberin Recht geben. Aber es machte sie rasend, dass dieser Vicomte, an den sie sich nicht einmal richtig erinnern konnte, über sie bestimmen durfte, wie es ihm gefiel.

»Es tut mir leid, Ehrwürdige Mutter, ich war undankbar. Jetzt werdet Ihr mich sicher bestrafen.« Suzanne ließ den Kopf hängen. Bestrafung bedeutete meistens, eine Nacht lang auf den Knien vor dem Altar zu liegen und mit klappernden Zähnen ein Ave Maria nach dem anderen herunterzuleiern. Umso überraschter war sie, als sie die nächsten Worte der Oberin vernahm.

»Nein, ich werde dich nicht bestrafen. Denn du hast Recht: Für dich ist es Zeit, diese Schule zu verlassen. Ich werde deinem Vormund schreiben und ihn bitten, dich abzuholen.«

Der Plan des Vicomte



Suzanne war reisefertig. Ihre kleine Tasche stand neben ihr auf dem Steinboden, sie trug das schlichte blaue Kleid der Klosterschülerinnen und hatte ihre Haare mehr schlecht als recht unter der Haube versteckt. Erwartungsvoll starrte sie die Tür an, die in die Freiheit führte. Aber es mischte sich auch Angst in ihre Neugier auf die Zukunft, die in wenigen Augenblicken beginnen würde. Seit sie sechs Jahre alt war, hatte sie im Kloster gelebt, und an die Zeit davor hatte sie nur vage Erinnerungen. St. Agnes war alles, was sie von der Welt kannte, und obwohl sie kaum erwarten konnte, von hier fortzugehen, war es doch das einzige Zuhause, an das sie sich erinnern konnte.

Am schwersten fiel ihr die Trennung von Séraphine, die aber ohnehin bald auf das elterliche Schloss zurückkehren würde. Sie hatten die ganze letzte Nacht zusammen geweint und sich versprochen, so oft wie nur möglich Briefe zu wechseln.

Die Oberin bemerkte Suzannes umherirrenden Blick, lächelte herzlich und strich ihr über die Wange.

»Wir wissen beide, dass es so am besten ist. Doch solltest du einmal eine Zuflucht brauchen, wird unsere Tür dir immer offen stehen.«

»Danke, Ehrwürdige Mutter.« Suzanne küsste die Hand der Oberin. In diesem Moment klopfte es an die Tür.

»Geh mit Gott, mein Kind«, sagte die Oberin. Schwester Immaculata öffnete die Tür, und Suzanne trat hinaus ins Freie.

Vor ihr am Straßenrand wartete eine Kutsche, auf den Türen prangte das Wappen derer von Gouzon. Im Inneren erkannte Suzanne die Silhouette eines Mannes. Ein Diener nahm ihr die Tasche ab, öffnete den Schlag und klappte die kleine Treppe herunter. Suzanne stützte sich beim Einsteigen leicht auf seine Hand. Kaum hatte sie sich gesetzt, fuhr die Kutsche mit einem Ruck an.

Verlegen sah Suzanne ihren Vormund an, den sie seit vierzehn Jahren nicht mehr gesehen hatte. Héctor de Gouzon, Vicomte de Guéret mochte am Ende seiner Dreißiger sein, sein Haar war bereits eisgrau, jedoch füllig genug, dass er auf eine Perücke verzichten konnte. Er betrachtete Suzanne mit einem ausdruckslosen Blick, der keine Regung erkennen ließ.

»Guten Tag, Vormund. Ich freue mich, Euch zu sehen«, sagte Suzanne zurückhaltend und blickte auf ihre Knie.

»Herr im Himmel«, sagte er nach einer Weile. »Was ist im Kloster mit dir geschehen?«

»Was ist denn, Vormund?«, erkundigte sich Suzanne ängstlich.

»Wo ist das zerzauste kleine Ding, das ich den Schwestern in Obhut gab?« Der Vicomte lächelte jetzt. »Stattdessen sehe ich ein Juwel vor mir! Wenn auch die Fassung etwas überarbeitet werden muss«, fügte er mit einem Blick auf ihr Kleid hinzu.

»Vielen Dank, Vormund«, antwortete sie und fühlte sich sofort besser. Zum ersten Mal in ihrem Leben hatte ihr ein Mann ein Kompliment für ihr Aussehen gemacht. Im Kloster hatte sie gelernt, ihrem Äußeren keinen Wert beizumessen, dennoch hatte sie sich oft heimlich in Fensterscheiben betrachtet. Séraphine hatte behauptet, sie sei hübsch. Aber Suzanne hatte ihrer elfenhaften, goldblonden Freundin nie ganz glauben mögen. Doch die Bewunderung in den Augen ihres Vormunds bestätigte ihr, dass sie schön war, und ließ sie vor Freude erröten.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!