Die Glücksgalaxie - Geri G - E-Book

Die Glücksgalaxie E-Book

Geri G

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Beschreibung

Die Glücksgalaxie Ben Vogler steckt gerade in einer Lebenskrise. Job und Freundin sind weg. Nach einer durchzechten Nacht hatte er nur eines im Sinn: einen ruhigen Sonntag zu verbringen und seinen Mordskater auszukurieren. Als er sich plötzlich mit einer seltsamen Begegnung konfrontiert sieht, wird sein bisheriges Leben ordentlich durcheinandergewirbelt. Mithilfe des kleinen Außerirdischen Gulup reist der Erdling an die verschiedensten Orte, denn der Extraterrestrische hat eine Mission zu erfüllen, von deren Ausgang das Schicksal von Planeten abhängt und somit auch das der Erde…. Plus Anhang: Gedanken zu einer besseren Gesellschaft im 21. Jahrhundert.

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Seitenzahl: 303

Veröffentlichungsjahr: 2022

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geri

Die Glücksgalaxie

Kapitel 1: Vorgeschichte

Vier Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt befindet sich die Glücksgalaxie und in ihr der Planet Plantopia. Die Bewohner dieses Planeten gaben der Galaxie diesen Namen, nachdem sie es geschafft hatten, sich enormen Wohlstand zu erarbeiten. Habgier, Neid und das Misstrauen gegenüber fremden Völkern brachten vor langer Zeit Plantopia an den Rand des Untergangs. Doch die Plantopianer dachten um, denn die Probleme in der Gesellschaft, in der Ökologie und in der Ökonomie in jener Zeit verschlimmerten sich zusehends. Durch Umweltzerstörung kam das ökologische Gleichgewicht des Planeten ins Wanken. Naturkatastrophen und Epidemien nahmen zu, starke Temperaturschwankungen und veränderte Jahreszeitenwechsel wurden registriert. Gewalt, Korruption, Armut und Arbeitslosigkeit nahmen ein unerträgliches Ausmaß an. Auf unzähligen Konferenzen im Lauf der nächsten Monate besannen sich die Plantopianer wieder auf die Überlieferungen ihrer Vorfahren: im Einklang mit der Natur zu leben und seine Mitbürger zu respektieren, unabhängig von ihrer Rasse, Herkunft oder Religion. Eine Lösung der Probleme war aber noch in weiter Ferne. Sie mussten die Ideen ihrer Vorfahren in ein modernes Gewand packen, denn nur so konnten Fortschritt und Wohlstand garantiert werden. Die Vorfahren der Plantopianer betrieben regen Handel untereinander, ohne dass sie jemals Geld dafür benötigten. Sie tauschten Waren und Lebensmittel oder halfen sich gegenseitig beim Hausbau. „Konnte dies wirklich funktionieren?“, dachten sich die Plantopianer vor 1000 Jahren. „Eine moderne Gesellschaft ohne Geld?“ Und die einfache Antwort lautete: Ja. Geld wurde nun nicht mehr in den Vordergrund des gesellschaftlichen Handelns gestellt, sondern das Ziel eines jeden Plantopianers war nun, sich selbst zu verbessern und anderen zu helfen. Es dauerte einige Jahrzehnte bis dieses Konzept vollständig umgesetzt werden konnte und in den darauf folgenden Jahrhunderten wurde die Idee einer besseren Welt durch technischen Fortschritt perfektioniert. Sie nannten es schließlich “Den Großen Wechsel”. Große Veränderungen brauchen auch immer einen Namen für die Geschichtsbücher. Die Plantopianer der Gegenwart besaßen einen hohen Lebensstandard und betrieben regen Handel mit anderen Planetenvölkern. Es herrschte einige Jahre Frieden in der Glücksgalaxie.

Bis eines Tages ein Finsterling namens Mondragor die Macht durch einen Militärputsch auf dem Nachbarplanet Botók ergriff. Er errichtete eine Diktatur und wollte die Herrschaft über die gesamte Glücksgalaxie erreichen. Vor allem Plantopia stand ganz oben auf seiner Eroberungsliste, denn dort gab es immer noch große Gold- und Diamantvorkommen. Hinzukommt, dass der Planet Botók seit dessen Machtübernahme durch Ausbeutung und Umweltzerstörung fast unbewohnbar geworden ist, ähnlich der Situation Plantopias in der Vergangenheit. Die Botókianer brauchten neuen Lebensraum. Doch nach einer verlustreichen Weltraumschlacht musste der Diktator kapitulieren. Er wurde verhaftet, von einem Kriegsgericht verurteilt und ins Exil geschickt.

Im Exilgefängnis traf Mondragor auf einen Mithäftling namens Raro Raraku, einem ehemaligen, dubiosen Waffenhändler und -schmuggler. Vor seiner Inhaftierung kam jener Raro in den Besitz von digitalen Bauplänen für eine Waffe, mit der man ganze Planetenvölker auf einmal auslöschen kann. Für den Fall, dass beide irgendwann freikommen, versprach er, Mondragor die Daten, die er an einem geheimen Ort versteckt hielt, zu überlassen. Aber nur für ein hübsches Sümmchen als Entlohnung: eine Milliarde Space-Dollar. Der Diktator konnte schließlich mithilfe von Gesinnungsgenossen dem Exil wieder entfliehen und schwor, sich an allen Völkern der Galaxie zu rächen, die am Weltraumkrieg gegen ihn gekämpft hatten. Sein Hauptziel war allerdings immer noch, neue Rohstoffgebiete auszubeuten und ein neues Reich aufzubauen, für sich und seine Gefolgsleute, die den Krieg überlebt hatten. Der Waffenhändler Raraku wurde ebenfalls befreit und schloss sich Mondragors Leuten an. Sie flüchteten mit einem gekaperten Raumschiff zu Raros Geheimversteck, einen abgelegenen Planeten mit Namen Silenzio, auf dem der Diktator sich die Daten der Waffe vom Schmuggler bereits gewaltsam verschaffen konnte. Allerdings hatte Raro die Bauplandaten verschlüsselt und so gelang es dem Händler, schließlich sein Geld zu bekommen. Aber bei der Software dieser Daten gab es noch einen Haken. Sie konnten von einem Computer nur gelöscht werden, wenn sie vorher auf ein anderes System kopiert worden sind. Diese Tatsache würde für Mondragor noch zum Problem werden. Im Gegenzug bekam Mondragor nun den Entschlüsselungscode von Raro übermittelt, jedoch konnte er mit den Daten noch wenig anfangen. Er brauchte erst die besten Techniker, die aus dem Bauplan auch die zerstörerische Waffe entwickeln konnten. Material für den Bau der Waffe und Geld konnte er sich jederzeit durch Raubüberfälle verschaffen. Das Heer von Sklavenarbeitern, das für den Bau auch noch notwendig war, würde er sich auch noch beschaffen können. Die großen Raumtransporter auf den Handelsrouten zwischen den Planeten versprachen fette Beute. Mondragor schaffte es schließlich, einige renommierte Wissenschaftler aus der gesamten Galaxie und deren Familien zu entführen. Auf Silenzio gab es einen alten, verlassenen Gebäudekomplex zur Weltraumerkundung, den Raro ihm verraten hatte. Die technische Einrichtung der Station war aber immer noch intakt. Die Wissenschaftler wollten jedoch verhindern, dass der brutale Despot eine solche gigantische Waffe in die Hände bekommt. Sie bewerkstelligten es, die enorme Datenmenge auf sechs verschiedene Speicherwürfel zu kopieren und die digitalen Originaldaten zu löschen. Die Würfel, die eigentlich einmal dafür gedacht waren, Daten zur Galaxieerforschung aufzunehmen, steckten sie hektisch in sechs intergalaktische Sonden, denn ihr Handeln konnte jederzeit von Mondragors Wachleuten entdeckt werden. Die Wissenschaftler programmierten schnell die Zielkoordinaten für die Sonden ein und speicherten die Koordinaten ihres Aufenthaltsortes ab, dabei kam es allerdings zu Fehlern. Eine zusätzliche siebte Sonde hatte die Koordinaten der anderen Sonden und Frequenz von deren Sondentarnschilde gespeichert. Dieser siebte Flugkörper erreichte als einziger sein Ziel: Plantopia. Die anderen sechs Flugkörper nahmen Kurs in Richtung Milchstraße, obwohl sie eigentlich befreundete Planetenvölker innerhalb der Glücksgalaxie erreichen sollten. Das siebte Fluggerät sollte zudem noch die Koordinaten des geheimen Aufenthaltsortes der Techniker enthalten, aber diese Daten wurden ebenfalls auf die anderen sechs Würfel verteilt. Die Geschichte nahm jetzt ihren Lauf.

Gulup, ein renommierter Physiker im Dienste des Militärs, hatte einen Vorfahren, der an der Konzeption des „Großen Wechsels“ beteiligt war. Außerdem hatte er in der erfolgreichen Weltraumschlacht gegen Mondragor und dessen Truppen mitgewirkt und sich den Rang eines Generals erworben. Die wichtigsten Persönlichkeiten Plantopias beschlossen nun in einer Krisenkonferenz, General Gulup solle mit einem kleinen Team die anderen Sonden suchen und die Daten der furchtbaren Waffe sicherstellen. Sie waren sich sicher, dass jemand mit solchen Ahnen und enormen technischem wie militärischem Sachverstand dieser Aufgabe gewachsen war. Auch Mondragor und seine Offiziere waren auf dem Weg zur Milchstraße, da sie die Koordinaten im Computer der Sondenabschussrampe entdeckten. Für diesen Sabotageakt ließ Mondragor jeweils ein Familienmitglied eines Wissenschaftlers hinrichten. Die Wissenschaftler selbst aber würde er noch brauchen. Mehrere dieser Koordinaten zielten nur auf einen Ort: dem dritten Planet eines Sonnensystems in der Milchstraße, namens Erde. Dort würde auch seine Suche beginnen.

Und so kam es, dass eine der sechs Sonden zunächst unbemerkt im nahegelegenen Wald eines Bauernhofes landete. Jede Sonde hatte eine Tarnvorrichtung, so dass das Radar der Erdenbewohner sie eigentlich nicht erfassen konnte. Die Technik der Außerirdischen war derjenigen der Erdenbewohner etwa um 1000 Jahre voraus. Nur die Außerirdischen vom Planet Plantopia kannten die genaue Frequenz des Tarnschildes und so konnten sie die Landungsorte der Sonden genau bestimmen, im Gegensatz zu Mondragor und seinen Leuten, die „nur“ auf die Ortsangaben angewiesen waren. Das plantopianische Bergungsteam hatte damit einen zeitlichen Vorteil gegenüber den Botókianern.

Auf der nördlichen Erdhalbkugel war es gerade Samstagabend, als die Intergalaxis-Sonde in die Atmosphäre eintauchte. Durch heftige Turbolenzen in den oberen Luftschichten landete das Fluggerät einige Kilometer abseits des eingespeicherten Landepunktes. Das Gerät hatte, durch das Energiefeld des Schildes geschützt, die Reise durch das Wurmloch heil überstanden. Auch die anderen Sonden kamen gemäß den Zielkoordinaten zunächst unbeschadet an. Die hochentwickelten Kulturen der Glücksgalaxie hatten Antriebe für Fluggeräte gebaut, die es ihnen ermöglichte, große Entfernungen in kurzer Zeit im Weltraum zurückzulegen. Man konnte sogenannte stabile Wurmlöcher erzeugen, die den Raum krümmen und so große Distanzen enorm verringern können. Man kann sich das beispielsweise so vorstellen: man betrachtet den Weg über ein gefaltetes Blatt Papier. Statt auf dem Papier zu bleiben, kann man auch einfach ein Loch ins Papier bohren und damit die darangefaltete andere Seite schneller erreichen.

Die Sonde mit einem Teil der Waffenbaupläne zündete automatisch ihre Bremsdüsen, als sie dem Erdboden näher kam. Sie glitt sanft mit den drei ausgeklappten Landestelzen zwischen den Tannenbäumen hinab auf den nadelübersäten Waldboden. Es war dunkel und es war ruhig. Es war nur ein leises Summen des Tarnschildes hörbar.

Der nächste Tag. Die Erdenbewohner hatten von alledem nichts mitbekommen und so auch nicht ein Erdling namens Benjamin Vogler. Wir befinden uns in einem kleinen beschaulichen Örtchen irgendwo im Süden Deutschlands, zeitlich gesehen Anfang des 21.Jahrhunderts. Das erste Jahrzehnt des neuen Jahrtausends neigt sich schon wieder dem Ende entgegen und die Menschen auf der Erde haben bereits einige Krisen überstanden: Terroranschläge, Umweltkatastrophen, Hungersnöte, Epidemien und ein großes Finanzchaos. Klingt alles sehr deprimierend – aber noch deprimierter an diesem Novembersonntag, gegen 12.00 Uhr, war dieser Benjamin, von den meisten seiner Bekannten nur Ben oder Benny genannt. Zu diesem Zeitpunkt konnte er noch nicht ahnen, dass es noch ein aufregender Tag werden würde. Ben war ein groß gewachsener Typ, Anfang 30, mit blonden Haaren und schmalem Gesicht. Er hatte gerade eine durchzechte Nacht hinter sich und einen mordsmäßigen Kater. „Ich musste eine Menge Spaß gehabt haben letzte Nacht, wär` schön, wenn ich mich daran erinnern könnte! Na ja, vielleicht kommt die Erinnerung an so Manches im Lauf des Tages wieder.“ An eine Sache konnte er sich schon wieder erinnern und zwar an den Alkoholmix, den er immer noch teilweise in sich hatte: eine Mischung aus Bier, Ouzo, Jägermeister und Marillenschnaps. Er hatte von dem ganzen Zeug noch einen komischen Geschmack im Mund. „Einfach nur ekelhaft“, dachte er, obwohl es ihm gestern nichts ausmachte. Er wollte sich einfach zulaufen lassen. „Na ja, die Quittung hab´ ich heute dafür bekommen“, sagte er zu sich vorwurfsvoll. Einen wortwörtlich tierischen Kater, verbunden mit ordentlichen Kopfschmerzen. „Erstmal ein Aspirin einwerfen und dann schau´n ma mal“, dachte er. Des Weiteren kam er zu dem Schluss, dass ordentlich Kaffee die Nüchternheit beschleunigen könnte, kombiniert mit anschließendem Wassertrinken, um den Flüssigkeitsverlust des letzten Abends auszugleichen. Nach zirka einer Stunde fühlte er sich etwas besser, hatte aber immer noch ein ziemliches Übelkeitsgefühl in der Magengegend. „Einfach zum Kotzen“, murmelte er. So allmählich bekam er wieder einen klaren Kopf und er erinnerte sich wieder, warum er sich am gestrigen Abend auf dieser Party voll laufen lassen wollte. Seine Freundin hatte ihn vor einem Monat verlassen und kurze Zeit darauf verlor er auch noch seinen Job in der Werbeagentur. „Aufgrund von Budgetkürzungen müssen wir uns leider personell verkleinern“, hieß es lapidar in dem Kündigungsschreiben der Agentur. Seine Niedergeschlagenheit verschlimmerte sich. Er schlurfte langsam zum Fenster seiner bescheidenen 40-Quadratmeter-Wohnung, die er kürzlich bezogen hatte, und schaute hinaus. Es war ein wunderschöner, sonniger Herbsttag im November, um die zehn Grad Außentemperatur. „Na ja, sagte er vor sich hin, wenigstens etwas Positives: Schönes Wetter.“ Er ging zurück in seine kleine Wohnküche und kochte sich noch mal eine Tasse Kaffee. Dann schlenderte er wieder zurück ins Wohnzimmer, um seine Blicke wieder am Fenster in die Ferne schweifen zu lassen. Er nippte immer wieder an seiner Kaffeetasse und ließ in seinem Kopf die letzten Tage und Wochen noch einmal Revue passieren.

Ben hatte sich mal wieder mit seiner Freundin wegen Kleinigkeiten gezankt, dergleichen wie sie in vermutlich jeder Beziehung vorkommen. Sie war erst vor einem halben Jahr zu ihm gezogen. Die Wohnung war sehr geräumig, ideal für zwei Personen. Sie lag zwar mitten in der Stadt, dafür konnte man kleine Einkäufe locker zu Fuß erledigen. Dann hatte seine Freundin plötzlich die Schnauze voll von ihm und sie zog wieder in ihre eigene Wohnung. Ben hatte ebenfalls die Schnauze voll - von Frauen, vom Leben in der Stadt, eigentlich von Allem. Er entschloss sich kurzerhand, weg von der Stadt aufs Land zu entfliehen und hier war er nun in seiner neuen 40-Quadratmeter-Bude. Für seine alte Stadtwohnung musste er noch einen Monat Miete bezahlen. „Prima, obwohl sie jetzt leer stand, darf ich jetzt noch dafür blechen“, dachte er und fügte sogleich einen selbstkritischen Gedanken hinzu: „Selbst Schuld, alter Junge, du wolltest die Kündigungsfrist nicht abwarten und bist sofort aufs Land abgedüst!“ Zwei Kaltmieten Kaution und die Miete für diesen Monat waren sofort fällig. „Tja, momentan bin ich ziemlich pleite, trotz der Abfindung von der Werbeagentur“, grummelte Ben vor sich hin. Dafür war der Ausblick umso schöner. Seine neue Wohnung befand sich rückseitig im ersten Stock eines alten Bauernhauses, mit separatem Eingang, was er sehr schätzte. Die Vermieter, die Heinrichs, waren schon etwas ältere Leute, vermutlich kurz vor der Rente. Ihre zwei erwachsenen Söhne waren schon längst aus dem Haus, wie sie ihm erzählten und so kam es, dass das Bauernhaus zu groß für sie beide wurde und sie deshalb schon lange darüber nachdachten, einen Untermieter zu suchen. Die beiden waren ihm auf Anhieb sympathisch, und so entschloss er sich kurzerhand, die Wohnung im ersten Stock anzunehmen. Selbstverständlich gab es auch noch andere Gründe, dort hinzuziehen. Zum Beispiel war es ruhig, verdammt ruhig. Genau das, was Ben momentan brauchte. Das Gehöft gehörte eigentlich zu einem Dorf, das Dorf aber wiederum war knapp zwei Kilometer entfernt. Die Landstraße führte auch nicht direkt am Bauernhof vorbei, sondern lag in etwa 50 Meter Entfernung. Nur ein holpriger Feldweg schlängelte sich von dieser Landstraße zum Hof. Die Hofeinfahrt hatte kein Tor, nur ein dunkelbrauner Holzlattenzaun links und rechts der Einfahrt grenzte das Grundstück ein wenig ab. Der Feldweg ging direkt in den Innenhof über, der nicht geteert, sondern nur mit Kies bedeckt war. Geradeaus am anderen Ende des Kiesbetts stand das schöne alte Bauernhaus mit den dunkelbraunen, hölzernen Fensterläden und schmucken Verzierungen an der ansonsten weißen Fassade. Über der Eingangstür, die mit dicken Holzbalken eingerahmt war, konnte man die Jahreszahl und die Initialen der Heiligen Drei Könige erkennen, die letzten Winter von Ministranten mit Kreide dort angebracht wurden. Rechts des Hauses lag der Stall, in dem vor kurzem noch Milchkühe standen. „Lohnt sich nicht mehr“, erzählte Bauer Heinrich vor ein paar Tagen etwas enttäuscht. Die Milchpreise waren in den letzten Jahren um fast 30 Prozent gefallen. „Ich hab´ alle meine Kühe verkauft und jetzt steht der Stall eben leer. Aber ich und meine Frau haben schon eine neue Idee, wie wir das Gebäude wieder nutzen könnten. Wir verpachten die Dachfläche an eine Solarzellen-Firma. Das Ganze müssen wir aber noch rechtlich abklären.“ „So weit, so gut. Echt positive Einstellung, dachte Benny, diese Leute lassen sich nicht unterkriegen.“ Links des Bauernhauses stand die Scheune. Ben hatte schon mal einen Blick hineingeworfen, nachdem er ein paar Umzugskisten in den ersten Stock getragen hatte. Es war nichts besonders Aufregendes darin, eingelagertes Heu und ein paar Landmaschinen. Der Einödhof hatte, bezogen auf seine Gebäudeanordnung, die typische umgekehrte U-Form. Jedenfalls, Ben gefiel es hier, denn er hatte wieder einen Bezug zur Natur gefunden, den er seit seiner Kindheit doch irgendwie verloren hatte, als er mit seinen Eltern und Geschwistern noch auf dem Land wohnte.

Ben fühlte sich momentan sehr einsam. Er ließ sich in seinen schwarzen Wohnzimmer-Ledersessel fallen und streckte die Beine weit von sich. Er trank noch immer an seinem Kaffee, obwohl er schon halb kalt war. Er stellte die Tasse auf seinen Wohnzimmertisch, lehnte sich bequem zurück und schloss für kurze Zeit die Augen. Er war immer noch müde von der gestrigen Nacht. Jetzt fiel ihm plötzlich wieder ein, dass er gestern Abend auf dieser Party ein attraktives, rothaariges Mädchen angesprochen hatte. Sie war ihm gar nicht so unbekannt, da er sie schon öfter in der Stadt mit ihren Freundinnen gesehen hatte. Er hatte sich aber damals nicht getraut, sie anzusprechen. „Mit Alkohol geht´s wohl leichter!“, dachte er sich. Tina war ihr Name und eigentlich wollten sie sich auch bald mal verabreden. Jetzt kamen auch wieder einige andere Erinnerungen an den gestrigen Abend zutage. Nachdem er Tina geküsst hatte, standen sie noch eng umschlungen an der Bar und bewegten sich zum Rhythmus eines sanften Liedes. Nachdem die Partyband seines Bruders Basti, “The Criminals”, ihr Konzert im Gasthaussaal beendet hatte, rief er ein Taxi für sich und seine Liebste. Ihre Freundinnen waren vermutlich anderweitig nach Hause gekommen, aber das hatten Ben und Tina, beide schon erheblich angetrunken, nicht mehr so mitbekommen. Sie fuhren zuerst zu Tinas Wohnung. Sie wohnte im zweiten Stock in der Stadt und Ben begleitete sie bis zur Wohnungstür, während das Taxi draußen wartete. Sie tauschten noch ihre Handynummern aus und Tina gab ihm einen Abschiedskuss. „Bis auf das Trinken war es gestern doch ein schöner Abend“, dachte Ben, der seine Augen noch geschlossen hielt. Er riss seine Augen im gleichen Moment wieder auf, als plötzlich sein Handy auf dem Schreibtisch summte. „Eine SMS, vielleicht von ihr?“, dachte er sofort. Er sah auf das Display und tatsächlich. Es war eine Nachricht von seiner neuen Freundin: „Habe gestern vergessen, dir zu sagen, dass ich eine ganze Woche nicht zu Hause bin. Mache eine Städtereise nach Hamburg. LG Tina“. Ben war enttäuscht, denn er hatte sich schon auf das nächste Wochenende mit ihr gefreut – und dann schickte sie ihm diese unpersönliche Kurznachricht. „LG Tina. Immer diese Abkürzungen, sie hätte zumindest “Lieben Gruß” ausschreiben können.“ Es war bereits halb zwei durch und er hatte immer noch seinen dunkelgrünen Frottee-Morgenmantel an. Er stand noch mal auf und blickte wieder aus dem Fenster. Es war wirklich ein schöner Sonntag. Das Sonnenlicht durchflutete regelrecht sein Zimmer. Über die Wohnung konnte er wirklich nicht meckern. Sie hatte sogar einen kleinen Balkon. Ben entschloss sich, die Balkontür einen Spaltbreit offen zu lassen, damit ein bisschen Frischluft in die Wohnung kam. Dann starrte er wieder aus dem Fenster. Dadurch, dass seine Wohnung rückseitig des Bauernhofs lag, hatte Ben einen tollen Ausblick. Die Natur fing hinter dem Haus erst so richtig an. Es gab dort keinerlei Abgrenzung des Grundstücks und er fragte sich, ob den Heinrichs dieser ganze Bereich auch noch gehörte. „Na ja, kann sie heute vielleicht mal fragen“, dachte er so vor sich hin. Da fiel ihm allerdings wieder ein, dass die Heinrichs übers Wochenende zu ihren Söhnen gefahren waren. „Na gut, dann eben ein anderes Mal.“ Ben blickte weiter in die Ferne. Zunächst führte eine Wiese weg vom Haus etwa 50 Meter auf einen kleinen Abhang zu. Ein schmaler Trampelpfad schlängelte sich seitlich ebenfalls in diese Richtung. Ben ging gleich am ersten Tag nach der Wohnungsbesichtigung diesen Weg entlang. Die Umgebung zog ihn sofort in ihren Bann. Er fühlte sich von der Natur hier irgendwie magisch angezogen. Als Ben dort entlangschlenderte und schließlich auf der Anhöhe zum Stehen kam, sah er noch mehr von der schönen Natur. Der schmale Weg endete zwar hier, nicht aber die Wiese. Nach der Anhöhe senkte sich die Landschaft wieder leicht ab und ging schließlich auf einer Distanz von 100 Metern in ein kleines Tal über, an dessen Ende ein prächtiger Wald stand, mit gesunden Tannen- und Fichtenbäumen. Von seiner Wohnung aus konnte Ben die Baumkronen gerade noch erhaschen. Auf der Wiese hinter dem Haus befanden sich rechtsseitig noch ein paar Birkenbäume, die durch einen plötzlich auftretenden, zischenden Wind ziemlich stark gebogen wurden. Mit einer gewissen Verzögerung bewegten sich auch die Baumwipfel des Waldes. „Das Wetter wird doch nicht schlechter werden?“, sinnierte er. Winde waren meistens Vorboten für ein Gewitter. Ben überfiel augenblicklich wieder diese Melancholie, wie er sie in den letzten Tagen seiner Misserfolge oft verspürt hatte. Er ließ sich wieder zurück in seinen Sessel fallen und schloss nochmals die Augen. „Glück, dachte er, Glück. Könnte ich nicht auch mal ein bisschen Glück haben?“ Plötzlich erzitterte der Erdboden.

Kapitel 2: Begegnung der ko(s)mischen Art

Ben riss die Augen auf, als die Erde für einen kurzen Moment erbebte. Das kleine Beben wurde noch begleitet von einem dumpfen Schlag, als ob gerade ein Helikopter gelandet wäre. Das Geräusch musste von irgendwo hinter dem Haus kommen – hinter der Anhöhe vermutlich. Vor lauter Schreck stieß Ben seinen Kaffeebecher auf den Fußboden. Er zerbrach und der Rest vom kalt gewordenen Kaffee ergoss sich auf Parkett und Teppich. „Schöne Sauerei“, ärgerte sich Ben und im gleichen Atemzug kam ihm der bekannte Spruch in den Sinn: „Scherben bringen Glück!“ Ein wenig Glück könnte er momentan wirklich gebrauchen!

„Aber was war das nur für ein merkwürdiges Geräusch da draußen?“, dachte er sich etwas verstört. Er musste dem auf den Grund gehen. Er ließ seinen Morgenmantel einfach an, rannte in den Flur, zog seine Turnschuhe über, huschte die Stufen des Treppenhauses hinunter, dass sein Mantel hinter ihm regelrecht wegwehte, und eilte zu der Anhöhe hinter dem Bauernhaus. Er blickte in Richtung des Waldes. Allerdings war nichts zu erkennen, außer einer Vertiefung im Boden zirka 20 Meter vor ihm. Die konnte aber von allem Möglichen herstammen. Der Erdboden war an dieser Stelle sehr locker und weich, könnte daher ein wenig abgesackt sein. Einen Tag zuvor hatte es noch leicht geregnet. Was Ben bei genauerem Hinsehen noch auffiel, war eine Art Spiegelung der Luft über dieser Vertiefung – ziemlich ungewöhnlich für diese Gegend. Luftspiegelungen oder auch Fata Morganas genannt, kennt man eigentlich nur aus sehr heißen Gebieten, wie zum Beispiel der Wüste Sahara. Luftspiegelungen entstehen durch Brechung der Lichtstrahlen eines entfernten Objektes an verschieden warmen Luftschichten. Das Objekt erscheint dem Betrachter dann meist näher als es in Wirklichkeit ist. Soviel wusste er noch vom Erdkundeunterricht. Hier jedoch spiegelte sich nur der Hintergrund wider, kein konkretes Objekt. Er war ziemlich verdutzt. Ben schaute kurz auf seine Füße, rieb sich die Augen und blickte nochmals in die Richtung, wo er diese merkwürdige Spiegelung sah. Aber sie war verschwunden. Er versuchte noch einmal, eine plausible Erklärung für diese Ereignisse zu finden. Das kurze Beben, der Knall und diese verdammte Spiegelung. Aber er konnte sich keinen Reim daraus machen. Er blieb noch ein paar Sekunden auf der Anhöhe stehen, um nachzugrübeln. Es sah schon irgendwie komisch aus, wie er so dastand, in seinen Turnschuhen, ohne Socken, zerzaustes Haar und unrasiert. „Was soll´s?“, sagte er achselzuckend und stapfte wieder zurück in seine Wohnung. Er schloss die Wohnungstür hinter sich, zog seine Turnschuhe aus und räumte erstmal die Scherben der zerbrochenen Kaffeetasse auf, indem er sie auf ein Kehrblech schob und in den Mülleimer der Küche warf. Man konnte von der Küche aus direkt ins Wohnzimmer und auf den Balkon sehen, da keine Tür die Sicht versperrte; man ging lediglich durch einen Türbogen hindurch und schwups war man schon im Wohnzimmer, das gleichzeitig auch das Schlafzimmer war. Ben hatte sich zu diesem Zweck kürzlich eine Schlafcouch angeschafft; sein altes Bett ließ er entsorgen. Als er auf die zum Schlafen einladende Couch blickte, verspürte Ben wieder eine gewisse Müdigkeit in seinen Knochen. Kaffee hatte er schon getrunken, es wurde Zeit für eine Tasse Tee. Er stellte das Kehrblech beiseite und schaltete den Wasserkocher ein. Plötzlich hörte er wieder so ein merkwürdiges Geräusch, das diesmal aus Richtung des Balkons zu kommen schien. Es klang wie ein Bunsenbrenner. Er drehte sich um und ging auf den Balkon. Er schaute um sich, aber nichts Außergewöhnliches war zu entdecken. Alles wie gehabt. Der Liegestuhl stand links in der Ecke und die alte Terrakottavase auf der anderen Seite, nur mit dem Unterschied, dass der obere Rand der Vase leicht verrußt war. Es roch auch ein bisschen angebrannt. In der Luft lag ein Geruch, der Ben vertraut war. Es war ein Geruch ähnlich dem von Propangas. „Hat hier irgendjemand vielleicht gegrillt?“, dachte er. „Vielleicht ein Camper, der in der Nähe sein Zelt aufgeschlagen hatte?“ Mag sein, das erklärte den Geruch, aber nicht den Ruß auf der Vase. „Wieder so ein unerklärbares Phänomen. Was war das nur für ein komischer Tag heute!“ Ben ging zurück ins Wohnzimmer und ließ die Balkontür wieder einen Spaltbreit offen. Das Teewasser kochte schon wie wild und Ben eilte zum Wasserkocher. Er legte den Teebeutel in die Tasse und goss das heiße Wasser darauf. Er ließ den Tee ein paar Minuten ziehen. Und da! Auf einmal kam ein Rascheln aus dem Wohnzimmer. Ben vernahm nur das Geräusch, aber nicht was es verursachte. Denn das Wohnzimmer war so geschnitten, dass es sich noch nach rechts ungefähr drei Meter ausdehnte. Man hatte von der Küche aus zwar einen Blick geradeaus auf die Balkontür, konnte aber nicht sehen, was sich auf der rechten Seite befand. Dort war seine Schlafcouch und noch anderes Mobiliar. Und wieder, da! Ein Rascheln, verbunden mit einem genüsslichen Schmatzen. „Was konnte das nur sein?“, flüsterte Ben etwas ängstlich. Er ging behutsam auf Zehenspitzen in Richtung des Geräuschs und blickte vorsichtig um die Ecke. „Verdammt, was war denn das?“ Ben traute seinen Augen nicht. Vor ihm saß auf seiner Couch ein komisch aussehendes Wesen, das sich genüsslich an einer Packung Kekse zu schaffen machte. War das nun Wirklichkeit oder spielte ihm sein Verstand einen Streich? Hatte er schon Halluzinationen, verursacht durch Restalkohol? Ben tat einen Schritt vorwärts. Der Parkettboden knisterte. Das fremdartige, kleine Wesen schreckte auf und sah zu Ben hinüber. Es rutschte von der Couch herunter auf seine kurzen Beine und setzte dabei ein leichtes Lächeln auf. „Hallo, Erdenbewohner, mein Name ist Gulup vom Planeten Plantopia“, sagte der Außerirdische plötzlich. Dabei streckte das Wesen die rechte Hand aus, der Zeigefinger war nach vorn, der Daumen nach links und der Mittelfinger nach unten gespreizt. Offenbar war das der Handgruß des Alien. Dieses Handzeichen kam Ben irgendwie ziemlich bekannt vor. „Ja“, da fiel es ihm wieder ein. „Aus dem Physikunterricht. Die sogenannte Drei-Finger-Regel.“ Er machte damals diese Regel immer falsch und versaute dann auch den Physiktest. „Wie war das noch gleich: man benutzt die rechte Hand, der Daumen zeigt in die Stromrichtung, der Zeigefinger in Richtung des Magnetfeldes, dann zeigt der Mittelfinger in Richtung der Lorentzkraft.“ So oder so ähnlich, aber das war wohl alles nur Zufall. „Wie geht es Ihnen?“, fuhr das zwergenhafte Wesen in männlichem Tonfall fort. Ben war völlig paff. Sein Oberkörper zuckte ein bisschen zurück und er antwortete schließlich etwas ängstlich: „Hhhallo, ähhm, nun ja, momentan geht´s mir nicht so gut.“ „Ja, ja. Das hab´ ich schon bemerkt. Laut meinem Analyse-Scanner haben Sie noch einen Restalkohol von 0,5 Promille in Ihrem Blut“, sagte der Fremdling. Er schaute dabei auf ein kleines, flaches Display an seiner linken Hand. Ben beugte seinen Oberkörper wieder nach vorn und kniff dabei die Augen zu einem Schlitz zusammen, um die Kreatur noch mal genauer zu betrachten. Es war nicht zu fassen. Vor ihm stand ein zirka 1,20 Meter kleines, komisch aussehendes Männchen, mit leicht fahler Haut und kräftigen kurzen Beinen. Auffallend waren die relativ großen Füße, schätzungsweise Schuhgröße 50. Es sah ein bisschen aus wie eine Mischung aus E.T. und dem Sams, dem Fabelwesen aus dem gleichnamigen Kinderbuch. Der Kopf hatte die Form einer Ananas und ging direkt in den kleinen dicklichen Körper über. Die anthrazitfarbenen Haare hingen als Rastazöpfe herunter. Ansonsten hatte der Knirps die gleiche Symmetrie wie ein Mensch: zwei Augen, Arme, Beine, fünf Finger an jeder Hand. Der kleine Wicht hatte außerdem einen gummiartigen schwarzen Anzug an mit einigen Rangabzeichen auf der linken Brust, der Hüftgürtel war ebenfalls schwarz und auf seinem Rücken hatte er so etwas wie einen kleinen Raketenrucksack geschnallt, der oben mit einer Schrauböffnung versehen war. Vermutlich konnte man dort einen Sauerstoffschlauch montieren. Ben war immer noch völlig perplex. Es herrschte kurzes Schweigen zwischen den beiden. „Komm´, sag irgendwas!“, dachte er sich. Er gab sich einen Ruck und fragte in zögerlichem Ton: „Nun gut, ähm, haben die Kekse geschmeckt?“ „Ja, die waren gut“, gab Gulup zu verstehen und setzte dabei ein Grinsen auf. Ich hatte noch keine Zeit, was Vernünftiges zu essen. Ich bin eigentlich etwas in Eile, müssen Sie wissen. Ich habe eine Mission zu erfüllen!“ „Was denn für eine Mission?“, hakte Ben nach. „Wenn Sie mir vielleicht eine Kleinigkeit kochen, dann erzähle ich Ihnen die Geschichte! Auf unserem Raumschiff gibt es leider nur synthetisiertes Essen aus dem Automaten. Für ein gutes Essen nehme ich mir aber trotzdem die Zeit.“ „Gutes Essen? Na ja, ich hab´ nur Obstsalat da.“ „Wenn es so gut schmeckt, wie es sich anhört? Nur her damit!“ Ben hatte noch einen verstörten Blick aufgesetzt. Er ging in die Küche und nahm die Tupperdose mit dem Salat aus dem Kühlschrank. Er kippte den Inhalt der Dose auf einen Teller und setzte ihn dem Außerirdischen vor. Der kleine Mann nahm zuerst seinen Raketenrucksack ab, bevor er aufs Neue mit Genuss kaute und schmatzte. Dabei sprach er auch noch mit vollem Mund: „Mwas zu Trinken mwär´ auch nicht schlecht!“ „Na schön“, grummelte Ben. Er holte ihm ein Glas Mineralwasser. Als Gulup fertig mit Speis und Trank war, lehnte er sich erstmal gemütlich auf der Couch zurück und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Der Erdling setzte sich langsam neben ihn und ließ ihn nicht aus den Augen. „Also, Herr Gulup“, begann Ben, „für die Tatsache, dass Sie so in Eile sind und eine Mission zu erfüllen haben, haben Sie´s aber überhaupt nicht eilig!“ „In der Ruhe liegt die Kraft und außerdem lässt es sich mit hungrigem Magen schlecht die gesamte Galaxie retten.“ „Wie war das? Eine Galaxie retten?“ „Richtig. Ich wette, Sie haben noch eine Menge anderer Fragen.“ „Auch richtig. Sie scheinen auch keinerlei Angst zu haben, obwohl ihr Planopianer vermutlich weit gereist seid und auf eine für euch fremde Rasse, also uns Menschen, trefft.“ „Angst habe ich keine. Als Vorsichtsmaßnahme habe ich diesen Betäubungslaser mitgenommen. Übrigens, nochmals, wir heißen Plantopianer!“ Er zog eine kleine, futuristisch aussehende Pistole aus dem rechten Gürtelhalfter, zeigte sie kurz dem Menschen und steckte sie wieder zurück. „Hey, hey. „Seien Sie bloß vorsichtig mit dem Ding“, sagte Ben mit einer abwehrenden Handbewegung. „Schon gut. Ich finde, wir sollten erstmal das förmliche „Sie“ weglassen. Wie war dein Name doch gleich?“ „Oh, ja genau. Ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Mein Name ist Benjamin oder einfach nur Ben und Ihr, ähm, dein Name war Gulup?“ „Gulup oder einfach nur Guppi.“ Sie schüttelten sich die Hände und Ben bemerkte einen sehr festen Händedruck des Wichts. Allmählich glaubte der Erdling daran, dass da tatsächlich ein Außerirdischer in seiner Wohnung saß. „Nun aber nochmal zurück zu der Stelle mit dem Galaxienretten. Was ist nun überhaupt passiert?“ „Okay. Ich versuche, die ganze Geschichte kurz und bündig zu erzählen. Dass ich vom Planeten Plantopia komme, habe ich schon gesagt. Dieser Planet liegt vier Millionen Lichtjahre von eurer Erde entfernt in der Glücksgalaxie.“ „Glücksgalaxie? Na das ist mal ein ungewöhnlicher Name. Habt ihr Außerirdischen denn soviel Glück. Falls ja, könnt ihr mir vielleicht ein bisschen davon abgeben?“ bemerkte Ben schmunzelnd.“ „So ähnlich. Wir haben für unser Glück selbst gesorgt, denn wir waren kurz davor, uns selbst zu zerstören. Vor allem hatten wir unsere Umwelt vernachlässigt, aber wir haben uns gebessert und können jetzt ganz gut leben.“ „Aber wieso musst du dann die Galaxie retten?“ „Das Problem liegt nicht bei uns, sondern bei den Bewohnern unseres Nachbarplaneten Botók. Vor allem ein Mann bereitet uns Sorge: Mondragor. Ein Tyrann übelster Sorte, der es nur darauf abgesehen hat, andere Planeten auszubeuten und seine Macht zu vergrößern. Es kam sogar zu einem Weltraumkrieg, den wir für uns entscheiden konnten. Wir konnten ihn auch, zusammen mit unseren Verbündeten, verhaften, aber er ist uns wieder entwischt. Diese Person stieß dann auf Daten für den Bau einer furchtbaren Laserkanone, die ganze Zivilisationen verschwinden lassen konnte. Er könnte dann ungehindert auf alle Ressourcen dieser Planeten zugreifen. Um die Konstruktion dieser riesigen Waffe zu bewerkstelligen, entführte er Wissenschaftler mitsamt Familien aus der gesamten Galaxis auf einen geheimen Planeten. Doch die Wissenschaftler machten diesem Mondragor einen Strich durch die Rechnung. Sie kopierten die Bauplandaten auf sechs verschiedene Speicherwürfel, damit der fiese Tyrann sie nicht mehr so schnell wiederbekommen konnte. Diese Würfel wiederum steckten sie in Weltraumsonden und programmierten in deren Speicherbanken Koordinaten mit Zielen in der gesamten Glücksgalaxie ein. Doch in aller Hektik wurden falsche Koordinaten eingetippt und so war es reiner Zufall, dass vier dieser sechs Sonden auf der Erde landeten. Eine übrigens in unmittelbarer Nähe deiner Wohnung.“ „Wow“, Ben war ziemlich verblüfft über diese Geschichte, wusste aber nicht, ob er sie glauben sollte. „Wie kommt es dann aber, dass du von diesen Sonden weißt?“ „Eine gute Frage. Du denkst mit. Die Wissenschaftler schickten eine siebte Sonde nach Plantopia, mit den notwendigen Informationen: die Zielkoordinaten der sechs Sonden und vor allem die Frequenz der Sondenschutzschilde, mit der wir die Fluggeräte genau orten können. Allerdings kennen die Botókianer ebenfalls die Koordinaten, nicht aber die Frequenzen. Nach dem letzten Langstreckenscan von Mondragors Raumschiff zu urteilen, haben wir einen Vorsprung von ungefähr vier Stunden eurer Zeit. Da wir auch die Frequenzen kennen, denke ich, können wir die meisten Sonden als erste bergen. Voraussetzung ist aber auch, dass der tatsächliche Landepunkt vom programmierten abweicht. So hätten wir einen deutlichen zeitlichen Vorteil gegenüber Mondragor und seinen Schergen.“ „Sollte Mondragor sämtliche Daten zuerst kriegen, dann ist auch die Erde in Gefahr. Euer Planet hat an Bodenschätzen so einiges zu bieten. Das haben wir Plantopianer durch Scans schon herausgefunden. Wir müssen auch davon ausgehen, dass er Menschen als Geiseln nehmen wird, um seinen Willen durchzusetzen, so ähnlich wie bei den Familien der Wissenschaftler.“ „Na prima. Das sind nicht gerade rosige Aussichten.“ „Ich habe aber noch etwas in der Hinterhand, dem Mondragor nicht widerstehen kann. Wir Plantopianer haben schon eine Strategie entwickelt, da wir die Schwächen des Tyrannen genau kennen.“ „Aber wieso vernichtet ihr nicht einen dieser Speicherwürfel, dann habt ihr eure Ruhe?“ „Geht leider nicht. Die Koordinaten für den Aufenthaltsort der Wissenschaftler und ihrer Familien wurden ebenfalls versehentlich auf diese sechs Würfel verteilt. Wir wollen diese Leben retten. Zumindest die meisten. Das wirst du sicher verstehen!“ „Ja, natürlich verstehe ich das. Kann ich nicht auch irgendetwas tun?“ Ben hatte nach seinen Misserfolgen im Privat- und Berufsleben das dringende Bedürfnis, eine neue Aufgabe anzugehen. Wer konnte schon von sich behaupten, bei der Rettung der Erde und der Rettung von irgendwelchen außerirdischen Wissenschaftlern mitgeholfen zu haben. Aber war er überhaupt der Sache gewachsen und war es nicht doch eine Nummer zu groß für ihn? Sollten nicht Regierungen und das Militär sich um solche Bedrohungen kümmern? Er schob seine Bedenken zunächst beiseite und sagte: „Eigentlich ist es meine Pflicht als Erdenbewohner, mitzuhelfen, den Planeten vor Unheil zu bewahren!“ „Ich weiß nicht so recht, Ben. Du kennst die Botókianer nicht so gut wie ich und mein Team. Das sind wirklich üble Typen! Wenig Hirn und sehr aggressiv.“ Außerdem hast du keine Erfahrung mit unseren Laserwaffen und ich vermute eine militärische Ausbildung hast du auch nicht genossen.“ „Na ja, ich war ein Jahr bei der Bundeswehr. So heißt unsere Armee. Ich weiß also, wie man einen Abzug betätigt. Wäre es aber ohnehin nicht besser, wenn ich die Regierungen und das Militär unseres Planeten verständigen würde? Die könnten doch mit ein paar Botókianern leicht fertig werden, oder?“ „Bundeswehr, wie? Ich glaube nicht, dass du der ganzen Sache gewachsen bist und um ehrlich zu sein, eure Waffen sind zu antiquiert, um Mondragor besiegen zu können. Es würde außerdem zu lange dauern alle Regierungen zu verständigen. Hinzukommt, dass dir keiner Glauben schenken würde.“ „Aber du bist doch ein eindeutiger Beweis!“ „Ja, aber eure Regierungsvertreter würden mich zuerst einsperren und dann vermutlich mit mir herumexperimentieren wollen. Dessen bin ich mir sicher. Nein, nein, das würde in der jetzigen Situation nicht funktionieren. Wir von Plantopia konnten die Botókianer schon einmal besiegen.“ „Ja aber nur mit der Hilfe von anderen Völkern, oder hab´ ich da was falsch verstanden?“ Gulup grübelte kurz nach, dabei strich er sich mit dem Zeigefinger über das Kinn. „Na schön. Ich könnte schon noch Hilfe gebrauchen, so ist es nicht. Du kennst dich hier auf der Erde sicherlich besser aus als ich. Aber es wird hart werden. Das muss dir klar sein!“ „Ist es!“ Ben war nun fest entschlossen. Müdigkeit und Kopfschmerzen waren verschwunden. „Einige Fragen hab´ ich aber noch an dich, Guppi.“ „Ja, das kann ich mir vorstellen. Überlege dir noch mal alles, was du mich fragen willst. Wenn du nichts dagegen hast, benutze ich derweil deine Toilette. Ich muss nämlich ganz dringend!“ Auch das noch, der kosmische Zwerg musste aufs Klo. „Ein irgendwie sehr menschlich wirkender Außerirdischer. Eher komisch als kosmisch“, dachte sich Ben. „Auf meinem Raumgleiter gibt´s leider kein WC.“ Draußen im Flur und dann rechts.“ „Alles klar, danke, ist nämlich wirklich schon ziemlich dringend!“ Guppi machte einen großen Bogen um die noch vorhandene Kaffeepfütze auf dem Boden und ging Richtung Toilette. Seine Gangart sah echt merkwürdig aus. Für seine Größe machte er normale Schritte, aber er bewegte dabei seinen Körper auf und ab, wie ein Korken im Wasser. Ben war gerade im Begriff, die Reste des verschütteten Kaffees aufzuwischen, als er plötzlich laute Furzgeräusche aus Richtung des WCs vernahm. „Na prima, hat er jetzt auch noch Blähungen, oder was?“ grummelte Ben leise. Auf