Die Herrschaft des Geldes - Geri G - E-Book

Die Herrschaft des Geldes E-Book

Geri G

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Beschreibung

Die Herrschaft des Geldes 2030. Die Welt versinkt im Chaos. Ein mächtiger Konzern hat das Sagen und beeinflusst die Geschicke des Planeten. Die Armutsquote liegt in vielen Ländern bei 99%, die Umweltzerstörungen sind an vielen Orten deutlich sichtbar. Aufstände sind in einigen Staaten an der Tagesordnung. Doch zwei Journalisten geraten eines Tages durch Zufall in die Machenschaften von Redstones hinein, der reichsten und erfolgreichsten Firma der Welt. Sie versuchen, sich trotz aller Widerstände gegen den Global Player zur Wehr zu setzen. Doch die Lage scheint aussichtslos.

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Seitenzahl: 170

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Geri G

Die Herrschaft des Geldes

Kapitel 1

Naruto Ito hatte die Schnauze voll. Von der Gesellschaft, von der Wirtschaft, vom Staat, überhaupt vom Leben. Er konnte nicht mehr, er fühlte sich ausgebrannt. Fix und fertig. Er saß in seinem mintgrünen Nissan Dayz hinter dem Lenkrad und starrte einfach nur gerade aus. Der Motor lief, die Klima-Anlage hatte ihren Geist aufgegeben. Er schwitzte. Es war heiß, verdammt heiß an diesem Tag Anfang April in Tokio. So heiß wie noch nie. Der heißeste Frühling seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Sein kurzes, schwarzes Haar war nass und glänzte wegen ein paar Sonnenstrahlen, die durch das heruntergelassene Wagenfenster schossen. Der Geruch von Abgasen. Schweißperlen kullerten über Stirn und Schläfen, die mandelförmigen Augen leicht gerötet. Sein Leben zog in Gedanken an ihm vorbei und er fragte sich, wie es soweit kommen konnte. Er, der jüngste Hochschulabsolvent der technischen Kobaiyashi-Maru-Universität, war erfolgreich, hatte eine attraktive Freundin und war gesellschaftlich angesehen. Doch dann eines Tages kam die Hiobsbotschaft: Der Firma, bei der er arbeitete, ging es immer schlechter. Die Einnahmen brachen plötzlich ein und sie wurde schließlich von der Vermögensverwaltungsfirma Redstones aufgekauft. Die Bude war monströs, hatte Filialen auf der ganzen Welt, in jedem Staat und verwaltete Kapital von mehreren hundert Billionen Dollar. Als Aktiengesellschaft hatte Redstones nur ein Ziel, nämlich den Profit zu steigern, koste es, was es wolle. Die Aktionäre wollten schließlich Rendite sehen. Erste Maßnahme der Fondgesellschaft war es, Personalkosten zu sparen und Arbeitsabläufe zu optimieren. Auch Naruto war Teil dieser Maßnahmen, da er noch dazu im letzten Jahr öfter krank war als andere, wie es hieß. Einen Betriebsrat gab es nicht und die Gewerkschaften hatten gegen einen derartigen Konzern keine Chance. Plötzlich war er arbeitslos, obwohl er hart schuftete, um sich einen ordentlichen Wohlstand ermöglichen zu können. Er hatte sich nichts zu Schulden kommen lassen. Mit 25 Jahren führte er nahezu ein Luxusleben, hatte im teuren Tokio ein schönes Appartment, gab regelmäßig Cocktailpartys in feiner Gesellschaft und fuhr einen silberfarbenen Mercedes. Und jetzt das! Wie sich herausstellte, befand sich die japanische Ökonomie schon einige Zeit vorher in der Krise, sie wurde aber von Politik, Medien und Wirtschaft einfach totgeschwiegen. „Aber warum?“, fragte sich dann auch er selbst und er fragte sich ebenso, wie im Zeitalter des Internets kaum etwas von diesen Informationen durchsickern konnte.

Es ist das Jahr 2030 und er hatte das Gefühl, dass alles zu Ende ging. Nach seiner Entlassung bekam er keine Neuanstellung, er musste Arbeitslosenhilfe in Anspruch nehmen. Nachdem er alles in seinem schönen alten Leben aufgegeben hatte, fand er auch keine neue Wohnung mehr. Nur noch Hotelzimmer für ein paar Yen am Tag. Um Geld zu sparen, schlief er dann öfter in seinem Auto, einem Kei-Car, einem Kleinstwagen oder auch schon mal im Yoyogi-Park, wo inzwischen viele Obdachlose lebten. Die öffentlich zugängliche Anlage hatte eine Fläche von etwa 75 Fußballfeldern, wie er sich plötzlich erinnern konnte, aber ein Faktum, das eigentlich völlig ohne Belang war.

Die Armut nahm indes immer weiter zu. Seine Freundin wie auch seine Freunde wendeten sich von ihm ab, denn er war nun ohne Job. Er hatte, wie es so unschön heißt, sein Gesicht verloren. Sozialhilfe lehnte er dann ab, denn das galt hier in Japan als absolute Schande und man wurde komplett als Versager abgestempelt. Unfassbar eigentlich! Er zog sich schließlich völlig zurück, seinen Eltern erzählte er nichts davon. Überhaupt seine Eltern, beide erfolgreiche Ärzte. Wie sie ihn schon als Kind immer auf Leistung getrimmt hatten. Er fing an, sie immer mehr dafür zu hassen, obwohl sie sicher nur das Beste für ihn wollten. „Aber was hatte es gebracht?“ Rein gar nichts. Alles hing außerdem immer vom Geld ab, wirklich alles. „Wieso eigentlich?“ Er hatte keine Antwort darauf. Er war schließlich kein Wirtschaftsexperte, sondern Maschinenbau-Ingenieur. Er hatte sich auch nie darüber Gedanken gemacht, als es ihm noch gut ging. Und dann war es auch noch äußerst mühsam, Geld zu verdienen. Geld ausgeben war hingegen einfach, aber es zu verdienen, um sich einen hohen Lebensstandard ermöglichen zu können, wahnsinnig schwer. Und das Tag für Tag, Woche für Woche, Monat für Monat, Jahr für Jahr. Letztendlich nur, um seine Rechnungen bezahlen zu können. Er war schließlich bloß ein Mensch und keine Maschine. Immer soll man funktionieren, aber jetzt war Schluss! Er konnte nicht mehr. Naruto senkte seinen Blick nach einigen Minuten zum ersten Mal wieder. Der Tankuhr-Zeiger seines Kei-Cars war schon fast bei Null. Der Motor surrte weiter im Leerlauf gemütlich vor sich hin, ein fast schon beängstigend ruhiges Summen. Die Ruhe vor dem Sturm. Naruto hob seinen Kopf wieder und schloss die Augen für einen kurzen Moment. Draußen hörte er entferntes Gelächter von Kindern, sogar gelegentlich Vogelzwitschern. Er öffnete die Augen und atmete tief durch. Der Schweiß hatte sein gelbes T-Shirt derart durchtränkt, dass sogar die blaue Jeans etwas davon abbekam. Hier stand er nun am Ufer des Arakawa-Flusses, auf der schmalen Straße, die linksseitig gesäumt war von pastellrosafarbenen Kirschblütenbäumen, die schon die ersten Blätter verloren … und wollte sich rächen. Rächen an der Gesellschaft, an der Menschheit. Es musste ein Exempel statuiert werden! Die Welt musste erfahren, was los war, musste endlich aufwachen! Der hiesigen Polizei hatte er vor 20 Minuten bereits eine Nachricht zukommen lassen. Direkt vor ihm, etwa hundert Meter, bewegte sich eine große Schar an einheimischen und ausländischen Touristen, Kinder wie Erwachsene gleichermaßen. Sie waren fröhlich, ausgelassen, zückten Smartphones und Fotokameras, um die interessante Umgebung auf digitale Bilder zu bannen. Naruto trat auf die Kupplung, legte den Gang ein und gab Gas.

Berlin, Presseagentur

„Hast du das mitgekriegt?“ „Was denn?“ Hannah Stern hielt ihrem Kollegen Stefan Mack den Tabletcomputer vor die Nase. „´Ne Eilmeldung!“ „Mann, lass´ mich doch erstmal in Ruhe meinen Morgen-Kaffee trinken! Ich mach´ gerade Pause, verdammt nochmal!“ „Schon wieder eine Amokfahrt! Zuerst in den USA und diesmal in Tokio, Japan.“ „Hältst du mich eigentlich für doof? Glaubst du vielleicht, ich weiß nicht, in welchem Land Tokio liegt?“ „Schon gut. Du bist aber heute ganz schön gereizt!“ „Okay, entschuldige! Amokfahrten sind wohl momentan im Trend, was?“ „Hm, du bist ja inzwischen schon richtig abgestumpft. Es gab mehrere Tote und Schwerverletzte, darunter auch Kinder!“ „Verdammt! Und was ist mit dem Fahrer passiert?“ „Ebenfalls tot. In der Meldung hieß es, der Fahrer, ein junger Japaner, fuhr so lange Amok bis der Tank leer war. Am Ende knallte er mit seinem Wagen volle Karacho gegen eine Betonwand. Die dortige Polizei gibt aber auch nur spärlich Informationen heraus. Laut deren Angaben hatte der Fahrer kurz vorher eine Email an das Hauptquartier geschickt und darin mitgeteilt, was er gleich tun wird.“ „Mehr nicht?“ „Nein.“ „Was könnte wohl das Motiv gewesen sein?“ „Keine Ahnung. Vermutlich das Übliche. Liebeskummer, psychische Probleme, finanzielle Sorgen oder gleich alles zusammen.“ Hannah legte das Tablet beiseite, krallte sich einen weißen Plastikstuhl und setzte sich rechts neben Stefan an den hellen Tisch der kleinen Büroküche. „Trink´ erstmal deinen Kaffeebecher aus! Dann reden wir weiter.“ Stefan setzte langsam seine Tasse ab und wirkte plötzlich nachdenklich. „Die Vorfälle häufen sich. Das ist schon irgendwie komisch, Hannah. Findest du nicht?“ „Ja, schon.“ Sie legte ihre Stirn in Falten und hielt kurz inne. Eine blonde, lange Strähne glitt ihr dabei ins Gesicht. Sie streifte sie zurück hinter das rechte Ohr. „Da wär´ noch was. Der neue Chefredakteur kam gerade in mein Büro. Er hat keine Auslands-Korrespondenten mehr in Tokio. Wir beide sollen hin, auf dem schnellsten Wege.“ „Was?“ Diesmal fiel ihm der Becher fast aus der Hand. „Und das erzählst du mir so nebenbei?“ „Hey, ich bin auch nicht scharf drauf, okay? Ich hab´ mir das nicht ausgedacht.“ „Schon gut. Dieser neue Chefredakteur. Wie heißt er doch gleich nochmal?“ „Harm Caspers.“ „Der geht mir jetzt schon ziemlich auf die Nerven, ehrlich! Und irgendwie gefällt mir der Name auch nicht. Und wieso sollen wir jetzt plötzlich nach Tokio?“ „ Ich weiß es auch nicht genau, Caspers machte nur so Andeutungen, dass er die 2 Leute dort nicht mehr erreichen kann. Den genauen Grund hat er mir nicht genannt.“ „Alles irgendwie merkwürdig. Und auch, dass wir als Belegschaft erst gestern darüber in Kenntnis gesetzt wurden, dass diese Fondgesellschaft den ganzen Laden hier übernommen hat. Zu 100 Prozent. Das hat nichts mehr mit seriösem Journalismus zu tun. Wie heißt diese Firma gleich nochmal?“ „Redstones. Mann, deine Vergesslichkeit scheint von Tag zu Tag stärker zu werden.“ „Ich weiß. Liegt wohl an der falschen Ernährung. Aber gute Nahrungsmittel zu bekommen, so wie früher, wird auch immer schwerer, wie du weißt. Zumindest für uns Normalverdiener, die Reichen haben da noch keine Probleme.“ „Ja, die Erderwärmung hat in den letzten Jahren ziemlich zugenommen. Keine Ahnung, wo das noch hinführen soll. Viele Bauern haben schon Probleme, was Ordentliches anzupflanzen. Ich hab´ dir ja schon oft meine Ginkgo-Kapseln angeboten, aber du lehnst sie immer noch ab.“ „Nein danke! Das Zeug ist mir zu künstlich.“ „Die helfen auch bei Stress, haben beruhigende Wirkung. Na ja, wie du meinst. Jedenfalls sollten wir uns auf den Weg machen und die Koffer packen! Die Flugtickets kann ich gleich online buchen, wenn du willst?“ „Von mir aus!“

Flughafen Berlin-Brandenburg

Das Taxi hielt kurz vor dem Eingang. Die Fahrt von der Innenstadt über die Autobahn A113 nach Schönefeld dauerte zirka 35 Minuten. Stefan bezahlte den Fahrer über seine Handy-App und spurtete mit seinem Rollkoffer Hannah hinterher, die sich schon schnurstracks Richtung Abflugterminal B begab. „Warte doch! Nicht so schnell!“ „Wir müssen uns beeilen, wenn wir den Flug noch erwischen wollen! Das Gepäck müssen wir auch noch aufgeben!“ „Ja doch, komme schon.“ Eine Durchsage forderte bereits auf, dass die Lufthansa-Maschine in wenigen Minuten starten würde. „Letzte Einstiegsmöglichkeit!“ Auf Hannahs und Stefans Stirn bildeten sich schon die ersten Schweißperlen, die Klima-Anlage des Terminals bot nicht ausreichend Kühlung. „Mann, ich hasse diesen Caspers jetzt erst recht. Dass er uns das so kurzfristig antut? Diese verdammte Hetzerei und Hektik. Ich würd´ ihm am liebsten an die Gurgel gehen.“ „Ich auch.“ Völlig außer Puste hechelten beide über die Gangway in das Flugzeuginnere, von dort wurden sie von einer Stewardess zu ihren Plätzen begleitet. Sie ließen sich in ihre Sitze fallen und gönnten sich erstmal eine Verschnaufpause. „Puh. Das war knapp.“ Hannah hatte einen Platz direkt am Fenster und blickte auf das Gebäude der Abflughalle. Sie fing plötzlich an zu schmunzeln. Stefan musterte sie mit einem seltsamen Blick von der Seite. „Was ist denn so komisch?“ „Der Flughafen. Dass er nun doch noch fertig geworden ist?“ Vor 2 Monaten war doch erst Einweihung.“ „Ja, stimmt. Da hab´ ich mal recherchiert. Die Eröffnung hätte schon 2012 erfolgen sollen, jetzt haben wir 2030. 18 Jahre Unterschied, unfassbar eigentlich! Aber das stört mich jetzt weniger. Mich stört eher diese kurzfristig anberaumte Reise?“ „Ja, aber wir müssen es akzeptieren, laut neuem Arbeitsvertrag, weil wir noch keine eigene Familie haben. Ansonsten werden wir gefeuert.“ „Kann man da rechtlich wirklich nichts machen?“ „Nein, ich habe darüber mit meinem Anwalt gesprochen, als man mich das letzte Mal schnell nach London schickte. Die Arbeitsgesetze wurden vor einem halben Jahr geändert, zugunsten der Arbeitgeber. Das hab´ ich dir aber schon erzählt.“ „Ja, ja. Diese Entwicklung gefällt mir allerdings ganz und gar nicht.“ „ Na ja, wir bekommen es doch mit. Fast jeden Tag gibt’s irgendwo Arbeitskämpfe, gebracht hat´s gar nichts. Die Regierung schaut einfach tatenlos zu.“

Während Hannah nochmal aus dem Fenster starrte, setzte sich das Flugzeug im selben Augenblick langsam in Bewegung und steuerte auf die Rollbahn zu. Nach wenigen Minuten des Wartens vor der Startbahn gab der Flugtower sein Okay und die Maschine hob ab Richtung Asien.

Kapitel 2

Nach einem Zwischenstopp in Frankfurt landete das Passagierflugzeug nach 13 Stunden in Tokio. Es war 7 Uhr morgens und ein sonniger Morgen noch dazu im Land der aufgehenden Sonne, das ein entsprechendes Symbol sogar in der eigenen Nationalflagge abbilden lässt. Man vermutet, dass bereits seit dem 13. Jahrhundert die Sonnenscheibenflagge, die sogenannte Hinomaru, in Japan existiert. Offiziell eingeführt wurde sie jedoch erst 1999.

Es war heute erstaunlich kühl am Haneda-Airport und die beiden jungen Journalisten fröstelte etwas in ihren kurzen Klamotten. „Bestimmt wird es später wieder heißer.“ Das ist ja inzwischen zur Normalität geworden, auf der ganzen Welt. Folge davon war, dass die Polkappen stärker abschmolzen und deshalb der Meeres-Spiegel stieg. Die Inselgruppe der Malediven stand schon zur Hälfte unter Wasser, auch Tokio hatte massiv darunter zu leiden. Das Normalhöhennull der Großstadt sank in der Bucht zum Pazifik hin in den letzten Jahren aufgrund des veränderten Klimas leicht ab. Hannah sollte dann auch Recht behalten. Es wurde heißer. Als die beiden schließlich ihre Hotelzimmer bezogen, schalteten sie erstmal die Klima-Anlage ein. Der Flug hatte beide ziemlich geschlaucht, an Schlaf war in den engen Kabinensitzen kaum zu denken. Vielleicht waren es 2, maximal 3 Stunden, in denen beide ein Auge zugetan hatten. Hinzukam der Jetlag, diese Zeitverschiebung nach Langstreckenflügen und die damit verbundene Störung des Schlaf-Wach-Rhythmus beim Menschen.

Stefan schlurfte nach nebenan, die Zimmer hatten sie direkt nebeneinander ausgewählt. Die ganze Aktion war so kurzfristig angesetzt, dass beide sich erstmal in diesem billigen Hostel niederließen, das wirklich einer Art Jugendherberge glich, wie die englische Bezeichnung vermuten ließ. Die Inneneinrichtung war auf das Minimum beschränkt, aber zumindest waren die Räume sauber. Hannah öffnete müden Blickes ihre Zimmertür. „Na, wie geht’s dir?“ „Geht so. Wenigstens bekommen wir von der Agentur die Spesen bezahlt, auch wenn´s nur immer das Billigste ist, siehe unser Economy-Flug. Wo hast du denn den Kaffee her?“ „Unten aus der kleinen Kantine. Extra stark. Aus dem sprechenden Automaten, der versteht sogar Deutsch. Schmeckt zwar nicht besonders, aber mit Milch und Zucker geht’s. Hm, schon komisch. Gestern um die gleiche Zeit saß ich noch in unserer Büroküche, ebenfalls mit einem Becher in der Hand. Das passt irgendwie.“ „Ein sprechender Kaffee-Automat? Okay. Ich hätt´ jetzt lieber einen grünen Matcha-Tee.“ Hannah hielt kurz inne. „Und? Hat es was gebracht?“ „Fühl´ mich munterer, doch! Was steht eigentlich als Nächstes an?“ „Wir sollen uns mal mit der zuständigen Polizei unterhalten. Hast du deinen Übersetzer eigentlich dabei?“ „Klar doch. Du kennst mich doch!“ „Eben“. Hannah huschte dabei ein leichtes Schmunzeln über die Lippen und sie fügte hinzu: „Die neuen Geräte sind natürlich schon hilfreich, solange sie funktionieren.“

Die aktuellen Generationen von Universaltranslatoren waren kleine In-Ear-Kopfhörer und -Mikrofone in einem, inklusive Haltebügel, und konnten jede Fremdsprache simultan in Echtzeit übersetzen, sogar über Telefon- und Internetleitungen hinweg. Konfigurieren konnte man sie mit einer entsprechenden App auf dem Smartphone, die Mini-Akkus hielten 16 Stunden und konnten über das passende Transport-Etui aufgeladen werden. „Vorher müssen wir noch in das Tokioter Agenturbüro, das ja momentan unbesetzt ist. Lass uns mal schauen, was unsere Vorgänger so an Infos da gelassen haben!“

Tokioter Büro, Bezirk Chuo

„Wie sieht´s denn hier aus?“ „Mann, wer hat hier wohl diese Unordnung hinterlassen?“ Die beiden Redakteure schüttelten die Köpfe. „Das müssen wir eigentlich melden, oder?“ Stefan fiel in dem Moment nichts Besseres ein, was er zu diesem Schlamassel noch sagen könnte. Hannah beschwichtigte ihn. „Wir müssen erstmal überprüfen, auf was es der oder die Einbrecher abgesehen hatten. Es gibt hier keine besonderen Wertgegenstände. Bargeld liegt nur in der Kaffeekasse, aber das sind nur ein paar 100 Yen, ungefähr 5 Euro. Nicht der Rede wert. Die Laptops sind auch noch da.“ Stefan strich sich über das kurze, schwarze Haar und blickte dabei etwas überfordert auf den Boden. „Wie oft warst du eigentlich schon hier beziehungsweise das letzte Mal?“ „Schon oft, das letzte Mal vor 6 Wochen.“ „Ach so, hab´ ich wegen meinem Urlaub gar nicht mitbekommen. Deswegen hat dieser Caspers dich damit beauftragt, hierher zu kommen. Ich bin quasi nur der kleine Assistent.“ „Seh´ das doch nicht so eng! Ich brauch´ dich hier auf jeden Fall. Alleine schaffe ich das nicht und es wär´ auch eher langweilig, so ganz auf mich gestellt in einem anderen Land.“ Stefan fiel plötzlich etwas auf in dem ganzen Durcheinander. Er beugte sich vor über die Tischplatte, auf der sich auch die beiden tragbaren Computer befanden. „Hey, ist das Blut hier auf dem Stück zerknüllten Papier?“ Hannah eilte zu ihm. „Das kann doch nicht sein? Fass´ bloß nichts an!“ Die Journalistin rollte den Bürostuhl mit einem Ellbogenstoß ein wenig nach hinten, um unter den Tisch sehen zu können. Auch dort befanden sich dunkelrote Tropfen, eingetrocknet auf grauem Linoleum und nicht nur das. Eine ganze Lache in Rot sammelte sich schon im hinteren Eck. Das konnte kaum vom Nasenbluten stammen. Hier war etwas Schlimmeres passiert. Zum ersten Mal bekam die junge Frau Panik, ansonsten war sie stets gefasst und die Ruhe selbst. Aber das war keine Farbe, das war echtes Blut! Sie war sich sicher. „Ich brauch´ mal einen kurzen Moment!“ Hannah verschwand in der kleinen Küche nebenan und schluckte zur Beruhigung zwei ihrer mitgebrachten Kapseln. Sie spülte mit Leitungswasser nach und versuchte, ihren Atem zu verlangsamen. Sie stützte sich dabei am Spülbecken ab, schloss die Augen und atmete tief durch. Dann erschrak sie. „Gibst du mir auch so eine Pille?“ „Mann, hast du mich erschreckt!“ „Entschuldige!“ „Ich dachte, die sind dir zu künstlich?“ „Im jetzigen Moment ist mir das, ehrlich gesagt, ziemlich egal.“ „Na gut, hier.“ Sie warf ihrem Kollegen die kleine, runde Dose zu. „Am besten gut nachspülen!“ „Schon klar.“ Stefan hatte nicht den Eindruck, dass die Kapsel irgendeine Wirkung zeigte. Er fühlte sich aber auf unerklärliche Weise trotzdem irgendwie wohl. Vermutlich eher ein Placebo-Effekt. „Und was machen wir jetzt? Die Polizei verständigen?“ Hannah drehte sich langsam zu ihm um, immer noch mit einem Schrecken im Gesicht. „Ja, ich glaube, das sollten wir tun.“

Die Polizei brauchte eine Dreiviertelstunde, um im Auslandsbüro der Presseagentur aufzutauchen, obwohl es vom Hauptquartier des Metropolitan Police Departments im Stadtteil Kasumigaseki nach Ginza im Bezirk Chuo nur gut 3 Kilometer waren. Der Universalübersetzer war vor etwa 1 Stunde zuverlässiger und an dieser Stelle wirklich hilfreich. Er funktionierte diesmal sogar einwandfrei. Inspektor Hanashi von der Keishi-cho, der Polizeibehörde der japanischen Präfektur in Tokio, stand etwas abseits und unterhielt sich gerade mit zwei seiner Einsatzleute. Alle hatten sie blaue Dienstkleidung an, dunkelblaue Hosen, dazu ein hellblaues Hemd und eine dunkle Schirmmütze. Stefan und Hannah beobachteten die Szenerie und hatten keine Ahnung, was nun alles auf sie zukommen würde. Allerdings hatten sie auch wenig zu befürchten, schließlich hatten sie mit einem möglichen Verbrechen nichts zu tun. Stefan stand rechts neben seiner Kollegin und redete im Flüsterton, obwohl die Übersetzer ausgeschaltet waren und die Polizeibeamten ohnehin kein Deutsch verstanden. „Was machen wir jetzt eigentlich mit der Amokfahrt-Geschichte? Deswegen hat man uns doch extra hergeschickt.“ „Keine Ahnung. Das müssen wir erstmal ruhen lassen. Wir könnten aber auch später die Polizei fragen. Wahrscheinlich müssen wir sowieso aufs Revier und eine Aussage abgeben.“ Inspektor Hanashi blickte kurz verstohlen zu den Europäern hinüber. Dann trat er vor die beiden und gab ihnen zu verstehen, mit aufs Revier zu kommen, um eine Aussage abzugeben. „Hab´ ich´s nicht gesagt?“ Hannah gab ihrem Kollegen dabei einen kleinen, verständnisvollen Rempler mit. Laut Inspektor ergab die bisherige Untersuchung, dass die bisherige Untersuchung noch nichts ergab. Der DNA-Abgleich der Bluttropfen wird im Labor noch ein Weilchen dauern, die Fingerabdruck-Analyse ebenso. Das Büro bleibt erstmal für die Öffentlichkeit gesperrt, die beiden Journalisten sollen ihn doch, bitte schön, höflichst begleiten.

Polizeirevier, gleicher Bezirk

Hannah und Stefan nahmen wenig später im schwarz-weißen Polizeistreifenwagen der Präfektur auf der Rückbank Platz. „Na ja. Immerhin dürfen wir mal kostenlos fahren und müssen kein teures Taxi bezahlen.“ Du scheinst dich ja wieder beruhigt zu haben, richtig entspannt.“ „Die Kapseln wirken allmählich, ja. Hättest ruhig ein paar mehr nehmen können!“ Stefan winkte dankend ab. Das Revier, zuständig für den 1. Polizeibezirk von insgesamt 10 in Tokio, war die nächste Anlaufstelle für die beiden ausländischen Journalisten. Das Gebäude war unscheinbar, wirkte schon von außen ungemütlich und karg, wohl typisch für Behörden. Hinzukam wieder einmal die nervtötende Hitze, alle Gesichter glänzten vor Schweiß. „Hoffentlich ist es drinnen wenigstens kühl.“ Hannah nickte ihrem Kollegen