Die Große Triade - René Guénon - E-Book

Die Große Triade E-Book

René Guénon

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Beschreibung

In der Studie "Die Große Triade" widmet sich René Guénon der chinesischen Tradition. Aufgrund der großen Unterschiede, die nicht nur im Hinblick auf die räumliche Entfernung bestehen, sondern auch die Mentalität der Völker betreffen, ist sie für die westlich geprägten Menschen besonders weit entfernt und schwer zugänglich. Daher versucht Guénon durch Vergleiche mit uns besser zugänglichen Traditionsformen diese Kluft zu überwinden. Den Schwerpunkt legt Guénon bei seinen Betrachtungen auf die Dreiheit der Großen Triade, also Himmel, Erde und Mensch. Es geht ihm nicht darum, die chinesische Tradition in möglichst vielen Aspekte zu untersuchen. Durch diesen klaren Fokus ist es ihm vielmehr möglich, über das Bindeglied der Dreiheit, die in fast allen traditionellen Lehren zu finden ist, Entsprechungen und Bedeutungsunterschiede zwischen verschiedenen Traditionen aufzuzeigen. Guénon macht uns mit dem vorliegenden Werk nicht nur mit den wichtigsten Aspekten der chinesischen Tradition vertraut, sondern gibt uns einmal mehr Einblicke in das höchste Wissen der Menschheit, das in Form der Metaphysik die Grundlage für die verschiedenen Traditionsformen bildet, die sich in Zeit und Raum davon abgeleitet haben. Nach über 20 Jahren der Vorbereitung macht die 14-bändige deutsche Ausgabe die meisten Veröffentlichungen René Guénons erstmals in deutscher Sprache zugänglich und ermöglicht es, dem interessierten deutschsprachigen Leser tiefer in die traditionelle Denkweise und die Lehre der metaphysischen Prinzipien vorzudringen.

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Französische Originalausgabe:

LA GRANDE TRIADE

© Éditions Gallimard 1957

Ergänzt um Kapitel 10 aus:

APERÇUS SUR L’ÈSOTERISME ISLAMIQUE ET LE TAOÏSME

© Éditions Gallimard 1973

Deutsche Ausgabe:

BAND 9: DIE GROßE TRIADE

Übersetzung aus dem Englischen durch Ingo Steinke

Herausgeber der deutschen Ausgabe: Ingo Steinke

Kontakt: [email protected]

Inhalt

VORWORT DES HERAUSGEBERS

VORWORT

1. DREIHEIT & DREIFALTIGKEIT

2. DIE VERSCHIEDENEN TYPEN VON DREIHEITEN

3. HIMMEL & ERDE

4. YIN & YANG

5. DIE DOPPELSPIRALE

6. SOLVE ET COAGULA

7. DIE POLARE & DIE SOLARE AUSRICHTUNG

8. HIMMLISCHE & IRDISCHE ZAHLEN

9. DER SOHN VON HIMMEL UND ERDE

10. DER MENSCH UND DIE DREI WELTEN

11. SPIRITUS, ANIMA & CORPUS

12. SCHWEFEL, QUECKSILBER & SALZ

13. DAS SEIN UND SEINE UMGEBUNG

14. DER VERMITTLER

15. ZWISCHEN ZIRKEL UND WINKEL

16. DAS MING T‘ANG

17. WANG: DER KÖNIG-HOHEPRIESTER

18. DER WAHRE MENSCH & DER TRANSZENDENTE MENSCH

19. DEUS, HOMO & NATURA

20. DIE VERZERRUNGEN DER MODERNEN PHILOSOPHIE

21. VORSEHUNG, WILLE & SCHICKSAL

22. DIE DREIFACHE ZEIT

23. DAS KOSMISCHE RAD

24. DAS TRIRATNA

25. DIE STADT DER WEIDEN

26. DER MITTLERE WEG

27. ANHANG: TAOISMUS & KONFUZIANISMUS

ÜBER RENÉ GUÉNON

DIE WERKE RENÉ GUÉNONS IN DEUTSCHER AUSGABE

Vorwort des Herausgebers

In der Studie Die Große Triade widmet sich René Guénon in erster Linie der chinesischen Tradition. Dies ist bemerkenswert, da er sich in seinen vorangegangenen Werken vorwiegend mit Traditionsformen auseinandergesetzt hatte, die unmittelbar mit seiner Biografie und damit seinen persönlichen Erfahrungen verbunden waren. Hervorzuheben ist hier der Hinduismus, durch dessen Vertreter er selbst tiefe Einblicke in das metaphysische Wissen erhielt. Auch die Freimaurerei zog er insbesondere in seinen frühen Werken immer wieder heran, da er selbst bis zu einem gewissen Zeitpunkt aktives Mitglied einer Loge war. Durch sein Lebenszentrum in Frankreich war er aufgrund seiner unmittelbaren Umgebung natürlich mit dem Christentum vertraut. Seine Konvertierung zum Islam und sein Umzug nach Ägypten ließen ihn in späteren Lebensjahren auch diese Traditionsform tiefer durchdringen. All diesen Lehren hat Guénon viele Veröffentlichungen und teils ganze Studien gewidmet, so dass es in gewisser Weise überraschend ist, dass er sich zu seinem Lebensende nochmals mit einer für ihn neuen Tradition auseinandersetzte.

Aus heutiger Sicht lässt sich nicht nachvollziehen, ob Guénon durch direkte Vermittlung tiefere Kenntnisse über die chinesische Lehre erlangen konnte, so wie dies beim Hinduismus der Fall war. Diese Möglichkeit ist jedenfalls nicht auszuschließen, da er sich durch seine Publikationen in gewissen Kreisen einen beachtenswerten Ruf erarbeitet hatte und so das Interesse Vertreter anderer Traditionen geweckt haben könnte. Andererseits sind das Tao Te Ching von Lao Tzu und die Werke von Chuang Tzu in ihrer Klarheit und scheinbaren Einfachheit schon seit je her eine unverzichtbare Lektüre für den, der auf dem wahrhaft geistigen Weg voranschreiten möchte. Daher ist es nicht auszuschließen, dass Guénon nur über diesen indirekten Kontakt, also die Lektüre dieser und anderer Werke der chinesischen Tradition sowie die Kommentare westlicher Autoren, dazu veranlasst wurde, selbst eine Studie über diese Tradition zu verfassen.

Den Schwerpunkt bei seinen Betrachtungen legt Guénon wie der Titel deutlich macht auf die Dreiheit der Großen Triade, also Himmel, Erde und Mensch. Es geht ihm nicht darum, die chinesische Tradition in möglichst vielen ihrer Aspekte zu untersuchen. Durch diesen klaren Fokus ist es ihm vielmehr möglich, über das Bindeglied der Dreiheit, die in fast allen traditionellen Lehren zu finden ist, Entsprechungen und Bedeutungsunterschiede zwischen verschiedenen Traditionen aufzuzeigen. Dieses Unterfangen zieht sich wie ein roter Faden durch die Werke Guénons: Durch das Hervorheben der Gemeinsamkeiten zwischen traditionellen Lehren wird deutlich, dass sie sich der gleichen Prinzipien bedienen und alle auf eine ursprüngliche Lehre zurückzuführen sind. Diese Lehre ist die der wahren Metaphysik und auch die Lehre der Dreiheit ist – zumindest wenn sie in ihrem höchsten Aspekt betrachtet wird – ein strikt metaphysisches Thema. So behandelt dieser Band auch immer wieder Themen, die in ähnlicher Form in anderen Werken Guénons zu finden sind, was sich letztlich auf dieses gemeinsame Prinzip aller traditionellen Lehren zurückführen lässt, das ihren gemeinsamen Kern bildet. Da es sich um das höchste geistige Wissen handelt, ist es trotz seiner scheinbaren Einfachheit nur schwer wahrhaft zu verstehen und aufzunehmen. Durch die Anpassung an die Umstände der Zeit und des Raumes kann dieses Wissen geeigneten Individuen zugänglich gemacht werden. Und auch die chinesische Tradition stellt in dieser Hinsicht keine Ausnahme dar. Aufgrund der großen Unterschiede, die nicht nur im Hinblick auf die räumliche Entfernung bestehen, sondern auch die Mentalität der Völker betreffen, ist sie für die westlich geprägten Menschen besonders weit entfernt und schwer zugänglich. Daher versucht Guénon durch Vergleiche mit uns besser zugänglichen Traditionsformen diese Kluft zu überwinden. Gleichzeitig ist es jedoch unabdingbar, auch die Bedeutungsunterschiede zu beachten, die oft auf den ersten Blick nicht erkannt werden und doch erheblich sind. Gerade im Westen ist der religiöse Blickwinkel aus naheliegenden Gründen vorherrschend, der sich jedoch auf den exoterischen und nicht den esoterischen Bereich bezieht. Und spricht man dort von der Dreifaltigkeit, so ist dies doch etwas wesentlich anderes als die metaphysische Dreiheit der Großen Triade.

Für die vorliegende deutsche Ausgabe haben wir der französischen Originalausgabe La Grande Triade noch den Anhang „Taoismus & Konfuzianismus“ hinzugefügt, der in der posthum erschienenen Sammlung Aperçus sur l’Ésoterérisme Islamique et le Taoïsme enthalten ist. Zeitlich wurde er jedoch weit vor La Grande Triade veröffentlicht, und zwar in Le Voile d’Isis, Ausgabe August-September 1932. Er gibt in Grundzügen einen guten Überblick über die chinesische Tradition und ihre Unterteilung in den Taoismus und Konfuzianismus. In diesem Sinne eignet er sich auch als Hinführung zur chinesischen Tradition und es empfiehlt sich, ihn als Einstieg in diese Studie zu lesen.

Guénon macht uns mit dem vorliegenden Werk nicht nur mit den wichtigsten Aspekten der chinesischen Tradition vertraut, sondern gibt uns einmal mehr Einblicke in das höchste Wissen der Menschheit. Mit Bedauern ist daher anzumerken, dass es sich bei Die Große Triade um das letzte von Guénon verfasste Werk handelt. Mit seinem Tod ist eine der großen Wissensquellen versiegt, über die der Westen in moderner Zeit noch verfügte und die bis heute keine würdige Nachfolge mehr gefunden hat.

Steinke

München, im Oktober 2020

Vorwort

Bereits der Titel dieser Studie, Die Große Triade, deutet darauf hin, dass sie sich in erster Linie mit der Symbolik der fernöstlichen Tradition beschäftigt, da in dieser die Dreiheit „Himmel – Erde – Mensch“ (T’ien-Ti-Jen) eine hervorgehobene Rolle spielt. Diese Dreiheit wird üblicherweise als „Triade“ bezeichnet, selbst wenn die Bedeutung dieses Begriffes nicht immer genau verstanden wird. Auf diesen Punkt möchten wir daher im Verlaufe der vorliegenden Studie näher eingehen und in diesem Zusammenhang werden wir auch die Entsprechungen erklären, die sich zu dieser Dreiheit in anderen Traditionen finden lassen. Diese Thematik hatten wir zwar bereits in einer anderen Studie behandelt,1 wir halten es aber für notwendig, ihr größere Beachtung zu widmen. Vielen unserer Leser dürfte es überdies bekannt sein, dass es in China eine geheime Organisation gibt (oder zumindest eine Gruppierung, die im Allgemeinen als solche angesehen wird) die im Westen unter dem Namen „Triade“ bekannt ist. Da wir nicht beabsichtigen, uns im Speziellen mit dieser Organisation zu beschäftigen, möchten wir gleich zu Beginn einige Worte über sie sagen, um im weiteren Verlauf unserer Darlegungen nicht erneut auf sie zurückkommen zu müssen.2

Der eigentliche Name der fraglichen Organisation ist T’ien Ti Huei, was so viel bedeutet wie „Gesellschaft des Himmels und der Erde“. Dabei muss man allerdings bei der Verwendung der Bezeichnung „Gesellschaft“ in diesem Fall etwas vorsichtig sein und zwar aus Gründen, die wir bereits an anderer Stelle näher dargelegt haben.3 Diese Organisation gehört zwar einer relativ „äußeren“ Ordnung an, ist aber dennoch weit davon entfernt, all die speziellen Merkmale zu besitzen, die mit diesem Wort in der modernen westlichen Welt unvermeidlich verbunden sind. Auffällig ist, dass nur die ersten beiden Bestandteile der Großen Triade in ihrem Namen zu finden sind. Dies liegt daran, dass die Organisation (huei) selbst Kraft ihrer Mitglieder, die hier sowohl als Gemeinschaft als auch als Individuen verstanden werden, die Stelle des dritten Bestandteils einnimmt.4 Im Folgenden werden wir dies noch näher erläutern. Es sind noch viele weitere Namen dieser Organisation bekannt, unter denen es auch solche gibt, die die Vorstellung der Dreiheit deutlicher ausdrücken.5 Aber eigentlich ist dies nicht richtig, da diese Namen nur bestimmte Zweige oder zeitweilige „Verkörperungen“ dieser Organisation bezeichnen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Geschichte auftraten, aber dann wieder verschwanden, sobald sie die Rolle erfüllt hatten, für die sie ins Leben gerufen worden waren.6

Wir haben in unserer Studie Einblicke in die Initiation bereits auf die wahre Natur dieser Art von Organisationen hingewiesen.7 Sie sind letztlich alle aus der taoistischen Hierarchie hervorgegangen, die sie auf nicht wahrnehmbare Weise erzeugt und leitet. Über sie verfolgt diese Hierarchie mehr oder weniger „äußere“ Aktivitäten, in die sie sich selbst nicht direkt einmischen könnte, ohne das Prinzip des „Nicht-Handelns“ (wu wei) zu verletzen. Diesem Prinzip zu Folge hat die Hierarchie im Wesentlichen die Rolle des „unbewegten Bewegers“ einzunehmen, also das Zentrum, das die Bewegung aller Dinge beherrscht, ohne jedoch an dieser Bewegung selbst teilzunehmen. Die meisten Sinologen sind sich dieses Prinzips nicht bewusst, da sie ihre Studien aus einem Blickwinkel heraus durchführen, der ihnen nicht näherbringen kann, dass sich alles, was der esoterischen oder initiatischen Ordnung angehört, immer auf den Taoismus bezieht. Und selbst jene, die in diesen geheimen Organisationen einen taoistischen Einfluss entdecken konnten, waren merkwürdigerweise nicht dazu in der Lage, daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen. Vielmehr betonten sie in diesem Zusammenhang das Vorhandensein anderer Einflüsse wie den des Buddhismus und sprechen dann von einem „Synkretismus“. Dabei kommt ihnen jedoch nicht in den Sinn, dass dieses Wort etwas ganz anderes bedeutet, wenn man derartige Einflüsse vor dem Hintergrund der bei den Chinesen vorherrschenden Geisteshaltung der „Synthese“ sieht. Man muss auch die initiatische Wurzel beachtet, von der die fraglichen Organisationen sich offensichtlich ableiteten, selbst wenn sie Formen annahmen, die weit von ihrem eigentlichen Zentrum entfernt waren.8 Damit möchten wir allerdings auch nicht behaupten, dass alle Mitglieder dieser nach „außen“ gerichteten Organisationen sich der grundsätzlichen Einheit aller Traditionen bewusst sind. Aber jene, die hinter diesen Organisationen stehen und sie leiten, besitzen dieses Bewusstsein normalerweise in ihrem Vermögen, ein „wahrer Mensch“ (chen jen) zu sein. Und dies erlaubt es ihnen, Elemente aus anderen Traditionen zu benutzen, wenn die Umstände dazu günstig sind oder es ihnen als förderlich erscheint.9

In diesem Zusammenhang möchten wir noch näher auf die gerade erwähnte Gegenwart von Elementen buddhistischen Ursprungs eingehen und zwar nicht, weil sie unbestritten am häufigsten vorzufinden sind, was sich einfach durch die weite Verbreitung des Buddhismus in China und im gesamten Fernen Osten erklären lässt. Es gibt dafür vielmehr einen tiefergehenden Grund, der sehr interessant ist und ohne den die Verbreitung des Buddhismus wohl gar nicht stattgefunden hätte. Für die Verwendung buddhistischer Elemente lassen sich unzählige Beispiele finden. Darunter sind die meisten von einer eher nachrangigen Bedeutung, so dass sie nur aufgrund ihrer großen Anzahl erwähnenswert erscheinen, die einem außenstehenden Beobachter leicht ins Auge fällt und ihn so aber von dem ablenkt, was eigentlich das Wesentliche dabei ist.10 Aber zumindest bei folgendem Beispiel wird es sehr schnell deutlich, worum es im Grunde geht: Wir beziehen uns auf die Verwendung des Symbols des „weißen Lotus“ in der Bezeichnung der zweiten großen Organisation des Fernen Ostens, die sich auf gleicher Ebene wie die T’ien Ti Huei befindet.11 Tatsächlich bezeichnen Pai Lien Chai oder Pai Lien Tsung – was der Name einer buddhistischen Schule ist – und Pai Chiao oder Pai Lien Huei – was der Name der zweiten Organisation ist – etwas völlig Verschiedenes. Und dennoch gibt es eine gewisse vorsätzlich gewählte Zweideutigkeit, wenn eine Organisation, die eigentlich taoistischen Ursprungs ist, einen solchen Titel annimmt. Diese Zweideutigkeit lässt sich auch in gewissen Riten oder Legenden finden, in denen buddhistische Mönche sehr oft eine wichtige Rolle spielen. Aus diesen Beispielen kann man erkennen, dass der Buddhismus als ein „Deckmantel“ für den Taoismus dienen kann. Dies hat für den Taoismus wiederum den Vorteil, dass er sich nach außen hin weniger deutlich zu zeigen braucht, was ja für eine Lehre angebracht ist, die sich aufgrund ihrer Definition an eine eng begrenzte Elite wendet. Daher konnte der Taoismus die Verbreitung des Buddhismus in China fördern, ohne dass irgendwelche engeren Bezüge hergestellt werden mussten, die heute nur in den Vorstellungen gewisser Orientalisten existieren. Diese Aufteilung wurde noch dadurch unterstützt, dass in der fernöstlichen Tradition der esoterische und exoterische Teil als zwei verschiedene Zweigen der Lehre in Form des Taoismus und Konfuzianismus auftraten und dazwischen Raum für etwas „Dazwischenliegendes“ bestand. Zusätzlich muss man auch berücksichtigen, dass der chinesische Buddhismus in großem Maße vom Taoismus beeinflusst wurde, was gut an den Anpassungen im chinesischen Buddhismus erkennbar ist, die sich auf taoistische Methoden zurückführen lassen. Diese wurden von bestimmten buddhistischen Schulen durchgeführt, wie beispielsweise von der Ch’an Schule.12 Das gleiche gilt auch für die Verwendung gewisser Symbole, die mit dem Taoismus verbunden sind, wie das kuan yin.

Es gibt noch weitere Elemente, deren Vorhandensein selbst ein überzeugter Anhänger der Theorie der „Entleihungen“ kaum als „Synkretismus“ deuten kann und die unter jenen, die die geheimen chinesischen Gesellschaften studieren wollten, immer ein unlösbares Rätsel geblieben sind, da sie über keinerlei initiatisches Wissen verfügen. Dabei sprechen wir von Elementen, die in manchen Fällen ganz offensichtliche Ähnlichkeiten zwischen diesen Organisationen und jenen herstellen, die in einer anderen Traditionsform der gleichen Ordnung angehören. Manche gehen sogar so weit, dass sie an einen gemeinsamen Ursprung der Triade und der Freimaurerei glauben, ohne diesen Gedanken allerdings in irgendeiner Weise ernsthaft begründen zu können – was auch nicht verwunderlich ist. Man darf diese Vorstellung zwar nicht von vorn herein als völlig unmöglich ablehnen, aber der Gedanke an einen gemeinsamen Ursprung muss mit einem Verständnis geschehen, das völlig von dem abweicht, das die Vertreter dieser Theorie im Allgemeinen haben: Dieser Ursprung bezieht sich nicht auf einen mehr oder weniger weit in der Vergangenheit zurückliegenden Punkt, sondern rein auf die Gleichheit der Prinzipien, die jede Initiation bestimmt – sei sie aus dem Osten oder aus dem Westen. Um diese Ähnlichkeiten zwischen den Traditionsformen verstehen zu können, muss man vor den Anfang der Historie zurückgehen, also zur anfänglichen Tradition selbst.13 Bezüglich der Ähnlichkeiten, die sich konkret zeigen, möchten wir noch ergänzen, dass Dinge wie die Verwendung einer numerischen Symbolik oder einer auf Architektur beruhenden Symbolik keineswegs spezifisch für eine bestimmte Initiationsform sind. Sie lassen sich vielmehr überall finden und sind eher unterschiedliche Arten einer Anpassung, da sie sich auf die Wissenschaften oder Künste beziehen, die auch mit dem gleichen „heiligen“ Charakter in anderen Traditionen zu finden sind. Sie gehören daher dem Bereich der Initiation im Allgemeinen an und wenn wir uns wieder dem Fernen Osten zuwenden, so sind sie Teil des Taoismus. Die hinzugekommenen Elemente – seien sie buddhistisch oder einer anderen Tradition entliehen –, dienen somit als eine Art von „Maske“. Sie sind aber deswegen nicht weniger wichtig, sondern gehören im Gegenteil zu dem, was wahrhaft wesentlich ist.

Wenn wir in dieser Studie vom Taoismus und den Dingen sprechen, die zu ihm gehören, so bezieht sich dies immer auf die fernöstliche Tradition in ihrem heutigen Zustand. Wer dies mit einer Geisteshaltung liest, die zu sehr auf das „Historische“ ausgerichtet ist, könnte jedoch dazu verleitet werden zu denken, dass es um Vorstellungen gehe, die sich zeitlich nicht vor dem finden lassen, was man eben als Taoismus bezeichnet. Aber diese Vorstellungen gab es bereits in der am weitesten zurückliegenden Periode der chinesischen Tradition, nämlich der des Fu Hsi. Dies lässt sich darauf zurückführen, dass der Taoismus keine Neuerungen im esoterischen oder initiatischen Bereich eingeführt hat, so wie dies auch der Konfuzianismus im exoterischen oder gesellschaftlichen Bereich nicht getan hat. Jeder stellte in seinem Bereich nur eine Anpassung dar, die auf Bedingungen zurückzuführen war, die dazu führten, dass die Tradition in ihrer ursprünglichen Form nicht mehr länger gesamthaft verstanden werden konnte.14 Seit dieser Zeit wurde aus dem einen Teil der Tradition der Taoismus und aus dem anderen der Konfuzianismus, was bis heute gilt. Wenn man hergeht und bestimmte Vorstellungen dem Taoismus zuschreibt und andere dem Konfuzianismus, so ist dies nichts anderes als sie in bestimmte Systeme einzuordnen, wie dies die Menschen des Westens so gerne tun. Im Grunde bedeutet diese Einteilung jedoch nichts anderes als sie entweder dem esoterischen oder dem exoterischen Teil der fernöstlichen Tradition zuzusprechen.

Wir werden im Folgenden nicht mehr von der T’ien Ti Huei sprechen, außer wenn es notwendig ist, bestimmte Punkte dazu zu erklären. Was wir im Verlaufe dieser Studie untersuchen werden, zeigt auf allgemeine Weise die Prinzipien, auf denen diese Organisation Kraft ihres Namens beruht. Dadurch wird es möglich zu verstehen, dass sie trotz ihres nach außen gerichteten Charakters eine initiatische Organisation ist, die ihren Mitgliedern zumindest eine „virtuelle“ Teilhabe an der taoistischen Tradition ermöglicht. Die Rolle, die dem Menschen als dem dritten Bestandteil der Triade zugewiesen wird, ist auf der einen Ebene die des „wahren Menschen“ (chen jen) und auf der anderen die des „transzendenten Menschen“ (chün jen). Dies bezieht sich wiederum auf die jeweiligen Ziele, die die „Niederen Mysterien“ und die „Höheren Mysterien“ haben, also die Ziele jeglicher Initiation. Die Organisation, von der wir hier die ganze Zeit sprechen, zählt sicherlich nicht zu jenen, die es erlauben, diese Ziele tatsächlich zu erreichen. Aber sie kann zumindest jene vorbereiten, die dafür geeignet sind und dient damit als ein „Tor“ für den Einstieg in die taoistische Hierarchie, deren Grade wiederum jene sind, die die initiatische Verwirklichung bilden.

1 Siehe DIE SYMBOLIK DES KREUZES, Kapitel 28.

2 Details über diese Organisation und die von ihr benutzten Rituale und Symbole (insbesondere über die von ihr verwendete numerische Symbolik) finden sich in dem Buch LES SOCIÉTÉS SECRÈTES EN CHINE von B. Favre. Diese Untersuchung wurde aus einem weltlichen Blickwinkel geschrieben, aber es lässt sich sagen, dass der Autor gewisse Dinge wahrgenommen hat, die normalen Sinologen üblicherweise entgehen. Und selbst wenn er bei weitem nicht alle Fragen löst, die er im Verlaufe seiner Untersuchung aufwirft, so spricht er diese Punkte doch zumindest klar an. Wir möchten in diesem Zusammenhang auch auf das Buch LA VOIE RATIONNELLE (Kapitel 7) von Matgioi verweisen.

3 Siehe EINBLICKE IN DIE INITIATION, Kapitel 12.

4 In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu verstehen, dass der Begriff jen sowohl „Mensch“ als auch „Menschheit“ bedeutet. Wenn man ihn auf die gesellschaftliche Ordnung anwendet, bezeichnet er das „Zusammengehörigkeitsgefühl“ einer Rasse, deren tatsächliche Verwirklichung auch eines der Ziele ist, die sich diese Organisation gesetzt hat.

5 Hier sind insbesondere die Bezeichnungen die „Drei Flüsse“ (San Ho) und die „Drei Punkte“ (San Tien) hervorzuheben. Die Verwendung dieser letzten Bezeichnung ist sicher einer der Gründe dafür, dass gewisse Leute versucht haben, nach einer Verbindung zwischen der „Triade“ und initiatischen Organisationen aus dem Westen wie denen der Freimaurer und der Compagnonnage zu suchen.

6 Diese ganz wesentliche Unterscheidung darf insbesondere von denen nicht aus dem Auge verloren werden, die beabsichtigen, das angesprochene Buch von B. Favre zu lesen. Dort wird dieser Punkt übergangen, so dass man annehmen muss, dass der Autor diese Bezeichnungen einfach als weitere gleichwertige Namen versteht. Und tatsächlich beziehen sich seine Informationen, die er zum Thema der „Triade“ weitergibt, nur auf eine spezielle „Verkörperung“ von ihr, nämlich die der Hong Huei. Die T‘ien Ti Huei wurde jedoch wesentlich früher gründet als in den von ihm angegebene Zeitraum vom Ende des 17. bis Anfang des 18. Jahrhunderts. In diesen Zeitraum fällt wiederum genau die Gründung der Hong Huei.

7 Siehe Kapitel 12 und 46.

8 Ebd., Kapitel 6.

9 Dies umfasst in manchen Fällen auch Traditionen, die sehr weit vom Fernen Osten entfernt sind, so wie das Christentum, was sich bei der Vereinigung mit dem Namen „Großer Friede“ oder T‘ai P‘ing beobachten lässt, die eine der „jüngeren Verkörperungen“ der Pai Lien Huei ist. Dazu werden wir später aber noch mehr sagen.

10 Und sobald ein solch „außenstehender Beobachter“ ein Mensch des modernen Westens ist, wird solchen Gesellschaften aus diesem Grund die Neigung zum Synkretismus zugeschrieben.

11 Es gibt tatsächlich nur zwei diesbezüglich vergleichbare Organisationen in China. Alle anderen Verbindungen, die man noch kennt, sind in Wahrheit nur Verzweigungen oder Verkörperungen dieser beiden Organisationen.

12 Bei diesem Namen handelt es sich um die chinesische Schreibweise für das Sanskrit Wort dhyāna, was so viel bedeutet wie „geistige Versenkung“ oder „Kontemplation“. Diese Schule ist im Westen besser unter dem Namen Zen bekannt, das die japanische Form dieses Wortes ist.

13 Die Initiation als solche wurde ja erst ab einem gewissen Zeitpunkt im Zyklus der irdischen Menschheit notwendig und zwar dann, als die geistige Zurückentwicklung der Allgemeinheit einen bestimmten Grad überschritten hatte. Alles, was die Initiation beinhaltet, bildete ursprünglich den höheren Teil der anfänglichen Tradition, so wie auf analoge Weise alles, was im Taoismus enthalten ist, von Anfang an den höheren Teil der einen Tradition gebildet hat, die im Fernen Osten vor der Spaltung dieser Tradition in einen esoterischen und exoterischen Zweig existiert hat.

14 Die beiden Zweige der fernöstlichen Tradition wurden im 6. Jahrhundert vor Christus gebildet, also in der Zeit als Kung Tzu (Konfuzius) und Lao Tzu lebten.

1. Dreiheit & Dreifaltigkeit

Bevor wir uns dem Studium der fernöstlichen Triade widmen, halten wir es für angebracht, auf die vielen falschen Vorstellungen und Vergleiche aufmerksam zu machen, die in diesem Zusammenhang vornehmlich im Westen zu finden sind. Sie entstehen dadurch, dass man dort in jeder traditionellen Dreiheit ein mehr oder weniger genaues Gegenstück zur christlichen Dreifaltigkeit sieht. Dieser Fehler ist nicht nur den christlichen Theologen zu eigen, die man noch durch ihren Wunsch entschuldigen kann, alles auf ihre eigene, spezielle Sichtweise zurückführen zu wollen. Merkwürdigerweise begehen auch Leute diesen Fehler, die ganz allgemein gegenüber Religionen gleichgültig oder sogar ablehnend eingestellt sind. Dies mag daran liegen, dass sie aufgrund der Umgebung, in der sie leben, mit dem Christentum vertrauter sind als mit anderen traditionellen Formen (was nicht bedeutet, dass sie das Christentum deshalb besser verstehen). Als Folge davon nehmen sie dieses mehr oder weniger unbewusst als Maßstab, auf den sie alles beziehen. Unten diesen ungerechtfertigten Gleichsetzungen trifft man am häufigsten auf das hinduistische trimurti, das heutzutage sogar schon mit „Dreifaltigkeit“ übersetzt wird. Um Missverständnisse zu vermeiden, ist es jedoch sinnvoll, dass der Begriff „Dreifaltigkeit“ ausschließlich der christlichen Vorstellung vorbehalten bleibt, da er ursprünglich auch nur hier Gültigkeit hatte. So lässt sich zwar sagen, dass in beiden Fällen drei göttliche Aspekte involviert sind, sich aber bei näherer Betrachtung keine weiteren Ähnlichkeiten finden lassen. Und da weder die Bestandteile miteinander übereinstimmen noch ihre Unterscheidung von der gleichen Sichtweise aus getroffen wird, ist es letztlich völlig unmöglich, das eine mit dem anderen zu vergleichen.15

Um einen Bezug zwischen zwei Dreiheiten aus verschiedenen traditionellen Formen herstellen zu können, muss zuerst eine Entsprechung zwischen den einzelnen Bestandteilen möglich sein, also die Beziehung zwischen ihnen muss gleich oder zumindest ähnlich sein. Aber selbst diese Voraussetzung ist als solche nicht ausreichend, um eine vollständige Gleichsetzung zwischen zwei derartigen Dreiheiten zu erlauben. Es ist auch denkbar, dass es zwar eine Entsprechung gibt, diese aber auf unterschiedlichen Ebenen liegt, wie die der Prinzipien auf der einen Seite und die der Manifestation auf der anderen. Dies gilt natürlich auch für Dreiheiten, die der gleichen Tradition angehören, aber in diesem Fall ist es einfacher, sich vor einer falschen Gleichsetzung in Acht zu nehmen, da derartige Dreiheiten nicht einfach identische Kopien sein können. Betrachtet man aber unterschiedliche Traditionsformen, erliegt man eher der Versuchung, eine Gleichheit zu sehen, sobald es erste Anzeichen dafür gibt, selbst wenn sie sich bei näherer Betrachtung nicht mehr rechtfertigen lässt. Dieser Fehler ist jedoch nie so schwerwiegend wie der, der darin besteht, Dreiheiten nur deshalb miteinander zu vergleichen, weil sie aus drei Bestandteilen bestehen, obwohl die Beziehungen untereinander völlig verschieden sind. Damit man sicher ist, um was es sich bei einer bestimmten Dreiheit handelt, ist es daher als erstes notwendig festzustellen, um welche Art von Dreiheit es im jeweiligen Fall geht. Erst dann macht es Sinn, die Ordnung zu untersuchen, auf die sie sich beziehen. Wenn es sich um Dreiheiten des gleichen Typs handelt, gibt es eine Beziehung zwischen ihnen. Und wenn sie beide der gleichen Ordnung angehören oder genauer gesagt der gleichen Ebene, kann eine Gleichsetzung möglich sein, wenn sie aus der gleichen Sichtweise formuliert worden sind – oder zumindest eine Übereinstimmung, wenn sich lediglich die Sichtweisen unterscheiden. Durch das Versäumnis, auf die unterschiedlichen Typen von Dreiheiten Rücksicht zu nehmen, sind Vergleiche entstanden, die jeglichem Sinn entbehren. Und gerade jene, die die Okkultisten verbreiten, bestehen eigentlich nur darin, dass jeweils wahllos Dreiergruppen miteinander verglichen werden. Ihre Arbeiten sind voll mit Tabellen, die auf diese Weise aufgebaut sind und so das beste Zeugnis ihrer Verworrenheit und Unkenntnis ablegen.16

Wie wir im weiteren Verlauf der Studie sehen werden, gehört die fernöstliche Triade zu den Dreiheiten, die von zwei wechselseitigen Bestandteilen gebildet werden. Der dritte Bestandteil ist das Erzeugnis ihrer Vereinigung oder anders ausgedrückt von ihrer wechselseitigen Handlung und Gegenhandlung. Wenn man dies mit Symbolen aus dem menschlichen Bereich ausdrückt, so kann man die drei Bestandteile als Vater, Mutter und Kind sehen.17 Daraus ergibt sich, dass es unmöglich ist, diese drei Bestandteile mit denen der christlichen Dreifaltigkeit zu vergleichen, da dort die ersten beiden nicht in einer Wechselbeziehung zueinander stehen oder auf eine andere Weise symmetrisch zueinander sind. Vielmehr leitet sich der „Sohn“ vom „Vater“ ab. Der dritte Bestandteil, also der „Heilige Geist“, geht zwar von den anderen beiden aus, wobei dies allerdings nicht als eine „Kindschaft“ oder „Generationenbeziehung“ verstanden wird. Es besteht in diesem Fall eine Beziehung, die in ihrem Wesen völlig anders ist, wie auch immer man sie definieren will. Dies ist allerdings ein Thema, das wir hier nicht weiterverfolgen möchten. Was diese falsche Gleichsetzung fördert, ist möglicherweise die Tatsache, dass in der christlichen Dreifaltigkeit von einem „Vater“ und „Sohn“ gesprochen wird. Allerdings ist hier der „Sohn“ der zweite und nicht der dritte Bestandteil und außerdem kann der dritte Bestandteil keinesfalls der „Mutter“ entsprechen – und zwar schon deswegen nicht, weil er nach dem „Sohn“ aufgeführt wird und nicht vor ihm. In diesem Zusammenhang kann man zwar auf gewisse mehr oder weniger heterodoxe Sekten des früheren Christentums verweisen, die behaupteten, dass der Heilige Geist weiblich sei und auf dieser Grundlage versuchten, ihm Eigenschaften zuzuschreiben, die mit denen einer „Mutter“ vergleichbar sind. Aber auch in diesem Fall ist es wahrscheinlich, dass sie der Versuchung unterlegen sind, die Dreifaltigkeit mit einer Dreiheit des Typus zu verschmelzen, den wir gerade untersuchen. Dies zeigt wiederum, dass ein derartiger Fehler nicht ausschließlich in heutiger Zeit zu finden ist. Und überdies lässt sich zu diesem Thema noch ergänzen, dass der weibliche Charakter, der dem Heiligen Geist auf diese Weise gegeben wird, sich nicht mit der männlichen und „väterlichen“ Rolle vereinbaren lässt, die er bei der Empfängnis von Christus gespielt hat. Diese Tatsache ist insofern wichtig, da wir im Christentum genau darin etwas finden können, was auf gewisse Weise und unter Berücksichtigung aller Unterschiede, die sich aus den verschiedenen Sichtweisen ergeben, den Dreiheiten entspricht, die vom Typ der fernöstlichen Triade sind.18

Die „Tätigkeit des Heiligen Geistes“ bei der Empfängnis von Christus entspricht genauer gesagt der „handlungslosen Handlung“ von Purusha oder des „Himmels“, wenn man sich auf die fernöstliche Tradition bezieht. Die Jungfrau ist ein Abbild von Prakriti oder der „Erde“.19 Und die Gleichheit von Christus mit dem „Universalen Menschen“ ist mehr als offensichtlich.20 Wenn man hier eine Übereinstimmung sehen möchte, ist noch in den Begriffen der christlichen Theologie zu ergänzen, dass die Triade sich nicht auf die Erzeugung des „Wortes“ ad intra bezieht, so wie es in der Vorstellung der Dreifaltigkeit enthalten ist, sondern auf seine Erzeugung ad extra, also auf die Geburt des avatāra in der manifestierten Welt, wenn man der hinduistischen Tradition folgt.21 Dies lässt sich leicht nachvollziehen, da ausgehend von der Vorstellung von Purusha und Prakriti – oder der ihrer Gegenstücke Himmel und Erde – sich die Triade nur auf Seiten der Manifestation befinden kann, da diese beiden Bestandteile die Pole der Manifestation sind.22 So lässt sich sagen, dass die Triade die Manifestation vollständig ausfüllt, da der Mensch – wie wir später noch sehen werden – als die Synthese der „zehntausend Wesen“ erscheint, also von allem, was in der Gesamtheit der universalen Existenz enthalten ist.

15 Von den verschiedenen Dreiheiten, die sich im Hinduismus finden lassen, ist die von sat – chit – ānanda die, die sich in gewisser Weise noch am ehesten mit der christlichen Dreifaltigkeit vergleichen lässt, wenngleich sich auch hier die Sichtweisen jeweils deutlich unterscheiden (siehe DER MENSCH UND SEIN WERDEN NACH DER VEDĀNTA, Kapitel 14).

16 Was wir hier über Gruppierungen sagen, die drei Bestandteile beinhalten, gilt auch gleichermaßen für Gruppierungen mit einer anderen Anzahl. Auch sie werden oft in ähnlich willkürlicher Weise miteinander verglichen, weil die Anzahl ihrer Bestandteile zufällig übereinstimmen. Manche gehen sogar so weit, dass sie künstliche Gruppen bilden, um weitere dieser „Übereinstimmungen“ entdecken zu können, obwohl die Bestandteile aus traditioneller Sicht nichts miteinander zu tun haben. Ein typisches Beispiel hierfür ist Malfatti von Montereggio, der in seiner Untersuchung MATHESIS zehn völlig unterschiedliche Prinzipien aus der hinduistischen Tradition genommen hat und diese als Gegenstücke zu den zehn Sephirot der hebräischen Kabbala darstellt.

17 Die Dreiheiten des antiken Ägyptens, unter denen die von Osiris, Isis und Horus am besten bekannt ist, fallen auch unter diese Kategorie.

18 Wir möchten noch ergänzen, dass die weit verbreitete Ansicht falsch ist, dass die christliche Tradition keine andere Dreiheit als die Dreifaltigkeit kenne. Ganz im Gegenteil können viele weitere Beispiele gefunden werden, so dass die Dreifaltigkeit nur als das bekannteste und bedeutendste Beispiel gelten kann.

19 Dies wird besonders im Symbol der „schwarzen Jungfrau“ deutlich. Die Farbe schwarz steht hier für die Ununterscheidbarkeit der materia prima.

20 In dieser Hinsicht möchten wir erneut darauf hinweisen, dass wir nicht beabsichtigen, die historische Belegbarkeit von gewissen Geschehnissen abstreiten zu wollen. Wir sehen in ihnen vielmehr Symbole für eine Wirklichkeit aus einer höheren Ordnung und nur in dieser Hinsicht sind sie für uns von Interesse.

21 Die Mutter des avatāra ist Māyā, die mit Prakriti gleichzusetzen ist. Auf die Versuche, die gewisse Leute unternehmen, um eine Verbindung zwischen den Namen Māyā und Maria herzustellen, können wir hier nicht näher eingehen.

22 Siehe DER MENSCH UND SEIN WERDEN NACH DER VEDĀNTA, Kapitel 4.

2. Die verschiedenen Typen von Dreiheiten

Was wir im vorangegangenen Kapitel gesagt haben, zeigt die Notwendigkeit auf, eine klare Unterscheidung zwischen den verschiedenen Typen von Dreiheiten machen zu müssen. Es gibt tatsächlich verschiedene Typen, da es offensichtlich ist, dass die drei Bestandteile unter sehr unterschiedlichen Aspekten zueinander gruppiert werden können. Wir werden uns hier aber nur mit zwei grundsätzlichen Typen beschäftigen, da diese einerseits am Allgemeingültigsten sind und sich andererseits am direktesten auf das Thema unserer Studie beziehen. Diese Erklärungen werden ferner dazu dienen, das Missverständnis aus der Welt zu schaffen, dass die fernöstliche Tradition von einer Art des „Dualismus“ durchzogen sei.

Wenden wir uns nun der ersten dieser beiden grundsätzlichen Typen von Dreiheiten zu: Diese Art der Dreiheit wird von einem ersten Prinzip gebildet (das zumindest in einem relativen Sinne als Prinzip gelten kann), von dem sich die beiden anderen Bestandteile ableiten, die dann im Gegensatz oder besser in Ergänzung zueinander stehen. Und selbst wenn auf einer gewissen Ebene oder in einem gewissen Bereich diese Beziehung als Gegensatz erscheint, so entspricht das Verständnis ihrer gegenseitigen Ergänzung einer tieferen Sichtweise und damit eher der wahren Natur dieser Art von Dreiheit. Sie lässt sich bildlich als ein Dreieck darstellen, dessen Gipfel nach oben gerichtet ist (siehe Abbildung 1).

Abbildung 1

Der andere Typ, auf den wir hier näher eingehen werden, wird aus zwei sich ergänzenden Bestandteilen und deren Erzeugnis oder Ergebnis gebildet. Zu diesem Typ zählt auch die fernöstliche Triade. Im Gegensatz zum vorher beschriebenen Typ wird diese Dreiheit durch ein Dreieck dargestellt, dessen Spitze nach unten gerichtet ist (siehe Abbildung 2).23

Abbildung 2

Wenn wir diese beiden Dreiecke miteinander vergleichen, wird deutlich, dass das zweite ein Spiegelbild des ersten ist. Dies deutet darauf hin, dass zwischen Dreiheiten, die sich entsprechen, eine auf Umkehrung beruhende Analogie bestehen muss. Wenn wir die beiden sich jeweils ergänzenden Bestandteile (also 2-3) betrachten, so besteht zwischen ihnen notwendigerweise eine gewisse Symmetrie, die im ersten Fall durch ihr Prinzip und im zweiten Fall durch ihr Erzeugnis zur Dreiheit wird. Die beiden sich ergänzenden Bestandteile befinden sich also entsprechend nach oder vor dem Bestandteil, der im Vergleich zu ihnen einer anderen Ordnung entstammt und so auf gewisse Weise von ihnen getrennt ist.24 Daher lässt sich sagen, dass in beiden Fällen immer der dritte Bestandteil der Dreiheit ihre Charakteristik verleiht.

Bevor wir mit unseren Erklärungen fortfahren, möchten wir darauf hinweisen, dass in einer Lehre nur dann der Eindruck eines Dualismus entstehen kann, wenn die beiden gegensätzlichen oder sich ergänzenden Bestandteile (und sie werden im Fall des Dualismus eher als Gegensätze aufgefasst) als endgültig und auf nichts Gemeinschaftliches zurückführbar dargestellt werden, also dass sie sich nicht von einem gemeinsamen Prinzip ableiten. Damit ist eine Dreiheit des ersten Typs ausgeschlossen. In einer derartigen Lehre lassen sich nur Dreiheiten des zweiten Typs finden. Wie wir bereits kurz erwähnt haben, bezieht sich dieser Typ ausschließlich auf den Bereich der Manifestation, so dass sich daraus zeigt, dass jeglicher Dualismus gleichzeitig auch eine Art von Naturalismus ist. Erkennt man die Existenz einer Dualität an und gibt ihr den Platz, der ihr tatsächlich zukommt, bildet dies noch lange keinen Dualismus, solange man sich bewusst ist, dass die beiden Bestandteile dieser Dualität von einem gemeinsamen Prinzip ausgehen, das einer höheren Ordnung der Wirklichkeit angehört. Und dies ist insbesondere der Fall bei der ersten aller Dualitäten, nämlich der Wesenheit und Stofflichkeit in ihrem universalen Sinne verstanden. Sie werden von einer Polarisierung des Seins oder der anfänglichen Einheit gebildet und durch ihren Austausch miteinander entsteht die gesamte Manifestation. In der hinduistischen Tradition werden diese beiden Bestandteile der ersten Dualität als Purusha und Prakriti bezeichnet, während sie in der fernöstlichen Tradition Himmel (T‘ien) und Erde (Ti) genannt werden. Wie in allen orthodoxen Traditionen wird in beiden Fällen das höhere Prinzip, von dem sie beide abstammen, nie aus dem Auge verloren. Wir haben dies bereits bei anderen Gelegenheiten zur Genüge erklärt. Und auch in der fernöstlichen Tradition ist deutlich der Hinweis auf ein gemeinsames Prinzip des Himmels und der Erde zu finden:25 Es wird das „Große Höchste“ (T‘ai Chi) genannt, in dem die Bestandteile der ersten Dualität unauflösbar in einem „unteilbaren“ und „nicht getrennten“ Zustand vereint sind,26 bevor die erste aller Unterscheidungen stattfindet.27 Dies ist das reine Sein, das als solches mit der „Großen Einheit“ (T‘ai I) gleichgesetzt wird.28 Darüber hinaus hat auch T‘ai Chi – also das Sein oder die transzendente Einheit – ein Prinzip, das das des Wu Chi, des Nicht-Seins oder der metaphysischen Null ist.29 Dieses kann allerdings nicht in Beziehung zu etwas treten und damit der erste Bestandteil einer Dreiheit werden, da eine derartige Beziehung nur dann möglich ist, wenn zuvor das Sein oder die Einheit gebildet worden ist.30 Daraus ergibt sich nun eine Dreiheit des ersten Typs, die von T‘ai Chi, T‘ien und Ti gebildet wird und dann eine Dreiheit des zweiten Typs, die aus T‘ien, Ti und Jen besteht und die üblicherweise als die „Große Triade“ bezeichnet wird. Wer diese Erklärungen verstanden hat, sollte nun nachvollziehen können, warum es so unverständlich ist, dass gewisse Leute der fernöstlichen Tradition einen „dualistischen“ Charakter geben möchten.

Die tiefere Betrachtung dieser beiden Dreiheiten, deren wechselseitige Bestandteile gleich sind, lässt weitere wichtige Schlüsse zu. Die beiden Dreiecke, die sie darstellen und die spiegelbildlich zueinanderstehen, können so gesehen werden, dass sie die gleiche Basis haben. Und wenn sie so gezeichnet werden, dass sie durch diese gemeinsame Basis vereint sind, bilden sie eine Vierheit, da ja zwei Bestandteile jeweils die gleichen sind, so dass nur noch vier unterschiedliche Bestandteile übrigbleiben. Außerdem lässt sich erkennen, dass der unterste und letzte Bestandteil dieser Vierheit der symmetrisch gespiegelte Widerschein des obersten und ersten Bestandteils ist. Die Spiegelebene ist dabei die Basis, die genau in der Mitte liegt und die beiden wechselseitigen Bestandteile miteinander verbindet, die ja wiederum vom obersten Bestandteil ausgehen und selbst den unteren erzeugen (Abbildung 3).31

Abbildung 3

Dies ist im Grunde einfach zu verstehen, da einerseits die beiden Gegenstücke im ersten Bestandteil, der als ihr Prinzip gelten kann, enthalten sind, so dass ihre entsprechenden Naturen, die ja nur auf den ersten Blick gegensätzlich sind, das Erzeugnis der Aufteilung der Natur dieses ersten Bestandteils sind. Andererseits hat der letzte Bestandteil als das Erzeugnis dieser beiden Gegenstücke an beiden teil, was nichts anderes heißt, als dass er in sich die Natur dieser beiden verbindet, so dass er wiederum auf seiner eigenen Ebene ein Bild des ersten Bestandteils darstellt. Und diese Überlegungen möchten wir als Anlass nehmen, um die Beziehungen dieser verschiedenen Bestandteile im Folgenden näher zu betrachten.

Wie wir gesehen haben, sind die auf der Senkrechten liegenden Bestandteile der Vierheit, die gleichzeitig den ersten Bestandteil der ersten Dreiheit und den letzten der zweiten Dreiheit bilden, aufgrund ihrer Natur Verbindungsstücke zwischen den beiden anderen, wenngleich auch aus unterschiedlichen Gründen: In beiden Fällen vereinen sie in sich die Elemente der jeweiligen Gegenstücke und bringen sie in Einklang, allerdings tut dies der eine als das Prinzip und der andere als das Erzeugnis. Um sich den Charakter dieser Verbindungsstücke klarer zu machen, kann man sich die Bestandteile jeder Dreiheit in einer geradlinigen Darstellung vorstellen:32 Im ersten Fall ist der erste Bestandteil das Mittelstück auf der Linie, die die beiden anderen miteinander verbindet. Er gebiert die beiden anderen durch eine zentrifugale Bewegung in beide Richtungen, was man als Polarisierung bezeichnen kann (Abbildung 4).

Abbildung 4

Im zweiten Fall erzeugen die beiden ergänzenden Bestandteile durch eine zentripetale Bewegung das, was von ihnen beiden das Erzeugnis und damit der letzte Bestandteil der Vierheit ist. Auch er ist mittig auf der Linie angeordnet, die die beiden verbindet (Abbildung 5). Daher lässt sich sagen, dass das Prinzip und das Erzeugnis beide eine zentrale Position hinsichtlich der beiden Gegenstücke einnehmen, was man sich bei den folgenden Ausführungen vor Augen halten sollte.

Abbildung 5

Es bleibt noch hinzuzufügen, dass die beiden gegensätzlichen oder sich ergänzenden Bestandteile entweder horizontal (links und rechts) oder vertikal (oben und unten) angeordnet werden können, wie wir bereits an anderer Stelle ausgeführt haben.33 Von einem horizontalen Gegensatz kann man dann sprechen, wenn die beiden Bestandteile den gleichen Grad an Wirklichkeit einnehmen, so dass sie in jeder Hinsicht symmetrisch zueinander sind. Ein vertikaler Gegensatz deutet hingegen auf die Bildung einer hierarchischen Beziehung zwischen den beiden Bestandteilen hin, so dass die beiden zwar als Gegenstücke symmetrisch sind, aber dennoch der eine als höher und der andere als niedriger angesehen werden muss. In diesem Fall ist es klar, dass man zwischen den beiden Gegenstücken (also auf der Linie, die die beiden verbindet) nicht den ersten und oberen Bestandteil der Dreiheit des ersten Typs platzieren kann (wie bei Abbildung 3), da dieser ja das Prinzip der beiden anderen Bestandteile ist. Dies ist nur möglich, wenn man den dritten oder unteren Bestandteil der Dreiheit des zweiten Typs verwendet (also das, was das Erzeugnis ist), da das Prinzip nie auf einer Ebene dargestellt werden kann, die sich unterhalb eines von ihm abgeleiteten Elements befindet. Das Erzeugnis der beiden Gegenstücke ist immer das Mittelteil oder das Verbindungsstück. Und dies trifft auch auf die fernöstliche Triade zu, die daher auf einer vertikalen Linie dargestellt werden kann (Abbildung 6).34

Abbildung 6

Das Wesen und die Stofflichkeit sind tatsächlich der höhere und der niedere Pol der Manifestation und man kann sagen, dass sich der eine über und der andere unter jeglicher Existenz befindet. Und wenn man sie überdies mit Himmel und Erde bezeichnet, wird dieses Verhältnis so genau wie möglich durch eine Analogie mit den sinnlich wahrnehmbaren Gegebenheiten unserer Welt ausgedrückt.35

So lässt sich sagen, dass sich jegliche Manifestation zwischen diesen beiden Polen befindet. Dies schließt natürlich auch den Menschen mit ein, der nicht nur Teil dieser Manifestation ist, sondern auch deren Zentrum symbolisiert und aus diesem Grund in sich ihre Gesamtheit vereint. Daher muss der Mensch, der sich zwischen Himmel und Erde befindet, als das Erzeugnis oder Ergebnis der wechselseitigen Einflüsse von Himmel und Erde angesehen werden. Und Kraft der doppelten Natur, die er von beiden hat, wird er zum