Gesucht wird Charly - Howard Duff - E-Book

Gesucht wird Charly E-Book

Howard Duff

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Beschreibung

Nun gibt es eine exklusive Sonderausgabe – Die großen Western Classic Diese Reihe präsentiert den perfekten Westernmix! Vom Bau der Eisenbahn über Siedlertrecks, die aufbrechen, um das Land für sich zu erobern, bis zu Revolverduellen - hier findet jeder Westernfan die richtige Mischung. Lust auf Prärieluft? Dann laden Sie noch heute die neueste Story herunter (und es kann losgehen). Dieser Traditionstitel ist bis heute die "Heimat" erfolgreicher Westernautoren wie G.F. Barner, H.C. Nagel, U.H. Wilken, R.S. Stone und viele mehr. Das Warten, das einem den Nerv töten kann, ist endlich vorbei. Sie wissen es beide: Ihr Mann kommt! »Das ist er«, sagt Butch Nelson heiser. »Verdammte Sache, der Kerl soll verflucht schnell mit seinem Gewehr sein.« »Er wird gar nichts«, erwidert Sheppard kühl. Es ist seine Art, ruhig, manchmal sogar gleichgültig zu reden. Ein Mann, der keine Nerven hat, sagen die anderen. »Bis hierher und nicht weiter, mein Freund.« Nelson raucht fahrig, hüstelt einmal, blickt dann auf den Fluss, der sich durch das Tal windet. »Und Rescoe?«, fragt er dann nervös. »Wenn der Mann nun durch den Fluss reitet, he?« Sam Sheppard setzt das Glas ab, sieht Butch von der Seite an. Für ihn gibt es keinen Zweifel, dass der Mann, der sich ihnen ahnungslos nähert, niemals durch das Tal kommen wird. »Rescoe sieht ihn wie wir und wartet nur auf unser Zeichen«, gibt er zurück. »Seit wann zerbrichst du dir den Kopf darüber, ob jemand ertrinken will, mein Freund? Hier ist keine Furt, hier gibt es nur neun Fuß tiefes Wasser und eine Strömung, die hinten an den Klippen endet.

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Die großen Western Classic – 53 –

Gesucht wird Charly

Howard Duff

Das Warten, das einem den Nerv töten kann, ist endlich vorbei. Sie wissen es beide: Ihr Mann kommt!

»Das ist er«, sagt Butch Nelson heiser. »Verdammte Sache, der Kerl soll verflucht schnell mit seinem Gewehr sein.«

»Er wird gar nichts«, erwidert Sheppard kühl. Es ist seine Art, ruhig, manchmal sogar gleichgültig zu reden. Ein Mann, der keine Nerven hat, sagen die anderen. »Bis hierher und nicht weiter, mein Freund.«

Nelson raucht fahrig, hüstelt einmal, blickt dann auf den Fluss, der sich durch das Tal windet.

»Und Rescoe?«, fragt er dann nervös. »Wenn der Mann nun durch den Fluss reitet, he?«

Sam Sheppard setzt das Glas ab, sieht Butch von der Seite an. Für ihn gibt es keinen Zweifel, dass der Mann, der sich ihnen ahnungslos nähert, niemals durch das Tal kommen wird.

»Rescoe sieht ihn wie wir und wartet nur auf unser Zeichen«, gibt er zurück. »Seit wann zerbrichst du dir den Kopf darüber, ob jemand ertrinken will, mein Freund? Hier ist keine Furt, hier gibt es nur neun Fuß tiefes Wasser und eine Strömung, die hinten an den Klippen endet.

Wer mit dem Pferd in den Fluss reitet, den reißt die Strömung vom Gaul, ehe er ein Vaterunser beten kann. Danach wirst du hinten an den Klippen auf ihn warten und ihm beim Heraussteigen deinen Revolver vor die Nase halten. Sonst noch Fragen, Butch?«

Sam nimmt den Hut ab, da ihn der Reiter nicht sehen kann, und schwenkt seine Kopfbedeckung zweimal im Schutz des Steins, hinter dem er mit Butch liegt.

Sheppard kann für einen Moment Rescoes seltsamen, verbeulten Hut mit der Klapperschlangenhaut sehen. Das Halbblut, das jenseits des Flusses liegt und einige Büsche über einem Geröllhang als Deckung gefunden hat, schwenkt seinen speckigen Filz und verschwindet wieder.

»Well, der weiß Bescheid«, sagt Sheppard sanft. »Zeit für dich, mein Freund. Hau ab und bezieh deinen Posten. Ich habe den ersten Schuss. Danach erst feuert ihr. Du weißt, dass du ihn nicht …«

»Ja«, antwortet Butch Nelson ungeduldig. »Bin ich ein Narr, Sam? Also gut, er wird es hier bekommen und wissen, was ihn erwartet, wenn er verrückt genug sein sollte, in die Stadt zu gehen. Siebzehn Meilen zu Fuß laufen, das ist kein Vergnügen.«

»Du redest zu viel«, sagt Sheppard hart. »Verschwinde schon, Mann!«

Er sieht ihm nach. Butch Nelson ist ein untersetzter Mann, gut zu Pferd, aber langsam zu Fuß. Jedoch schießt er eine verdammt genaue Kugel.

Als Nelson um den großen Stein kriecht und in der Deckung des nächsten hochkommt, um die zwanzig Schritte bis zu der schroffen Granitklippe zu laufen, fällt Sheppard etwas ein. Aber er will jetzt nicht mehr rufen.

Ihr Mann hat nur noch fünfhundert Yards zu reiten. Der leichte Wind aus dem Norden weht auf ihn zu. Darum lässt Sheppard seinen Partner Nelson mit der Zigarre bis hinter den Granitblock laufen. Er legt sich hin, hat die Klippe wie eine Brustwehr vor sich und kann von dem Reiter erst gesehen werden, wenn der auf weniger als hundert Yards heran ist.

Die Falle, die sie mit drei Mann aufgebaut haben, ist offen. Klappt sie zu, dann steckt der Reiter drin und wird nicht mehr herauskommen.

Noch einmal überblickt Sheppard das schmale Tal. Der Fahrweg schlängelt sich dicht am Fluss entlang, der hier einen Hogback – Schweinerücken – so nennt man hier jene steilen Höhenzüge vor den Rocky Mountains. Dieser Hogback bildet eine Barriere. Der Fluss hat einen Einschnitt hineingegraben, der wie ein Tor wirkt. Die Wände rücken immer enger zusammen, sodass der Fahrweg unter Sheppard an einigen Stellen direkt über dem Steilufer des Flusses verläuft.

Sheppard sieht wieder zu Rescoe und grinst dünn. Rescoe liegt nicht umsonst drüben auf der Lauer. Sollte der Bursche versuchen, über das Steilufer in Deckung zu rutschen, dann würde ihn Rescoe genau vor dem Lauf haben.

Und dann wendet er den Kopf. Butch Nelson raucht noch immer. Charles Reed, der Mann, auf den sie hier seit viereinhalb Stunden warten, ist auf vierhundert Yards herangekommen. Von Nelsons Zigarre steigt Rauch hoch.

»Ssst!«, sagt Sheppard scharf, als Nelson sich etwas weiter nach vorn schiebt und über die Felsbrüstung nach links zu Reed blicken will.

Butch zuckt zusammen, sieht fragend zu ihm hin.

»Die Zigarre, du Narr!«, knurrt Sheppard heiser. »Mach sie aus, Mensch! Schnell, Butch, der Rauch könnte gesehen werden!«

Nelson nickt, nimmt die Zigarre aus dem Mund und blickt sich nervös nach Sheppard um, als er sie ausdrückt.

Vielleicht sollte er sich nicht umblicken. Die glühende Spitze bricht ab und kollert langsam über das Gestein.

»Verflucht und zugenäht!«, sagt Sheppard zornig. »Mann, pass doch auf! Die Glut …«

Und dann passiert es. Die Glut fällt von der Brüstung. Zwar landet sie kaum einen Schritt tiefer, aber sie fällt auf Steinmoos, das auf dieser Sonnenseite der Felsen knochentrocken ist.

Erschreckt nimmt Nelson den Kopf herum. Er flucht verbissen, als er nach vorn rutscht und in die Tiefe blickt. Der Wind, der sanft über die Steine weht, lässt das Moos augenblicklich Feuer fangen.

In der nächsten Sekunde steigt eine dünne Rauchfahne hoch.

»Vollidiot!«, zischt Sheppard wütend. »Das Gewehr, schnell, dreh es um. Nimm den Kolben und stoß das Feuer aus. Schnell doch, du Rindvieh, du dreimal gehörntes. Wenn er den Rauch sieht, dann ist es aus. Schnell, Mann, schnell!«

Nelson dreht blitzschnell das Gewehr um, trifft den Brandkreis des schwelenden Mooses und löscht den Fleck aus. Der Rauch zerflattert nach wenigen Sekunden.

Sheppard aber, der das Glas an die Augen gerissen hat, starrt auf Charles Reed. Er weiß nicht viel von diesem Mann, sondern hat nur das gehört, was ihm berichtet worden ist. Danach soll Reed ein ausgezeichneter Mann mit dem Gewehr sein und sich eher von seinem Revolver trennen, als das Gewehr zu verlieren. Sheppard ist gesagt worden, dass Reed hart genug sei, um es mit einem halben Dutzend Gegnern aufzunehmen.

Die Warnung, die man ihm mit auf den Weg gegeben hat, ist deutlich genug gewesen, darum beobachtet Sheppard jede Bewegung Reeds, der kaum noch dreihundert Yards entfernt ist.

Er kann Reed durch sein starkes Glas gut erkennen. Der graue Hut ist tief in die Stirn gezogen. Die seitlich stehende Sonne wirft den Hutschatten über die obere Hälfte von Charly Reeds Gesicht. Sheppard kann die Augen des Mannes nicht erkennen, aber er wird jede Kopfbewegung sofort ausmachen.

»Verfluchter Narr!«, zischt Sheppard bissig. »Hast du es aus, du Affe?«

»Ja«, antwortet Nelson keuchend und rutscht bereits wieder zurück. »Keine Sorge, der Granitfels ist grau, der Rauch auch. Er kann nichts gesehen haben. Was macht er?«

Sheppard knirscht vor Wut mit den Zähnen. Er wollte Butch nicht mitnehmen, aber er konnte sich seine Begleiter nicht aussuchen. Der Boss hat einen Befehl gegeben, das ist alles, was Sheppard weiß. Er gehorcht immer.

Im Rund des Glases wird das Pferd sichtbar, das seine Gangart nicht verändert. Auch der Reiter hat nicht eine Sekunde den Kopf gehoben, um auf die Granitfelsen rechts des Flusses zu blicken.

Charly Reed sitzt ganz ruhig im Sattel. Er kann den Rauch, der sich gegen die dunkelgrauen Granitfelsen abgehoben hat, unmöglich bemerkt haben.

»Er kommt im gleichen Tempo weiter auf uns zu. Gleich haben wir ihn, den Burschen.«

*

Charly Reed pfeift immer, wenn er reitet, das ist eine Tatsache, die sie überrascht.

Narr, denkt Sheppard, in ein paar Sekunden flötest du nicht mehr.

Er zieht das Gewehr ein, setzt den Kolben an die Schulter. Sein Mann wird sichtbar werden, sobald er die Felsen hinter sich hat. Sheppard liegt hinter der Felsecke und braucht nur zu warten, dass Reed auftaucht. Dann wird die Entfernung weniger als einhundertzwanzig Yards betragen.

Für ein Gewehr ist das keine Distanz.

Daran denkt Sheppard, als das Pfeifen verstummt. Er wird sofort von seinem ewigen Misstrauen gepackt und hebt den Kopf ein wenig. Nun kann er über die Felskante sehen.

Reed hat die rechte Hand gesenkt, die Satteltasche ist offen.

Charly Reed kramt in der schwarzen Satteltasche, auf der Staub liegt und nimmt ein Tabakpäckchen heraus.

Die Entfernung mag noch einhundertachtzig Yards betragen, als Charly Reed sich seine Pfeife stopft und Sheppard ihn beobachtet.

Reed ist groß und hat ein breites Kreuz, das sieht Sheppard nun mit dem bloßen Auge. Und noch etwas sieht Sam Sheppard: Die Pfeife.

Jetzt brennt Reed sie an, ein ahnungsloser Narr, der in wenigen Augenblicken Feuer sehen wird, wenn ihn die Kugel trifft.

Das denkt Sheppard und blickt auf die rechte Hand Reeds, die sich senkt, das Tabakpäckchen wieder in der Satteltasche verstaut.

Dann kommt die Hand hoch.

Und jetzt passiert es.

»Verflucht!«, sagt Sheppard heiser vor Schreck. »Der verdammte Halunke!«

Und danach versucht er noch zu zielen.

Aber es ist zu spät.

Reed ist schneller an seinem Gewehr und hat das braune Pferd eher herum, als Sheppard zielen und schießen kann.

In dieser Sekunde weiß Sheppard: Reed hat den Rauch gesehen und muss auch ihn entdeckt haben.

Charly Reed, der Mann, von dem Sheppard noch zu wenig weiß, reißt in einem Augenblick sein Gewehr aus dem Scabbard und zieht gleichzeitig sein Pferd herum. Es geschieht so schnell, dass es Sheppard nicht mehr gelingt, zu feuern. Vor seinen Augen saust das Pferd mit dem jäh nach vorn fallenden Reed auf die Böschung über dem Flussufer zu.

Im nächsten Moment ist Reed bereits hinter den Büschen, die dicht am Rand der Böschung stehen, verschwunden. Undeutlich ist noch das Braun seines Pferdes zu erkennen. Fluchend reißt Sheppard sein Gewehr herum, zielt den Bruchteil einer Sekunde auf das Pferd und schreit dabei heiser:

»Verdammt, hoch mit dir, Butch!«

Doch auch sein Ruf kommt zu spät.

In das dumpfe Trommeln hinein, mit dem die Hufe des Pferdes von Reed auf der weichen Grassode des Böschungshanges aufsetzen, kommt Butch Nelsons erschrockener Ausruf.

Nun ist auch Nelson hoch, aber sein Schusswinkel ist genauso schlecht wie der von Sheppard.

Charly Reeds Gaul rast die Böschung runter. Reed hat sein Pferd an der Stelle herumgerissen, die zwischen den beiden steilen Uferabfällen liegt. Dort hätte er niemals herunterreiten dürfen. Unter diesem Steilabfall liegt das Wasser.

Es gibt für Reed keinen Weg mehr zurück und keinen nach vorn. Unausweichlich liegt das Wasser vor ihm, das schäumend und gurgelnd ans Ufer strömt.

Drüben taucht Rescoe in diesem Augenblick hinter den Büschen jenseits des Flusses auf. Das Halbblut mit seinem langen, strähnigen Haar und dem seltsamen Hut schnellt jäh in die Höhe. Das Gewehr des Mischlings zuckt einmal und richtet sich in der nächsten Sekunde auf der Brust von Reeds Pferd.

Charly Reed liegt auf dem Hals des Pferdes, sieht die schwache Bewegung jenseits des Flusses und reagiert augenblicklich. Sein linker Stiefel tritt zu, der Hacken saust dem Braunen in die Seite.

Reed zieht sein Pferd herum, er jagt es in den Fluss.

Blitzschnell kommt das Pferd aus dem Visier Rescoes. Das Halbblut stößt einen wilden, zischenden Laut aus, als der Gaul in das Wasser prescht. Spritzer schießen hoch, Gischt schäumt. Bis an den Bauchgurt ist der Braune jetzt im Wasser.

Das Halbblut vergisst zu schießen.

Aus aufgerissenen Augen stiert Rescoe auf das Pferd. Er weiß, dass der Gaul keine zehn Schritte weit kommen wird. Dann sieht er den Gewehrlauf Reeds jäh an der Flanke des Pferdes auftauchen.

Obwohl Charly Reed mitten im Wasser reitet und sein Pferd jetzt lenken müsste, reißt er das Gewehr hoch und schwenkt seinen Braunen wieder nach rechts.

Rescoe aber, der erkennt, dass Reed nicht durch den Fluss will, feuert. Im selben Augenblick, als er abdrückt, macht Reeds Brauner einen Satz auf die Mitte des Flusses zu.

Haarscharf an seinem Hals vorbei faucht die Kugel aus Rescoes Gewehr. Sie klatscht nur wenige Schritte hinter Reed in das Wasser. Charly Reed aber zielt nur einmal, drückt dann ab und sieht über das Gewehr hinweg auf die Beine des Halbbluts, die er zwischen zwei Bäumen sehen kann.

Im Krachen der beiden kurz aufeinander folgenden Schüsse kommt Rescoes greller, schriller Schrei.

Die Kugel trifft das rechte Bein des Halbbluts. Der Schlag wirft Rescoe um. Er verliert die Waffe.

Polternd, klickernd lösen sich Steine, Geröll rutscht unter Rescoe weg, dessen Gewehr zwischen den Zweigen eines Busches liegen bleibt. Und dann beginnt Rescoe den Hang herabzukullern. Aus seinem Fallen wird ein Rollen, das erst endet, als das Halbblut die Büsche hinter sich hat und direkt am Flussufer wieder zu sich kommt. Halbbetäubt bleibt der Mischling zwei, drei Sekunden liegen.

Erst die beiden Schüsse und das grelle Heulen der von den Steinen abprallenden Querschläger lassen ihn munter werden. Die Kugeln pfeifen verdammt dicht über ihn hinweg.

Entsetzt sieht er hoch, glaubt eine schreckliche Sekunde lang, dass Reed auf ihn feuert, und sieht den Mann, der jetzt in der Falle stecken sollte, immer noch auf dem Pferd.

»Teufel!«, knirscht Reed. »Da oben liegt einer der Burschen. Aber noch habt ihr mich nicht, Freunde!«

Jene Sekunde, die er den Rauch gesehen hat, hat genügt. Reed weiß seit gut einer halben Minute, dass der Rauch ein ganzes Stück von jenem Punkt entfernt hochgestiegen ist, an dem er den zweiten Mann liegen sah.

Mit dem Halbblut, das dicht am Flussufer liegt, sind es also drei. Ob noch einer irgendwo im Hinterhalt lauert, kann Reed nicht wissen. Er hat sein Pferd gerade erst aus dem Fluss getrieben und jagt es nun zurück. Dicht am Ufer reitend, das Gewehr in der Faust, sieht sich Reed nach dem Halbblut um.

Rescoe liegt am Boden, hat den Kopf eingezogen und stellt sich vor Furcht tot. Ohne sein Gewehr, nur noch mit dem Revolver bewaffnet, hat er keine Chance mehr. Reed könnte ihn wie einen Hasen abschießen.

Aber Reed denkt nicht daran. Nach einem schnellen Blick auf das Gewehr, das an den Büschen oben liegt, treibt Charly Reed sein Pferd dicht am Ufer entlang zurück. Er lässt jene seichte Stelle und den Hang hinter sich. Dann kommt das Steilufer. Reed ist keine zehn Schritte geritten und spürt plötzlich, dass sein Pferd einsinkt.

Der Braune kippt nach vorn, tritt in irgendein Loch, das vom gurgelnden, graugrünen Wasser ausgewaschen wurde, und wird in der nächsten Sekunde von der Strömung gepackt. Jäh dreht er sich, kippt auf die Seite und verliert den Grund unter den Hufen.

»Verdammt!«, sagt Charly bissig, als er aus dem Sattel muss. »Jetzt gehe ich baden!«

Er verliert keinen Augenblick die Ruhe, hält die Zügelleinen umklammert und hält das Gewehr hoch. Während er mit der linken Hand am Zügel hängt und das Pferd nach einer Drehung zu schwimmen beginnt, bemüht er sich, die Waffe über Wasser zu halten. Mit der Strömung schwimmt Reeds Pferd nun nach Süden zurück.

Ein-, zweimal tritt Reed heftig aus. Er taucht aus dem Wasser hoch, sieht sich kaltblütig um und erkennt, dass das Halbblut sich bemüht, zurück zum Gewehr zu kriechen. Der nächste Blick Reeds aber geht nach vorn.

Keine zwanzig Yards weiter macht das Ufer einen kleinen Knick. Gut auf Lassolänge vom Ufer entfernt schwimmend, gezogen von seinem Pferd, starrt Reed auf die kleine Einbuchtung. Dann wendet er wieder den Kopf und weiß es: Das Halbblut wird ihn nicht sehen können, wenn es ihm gelingt, das Pferd zu verlassen und schwimmend in die Bucht zu kommen.

Rescoe, auf halber Höhe des Hanges kriechend, hält nun an. Der Mischling stemmt sich hoch. Er kann über ein paar größere Steine hinweg Reed neben dem Pferd treiben sehen.

»Hund!«, sagt Rescoe grimmig, in dessen Bein der Schmerz wütet.

Und dann lacht er heiser.

Er hat es kaum gesagt, als er den gellenden Schrei hört. Dann taucht Reeds Körper ins Wasser ein. Einmal kommt die Hand hoch, Reeds Arm rudert wild. Danach versinkt der Mann.

Das Halbblut stiert auf den Fleck, an dem Reed versunken ist. Nichts mehr zu sehen, der Mann ist fort. Einsam schwimmt das Pferd nach Süden davon.

Rescoe starrt auf das Wasser, das Charly Reed verschlungen hat.

*

Keine drei Sekunden später streckt Reed den Kopf aus dem Wasser. Er holt einmal tief Luft, taucht wieder und hat bald eine Bucht erreicht. Hier bildet das Wasser einen Strudel, der ihn im Kreis herumzuschwenken droht. Aber Reed ist an einem breiteren Fluss als diesem hier groß geworden, er kennt sich mit Strudeln aus. Einmal tief Luft holen, krümmt sich Charly Reed zusammen. Dann taucht er kopfüber – das Gewehr hat er unter den Waffengurt geschoben – in den Drehsog hinein. Er erreicht fast den Grund des Flusses, ehe ihn die Gewalt des Strudels freigibt. Dann schleudert es ihn empor. Er schießt in die Höhe, schnellt aus dem Wasser und hat im nächsten Moment das Ufer erreicht.

Weit hinten, seinen Blicken in diesem Moment hinter der Flussbiegung entschwunden, schwimmt sein Pferd davon.

Charly Reed zieht sich an einem der Steine hoch, kauert gleich darauf unter der Steilwand und lauscht. Im Rauschen und Gurgeln des Wassers glaubt er Hufschlag zu hören. Hastig klettert er an der Steilwand höher, entdeckt dann rechts einen Busch, der nur noch mit einigen Wurzeln im Erdreich festhängt, aber gut belaubt ist. Hinter den Busch zieht er sich, nimmt dann sein Gewehr herum.

Er hat es geschafft, wirft einen Blick über den Fluss auf die andere Seite und weiß es. Das Halbblut kann ihn nicht mehr sehen, auch wenn es in der Lage wäre, am Ufer entlangzurennen. Das überhängende Erdreich deckt ihn.

Reed wartet kaltblütig.

Er brauchte nicht lange zu warten!

Im nächsten Augenblick ist der Hufschlag so laut, dass er die Richtung, aus der er kommt, genau feststellen kann. Der Mann, der sich dem Flussufer nähert, befindet sich linker Hand von Reed. Er ist nun auf der Höhe von jenem Halbblut mit dem langen, strähnigen Haar.

»Rescoe!«

Der Ruf dringt durch das Rauschen des Wassers bis zu Reed, der sich eng an die überhängende Wand presst und reglos stehen bleibt.

Der Mann, der keine vierzig Yards links von ihm ist, ruft über den Fluss hinweg das Halbblut. Dessen Antwort ist kaum zu verstehen.

Reed hebt das Gewehr behutsam an, er rechnet jeden Moment mit dem Auftauchen des Reiters und hält den Atem an. Undeutlich dringt der Schrei des Halbbluts zu ihm hin:

»Sheppard! Reed ist untergegangen. Siehst du das Pferd?«

Von seinem erhöhten Standpunkt aus muss der Mann das im Fluss treibende Pferd sehen können. Und er muss auch erkennen können, ob jemand neben dem Pferd schwimmt.

»Ja, kein Mann zu sehen. He, Rescoe, kannst du nicht gehen? Rescoe, versuch zu deinem Pferd zu kommen.«

»Mein Bein blutet, ich kann nicht aufstehen!«

»Dann kriech, du Narr!«, brüllt der Mann über Reed heiser und wütend. »Drei Mann, davon zwei verdammte Narren, die nicht rechtzeitig schießen können. Kriech zu deinem Gaul, Mann!«

Im nächsten Augenblick geht das Pferd wieder an. Ohne es zu wollen, hat Sheppard Reed einige Dinge verraten. Das Halbblut kann also nicht kriechen und es sind nur drei Mann.

Charly Reed bleibt an der Wand hocken. Er ist sicher, dass der dritte Mann oben auf den Felsen liegt und ihn sofort beschießt, wenn er über die Kante zu steigen versucht. Einen Moment zaudert Reed. Er hört das Trommeln der Hufe nun hinter sich.

Sheppard reitet am Ufer entlang und wird das im Fluss treibende Pferd Reeds gleich erreicht haben. Dann muss er sehen, dass Reed verschwunden ist. Sicher sieht er dann am Ufer nach, ob Reed irgendwo an Land gekommen oder angespült worden ist.