Die Illuminati: Die Revolution der Gegenkultur - Robert Howells - E-Book

Die Illuminati: Die Revolution der Gegenkultur E-Book

Robert Howells

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Beschreibung

Quer durch die Geschichte haben Regierungen, Diktatoren und religiöse Oberhäupter immer darum gekämpft, an der Macht zu bleiben – entweder mit Gewalt oder durch Manipulation. Um diesen Kräften Paroli zu bieten, gab es schon immer geheime Gesellschaften und Gruppen, die im Schatten an der Emanzipation der Menschheit gearbeitet haben. Die ILLUMINATI formierten sich 1776 unter europäischen Freimaurern und Akademikern, mit der Absicht, die Menschheit aus der körperlichen, geistigen und spirituellen Knechtschaft zu befreien. Dies brachte sie in Konflikt mit der herrschenden politischen und religiösen Elite, aber während ihrer kurzen Inkarnation chiffrierten sie das gesamte Ethos einer Gegenkultur in ein einziges System von organisiertem Widerstand, das auch heute noch Relevanz besitzt. Der Begriff ILLUMINATI ist seitdem von der Idee einer neuen Weltordnung mit Beschlag belegt worden, aber ihre Prinzipien leben weiter: in der Gegenkultur und den vernetzten Gemeinschaften des Internet-Zeitalters. Hacker und andere Aktivisten wie Anonymous und Wikileaks führen derzeit Krieg gegen korrupte Industrie-Konglomerate und Regierungsagenturen, die nur die Unterdrückung und Ausbeutung der Gesellschaft im Sinn haben. DIESES BUCH IST EIN WECKRUF FÜR ALLE, DIE IHRE PERSÖNLICHE FREIHEIT UND PRIVATSPHÄRE SCHÄTZEN, DER SCHLACHT UM DIE RETTUNG DER GEGENKULTUR BEIZUTRETEN, BEVOR ES ZU SPÄT IST.

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Robert Howells

Die IlluminatiDie Revolution der Gegenkultur

1. Auflage, 2017

Deutsche Übersetzung: Jorinde Reznikoff

Korrektorat: Dorothee Kremer

Layout: Inna Kralovyetts

www.mosquito-verlag.de

© Copyright 2017, Mosquito Verlag, Immenstadt

Titel der Originalausgabe: „The Illuminati“All rights reservedCopyright © Watkins Media Limited 2016Tex copyright © Robert Howells 2016

ISBN 978-3-943238-51-8

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil dieses Buchs darf vervielfältigt, abgespeichert, in eine Datenbank bzw. ein anderes Datenabfragesystem eingefügt oder in irgendeiner Form mithilfe einer bereits bekannten oder erst in Zukunft entwickelten Methode ohne die vorherige ausdrückliche schriftliche Genehmigung des Inhabers der Urheberrechte sowie des Herausgebers dieses Buchs verbreitet werden. Unter anderem fallen darunter alle mechanischen und elektronischen Verfahren und die Anfertigung von Fotokopien und Aufzeichnungen.

Robert Howells, geboren 1968 in London, widmet sich seit über 20 Jahren der Erforschung von Gegenkultur, Geheimgesellschaften und Verschwörungstheorien. Dementsprechend weitreichend ist sein Erfahrungswissen über Geheimgesellschaften, esoterisches und symbolisches Gedankengut. Als Geschäftsführer von Watkins Books in London, einem der ältesten esoterischen Buchläden Europas, konnte er seine Studien um vergleichende Religionswissenschaften, transpersonale Psychologie, Sakralgeometrie, Gnostik und Alchimie erweitern. Währenddessen kam er auch persönlich in Kontakt mit Geheimgesellschaften, unter ihnen die Bruderschaft vom Berg Zion, die Freimaurer, der Lazarus-Orden, verschiedene Neo-Templerorden, ebenso wie Sufis und andere religiöse Gruppen.

Sein erstes Buch „Inside the Priory of Sion“ erschien 2011, sein zweites, „The Last Pope“, 2013.

Robert Howells ist verheiratet, Vater von zwei Kindern und lebt in Kent (England).

Ich widme dieses Buch:

Julian Assange, einem Flüchtling für die Wahrheit,

Edward Snowden, einem Patrioten im Exil,

und meinem Freund Paul John Denham, einem Gefangenen ohne Schuld.

Danksagung

Der Weg bis zum Erscheinen dieses Buches war lang und mühevoll.

Ich danke dem Team von Watkins Media für sein nachhaltiges Vertrauen und seine Unterstützung; dem Verleger Michael Mann für seine Geduld und Begleitung; Bob Saxton für seine brillanten Herausgeberqualitäten; Vicky Hartley und dem gesamten Verkaufs- und Marketingteam für seinen unermüdlichen Einsatz; und Etan Ilfield dafür, dass er stets das große Ganze im Auge behält.

Ebenso danke ich denen, die meine Arbeit von außen unterstützen, dazu gehören Bruce Burgess und die vielen bekannten und unbekannten Mitglieder der Internet-Community.

Schließlich danke ich meiner Familie und meinen Freunden dafür, dass sie bereit waren, gleichsam auf dem Rücksitz Platz zu nehmen, während ich zu den weiten Horizonten der Kultur aufbrach.

Stellen wir uns die Frage: „Was ist das Wichtigste, woran ich jetzt gerade in dieser Welt arbeiten könnte?“ – Aaron Swartz (1986–2013)

Das gesamte Rechtswesen wird in Frage gestellt, wenn Gesetze dazu benutzt werden, Unschuldige zu verfolgen.

Kapitel 1: Gegenkultur als Imperativ

„Sozialisierung ist ein Prozess, in dem wir lernen, uns an unsere Umwelt anzupassen.“

Diesen Satz lernte ich im zarten Alter von 15 Jahren wie ein Mantra aufsagen, meine Sozialkundelehrer hatten es mir in der Sekundarschule beigebracht. Schon damals hegte ich den Verdacht, dass es die Antithese von Individualität und Kreativität war, und bei näherer Betrachtung entpuppte es sich mir als hinterhältiges Rad in der Gehirnwäsche, der man junge Erwachsene unterzieht. Heute erkenne ich darin eine Lehrmethode, die weit verbreitet ist, angefangen beim Trend der Mainstreammedien, jeden Außenseiter zu demütigen und zu verleumden, bis hin zu Religionen, die uns mithilfe ihrer dreist-unlauteren Dogmen in Unmündigkeit gefangen halten möchten. Ebenso häufig taucht das Wort Sozialisierung in Reden unserer Politiker auf, die von uns erwarten, dass wir ihren Fehlinformationen trauen, wie in Handlungslegitimierungen von Regierungsbehörden, mit denen sie Hacker dafür inhaftieren, dass sie die Webseiten moralisch korrupter Unternehmen entlarven.

Dabei sollten wir es doch besser wissen und ja nicht die Nachrichtenkanäle in Frage stellen, die über Kriege berichten, als wären sie Feuerwerkspektakel, während sie uns das Bildmaterial zerbombter Schulen und Krankenhäuser vorenthalten, die von verletzten Zivilisten überfüllt sind. Genauso wenig sollten wir natürlich die Wirtschaftswissenschaftler dafür zur Rechenschaft ziehen, dass sie zur Liberalisierung des Marktes aufrufen, die es Bankern erlaubt, die Wirtschaft zu plündern und sich mit Riesenboni davonzumachen. Und es gibt absolut keine andere Möglichkeit für Banken, als das Geld, das sie leihen, zu verzinsen, was jedes Land und jedes Individuum in ewige Verschuldung treibt und Wirtschaftssklaven aus uns allen macht.

In allen Lebensbereichen wird uns erzählt, es müsse genauso sein und nicht anders, und wir hätten keine andere Wahl, als uns an die Gesellschaft anzupassen. Doch das ist eine Lüge.

Gegenkultur ist das Thema der Sozialisierung. Ihre Ambiguität unterminiert alle Regierungsformen und deren Kontrollmethoden. In gegenkulturellen Bewegungen gibt es keine Grenzen oder sozialen Strukturen, sondern nur Formen von Evolution und Revolution. Die neuen Gruppierungen, die sich bilden und wieder zerstreuen, werfen für gewöhnlich Schatten voraus, die sich in mancher Hinsicht als zukunftsträchtige Trends und Katalysatoren für Veränderung erweisen. Sich auf Gegenkultur einzulassen, verlangt von uns, dass wir aufhören, uns an die Gesellschaft anzupassen, und stattdessen anfangen, von unserer eigenen Identität Gebrauch zu machen, sodass Individualität eine Ausdrucks- und Lebensform wird, die einen Ausweg aus den von der Gesellschaft bereitgestellten Pfaden bietet. Wir leben heutzutage in einer Epoche der Massenüberwachung, in der jeder elektronische Austausch, jede soziale Interaktion und deren Ort und Zweck aufgezeichnet und übermittelt werden. Dadurch können Regierungen die Mitglieder jeder Gegenkultur oder jeder Partei, die sich gegen die herrschenden Regeln aussprechen, identifizieren und ihre Spuren verfolgen.

Seit Anbeginn der Zivilisation haben herrschende Regierungen und Staatsoberhäupter mit Gewalt und Manipulation darum gekämpft, an die Macht zu kommen und dort zu bleiben. Ihre Gegner riskierten Verfolgung, Zensur und Tod. Sogenannter Verrat und Häresie haben schon immer den Zorn derer erregt, welche die Massen beherrschen wollten, ebenso wie der Versuch, Religion in Frage zu stellen, dazu führte, dass Häretiker und Wissenschaftler von der Inquisition eingekerkert oder verbrannt wurden. Um dem entgegenzutreten, gab es stets auch Geheimgesellschaften, die im Schatten einer Zivilisation daran arbeiteten, eine alternative Sicht und womöglich die Wahrheit aufzuzeigen, in der Hoffnung, dass die ganze Menschheit eines Tages frei sein würde. Ihre Ideen und philosophischen Ansätze sickerten durch Philosophie und Kunst, Rituale und Häresie in die Öffentlichkeit. Von der Renaissance bis ins Zeitalter der Vernunft unterminierten sie in Europa die katholische Kirche durch Social Engeneering. Schließlich verlor die allmächtige Fassade der Kirche, durch Korruption und Hypokrisie vergiftet, die Kontrolle – und keine noch so große Zahl brennender Leiber konnte mehr die Revolution verhindern. Im 18. Jahrhundert verbreiteten sich im Westen Europas soziale Unruhen und fanden Ausdruck in den Gedanken von Philosophen, den Schriften von Dichtern und dem bürgerlichen Ungehorsam der Massen.

Die Geheimgesellschaften des 18. Jahrhunderts etablierten eine Philosophie, die sich durch alle gegenkulturellen Bewegungen hindurch bis hin zu den Online-Hackern von heute nachverfolgen lässt. Doch in unserer vorliegenden Aufarbeitung beginnen wir mit dem Archetyp von Geheimgesellschaft an sich, der Gruppe, die sich als Erste in offener Revolte gegen alle Formen von Unterdrückung erhob, die der Menschheit je aufgezwungen worden sind: den Illuminati. Dabei bezieht sich der Begriff Illuminati auf drei verschiedene Gruppen im Laufe der Geschichte.

Die erste Gruppe formten die Illuminati aus Bayern, eine nach allen Regeln der Kunst geheime Gesellschaft, die sich 1776 unter den europäischen Freimaurern und Akademikern mit der Absicht gebildet hatte, die Menschheit von physischen, seelisch-geistigen und spirituellen Fesseln zu befreien. Während ihres kurzen Auftretens verkörperte sie die ganze Bandbreite gegenkulturellen Selbstverständnisses in einem gebündelten System organisierten Dissenses, das bis heute gültig bleibt.

Viele Geheimgesellschaften wurden gegründet, um spirituelle Inhalte und Ziele vor der Inquisition zu schützen und diese gleichzeitig voranzutreiben, das galt auch für diese ersten Illuminati. Doch wollten sie vor allem politisch aktiv werden und die Welt ihren Idealen entsprechend umgestalten. Zwischen bayrischen Universitäten und Freimaurerlogen waren sie mit der Intention aufgetaucht, Europa aus der Zwangsjacke zu befreien, die Religion und Königshäuser Erziehung, Politik und Wissenschaft angelegt hatten, und wurden in gewisser Weise zu einer der treibenden Anti-Kräfte, deren Bestreben in der Französischen Revolution mündete.

Ihr wachsender Einfluss auf die Gesellschaft zog unvermeidlich ihre Verfolgung nach sich, und so suchten sie gemeinsam mit einer Myriade Gleichgesinnter im Schatten der Gesellschaft Zuflucht, um ihr Werk von dort aus weiterzuführen. Unterdessen fand ihr Gedankengut in vielen gegenkulturellen Bewegungen Europas und Amerikas des 18. und 19. Jahrhunderts ein Sprachrohr, bis sie in den 1970er Jahren gleich einem fast verlorenen Mythos wieder ans Tageslicht traten.

Über die zweite Illuminati-Inkarnation veröffentlichten 1976 Robert Anton Wilson und Robert Shea „The Illuminatus Trilogy“, eine umfassende Fiktion, in der sie behaupteten, hinter jeder größeren Verschwörung und jedem Schlüsselereignis der Geschichte stünden die Illuminati. Dieser Gedanke passte zeitlich perfekt zu den Vorstellungen derer, die in der Folgewelle der Kennedy-Morde und des Nixon-Korruptionsskandals lebten. Es entwickelte sich ein soziokulturelles Konzept, dass die Welt von einer Neuen Weltordnung regiert würde, einer verborgenen Hand, die Verschwörungstheoretiker rasch den Illuminati zuschrieben.

Seither ist der Begriff Illuminati zu einem Mem geworden, das den Schattenarchitekten, die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft kontrollieren, einen Namen verleiht. Er wurde ein Synonym für das Bild einer Neuen Weltordnung, in der es ausschließlich um Kontrolle, Versklavung und Ausbeutung in den Händen von korrupten Bankern und Politikern geht. Während einerseits der Name der Illuminati von Verschwörungstheoretikern usurpiert wurde, bildete sich andererseits eine neue Form von Dissens. In einem Klima von jugendlichem Sich-Ausprobieren und Eins-Auswischen entstand das Hackerkollektiv Anonymous. Dessen Zielvorstellungen, dass Gesellschaften sich von Zensur befreien und gegenüber ihren Herrschern selbstermächtigen müssen, machen dessen Mitglieder gedanklich zu den Nachfolgern der Illuminati. Gruppen wie Anonymous und WikiLeaks verbindet der gleiche Abscheu vor Ungerechtigkeit und Korruption – und ähnliche Methoden der Geheimarbeit und des Social Engineering. Genauso wie die Illuminati während der Französischen Revolution spielten diese Gruppen eine Schlüsselrolle bei den Aufständen des Arabischen Frühlings; neu dabei war, dass sie nun das Internet als Kanal des Ungehorsams benutzen konnten.

Regierungen sind schnell dabei, jene zu verfolgen und einzukerkern, die den Kampf für freie Rede und Transparenz in Politik und Gesellschaft aufnehmen, deshalb ist Gegenkultur ein Produkt der Notwendigkeit. Angefangen von den ersten Geheimgesellschaften, die sich zum Schutz spiritueller Wahrheiten gründeten, bis hin zu WikiLeaks, welche die Identität von Whistleblowern zu verschlüsseln suchen: Es geht noch immer um die gleiche Sache, und die Ideale der Illuminati sind bis heute gültig. Und auch politische Korruption und religiöse Kontrolle, welche die Illuminati zu ihrem Zusammenschluss und ihren Aktionen inspirierten, existieren weiterhin, nur sind sie inzwischen das geringere Übel, denn sie werden heute von den Geschäfts- und Finanzinstitutionen, die das Weltgeschehen zu ihren eigenen Zwecken unter Kontrolle zu halten versuchen, weit übertroffen. Dementsprechend hat eine neue Art der Inquisition ihren Fokus von Geheimgesellschaften auf die Netzwerk-Communities des Internetzeitalters verschoben, das aktuelle Rettungsboot der Gegenkulturen.

Diese marginalisierten Gruppen halten die Rebellion gegen das Establishment aufrecht, einerseits mit subversiv sich ausbreitenden progressiven Gedanken, andererseits, indem sie Regierungsgeheimnisse öffentlich machen. Zusammen gestalten sie die Geschichte der Gegenkultur und Subversion. Das Zitat von Aaron Schwartz, das diesem Buch vorangestellt ist, versteht sich als Aufruf zum Handeln, dem viele heute nachkommen wollen, doch ohne Klarheit darüber, wie sie das umsetzen können. Geht man von der Bedeutung des Begriffs „Illuminati“ – „die Erleuchteten“ – aus, scheint es angemessen zu sein, den Leser über genauere Information zu den Illuminati hinaus einzuladen, sich selbst zu engagieren und auch andere zu motivieren, an der wichtigsten Bewegung dieser Epoche teilzunehmen. Die technologische Entwicklung bietet jedem die Chance, ein Erfüllungsgehilfe der anstehenden Veränderung zu werden. Seit Jahrhunderten herrscht Krieg zwischen den rigiden Gesellschaftsstrukturen und den sich auflehnenden Gegenkulturen. Dieses Buch hier erzählt die Geschichte dieses Kriegs und ist zugleich ein Aufruf zu den Waffen.

Kapitel 2: Abstieg ins Reich des Aufruhrs

Gesellschaft ist ein Konformitätsfeld, das sich um das Konzept des jeweils Akzeptablen herum bildet. Daneben gibt es immer Außenseiter: jene einzigartigen Individuen, die am Rande der Akzeptanz existieren, weil Aspekte ihres Glaubens und Unterwegsseins sie vom Mainstream ausschließen. Viele von ihnen leben und sterben als Einzelgänger, währenddessen andere Anschluss an Gruppen mit einer gemeinsamen Perspektive finden oder selbst welche bilden. Einige dieser Gruppen existierten jahrhundertelang als häretische Religionen, philosophische Schulen oder Geheimgesellschaften. Dabei war und ist Geheimhaltung für das Überleben dieser Bündnisse oft unausweichlich, da jede Bedrohung für das vom Establishment Annehmbare eine Bedrohung für die herrschende Macht ist, was für gewöhnlich Verfolgung und Verhaftung nach sich zieht.

Führende Eliten sind selten progressiv. Sie fürchten neues Gedankengut und zersetzende Ideologien, und scheuen sich vor keiner Form der Unterdrückung, um ihre Stellung zu behaupten. Historisch betrachtet, trieb dieser Umstand häufig die größten Denker, Wissenschaftler, Philosophen und Theologen ihrer Zeit in den Untergrund bzw. in die Arme von Geheimbünden, die ihnen Akzeptanz entgegenbrachten. Für jedes von Korruption und Regression geprägte Unterdrückungsregime findet sich ein Freiheitskämpfer, ein Häretiker oder ein revolutionärer Avantgardist, der diesem zum Trotz sich Bahn bricht. Außenseiter kämpfen für eine Welt, in der auch sie einen Platz haben, und das (ver)treibt sie häufig in eine Position, von der aus sie besser erkennen können, wie Macht eingesetzt werden sollte oder nicht. Wo Machthaber versuchen, Fortschritt durch Ungerechtigkeit und Ungleichheit auszurotten, geraten Terrorismus und Revolution als reale Möglichkeiten ins Visier.

Unterdrückung treibt den Widerspruch voran, das zeigte sich im Verlauf der Geschichte immer wieder, und das erleben wir aktuell in allen Bereichen der Kultur, Politik und Wirtschaft. Es ist unvermeidlich, dass neue Ideen und Technologien den Status quo ins Wanken bringen und damit das Machtgleichgewicht verschieben, fort von denen, die sich an Throne und Titel klammern. Wie eine Gesellschaft auf solche Umwälzungen reagiert, ist ein Maßstab dafür, wie zivilisiert sie ist. Historisch betrachtet, ist die vorherrschende Form der Unterdrückung von Natur aus religiös, denn mit dem Fortschritt einer Gesellschaft verlieren gerade die religiösen Dogmen, die sie durchziehen, an Kongruenz. Religionen versteifen mit der Zeit und werden unfähig, sich weiterzuentwickeln, und das hindert ihre Anhänger daran, neue Wege zur Weltdeutung zu entdecken. Wo immer sie es können, würgen Religionen Widerspruch ab, auch in Erziehung und Wissenschaft, denn sie müssen alles tun, um ja die Nebel des Aberglaubens daran zu hindern, sich aufzulösen. Dort, wo Autorität absolut ist, sind Heldenfiguren gefragt, um die Grenzen einer Gesellschaft zu sprengen.

Seit jeher finden wir in Mythologie, Religion und Geschichte als Antwort auf ungerechte Unterdrückung und Gesetzgebung Formen von Gegenkultur. Prometheus verweigert Zeus den Gehorsam, und Adam ergreift den Apfel als Symbol für den Anspruch der Menschheit auf Wissen. Abraham wurde von Gott dazu inspiriert, seine Heimat zu verlassen und sich auf die Suche nach spiritueller Erfahrung zu machen. In Ägypten wies Echnaton den Polytheismus zurück und wurde dafür aus der Erinnerung seiner Zeitgenossen gelöscht. Das gleiche Los widerfährt Moses mit seiner Flucht aus Ägypten. Dieser Drang, Normalität aus dem Weg zu gehen und auf seine eigenen Kräfte zu bauen, ist ein häufig wiederkehrender Topos in der Gegenkultur und entspricht dem, was man erlebt, wenn man sich dem Erbe der Vergangenheit widersetzt, um seine persönliche Wahrheit jenseits gültiger sozialer Übereinkünfte zu suchen. Gegenkulturen werden oft von denen in die Wege geleitet, die es schaffen, sich über eine stagnierende Gesellschaft zu erheben – mit einem klaren Blick dafür, dass und wie die Menschheit sich von Tyrannen und Scheinheiligen befreien könnte. Ihr Dissens kann vom einzelnen Schrei eines wütenden Individuums bis hin zur ausgefeilten politischen Intrige eines Anschlags oder einer ganzen Revolution reichen. Die Durchschlagskraft wahrer Revolutionäre nährt sich aus dem Freisein von allen kulturell bedingten Denkmustern und Strukturen und gründet in einem gewissen Sinn für Wahrheit, den diese Menschen aus ihrem Umfeld und ihrer sozio-kulturellen Geschichte gewonnen haben.

Mythische Geschichte

„In der Geschichte geht es darum, für welchen Mythos man sich entscheidet.“

–Voltaire

Die erste Freiheit, die es zu erreichen gilt, ist die von der Vergangenheit. Geboren zu werden, ist so, als erwache man mitten in der Nacht, ohne zu wissen, was vorher war. Den Traum, der sich in nichts auflöst, und den Ton der Stimme, die einen weckte, kann man sich nicht klar in Erinnerung rufen, und je mehr man sich darum bemüht, desto mehr gerät man ins Spekulieren. Exakt in jenem Moment aber gibt es nichts, was den Blick auf die Wirklichkeit verzerrt. Für kurze Zeit ist das Kind mit allem verbunden; doch vom Durchschneiden der Nabelschnur an läuft letztlich alles im Leben auf Trennung hinaus.

Die frühe Kindheit ist mythisch, und das hilft der jungen Seele, ihr Erlebnis und Verständnis der umgebenden Welt zu integrieren. Fragt man ein Kind, was nachts geschieht, wird es ausführlich schildern, wie die Sonne hinter den Wolken zu Bett geht. In diesem traumartigen Zustand bleibt es, bis Logik und Verstand sich durchsetzen. Doch die Gesellschaft möchte nicht immer, dass Logik und Verstand die Führung übernehmen, denn sie stützt sich ja auf etablierte religiöse und politische Denksysteme. Sie hält an ihren eigenen Mythen fest, und diese werden gerne toleriert, insofern sie Dissoziation rechtfertigen und damit eine Weltsicht aufrechterhalten, die es Politikern erlaubt, unangefochten zu bleiben, wenn sie Massenmord mit Krieg rechtfertigen und die Adepten eines falschen Gottes gegen den anderen unterstützen.

Religionen sind so sehr vom Erhalt ihrer abergläubischen Konzepte abhängig, dass sie sich von wissenschaftlichem Denken bedroht fühlen. Heute, wo jede weit zurückliegende Epoche allmählich in den Fokus der Forschung rückt und damit unter die Augen unparteiischer Historiker und Archäologen gerät, wird auch die historische Authentizität des Christentums überprüft und in Frage gestellt. Die mündlich überlieferten Geschichten und Parabeln der Bibel gingen aus Mythen früherer Epochen hervor, die für einen einfachen Geist bestimmt waren; und es würde so manch einen schockieren zu erfahren, dass die Geschichte von Jesus ebenso eine Parabel ist, wie seine Lehren es sind. Doch verstecken sich in diesen biblischen Fiktionen Hinweise auf eine tiefere Wahrheit, die einst etwas sehr Wichtiges bedeutete, und dies zu leugnen hieße, die Quelle vieler Hauptreligionen zu leugnen.

Zurück zur Quelle

Es ist unübersehbar, dass das Christentum sich stark auf frühere Religionen stützt; und läse man die Bibel im Kontext mythologischer Literatur, würde die Herkunft ihrer Geschichten nur allzu offensichtlich. Viele Schlüsselereignisse im Alten und Neuen Testament, einschließlich der Unbefleckten Empfängnis und der Kreuzigung, stammen aus Religionen von vor Christus und sogar vor dem Judentum. Für die Menschen der Frühzeit ergab sich aus dem Zyklus von Geburt und Wiedergeburt, welcher der Natur zugrunde liegt, das Bild des Lebensrads und ebenso der Seelenwanderung. In den Eleusinischen Mysterien der Griechen wird geschildert, wie Persephone im Winter in der Unterwelt gefangen ist und erst im Frühling wieder entkommen kann. Ihre Reise in die Unterwelt ist die Geschichte der Seele, die in die materielle Welt hinabsteigt, um sich dort zu inkarnieren, um dann im Tode wieder aufzusteigen. Dieser Mythos erklärt das Leben als Naturzyklus entsprechend dem Kreislauf der Jahreszeiten.

Die Natur spielt diese zyklische Wiederkehr im einfachen Ereignis der tagtäglich auf- und untergehenden Sonne durch. Sonnenanbetung war ein zentrales Element in frühen Kulturen, teils aus Furcht vor Dunkelheit, doch auch weil sie die Sonne als Lieferant von Licht und Wärme anerkannten, die Getreide und Früchte zum Wachsen bringt und damit die Menschen mit Nahrung versorgt. Frühe Zivilisationen verfolgten das Vergehen von Zeit in der fortschreitenden Bewegung der Sterne, um zu wissen, wann sie die Saat ausbringen mussten. Solche Ereignisse erfassten sie in Geschichten und gaben darin ihr naturkundliches Wissen an künftige Generationen weiter. Diese Geschichten wiederum liegen allen Menschheitsmythen zugrunde – und damit der Naturreligion als Quelle aller heutigen Religionen.

Für diese Basisreligion ist Persephones Reise ein Archetyp, denn sie beschreibt den Abstieg der Seele am kürzesten Tag des Jahres, der Wintersonnenwende am 22. Dezember. Darauf folgt eine dreitägige Übergangszeit, in der die Sonne bis zum 25. Dezember an ihren tiefsten Stand wandert, dem Tag, an dem sich die Seele in der Welt inkarniert. Der Sachverhalt, dass die Seele sowohl spirituell wie auch manifest ist, drückt sich oft in dem Bild aus, sie werde von einer Jungfrau geboren, was besagt, dass das Kind göttliche Anteile hat.

Selbige Geschichte geht sogar auf eine Zeit vor den alten Ägyptern zurück, als die Konstellationen dazu dienten, den epischen Zyklus von Tod und Wiedergeburt anzuzeigen, so wie die Sonne am Südkreuz (in Südägypten sichtbar) zur Wintersonnenwende auf- (oder unter)geht und neun Monate später, im September, im Sternbild der Jungfrau wiedergeboren wird. Dieser Verlauf ist auch ein seelischer, er zeichnet den Prozess nach, wie im Erforschen der Unterwelt – des Unbewussten – die verlorenen Fragmente des Selbst aufgespürt werden, sodass sie wieder ans Licht gebracht und dem Bewusstsein der Persönlichkeit zurückerstattet werden können.

Der Topos der jungfräulichen Inkarnation taucht in der Geburt mehrerer mythologischer Charaktere, Götter und Halbgötter auf. Horus, Attis, Zoroaster, Mithras, Dionysos und Krishna wurden alle von einer Jungfrau geboren, Mithras am 25. Dezember. Diese sogenannte Parthenogenesis ist ein Mythos, der sich durch die ganze Götterwelt der Antike hindurchzieht, die Geschichte Jesu greift also nur ein geläufiges Motiv auf.

Persephone, die Seele auf ihrer Wanderung, soll die Unterwelt zu Ostern verlassen und zu den Göttern zurückkehren, in der Jahreszeit also, in der die Tage länger werden als die Nacht. Wieder kennzeichnen drei Tage den Übergang vom Tod zur Auferstehung. In einem vorchristlichen Mythos wird Attis, der in der Osterzeit starb, von seiner Mutter Kybele in ein Grab gebettet, aus dem er nach drei Tagen „zur Rettung der Menschheit“ wieder aufersteht. Dionysos wurde gekreuzigt, ein Speer ihm in die Seite gebohrt, er starb und erstand wieder auf; Osiris erstand wieder auf, nachdem die Stücke, in welche die Titanen ihn zerrissen hatten, von Isis, der Großen Mutter, wieder zusammengesetzt worden waren.

Eine rituelle Inszenierung des Zyklus von Geburt und Tod gehörte zur Kernlehre der Antike. Eine Kurzfassung dieses Rituals wird im Neuen Testament beschrieben, wenn Jesus, der Sohn Gottes, in Bethanien Lazarus von den Toten auferweckt. Das ist einem weit älteren altägyptischen Mythos entnommen, in dem Horus, der Sohn Gottes, Osiris in Beth-Anu von den Toten erweckt. Die Erzählmuster sind identisch, und es gibt keinen Grund anzunehmen, sie seien etwas anderes als genau dieselbe Geschichte, die tradiert wird, um dies Ritual für künftige Generationen zu erhalten.

Die alten Ägypter integrierten das Leben nach dem Tod in alle Aspekten ihres Glaubens, denn sie schenkten ihrer Reise durch das Todesgeschehen mehr Bedeutung als der durchs Leben. Sie glaubten, wir gingen vom Sichtbaren ins Unsichtbare über und zurück – durch viele Leben hin. Wie die Jahreszeiten in der Natur, stürben wir und lebten wieder auf, so sicher, wie die Nacht in den Tag übergeht. Bis heute halten wir an dem Ritual fest, die Toten in ihre feinsten Gewänder zu kleiden, als würden wir Wert darauf legen, die Würde der Verstorbenen auch im Leben nach dem Tode zu bewahren.

Für die Menschen der Antike lag das letzte Geheimnis der Mysterien darin, dass die Reise durch das Totenreich eine Rückkehr zur Quelle und ins Einssein bedeutete. Sie verstanden das Leben als einen Funken, der sich von der göttlichen Quelle getrennt hatte, um sich als Seele innerhalb der Materie zu manifestieren. Durch das Leben bekommt die Seele Gelegenheit, ihrer selbst bewusst zu werden und den Spalt zwischen Geist und Materie zu überbrücken, bevor sie schlussendlich zur Quelle wieder zurückkehrt. Der Moment unseres Todes spiegelt sich in Ostern, dem Tag, der vom Zyklus des weiblichen Mondes beherrscht wird; unsere Geburt hingegen bestimmt die männliche Sonne – genau neun Monate später, entsprechend der Reifezeit eines menschlichen Fötus.

Indem die christlichen Kirchen behaupteten, dass diese archetypischen Ereignisse in der Geschichte Jesu tatsächlich geschehen sind, enthielten sie ihren Anhängern die dahinterliegende Weisheit der Alten vor. Die Wanderung durch die Unterwelt zielt schlussendlich aufs Leben ab, nicht den Tod, denn durch den Tod kehrt die Seele zur göttlichen Quelle heim. Dante verstand das, als er sein Meisterwerk „Die Göttliche Komödie“ schrieb, die nicht eine Reise durch Himmel und Hölle beschreibt, sondern durch ein karmisch verfasstes Leben, das selbst das Urteil heraufbeschwört über die, welche sich von ihren eigenen Schwächen aufzehren lassen.

Der Abstieg in die physische Welt inspirierte die Gnostiker und Ka-tharer zu dem Glauben, dass die physische Welt von einem Demiurgen geschaffen wurde, einem Halbgott, der selbst der Schöpfer von allem zu sein glaubte. Dieser Demiurg ist das Ego, welches den göttlichen Ursprung des Lebens leugnet und der zyklischen Natur den Rücken kehrt, indem es behauptet, es gebe nur die materielle Welt. Die Unterwelt von Orpheus und Persephone und das Inferno Dantes verbildlichen die Lebensprüfungen, denen die Seele durch das Eintauchen in die Materie ausgesetzt ist. Genau das ist auch das „Leiden“, dem die Buddhisten zu entkommen suchen, in der Überzeugung, wir seien Seelen, die darauf warten, aus dem düsteren Schlummer der Bedürfnisse und Wünsche der materiellen Welt geweckt zu werden.

Wie die Buddhisten glaubten früher die Mysterienkulte, dass, wenn einmal das Karma abgearbeitet ist und das Individuum Erleuchtung gefunden hat, es nichts mehr zu erlösen gibt, und somit kein Bedarf an weiterer Inkarnation besteht. Die erleuchtete Seele kann sich entscheiden, ob sie sich im Dienste anderer noch einmal inkarnieren oder zum Ursprung zurückkehren möchte. Dieser Glaube ist uns aus Urzeiten von den Mysterienschulen überliefert, und mit ihm ein Weg zum Aufwachen, der die, welche diesen Weg beschreiten, lehrt, wie sie nicht den Tod überwinden können, sondern das Leben. Doch bis das geschieht, verbleibt die Menschheit in einem Status des Exils.

Die Mysterienschulen

Die ältesten Mysterienschulen befanden sich im ehemaligen Mesopotamien und liegen heute unter den Trümmern des südlichen Irak begraben. Ihnen folgten Schulen in Ägypten, Griechenland, China, Südamerika und schließlich Westeuropa. Die Schriftgelehrten dieser Schulen fügten ein weit ausgespanntes Wissen in Lehrsystemen zusammen, die als hermetische und alchimistische Überlieferungen zu uns in die westliche Welt gekommen sind. In ihrer Weisheit machen sie Tod und Geburt psychologisch als Rituale kenntlich, welche die Aspiranten auf ihrer inneren Reise zur Erleuchtung unterstützen.

Ihre Lehren antworteten auf den Ruf nach Spiritualität, der in jeder Zivilisation als persönliche Suche nach dem Sinn zu finden ist. Diese Suche muss ein jeder selbst auf sich nehmen, um den Zweck seines Inkarniert-Seins zu entdecken, denn den kann man nicht von anderen übernehmen. Mit solch einem Wissen geht zugleich die philosophische Berufung in den Dienst an anderen einher, einen Dienst, der den Geist zu höheren Aufgaben des Mitgefühls und bedingungsloser Liebe öffnet und damit die rein biologische Funktion des Lebens transzendiert. In evolutionären Begriffen ausgedrückt, ist dies die Krönung des Bewusstseins.

Der aktuell vorliegende Korpus hermetischer und okkulter Arbeiten ist zu einem reichhaltigen und vielfältigen Strom an Kenntnissen geworden, doch die Quelle dieser Dokumente lässt sich auf ein paar Kerngedanken zurückführen. Der Urtext der hermetischen Künste ist die Tabula Smaragdina; sie wird dem ägyptischen Gott Thot zugeschrieben und wurde zum zentralen Text jeder hermetischen Bibliothek. Die Tabula Smaragdina trägt die hermetische Inschrift „Wie oben, so unten“, was heißt, dass der Zyklus von Leben und Tod in den Sternen geschrieben steht. Sie besagt weiter, dass der Weg zurück zur göttlichen Quelle durch Verwandlung führt, die in Natur und Bewusstsein durch die hermetische Kunst der Alchimie beschleunigt werden kann.

Alchimie lieferte das Instrumentarium, um mit Hilfe von Ritualen sowie der Kontemplation von Symbolen die Bewusstseinsebenen eine nach der anderen zu durchqueren. Sie wird als „königliche Kunst“ eingestuft, da sie Kunst in ihrer höchsten Form darstellt und dem Schüler die Souveränität über sich selbst überträgt. Sie ist in zweifacher Weise „erleuchtet“ – einmal in ihrem Blick auf die Welt, und dann in ihrer Fähigkeit, als effektive Form von Magie diese Welt zu manipulieren. Das erinnert uns auch an Persephone, denn Alchimie vollzieht symbolisch die archetypischen Stationen der Seelenreise nach und löst dabei im Unbewussten Traumata aus der Vergangenheit auf. Jahrhunderte, bevor Jung zur Welt kam, hatten die Alchimisten verstanden, dass Persönlichkeitsveränderung sich auf emotionaler Ebene vollzieht und der Schlüssel zur Transformation ist.

Die hermetischen Lehren wurden auch immer von kreativen Menschen weitergetragen, weil Künstler verstanden, dass Kreativität ihren Ursprung in etwas Größerem hat als dem Individuum, welches sie erfährt – dass sie jenseits des Egos aus einem Akt der Ko-Kreation mit dem Göttlichen entspringt. Insbesondere die moderne Kunstwelt aber bleibt hinter diesem Ideal zurück, denn ihr ist die Sicht auf ihre göttlichen und heidnischen Wurzeln verloren gegangen, genauso wie der Wissenschaft jene auf die Symmetrie und Schönheit der Natur. Unter den späteren Repräsentanten der Mysterienschulen waren für die Pythagoreer Mathematik, Musik und Geometrie die Disziplinen, welche die Grundmuster der Natur aufdecken konnten. Pythagoras lehrte seine Adepten, die göttliche Harmonie in allen Dingen zu suchen und die sakrale Geometrie der Natur anzuerkennen. Harmonie, das Gleichgewicht zwischen innerem und äußerem Leben, galt als zentrale Angelegenheit für die persönliche Entwicklung. Diese Philosophie widersetzte sich allen Bestrebungen, die Stimme der inneren Weisheit zum Schweigen zu bringen, die Natur außen vor und die soziale Konditionierung von Selbstsucht und Eigennutz bestimmen zu lassen.

In Anbetracht dessen, dass Machtinhaber die etablierte Ordnung aufrechtzuerhalten versuchen, pflanzen sie ihren Untertanen Angst vor dem Unbekannten ein und damit grundsätzlichen Verdacht geheimen Gruppierungen gegenüber. So hat man unter den letzten Mysterienschulen im antiken Griechenland auch die Pythagoreer verfolgt, und Pythagoras selbst wurde wahrscheinlich von einem wütenden Mob zu Tode gehetzt. Die Zeit der Toleranz war zu einem Ende gekommen und zwang die Mysterienschulen von nun an, ihre Existenz bzw. ihre Lehren symbolisch zu verklausulieren. In der Folgezeit wurde die eine oder andere dieser Philosophien immer wieder aufgegriffen und als Methode herumgereicht, so etwa das I Ging und das Tarot, die noch heute genutzt werden, um unbekannte Verbindungen zwischen allem, was ist, herauszufinden. Kenntnisse der Sakralgeometrie, wie sie für die Freimaurer zentral wurden, waren über das antike Griechenland nach Europa gekommen und in die Hände der Erbauer der mittelalterlichen Kathedralen gelangt.

Die wachsende Macht der römisch-katholischen Kirche zwang die Anhänger der althergebrachten Religionen dazu, diese im Geheimen zu praktizieren, genauso wie die Christen es im 1. Jahrhundert hatten tun müssen. Die frühen Mysterienschulen wurden zu Prototypen moderner Geheimgesellschaften, und einige Historiker behaupten, das Erbe der Freimaurer und Rosenkreuzer gehe direkt auf Altägypten zurück. Eine direkte Abstammung ist zwar nicht nachweisbar, doch kann man mit Sicherheit sagen, dass die Geheimgesellschaften von heute mit Symbolen und Lehren arbeiten, die ihre Wurzeln in der Antike haben.

Den Mythos umschreiben

In der Zeit, in der das Christentum Gestalt annahm, war Naturreligion weit verbreitet unter den Heiden (eine ursprünglich neutrale Bezeichnung für Nichtchristen, Anm. des Übersetzers), die sich für ihre Glaubenspraxis unter den vorhandenen Göttern diejenigen aussuchten, mit denen sie sich kulturell identifizieren konnten. Infolge der Ausbreitung des Römischen Reiches kamen auch Isis- und Mithras-Tempel in den Westen; unterdessen schlugen ein paar christliche Sekten in Rom Wurzeln und setzten das nachfolgende Papsttum in Gang.

Es mussten drei Jahrhunderte vergehen, bis die Bibel auf Veranlassung von Kaiser Konstantin in ihrer heutigen Form kompiliert worden war; die christlichen Gemeinschaften schlossen sich auf dem Konzil von Nizäa zusammen und erklärten, der Mythos von Jesus habe von nun an als Wahrheit zu gelten. Andere Versionen des Christentums, wie der Dualismus des Arius, mussten dem weichen und verschwanden in den Schattenreichen der Geschichte. Wahrscheinlich erkannte Konstantin das Potenzial, welches für das Christentum in der Vereinigung möglichst vieler religiöser Fraktionen der damals bekannten Welt unter seiner Führung lag. Denn, obgleich er das Christentum als Staatsreligion des Römischen Reiches propagierte, blieb er selbst bis zu seinem Tod ein Heide.

Sobald sich die christliche Religion die älteren Mythen einverleibt und die heidnischen Gottheiten und Feste anverwandelt hatte, meißelte sie ihre Heilige Schrift in Stein und verfügte, dass ihre Glaubensinhalte keine Mythen waren, sondern die absolute Wahrheit. In diesem Moment hörte das Christentum auf, progressiv zu sein, und begann, der Korruption, Stagnation und Perversion zu verfallen. Und wenn sich in der Folgezeit die Gesellschaft ganz natürlich weiterzuentwickeln versuchte, griffen die Vertreter der Christenheit in ihren Bestrebungen, diesen Fortschritt zu unterbinden, fortschreitend zu Gewalt und Zerstörung. Die früheren Mysterienreligionen waren allesamt aus der Geschichte vertrieben worden, sodass für diejenigen, welche die alten Religionen weiterhin ausüben wollten, Konflikte unvermeidbar waren.

Die Kampagne, mit deren Hilfe der Sieg über die Heiden gelang, wurde heimlich vorangetrieben: Zuerst verleibte man deren Symbole der christlichen Geschichte ein, um dann letztere an die Stelle der ursprünglichen Archetypen treten zu lassen. In der Ikonographie zeigt sich das in der Aneignung und Umdeutung früherer Bilder – wie im Falle der Sitzfigur der Jungfrau Maria mit dem Jesuskind, die in Altägypten bereits als Figur der Isis existierte. Die vier Evangelisten des Neuen Testaments wurden durch die Tiere Löwe, Stier, Adler und einen Menschen symbolisiert, die in der Babylonischen Astrologie seit langem zu den tradierten Tierkreiszeichen gehörten.

Mit dem Zuwachs der christlichen Religion an Popularität und Macht begannen ihre Jünger systematisch, die heidnischen Stätten Europas zu entweihen und sie zu christlichen Heiligtümern umzufunktionieren. Diese altehrwürdigen Tempel waren gebaut worden, um die Sternbewegungen einzufangen und die Jahreszeiten zu markieren, sodass sie gleichzeitig als Kalender und Schlüssel zu den Mysterien dienten. Die Gotischen Kathedralen in Frankreich wurden über heidnischen Stätten errichtet, an denen Göttinnen angebetet worden waren; und in Paris steht die Abteikirche von Saint-Germain-des-Prés auf den Ruinen eines Isistempels. Ebenfalls in Paris ist die Kathedrale von Notre Dame nach der Wintersonnenwende ausgerichtet, und, um die Heiden zu besänftigen, wurden heidnische und christliche Altäre aufgestellt. Sogar in Jerusalem, wo der Tempelberg der Austragungsort eines unheiligen Tauziehens und Krieges zwischen den modernen Religionen geworden ist, liegt die Grabeskirche über den Ruinen eines Venustempels.

Die Zerstörung geweihter Tempel enthüllte überdies einen weiteren destruktiven Aspekt der neuen Religion. Sie wollte das Feminine als alternativen Archetyp von Wirkmacht ausradieren. Damit organisierte Religionen die Herrschaft behalten können, müssen sie ihre Anhänger davon abhalten, ihren spirituellen Weg aus eigener Kraft zu gehen. Die Seelenwanderung der Persephone in die Unterwelt aber verläuft über das Emotionale und Weibliche – die intuitive Erfahrung des Denkens mit dem Herzen. Für Männer bedeutet das Arbeit, doch für Frauen ist das natürlich; und aus diesem Grund fürchten sich Religionen vor Frauen und hindern sie daran, führende Positionen zu übernehmen.

Dementsprechend hielt es die katholische Kirche für angebracht, den emanzipierten Frauen-Archetyp von Maria Magdalena zu verfälschen und sie als korrupte, gefallene Person darzustellen. In Wirklichkeit war sie eine unabhängige vermögende Frau, eine starke Figur und ein Symbol sakraler Feminität, wie es sich in allen Göttinnen-Kulturen wiederfindet. Sie fehlt als Archetyp dem christlichen Frauenbild, das sich auf die Varianten Jungfrau und Mutter oder Hexe beschränkt und versucht hat, Maria Magdalena als Paradigma machtvoller weiblicher Energie dadurch zu unterminieren, dass es sie zur Hure gemacht hat. Ihr Bild zurechtzurücken, würde das Gleichgewicht zwischen Männlichem und Weiblichem in der westlichen Zivilisation wieder ins Lot bringen. Doch um ihre Macht zu bewahren, hatte die neu formierte Kirche keine andere Wahl, als die gnostische und heidnische Realität zu leugnen und zu behaupten, sie selbst sei der einzige Weg zu Gott und Erlösung.

Wenn eine Religion durch weitgehende Akzeptanz oder staatliche Sanktionierung dominant wird, ist der erste Grundsatz, der gewöhnlich aufgehoben wird, der der Toleranz. Die religiösen Anführer machen sich alsbald daran, Glaubenssätze, Historie und Ursprünge zu einem festen Kanon zusammenzufügen. Von diesem Punkt an hört eine Religion auf, sich zu entwickeln, und richtet stattdessen den Blick zurück auf ein entschwundenes Arkadien, welches nie wieder aktualisierbar sein würde. Anhand der kanonisch gewordenen Bibel versuchte die Kirche, alle alternativen Schriften aus dem Umlauf zu entfernen und damit die eigentlichen (heidnischen) Quellen des Christentums auszuradieren; dieser Prozess ist bis heute nicht zu Ende, denn seit 1966 wurde der Index der Verbotenen Bücher nicht mehr auf den neuesten Stand gebracht. Jene, die offen heidnische Gebräuche oder andere alternative Glaubensrichtungen praktizierten, wurden als Häretiker verurteilt und mit Vernichtung bedroht.

Gruppen wie die Katharer, die in Frankreich während des Mittelalters florierten, waren auf der Suche nach einer einfacheren Form des Christentums und ließen den Arianischen Dualismus wiederaufleben. Sie akzeptierten weibliche Priester und verzichteten auf Steuern, was zu ihrer Anziehungskraft beitrug. Ihre wachsende Popularität in Südfrankreich machte sie zu Rivalen des Katholizismus und löste den Albigenser-Kreuzzug aus, der sie von ihren häretischen Lehren „befreien“ sollte. Bei der Belagerung in Montségur 1244 wurden die letzten übriggebliebenen Katharer vor die Wahl gestellt, zum Katholizismus zurückzukehren oder dem Tod ins Auge zu blicken. Ein jeder von ihnen, Mann, Frau und Kind, wollte sich eher verbrennen lassen, als dem materialistischen Dogma des Katholizismus zu weichen.

Die katholische Kirche konnte mit authentischer spiritueller Erfahrung nicht mithalten, die Schranken ihres elaborierten Dogmas und die Schleier ihrer Verdunklungsstrategien verhinderten jede spirituelle Entwicklung. Doch die Katharer und viele andere Häretiker waren ganz offensichtlich über das Christentum hinausgegangen, indem sie einen gnostischen Weg zur Erleuchtung verfolgt hatten. Aus diesem Grund bevorzugten die Katharer das Märtyrertum der Unterwerfung und schlossen sich hierin den Verehrern von Naturreligionen an, die von der Inquisition verbrannt oder als Hexen ertränkt wurden. Bald war Europa übersät von den schwelenden oder aufgedunsenen Leibern der Häretiker, die an dem Glauben festgehalten hatten, dass es möglich war, das Göttliche direkt zu erfahren, ohne Priester oder Päpste.

Da die Lüge des Christentums aufrechterhalten blieb, verschanzten seine Machtinhaber sich schließlich so hinter den Dogmen, dass sie begannen, die Wahrheit in Abrede zu stellen und selbst nicht mehr zu erkennen. Ganz besonders die katholische Kirche blickt auf eine lange Geschichte der Unterdrückung derer zurück, die es wagten, die Unfehlbarkeit ihrer Lehren in Frage zu stellen. Religionen von vor dem Christentum mussten sich ducken und hatten kaum eine andere Wahl, als im Geheimen zu wirken. Sie entwarfen Symbole zum Schutz ihres Wissens und Rituale zur Weitervermittlung ihrer Lehren. Viele dieser Rituale und Lehren gingen verloren, doch manche lebten im Verborgenen weiter und/oder wurden von späteren Gruppen wiederentdeckt.

Das Ende der Religion

Der Katholizismus war nicht die einzige Religion, die sich der Weisheit der Mysterienschulen bemächtigte und sie in ein System der Unterdrückung pervertierte. Viele Religionen dementierten den Zyklus von Tod und Wiedergeburt und nutzten die damit entstandene Leere aus, um sich der Furcht vor dem Unbekannten nach dem Tod in ihrem eigenen Interesse zu bedienen. Das verschob den Fokus von Religion an sich, denn um die Furcht vor dem Tod aufrechtzuerhalten, mussten diese neuen Herrschaftsreligionen die Prüfungen und Nöte der nachtodlichen Phase riesengroß zeichnen. So kommt es, dass Religionen Höllen entwerfen, in denen gefolterte Körper von Verdammten elend dahinsiechen, und behaupten alsdann behaupten, Rettung anbieten zu können … natürlich nur ihren gehorsamen Gefolgsleuten. In der heidnischen Sicht auf das Leben nach dem Tod gab es keine solche Finalität, in ihr ging das „Gericht“ niemals über das Karma eines gelebten Lebens hinaus.

Die Vorstellung eines Jüngsten Gerichts nach dem Tod verleiht Religionen unermessliche Macht, mit der Furcht vor der „Hölle“ können sie ihre Gemeinden erpressen. Der Mensch kann kein größeres Opfer bringen, als das Recht aufzugeben, zu denken, zu fragen, wahrhaftig mit sich selbst zu sein und die in ihre Schranken zu weisen, die an dem Glauben festhalten, die Arche Noah sei real und nicht etwa ein Mythos, der aus dem Gilgamesch-Epos der Sumerer gestohlen worden ist. Während einst Tempel Gastgeber für die Diskurse großer Lehrmeister und ihre freidenkenden Schüler waren, ist nun „Herde“ die angemessene Bezeichnung für die Mitglieder einer Gemeinde, die dazu bereit ist, sich vom Willen anderer unterjochen zu lassen.

Rigide religiöse Strukturen erheben Anspruch darauf zu wissen, was die Seele ist, ohne jedoch im Geringsten die Absicht zu hegen, ihr eine Stimme in der Welt zu verleihen. Doch sie können die Schlüssel zum Königreich nicht verwalten, denn diese Schlüssel befinden sich seit jeher in jedem selbst. Wie das apokryphe Evangelium des Thomas es klarstellt, ist der Himmel in uns: Durch die Erkundung unseres Inneren können wir unseren je einzigartigen Weg zur Erfahrung des Göttlichen finden. Das ist das Geheimnis, welches Religionen von der Menschheit fernzuhalten versuchen, denn alle diejenigen, die den Geist für und in sich selbst entdecken, können auf Päpste, Priester, Rabbiner oder Imame verzichten.