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Das Buch "Die Informationsbarriere" handelt von hierarchischen Organisationen und deren Verfall infolge zunehmender Informationsverfälschung sowie von Menschen, die den Niedergang herbeiführen und darunter zu leiden haben. Die selbst verschuldete Schieflage von Unternehmen, der planlose Verlauf der Energiewende und die EURO-Krise beruhen zu einem nicht geringen Teil auf Fehleinschätzungen mangels wahrer Informationen und Sachkenntnis sowie dem bewussten Vertuschen absehbarer Risiken und Fehlentwicklungen. Und auch die unkontrollierte Öffnung der deutschen Grenzen in der Flüchtlingskrise sowie die darauffolgende staatliche Werbekampagne und Manipulation der Bevölkerung im Sinne der ausgerufenen Willkommenskultur zeigen alle Merkmale und Begleiterscheinungen einer im Niedergang befindlichen Ordnung. So berechtigt Kritik an einzelnen unfähigen oder machtgierigen Leitfiguren ist, sind deren persönliche Verfehlungen jedoch nicht die eigentliche Ursache von Desastern im großen Stil, sondern erst das Beziehungsgeflecht und die wechselseitigen Abhängigkeiten zwischen Menschen und Organisationen, befördern, verstärken und vervielfachen die Fehler Einzelner und lassen sie im schlimmsten Fall zu globalen Krisen anwachsen. Kennen Sie jedoch die Prinzipien und Gesetzmäßigkeiten einer hierarchischen Organisation, werden Sie unerwünschte Ereignisse und deren Folgen vielleicht nicht verhindern, aber zumindest verstehen oder voraussehen können. Auf diese Weise vermeiden Sie es, zum überraschten oder naiven Opfer misslicher Umstände und der daraus erwachsenden Handlungsweisen ihrer Mitmenschen zu werden. Und ebenso können Sie sich davor schützen, unwissentlich Mitläufer einer Schafsherde zu sein, die andere zum Schlachthof führt und zum Schluss vielleicht selbst geopfert wird. Dieses Buch wird Ihnen dabei helfen. Und wenn Sie es gelesen haben, wird die Welt zwar keine andere sein, aber Sie werden sie klarer sehen.
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Seitenzahl: 175
Veröffentlichungsjahr: 2018
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Vorwort zur Neuveröffentlichung des Buches
Einführung
Fehlsteuerung durch Falschinformation
Steuerung der Hierarchiebasis durch die Spitze
Die gestörte Steuerung
Die Informationsbarriere
Jeder kann es sein
Die Hierarchie der Desinformierten
Der Lebenszyklus einer Hierarchie
Die Hauptphasen im Überblick
Der Anfang in Einheit
Aufbruchstimmung
Die Aufspaltung
Die Geburt der Informationsbarrieren
Vermehrung und Ausbreitung der Fehlinformation
Die Grenzen der Steuerung von unten
Start des Lebenszyklus mit der zweiten Phase
Die digitale Informationsbarriere
Verlagertes Wissen
Kontrolle, Manipulation, Suggestion
Unfähige Computer & Programme
Täuschung und Selbsttäuschung
Die Kunst der Schönfärberei
Wenn die Frösche den Teich trockenlegen
Weiche Fakten
Der Niedergang
Die Scheinwelt
Pseudoprozesse
Realitätsverlust der Hierarchiespitze
Verfall der Hierarchiebasis
Die Selbstheilung
Ganz ohne Wahrheit geht es nicht
Umgehung der Informationsbarriere
Auflösen der Informationsbarriere
Der Kollaps
Der Realitätsteinbruch
Der Zusammenbruch der alten Ordnung
Vermeiden des Kollapses durch Subventionen
Der Neuanfang
Schluss(folgerung)
Worterklärungen
Invertierte Wörter
Aus dem Katalog der BigPlay AG
Der einzige Schutz vor dem größtmöglichen Desaster besteht häufig allein in der Unfähigkeit der Organisation, die Pläne und Befehle ihrer Führung umzusetzen.
Günther Meinhold
„Die Informationsbarriere“ habe ich erstmals 2010 im Engelsdorfer Verlag veröffentlicht. Das Buch handelt von hierarchischen Organisationen und deren Verfall infolge zunehmender Informationsverfälschung sowie von Menschen, die den Niedergang herbeiführen und darunter zu leiden haben. Die Thematik war schon damals im Angesicht der Finanz- und Wirtschaftskrise und der selbst verschuldeten Schieflage von Unternehmen hochaktuell. Doch auch die Atomkatastrophe in Japan, die panisch-populistische deutsche Reaktion in Form der Energiewende, die EURO-Krise und der Glaubwürdigkeitsverlust der politischen Parteien beruhen zu einem nicht geringen Teil auf Fehleinschätzungen mangels wahrer Informationen und Sachkenntnis sowie dem bewussten Vertuschen absehbarer Risiken und Fehlentwicklungen. Eine nochmalige Steigerung erfuhren alle Merkmale und Begleiterscheinungen einer im Niedergang befindlichen Ordnung durch die unkontrollierte Öffnung der deutschen Grenzen in der Flüchtlingskrise und die darauffolgende staatliche Werbekampagne und Manipulation der Bevölkerung im Sinne der ausgerufenen Willkommenskultur.
So berechtigt Kritik an einzelnen unfähigen oder machtgierigen Leitfiguren ist, sind deren persönliche Verfehlungen jedoch nicht die eigentliche Ursache von Desastern im großen Stil, sondern erst das Beziehungsgeflecht und die wechselseitigen Abhängigkeiten zwischen Menschen und Organisationen, befördern, verstärken und vervielfachen die Fehler Einzelner und lassen sie im schlimmsten Fall zu globalen Krisen anwachsen. So machte der bewusste Angleich der Profile und Ansichten der im Bundestag vor der Wahl 2017 vertretenen Parteien gepaart mit Parteidisziplin und Fraktionszwang inhaltliche Debatten über einsame Entscheidungen von Einzelpersonen scheinbar überflüssig. Und somit verzichtete das Parlament in stillschweigender Übereinkunft weitestgehend auf die Ausübung einer seiner wesentlichen Funktionen, nämlich der kritischen Auseinandersetzung mit schwerwiegenden Entscheidungen und wenn notwendig ihrer Verhinderung oder Korrektur. Mehr als das „Schweigen der Lämmer“ im Parlament irritierte mich jedoch der zehnminütige stehende Applaus der Delegierten des CDU-Parteitages für ihre Vorsitzende. Derartige Huldigungen kannte ich bis dahin nur von den Parteitagen der großen sozialistischen und kommunistischen Einheitsparteien.
Angesichts der großen gesellschaftlichen Umbrüche und Verwerfungen, aber auch wegen Phänomenen wie den Fake News, dem Postfaktisches Zeitalter oder der (angeblichen) Alternativlosigkeit von Handlungen und Personen hat das Buch die „Informationsbarriere“ nichts an seiner Aktualität verloren.
Weil der alte Vertrag ausgelaufen und somit das Buch nicht mehr erhältlich ist, publiziere ich es deshalb neu. Die Neuveröffentlichung habe ich lediglich an einigen Stellen durch aktuelle Beispiele ergänzt, ansonsten entspricht sie der 2010 erschienen Erstausgabe.
Frankfurt, den 01. Februar 2018
Dr. Günther Meinhold
Es gibt drei Sorten von Lügen: Lügen, gemeine Lügen und Statistiken.
Mark Twain
Wie viel Unwahrheit verkraftet eine Organisation, ohne zu kollabieren? Diese Frage habe ich mir schon oft gestellt. Sind es 30, 50 oder 70 Prozent? Eine Zahl ist nicht bekannt. Was man aber kennt, sind vielfältige Beispiele für den Zusammenbruch sozialer Systeme und Unternehmen oder das Scheitern von Projekten. Und ebenso weiß man, dass Vertuschung, Propaganda, Realitätsverlust und fehlende Transparenz den Niedergang begleiten und beschleunigen.
Eine wesentliche Ursache für die Ineffizienz, Ineffektivität, Instabilität und den möglichen Kollaps hierarchischer Organisationen besteht in der zunehmenden Wirkungslosigkeit oder sogar Kontraproduktivität der Steuerung von „oben“ nach „unten“. Denn niemand kann angemessen reagieren, wenn man ihm falsche Statusinformationen liefert: Ist die Tankanzeige defekt, bleibt das Auto auf freier Strecke stehen, hat man den Wecker verstellt, verschläft man, und bei Vorgabe des falschen Ziels, nützt das beste Navigationssystem nichts.
In hierarchischen Systemen wie Staaten, Armeen, Unternehmen oder Projekten gelingt es den oberen Hierarchieebenen nur dann wirkungsvoll zu planen, zu steuern, zu koordinieren und zu kontrollieren, wenn sie wahre und hinreichend viele Statusinformationen erhalten. Ebenso wenig vermögen Untergebene und Partner effizient und effektiv zu arbeiten, wenn man sie unzulänglich oder falsch informiert.
Kleine Störungen werden in großen Systemen nicht sofort sichtbar, besonders dann nicht, wenn eine Organisation noch vom Vorhandenen zehren oder auf Pump leben kann. Irgendwann kommt jedoch der Tag der Wahrheit und die Bilanz muss ausgeglichen werden. Denn alle Versäumnisse, Irrtümer, Lügen und Fehler summieren sich über die Zeit und führen zu Ineffektivität und Ineffizienz, die in Instabilität und Chaos gipfeln können.
Die moderne Informationsverarbeitung, die uns ungeahnte neue Möglichkeiten zur Verarbeitung, Vervielfältigung und zum Transport von Informationen eröffnet, wirkt bei Irrtümern und Fehlern allerdings ebenfalls als Beschleuniger und Multiplikator. Und da sie das Wissen über Details und Zusammenhänge von Prozessen aus den Köpfen der Menschen in die Programme der Computer verlagert, fördert sie ungewollt den Irrglauben, dass Fach- und Detailkenntnisse zur Leitung von Unternehmen überflüssig, wenn nicht gar hinderlich seien. Die Resultate dieser Denkgewohnheit können wir tagtäglich den Schlagzeilen der Medien entnehmen.
Die Einführung des deutschen Mautsystems verschlang zum Beispiel Milliarden mehr als geplant, weil seine Anbieter und Auftraggeber dessen Umfang und technische Komplexität unterschätzten, und die Finanzkrise erschütterte traditionsreiche Banken, weil die Banker nicht wussten, was die komplizierten Finanzprodukte in ihren Bilanzen tatsächlich wert sind. Und in beiden Fällen bekräftigten die Akteure bis zum – vor allem für Andere – bitteren Ende ihre unhaltbaren Versprechen.
Mangelnde Produkt- und Prozesskenntnis und das Vertrauen auf einfache Kennzahlen von mitunter zweifelhaftem Wert und Wahrheitsgehalt bieten schlechte Voraussetzungen, um Fehlentwicklungen zu erkennen und erfolgreich gegen zu steuern. Doch nicht allein die individuellen Schwächen Einzelner führen zu Irrtümern und Fehlern, sondern mehr noch die Gesetzmäßigkeiten, welche aus den Beziehungen zwischen den Mitgliedern von Organisationen erwachsen. Um die inneren Wirkmechanismen einer Organisation, ihre Erscheinungen und Symptome sowie die zum Teil skurrilen Stilblüten zu studieren und zu illustrieren, benutze ich Fallstudien. Die meisten der fiktiven Szenarien beschreiben das Geschehen in der – ebenfalls fiktiven - BigPlay AG, dem weltweit führenden Hersteller von Bürospielzeug, den ich Ihnen kurz vorstellen möchte.
Das aus der Wurzelfelder Scherz- & Kurzweilartikel KG, einem kleinen Familienbetrieb, hervorgegangene Unternehmen wurde mit Produkten wie der Schreibtischmaus oder dem Taschenroulett bekannt.
Die kleine mechanische Schreibtischmaus wechselt dank geschickt angebrachter und um 90 Grad versetzter Rädchen die Richtung, sobald sie vom Schreibtisch zu fallen droht; ein einstmals überaus beliebtes Büro-Accessoire, das in fast keiner Amtsstube fehlte. Das Taschenroulett, eine kleine Dose mit durchsichtigem Deckel und fünf winzigen Kügelchen, die man durch leichtes Fingertippen in fünf ebenfalls winzige Vertiefungen dirigieren muss, wurde bei Versammlungen und Vorträgen geschätzt und erst durch seine elektronischen Varianten auf Handys und Organizern verdrängt.
Ihren internationalen Durchbruch und den Aufstieg zur weltweit agierenden AG verdankte das Unternehmen jedoch dem Enterprise-Simulator mit virtuellem 3D-Management-Cockpit, einer Simulationssoftware zur Unternehmensführung. Der absolute Renner unter Jung-Managern ist nach wie vor die Jet Edition mit Karrierebooster.
Infolge ihres rasanten Wachstums erblühte die BigPlay AG zur weitverzweigten und tief gestaffelten hierarchischen Organisation, und eignet sich deshalb ausgezeichnet als Bühne für eine Vielzahl lehrreicher, illustrativer und amüsanter Fallstudien. Deren Personen- und Firmennamen sind frei erfunden, und eventuelle Ähnlichkeiten mit wirklichen Ereignissen sind allein darauf zurückzuführen, dass die Fiktionen das Wesen allgemeiner und allgegenwärtiger Gesetzmäßigkeiten widerspiegeln.
Die eingeflochtenen Beispiele und Fallstudien veranschaulichen und verdeutlichen typische Abläufe, Erscheinungen und Verhaltensweisen in hierarchischen Organisationen unter idealen und weniger idealen Voraussetzungen. Und besonders auf letztere kommt es mir an. Denn wenn wir Antworten auf die Frage nach den Ursachen, Auswirkungen und Schuldigen für scheinbar immer wiederkehrende Krisen finden wollen, müssen wir uns von Idealvorstellungen bezüglich der technischen Möglichkeiten und menschlichen Eigenschaften verabschieden.
Denn wie wir wissen, schlugen sämtliche Versuche, die Menschen nach einer idealen Norm zu formen, fehl. Da half es weder mit Engelszungen zu reden, zu missionieren, zu lehren und zu bilden, noch - nachdem auch dem langmütigsten Weltverbesserer der Geduldsfaden riss - die Unbelehrbaren zu vertreiben, zu verbannen, zu verbrennen, zu entlassen, zu enthaupten, zu erschlagen, auszugrenzen, einzukerkern oder auf eine von hundert anderen Arten zu beseitigen.
Wir sollten endlich anerkennen, dass wir eine bessere Welt mit unvollkommenen, auf ihren Vorteil bedachten und häufig auch bösartigen Menschen errichten, und deshalb das Verhalten, die Stabilität und zeitliche Entwicklung sozialer Systeme und ihrer dynamischen Modelle unter den Bedingungen unvollständiger, falscher oder bewusst irreführender Informationen untersuchen müssen.
Und genau das geschieht in diesem Buch: die Untersuchung des Lebenszyklus hierarchischer Organisationen unter dem Einfluss wachsender Informationsverfälschung.
Komplexe Systeme in Natur und Gesellschaft organisieren sich oftmals in Form hierarchischer Strukturen, die eines der mächtigsten Ordnungsprinzipien darstellen. Ein Grund hierfür besteht in der Selbstähnlichkeit einer Hierarchie, deren Teile dem Ganzen ähneln. Bäume, Minerale, Netzwerke, Projekt- und Linienorganisationen bilden durch fortlaufende Teilung eine hierarchische Ordnung heraus, so dass aus einfachen Regeln komplexe Strukturen entstehen.
Wesentliche Eigenschaften und Verhaltensweisen großer und scheinbare unergründbarer Systeme lassen sich deshalb aus der Kenntnis weniger fundamentaler Regeln und Prinzipien verstehen. Zwar können wir das Wetter an einem bestimmten Ort und zu einer gegebenen Zeit niemals so exakt vorhersagen wie den Flug einer Rakete, doch sehr wohl vermögen wir die Gesetzmäßigkeiten eines Orkans oder Gewitters zu erforschen. Und wir wissen schon heute, unter welchen Bedingungen schwere Wirbelstürme wahrscheinlicher werden und welche Anstrengungen wir unternehmen müssen, um diese Bedingungen bewusst zu vermeiden. Verstehen wir ebenso gut, warum unter bestimmten Voraussetzungen gesellschaftliche Systeme kollabieren und wie man den Schaden begrenzen kann, ist viel gewonnen.
Doch dieses Buch befasst sich nicht allein mit der hierarchischen Organisation als dynamisches System, sondern ist gleichfalls eine Hilfe für Sie, die Sie innerhalb der hierarchischen Systeme agieren und leben. Denn als Mitarbeiter einer Firma, Bürger eines Staates, Mitglied einer Partei, Angehöriger einer Religionsgemeinschaft oder einer Armee sind wir alle, also auch Sie, Teil von Systemen, deren hierarchische Beziehungen das Verhalten unserer Mitmenschen und unser eigenes beeinflussen. Kennen Sie jedoch die Prinzipien und Gesetzmäßigkeiten einer hierarchischen Organisation, werden Sie unerwünschte Ereignisse und deren Folgen vielleicht nicht verhindern, aber zumindest verstehen oder voraussehen können. Auf diese Weise vermeiden Sie es, zum überraschten oder naiven Opfer misslicher Umstände und der daraus erwachsenden Handlungsweisen ihrer Mitmenschen zu werden. Und ebenso können Sie sich davor schützen, unwissentlich Mitläufer einer Schafsherde zu sein, die Andere zum Schlachthof führt und zum Schluss vielleicht selbst geopfert wird. Und noch wichtiger, werden Sie ihre persönlichen, sich immer von Neuem ergebenden Chancen erkennen und nutzen können.
Denn statt gegen den Strom zu schwimmen, muss man mit ihm treiben, ihn beobachten, Strudel und Untiefen vermeiden, gute Strömungen suchen und erst dann kräftig paddeln, um sie zu erreichen. Dieses Buch wird Ihnen dabei helfen. Und wenn Sie es gelesen haben, wird die Welt zwar keine andere sein, aber Sie werden sie klarer sehen.
Ich danke meiner Frau Annegret für ihre Geduld, dass manche Hecke ungeschnitten, mancher Dübel ungesetzt und manches Gespräch unvollendet blieb, weil ich über einem Text grübelte oder in der virtuellen Welt der BigPlay AG gefangen war.
Meinem Sohn Markus danke ich für die sorgfältige Durchsicht des Manuskripts und seine konstruktiven Hinweise.
Vor allem aber danke ich all den Ungenannten, die durch ihr unermüdliches, redliches und weniger redliches Wirken und mehr noch durch ihr tragisches, glückloses oder unvermeidliches Scheitern das Rohmaterial für die Erkenntnisse, Fallstudien und Ratschläge dieses Buches lieferten und auf diese Weise den Weg für bessere Einsichten ebneten.
Frankfurt, den 28. Februar 2010
Dr. Günther Meinhold
Wenn man in die falsche Richtung läuft, hat es keinen Zweck das Tempo zu erhöhen.
Birgit Breuel
Eine Wortschöpfung des Krisenjahres 2009 lautet „toxische Papiere“. Darunter versteht man nicht, wie man zunächst vermuten könnte, hoch giftige Materialien, sondern Wertpapiere, die mit ihrem ansehnlichen Kaufpreis als Guthaben in den Bilanzen stehen, obwohl sie, da unverkäuflich, de facto nichts mehr wert sind. Zum Zeitpunkt des Kaufes wähnten sich Privatanleger, Firmen und Finanzinstitute allerdings im Besitz sicherer und hoch profitabler Geldanlagen.
Diese fatale Fehleinschätzung hatten sie nicht zuletzt den Experten zur Bewertung von Finanzprodukten, den Ratingagenturen, zu verdanken, die den heutigen finanziellen Giftmüll als risikoarm eingestuft hatten. Getrieben von der Aussicht auf fantastische Gewinne, ignorierten Banken, Versicherungen und Landespolitiker die durchaus vorhandenen Warnungen und verließen sich nur zu gern auf die ihnen genehmen Expertenurteile, die, wie wir heute wissen, nicht nur etwas, sondern völlig falsch waren.
Die renommierten Ratingagenturen lieferten irreführende Informationen bezüglich Wert und Sicherheit komplexer Finanzprodukte und erzeugten durch ihre Falschaussagen einen trügerischen Schein, der für wahr gehalten wurde. Das blinde Vertrauen in den Schein-Bewertungsstatus ließ die Anleger glauben, der Kauf der nunmehr toxischen Papiere sei eine hervorragende Methode, um den Gewinn zu maximieren.
Ein an sich richtiges Ziel wurde mit Mitteln zu erreichen versucht, die das Gegenteil - die maximale Vernichtung von Guthaben - bewirkten.
Eine Erkenntnis
Der Super-GAU1 der Finanzbranche mit dreistelligen Milliardenverlusten trat ein, weil die strategische Steuerung innerhalb der Unternehmen versagte. Denn keine Steuerung und keine Regelung funktionieren, wenn man sie mit Falschinformationen füttert.
Ob das Wasser im Aquarium zu kochen beginnt, weil das Regelthermometer defekt ist, oder ob eine Bank in Schieflage gerät, weil die Ratingexperten die Finanzprodukte falsch bewerten, macht zwar in der Sache und in den Folgen einen gewaltigen Unterschied, doch nicht in der prinzipiellen Ursache – dem gestörten Steuermechanismus.
In einer hierarchischen Organisation mit intakter Steuerung definiert die Hierarchiespitze die Ziele und formuliert die Vorgaben für die Basis. Deren Aufgabe besteht darin, die Zielvorgaben zu erfüllen und umzusetzen. Den aktuellen Stand ihrer Bemühungen meldet sie als Ist-Status nach oben. Dort erfolgt der Abgleich mit den Sollwerten in Form der bestehenden, modifizierten oder neuen Ziele und die Formulierung neuer Steuergrößen. Damit hat sich der (Regel-)Kreis geschlossen.
Makrosteuerung mit Makroinformationsfluss
Makrosteuerung
Die Begriffe „Makrosteuerung“ und „Makroinformationsfluss“ stehen für die Steuerung des Gesamtsystems durch seine Führung beziehungsweise für die Zirkulation der hierfür benötigten Informationen.
Mikrosteuerung
Die Gesamt-Hierarchie besteht aus Teil-Hierarchien und diese wiederum aus weiteren Teil- oder Unter-Hierarchien. So entsteht ein System ineinander geschachtelter, sich strukturell ähnelnder Organisationseinheiten, deren jede für sich betrachtet wieder eine Hierarchie mit Spitze und Basis darstellt. Die Steuerung der Unter-Hierarchien funktioniert analog dem Gesamtsystem. Aus dessen Perspektive handelt es sich dabei jedoch um „mikroskopische“ Prozesse, deren Details, weil einer tieferen Strukturebene angehörig, „unsichtbar“ sind und eine eigene Mikrosteuerung mit dem zugehörigen Mikroinformationsfluss besitzen.
Makro- und Mikroinformationsfluss
Die Mikrosteuerung und der Mikroinformationsfluss einer Unter-Hierarchie sind gleichzeitig Makrosteuerung beziehungsweise Makroinformationsfluss noch tieferer Hierarchiestufen.
Im allgemeinen Sprachgebrauch verwendet man auch die Wörter „strategisch“, „taktisch“ und „operativ“ zur Unterscheidung übergeordneter und untergeordneter Ziele und Aufgaben.
Steuern und Koordinieren – zwei Führungsaufgaben
Die Vorgaben für die –strategische- Makrosteuerung des Unternehmens durch seine Führung leiten sich aus den strategische Unternehmenszielen ab. Die Umsetzung der Strategie einschließlich der Ausgestaltung von Teilzielen obliegt den Geschäftsbereichen und Abteilungen. Deren Mikrosteuerung muss sicherstellen, dass einzelne taktische und operative Teilziele erreicht werden. Wie das im Detail geschieht, obliegt ihr selbst, und man kann in diesem Sinne von der Selbstorganisation des Systems sprechen. In der Summe bilden alle Regelkreise ein komplexes Ganzes mit ineinandergreifenden Informationsflüssen.
Steuern und Koordinieren durch die Hierarchiespitze
Sind die Teilergebnisse voneinander unabhängig, können sie separat erstellt werden, und die Mikrosteuerungen übernehmen die notwendige Feinkoordination ihres jeweiligen Aufgabenbereichs. Die Makrosteuerung braucht „nur noch“ die Termine, den Arbeitsfortschritt und das Budget zu überwachen.
Bestehen jedoch Abhängigkeiten zwischen den Aufgaben verschiedener Bereiche und ihren Ergebnissen, muss die Makrosteuerung – also die für das Gesamtergebnis verantwortliche übergeordnete Hierarchiespitze - die Arbeit ihrer Basis koordinieren.
Eine der anspruchsvollsten Managementaufgaben besteht darin, die Aufgaben für die Teilbereiche so zu definieren, dass zwischen ihnen möglichst wenige Abhängigkeiten bestehen. Denn nur so kann der Koordinationsaufwand minimiert werden. Die Formel für gutes Management lautet deshalb:
In einem Ratgeber für Manager fand ich eine englisch-sprachige Variante:
Aus der deutschen Erläuterung ging allerdings hervor, dass „to control“ mit „kontrollieren, überwachen, beaufsichtigen“ übersetzt wurde. Eine einseitige, aber durchaus gebräuchliche Übersetzung, die den Aspekt der Steuerung und noch wichtiger der Koordination unterbewertet oder völlig außer acht lässt. Doch „to control“ bedeutet gleichfalls „steuern, lenken, leiten“; insbesondere auch der fachlichen Arbeit, wenn es deren Komplexität erforderlich macht. Denn die Selbstorganisation der voneinander durch die hierarchische Ordnung getrennten Teilbereiche kann die ganzheitliche fachliche Koordination nicht leisten.
Häufig beschränken sich Manager in klassischen Liniepositionen und Projekten jedoch auf die Kontrolle von Budget und Terminen oder noch schlechter auf die Zur-Kenntnisnahme der Statusmeldungen zu Budget und Terminen. Erst dann, wenn ein Status – vielleicht viel zu spät – auf „Rot“ steht, wird – wahrscheinlich ebenfalls viel zu spät – reagiert.
Verlassen sich die Führungskräfte in Ermangelung an Sachkenntnis oder aus Desinteresse an den Details ihres Aufgabengebietes gänzlich auf das Urteil der Untergebenen, werden Störungen der Makro- und Mikrosteuerung nicht nur wahrscheinlich, sondern zwangsläufig auftreten.
1 Als Super-GAU wird ein Unfall in Kernkraftwerken bezeichnet, bei dem stärkere Belastungen auftreten, als beim schlimmsten Störfall, für den die Anlage noch ausgelegt wurde
Fehler und Irrtümer als Teil des Erkenntnisprozesses sind unvermeidlich und kein Grund zur Sorge, solange sie offengelegt werden und ihre sorgfältige Analyse sowie die umfassende Suche nach den Fehlerursachen erfolgen.
Anders verhält es sich bei minderwertigen oder fehlerhaften Arbeitsergebnissen, die von unfähigen oder überforderten Mitarbeitern geliefert werden. Denn Niemand wird seine mäßigen Leistungen - vorausgesetzt er ist sich ihrer bewusst und sie betreffen seine aktuelle Tätigkeit - an die große Glocke hängen, sondern eher geneigt sein, die Defizite zu vertuschen.
Werden die Informationen, die zwischen Hierarchiespitze und Basis fließen, jedoch verfälscht, unterbrochen oder fehlen sie ganz, sind Störungen in den zugehörigen Regelkreisen und systematische Fehler innerhalb der Organisation vorprogrammiert.
Verbergen kann man allerdings nur das, was nicht unmittelbar zugänglich und sichtbar ist. In einer Gruppe, die gemeinsam an einer Aufgabe arbeitet, dürfte es einzelnen Mitgliedern deshalb schwerfallen, Fehler und mangelhafte Resultate lange voreinander geheim zu halten. Einen Vorgesetzten, der lediglich Statusmeldungen einfordert, sich aber ansonsten nicht um die Aufgaben seiner Untergebenen kümmert, können diese jedoch leicht eine X für ein U machen.
Scheinstatus und Fehlsteuerung
Falsche, unvollständige oder unscharfe Statusinformationen sind eine verbreitete und sprudelnde Quelle der Desinformation. Sie verhindern eine wirksame Makrosteuerung und können eine Spirale von Fehlentscheidungen und Folgestörungen in Gang setzen. Denn aus dem Vergleich eines Scheinstatus mit den Sollwerten resultieren falsche oder fehlende Teilziele, Aufgaben und Anweisungen.
Störung der Makrosteuerung durch Informationsverfälschung
Geraten verschiedene Vorgaben mit den realen Gegebenheiten oder untereinander in Konflikt, bewirken sie das Gegenteil dessen, wofür sie gedacht waren. Denn anstatt die Basis sinnvoll zu steuern, stören sie deren Abläufe.
Hierarchiespitze und Basis befinden sich nicht länger in einem Zustand des ungehinderten und wahrhaftigen Informationsaustauschs, sondern scheinen durch eine Informationsbarriere voneinander getrennt. Diese führt zu falschen Vorgaben durch die Makrosteuerung und verhindert die Rückkopplung im System, so dass dessen wachsende Ineffizienz, Ineffektivität und Instabilität unerkannt bleibt oder vertuscht wird. Damit wird eine Spirale permanenter und wachsender Informationsverfälschungen in Gang gesetzt.
Fehlende Koordination – ein tödlicher Fehler
Die mangelhafte Koordination der inhaltlichen Abhängigkeiten zwischen den Aufgaben und Ergebnissen der Teilbereiche einer Hierarchie durch ihre Führung ist Ausdruck und Anzeichen einer gestörten Makrosteuerung und bei komplexen Projekten ein Garant für deren Scheitern.
Trotzdem ist diese Art der Fehlsteuerung weit verbreitet. Und selbst in einschlägiger Fachliteratur werden die Unternehmensführung und das Projektmanagement häufig als eigenständige Disziplinen betrachtet, die auch ohne Sach- und Fachkenntnis erfolgreich praktiziert werden können. Deshalb delegieren bereits Manager in mittleren und niederen Linien- und Projektpositionen die Koordination der fachlichen Arbeit an ihre Mitarbeiter oder sie kümmern sich einfach nicht darum.
Das wäre nicht weiter schlimm, würde diese Aufgabe von anderen Personen mit den gleichen weitreichenden Befugnissen und Kontakten durchgeführt, wie sie die ernannten Manager besitzen. Solange dies nicht der Fall ist, werden an den dafür am besten geeigneten Stellen, nämlich an den Spitzen der Hierarchien, die Aufgaben weder inhaltlich klar definieren, noch sinnvoll verteilt und ebenso wenig koordiniert.
Funktioniert die Rückkopplung innerhalb einer Hierarchie nicht oder bleiben die steuernden und koordinierenden Vorgaben von oben gänzlich aus, kann es zu einem Phänomen kommen, dass ich „Das Schweigen der Götter“ nenne.
Untergebene fühlen sich allein gelassen und ersehnen eine Reaktion der Führung, ohne dass ihre Anfragen und Bitten erhört werden. Dieser Zustand ist auch den Mitarbeitern der BigPlay AG nicht fremd, wie das folgende Beispiel zeigt:
BigPlay AG: Warum die Götter schweigen
Herr Marabu ist Leiter eines Großprojekts zur Reorganisation der Kleinteile-Lagerhaltung der BigPlay AG. Bereits im ersten gemeinsamen Meeting legt er die Verantwortung für den Projekterfolg vertrauensvoll in die Hände seiner Teilprojektleiter und Spezialisten.