Die Letzten von Hohenlohe-Brauneck oder Das Nägelkreuz in der Herrgottskirche zu Creglingen - Ottmar Schönhuth - E-Book

Die Letzten von Hohenlohe-Brauneck oder Das Nägelkreuz in der Herrgottskirche zu Creglingen E-Book

Ottmar Schönhuth

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Beschreibung

Ottmar F[riedrich] H[einrich] Schön­­huth (* 1806 Sindelfingen, † 6. Februar 1864 Edelfingen, heute Bad Mergentheim) war evangelischer Pfarrer, Schrift­steller und Heimatforscher. Nach Vika­riat und einer Pfarrstelle in Hohentwiel wurde er 1837 Pfar­rer in Dörzbach, wechselte 1842 ins benachbarte Wachbach und 1854 nach Edelfingen. Sein Grab befindet sich heute noch in Wachbach. Bis zu seinem Tod veröffentlichte Schönhuth (Pseudonyme: Ottmar Heimlieb oder F. H. Ottmar) über 200 damals vielgelesene Bücher und Schriften, die sich vielfach mit der südwestdeutschen Geschichte (Württemberg, Baden, Bodenseeraum) mit Schwerpunkt hohenlohische Region beschäftigen. 1847 war Schönhuth Mitgründer des Historischen Vereins für Württembergisch Franken, dem er ab 1851 vorstand. Zu seinem Bekanntenkreis zählten Ludwig Uhland, Justinus Kerner, Gustav Schwab und Joseph von Laßberg, engere Freundschaft pflegte er beispielsweise seit 1837 mit Eduard Mörike. In seinen Erzählungen, so auch in der vorliegenden, mischt er historische Fakten mit Sagenhaftem. „Die Letzten von Hohenlohe-Brauneck oder Das Nägelkreuz in der Herrgottskirche zu Creglingen“ erschien zusammen mit zwei weiteren historischen Erzählungen 1857 und wird für die vorliegende Ausgabe ungekürzt, aber sprachlich leicht modernisiert, neu herausgegeben.

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Ottmar F. H. Schönhuth

 

Die Letzten

von Hohenlohe-Brauneck

oder

Das Nägelkreuz

in der Herrgottskirche

zu Creglingen

 

 

Verlegt in

Günther Emigs Literatur-Betrieb

Inhaltsverzeichnis

I. Die Gründung der Herrgottskirche

II. Die verhängnisvolle Jagd

III. Der Büßende

IV. Herr Cunrad von Weinsberg

V. Der Heimgang unter dem Kreuz

Anhang

Zum Autor

Literatur- und Quellenhinweise

Impressum

Orientierungsmarken

Inhaltsverzeichnis

Cover

I. Die Gründung der Herrgottskirche

Auf dem Vorsprung eines steilen, gegen 200 Fuß hohen Hügels, welcher links von der Steinach, einem Forellenbach, und rechts von einer tiefen Schlucht begrenzt, auf seiner Nordseite unangebaut und steinig, auf der Süd- und Westseite aber mit Weinstöcken bepflanzt ist, etwa eine Stunde von der Stadt Creglingen entfernt, stehen die Ruinen der Burg Brauneck, auch Brunet, Bruegge in alten Zeiten genannt. Vor 25 Jahren stand von der Burg noch ein längliches Viereck von beträchtlichem Umfang, eine an 50 Fuß hohe starke Mauer, auf der ein mit Schießscharten versehener Gang ringsherum führte; auf der Nord- und Westseite standen zwei starke und viereckige Türme, ebenso auf der Südseite. Auf der Nordseite, mit der Umfangsmauer zusammenhängend, stand ein sehr massiver Bau, das frühere Wohngebäude, Herrenhaus (Palas in der alten Sprache). Zunächst am Tor der Burg ragte ein sonst an 100 Fuß hoher, sehr dicker, massiver Turm aus Buckelsteinen, wohl das ältere Bauwerk der Burg. Jetzt ist kaum die Hälfte mehr von dem zu sehen, was damals noch stand. Die Ringmauer mit den Türmen ist abgebrochen, das Herrenhaus ist zusammengerissen, nur die Seite gegen die Heerstraße hin, an welchem ein steinerner Vorsprung, der frühere Söller, noch sichtbar ist, steht noch. Das Merkwürdigste bleibt immer noch der große viereckige Turm, etwa 50 Fuß hoch, 40 im Durchmesser, der aber wahrscheinlich größtenteils verschüttet ist. Außer einem Loch ganz unten, welches dem Federvieh zum Aufenthalt dient, sind die Außenwände des Turmrestes noch ziemlich gut erhalten. Das ist noch der einzige Zeuge der früheren Herrlichkeit dieser Stammburg des erlauchten Fürstenhauses Hohenlohe. Wie lange wird dieser Turm noch zeugen? Vielleicht kaum noch Jahrzehnte. Alle Rettungsversuche, die schon geschehen sind von seiten des erlauchten Hauses, sind gescheitert an dem Widerstreben der jeweiligen Besitzer, die lieber den Turm aus der Sarg reißen um der guten Steine willen, die sie auch im nahen Freudenbach brechen könnten, als den Turm und Burgstall, was ihre Vorfahren anno 1699 von Ansbach um einen Spottpreis erlangt haben, in die Hände der ursprünglichen Besitzer durch einen christlichen Kauf übergehen zu lassen. So wird bald in Erfüllung gehen, was ein gemütlicher Dichter in der Nähe der Burg im Lied geklagt hat: Die Stirn des Berges wird bald ihrer schönsten Zierde beraubt sein und Haus Hohenlohe wird nur noch sagen können: Auf dieser kahlen Stätte stand einst eine unserer Stammburgen.

Von der jämmerlichen Gegenwart hinweg blicken wir in die Vorzeit der Burg, da sie der Sitz eines Zweigs des hohen Geschlechts gewesen ist, als der geräumige Burghof noch vom Gewieher der Rosse tönte und die minnigliche Burgfrau sehnsüchtig vom Söller ins Tal schaute, wenn sie des Burgherrn gewärtig war, der von der Fehde oder Jagd nach Hause zurückkehrte.

Gottfried und Cunrad, Gebrüder von Hohenlohe, waren die Letzten des Geschlechts von Brauneck, welche diese Burg ums Jahr 1380 bewohnten. Im Jahr 1268 war ihr Vater Gottfried gestorben, und zwar jählings durch einen Sturz vom Pferd, so daß er keine Zeit mehr hatte, ein Testament über die Teilung der Güter zwischen seinen Söhnen zu machen – was auch nicht nötig gewesen war, denn ihr Vater hatte sie noch bei Lebzeiten immerdar ermahnt, sich stets als Brüder zu lieben, und auch von ihrer Mutter seligen Agnes von Kastell, die dem Gatten drei Jahre im Tod vorangegangen war, waren sie allezeit zu Gleichem angehalten worden.

Daß diese Ermahnung bei beiden nicht umsonst gewesen ist, davon haben sie bald einander die schönste Probe gegeben. Denn als 1371 ihr Vetter Ulrich von Brauneck, genannt vom Neuenhaus, starb und diese stattliche Burg an die beiden Brüder überging, machten sie auch jetzt keine Teilung, sondern besaßen beide Burgen und Herrschaften miteinander gemeinschaftlich, bis sie die zwar schön, aber zu entfernt gelegene Burg Neuhaus an den Deutschmeister Philipp von Bickenbach verkauften, der zu Mergentheim residierte. Wohl hätte einer von ihnen, da beide Brüder schon um diese Zeit verehelicht waren, mit seinem Hausstand auf die Burg Neuhaus ziehen können, aber sie waren zu sehr aneinander gewöhnt, daß sie ihren Haushalt nicht teilen mochten, zumal sich ihre beiden Hausfrauen, was doch höchstselten der Fall ist, in Frieden vertrugen, daß sie an einem und demselben Herd kochten und mit ihren Kindern und Ehehälften in einem und demselben Saal aus- und eingingen.

Frau Anna von Hohenlohe, Herrn Cunrads Hausfrau, und Williburgis von Rienet, Herrn Gottfrieds Gemahlin, liebten sich wie zwei Schwestern, die unter einem mütterlichen Herzen gelegen hatten, und hätten sich ebenso schwer von einander getrennt wie die beiden sich so innig liebenden Brüder.

Diese innige Liebe der Männer und Frauen auf Burg Brauneck war auch auf ihre Kinder übergegangen. Herr Cunrad von Brauneck hatte nur ein einziges Töchterlein von acht Jahren, genannt Margaretha, sein Bruder Gottfried ein Söhnchen von neun Jahren namens Heinrich. Auch diese beiden Kinder liebten einander wie Geschwister, und ebenso war jedes von beiden den beiderseitigen Eltern derart in Liebe zugetan, daß der kleine Heinrich nicht wußte, ob ihm Vater und Mutter oder Oheim und Muhme lieber wären, und ebenso war es bei der holden Margaretha.

Weil Cunrad von Brauneck von Gott nur mit einem Töchterlein gesegnet war und keine Hoffnung mehr hatte, daß seine Ehefrau eines Kindes genesen würde, da sie schon sechs Jahre nicht mehr geboren hatte, so wollte er von seinen zeitlichen Gütern auch Gott zu Ehren etwas opfern, und dazu gab es bald eine Gelegenheit.

Es war im Jahre 1384, am Abend des heiligen Märtyrers, des heiligen Laurentius, da wurde an der Stätte, wo jetzt die berühmte Herrgottskirche steht, das hochwürdige Sakrament, der Fronleichnam Christi unseres Herrn, aufgefunden; ein Ackermann hatte es aus dem Boden geackert, wo es mehrere Schuh tief gelegen hatte und unversehrt geblieben war.

Gerade ritt Herr Cunrad von Brauneck des Weges. Als er den auf so wunderbare Weise in der Tiefe der Erde erhaltenen Fronleichnam Christi sah, erkannte er es alsbald als ein Zeichen, das ihm von Gott geworden war, um hier dem Herrn eine Kapelle zu bauen, und es sollte das von dem eigenen Vermögen Herrn Cunrads geschehen, von den Gülten und Hellerzinsen, die er in diesem Jahr so reichlich von seinen Hintersassen zu Sechselbach empfangen hatte. Aber er sollte es nicht allein sein, der unserem Herrgott zu Ehren eine Kapelle baute, denn sobald er auf Burg Brauneck zurückgekehrt war und seinem Bruder von dem Wunder erzählte, auch sein frommes Vorhaben diesem offenbarte, da sprach Herrn Gottfrieds Bruder: „Da sei Gott für, daß du allein dem Herrn eine Kapelle baust! Hat er mich nicht ebenso reich mit Gütern gesegnet wie dich? Haben nicht meine Äcker der Früchte die Menge gegeben, auch meine Obstbäume und Weinstöcke Überfluß getragen? Also gönne mir, daß ich mit dir baue eine Kapelle an heiliger Stätte, an der sich der liebe Herrgott so wunderbar geoffenbart hat!“

Bruder Cunrad war auch nicht dagegen und gönnte ihm gern die Freude, mit ihm an einer Kapelle zu bauen, Gott dem Allmächtigen zu Ehren. Von Stund an gingen beide Brüder daran, ihr frommes Vorhaben auszuführen. Die stattlichen Rosse im Marstall der Edelherrn durften von nun an kaum noch reichgeschmückten Sattel und Zaumzeug tragen. Sie wurden an schwere Karren gespannt und mußten tagtäglich in die Nähe des Fleckens Freudenbach traben, wo die Hintersassen der Edelherren im Steinbruch Lasten von mächtigen Quadern hieben, mit denen die Pferdeknechte die Karren beluden, um sie ins Münstertal zu führen. Als viele Lasten Steine an der Stätte lagen, wo die Kapelle gebaut werden sollte, da wurden in den Wäldern der Edelherren große Eichen gefällt und gleichfalls zur Stelle gebracht. Als nun alles, Holz und Steine, im Überfluß an der Stätte vorhanden war, da bestellten die Herren Steinmetzen, Bildhauer und Zimmerleute, um den Bau der Kapelle zu beginnen.

Die Werkleute arbeiteten fleißig, wozu sie auch die Gebrüder von Brauneck ernstlich anhielten, zumal sie tagtäglich von der Burg ins Münstertal ritten und ihnen persönlich zusprachen, so daß die Kapelle in der Woche nach St. Lorenz des Jahres 1384 begonnen und mit Lichtmeß des Jahres 1386 schon so weit vollendet war, daß sie unter Dache stand und man in ihr am einfachen Steinaltar Messe halten konnte.

In dem gemeldeten Jahre schon wurde die Kapelle mit einem eigenen Kaplan, einem gewissen Albrecht Heber, versehen. Aber erst darnach, so berichtet eine alte Kirchenschrift, in dem Jahr nach Christi unseres lieben Herren Geburt 1389, an dem Sonntag, da man in den Kirchen singt oculi mei [3. Fastensonntag], da ist die Kapelle geweiht worden mit den zwei untersten Altären durch den hochwürdigen Vater und Herrn, Herrn Gerhard, Bischof, und durch den ehrwürdigen in Gott Vater und Herrn Johannsen, Weihbischof des genannten Herrn Gerhard, Bischof zu Würzburg. Das war ein festlicher Tag für die ganze Umgegend, besonders für alle Bewohner der Burg Brauneck und ihre Hintersassen, als man die Kapelle im Münstertal zu Ehren des heiligen Seligmachers Jesu Christi unseres lieben Herrn oder „zu unsrem Herrn Gott“ weihte, weshalb man sie auch später Herrgottskirche nannte. Man hätte man sie auch mit Fug und Recht die Kapelle „zur Bruderlieb“ weihen dürfen und dürfte sie jetzt noch die Kapelle das „Kirchlein zur Bruderlieb“ oder die Bruder-Kapelle nennen, weil sich Bruderliebe derart bei dem Bau kund getan, daß brüderliche Liebe und Eintracht der heiligen Stätte gleichsam die erste Weihe gab.

Am Tag der Einweihung hielten die Brüder von Brauneck ein großes Festmahl in ihrem Schloß zu Creglingen, das sie nur selten bewohnten und eigenen Burgmännern, die sich von Creglingen nannten, zur Hut und Bewachung übergeben hatten. Aber heute, am Sonntag Oculi, da ging es im großen Saal des Schlosses laut her, denn Herr Gerhard, Bischof von Würzburg, ein geborener Graf von Schwarzburg, und Johann von Egloffstein, dessen Weihbischof, hatten sich nach der Weihe der Kapelle zu unserem Herrn Gott mit allen Geistlichen der Umgebung beim Festmahl eingefunden, um die beiden Stifter durch ihre Anwesenheit zu ehren.

So hohe Gäste hatten die Edelherren von Brauneck schon lange nicht mehr in ihrem Schloß in Creglingen empfangen, darum war auch das Mahl so stattlich wie möglich ausgerüstet wie es sich für so hohe und seltene Gäste gehörte. Da fehlte es nicht an Wildbret jeder Art, was die beiden Brüder in ihren Wäldern an den Abhängen der Tauber erjagt hatten; dazu waren im Überfluß vorhanden Geflügel und Fische, bereitet auf allerlei Weise.

Weil sich aber auch geistliche Herren gern laben am Trank des Weinstocks, so hatten die Edelherren von Brauneck ein starkes Faß des edlen Gewächses im Saal aufstellen lassen, wie er wächst an den Höhen der Tauber bei Markelsheim und am steilen Abhang der Burg Neuhaus.

Dem hochwürdigen Vater und Herrn, Bischof Gerhard von Würzburg, und seinem Weihbischof mundete der Markelsheimer nicht minder als der edle Steinwein, der unter dem Frauenberg wächst, und die Schenken hatten manchen Gang zu tun, bis die geistlichen Herrn des trefflichen Trankes ersättigt waren.

Bis in den späten Abend währten die Genüsse des Festmahls, so daß es der hochwürdige Vater und Herr Bischof Gerhard für geraten fand, das freundliche Anerbieten der Edelherren von Brauneck anzunehmen und für diesen Tag mit seinem Weihbischof Nachtherberge im Schloß zu Creglingen aufzuschlagen, weil ihnen das Schloß unter der Obhut des Burgvogts Ludwig Stuchse, genannt von Creglingen, größere Sicherheit zu bieten schien als die Straße von hier nach Würzburg, welche auf allen Seiten von Heckenreitern und Schnapphähnen edlen und unedlen Standes umlagert war. Es war auch, als ob der Herr Bischof es vorausgesehen hätte, daß seine Amtsverwaltung in dieser Gegend noch nicht zu Ende wäre, denn man bedurfte seiner ziemlich bald auf der Burg Brauneck.

Während die beiden geistlichen Herren im Schloß zu Creglingen nach wohl genossenem Festmahl ihre müden Glieder zur Ruhe legten, ritten die Edelherren von Brauneck ihrer Burg zu; Gottfried von Brauneck, der mit seinem Bruder so gern bei den geistlichen Herren in Creglingen geblieben wäre, hatte auf einmal eine Unruhe in sich gespürt, von der er keine Ursache angeben konnte, und so saß er auf, sobald er seine hohen Gäste zur Ruhe gebracht hatte, und weil er nach Hause reiten wollte, so mochte auch Cunrad nicht mehr bleiben und ließ sein Roß satteln.

Nicht umsonst hatte Herr Gottfried von Brauneck eine Unruhe in sich verspürt; er hatte es geahnt, daß auf der Burg etwas vorgefallen sein müsse. Dem war auch so. Noch waren beide Brüder nicht über die Gemarkung der Stadt Creglingen geritten, so trabte ein Reiter ihnen entgegen, den sie im Strahl des Mondes als den alten Burgwart auf Brauneck, für den treuen Rüdeger, erkannten.

Kaum hatte dieser die Herren erblickt, so rief er: „Sputet Euch, mein Herr Gottfried, Frau Williburg liegt in Kindsnöten!“

Dies rufend, lenkte er schnell sein Roß dem Heimweg zu, aber Herr Gottfried gab, ohne ein Wort zu sagen, seinem Schimmel die Sporen und jagte, seinen alten Burgwart bald überholend, in gestrecktem Galopp der Burg Brauneck zu. So war seine Unruhe, die er schon während des Festmahls zu Creglingen in sich getragen hatte, nicht unbegründet gewesen.

Ihm jagte in ebenso raschen Sätzen Bruder Cunrad nach. Nur um wenige Augenblicke später kam er auf Burg Brauneck an.

Schon war Gottfried oben im Gemach seiner Williburg angekommen, da fiel es ihm wie ein schwerer Stein vom Herzen, als er eintrat und Frau Anna, seine Schwägerin, ihm ein holdes Knäblein entgegentrug, das Frau Williburgis soeben geboren hatte.

Ein unendlicher Jubel erfüllte jetzt das Gemach, an dem nun auch der nachgekommene Bruder Cunrad teilnahm. Da ging das Knäblein von einem Arm in den andern. Man konnte kaum unterscheiden, wessen Freude größer war, ob der Jubel des leiblichen Vaters oder der des Bruders Cunrad.

Wenn der eine es genug geherzt hatte, nahm es der andere, um es noch mehr zu herzen. Und hatten die Älteren das Knäblein mit Liebe überschüttet, taten es die Jüngeren noch viel mehr. Als man am frühen Morgen die beiden Kinder Heinrich und Margarethe in das Gemach der Wöchnerin ließ, da ging ein neuer Jubel an, und ein viel größerer als abends zuvor, als Vater und Oheim ihre Freude über den Neugeborenen kund getan hatten.

Ja, als der erste kindliche Jubel vorüber war, wäre es zwischen beiden Kindern, Heinrich und Margarethe, die sonst in schönstem Frieden miteinander gelebt hatten, fast zu Zank und Streit vor lauter Liebe zum Neugeborenen gekommen. „Das ist mein Brüderlein“, sagte der kleine Heinrich und wollte es etwas unsanft aus Margarethes Armen nehmen, die es schon länger herzte als es dem kleinen Heinrich lieb war. „Und es ist auch mein Brüderlein“, rief Margarethe wie eine kleine Herrin; sie wehrte ihrem Vetter und Gespielen mit aller Macht und wollte sich das liebe Knäblein nicht nehmen lassen, das sie es wirklich für ihr eigenes Brüderchen hielt und es als solches erklärte, womit aber der kleine Heinrich durchaus nicht einverstanden war.

Bald wäre es zu kleinen Tätlichkeiten unter den beiden gekommen, denn Margarethe, etwas heftigen Gemüts, hatte schon die zarte Rechte geballt, während sie mit der Linken das Vetterlein im Wickelkissen krampfhaft festhielt und der stärkere Heinrich in Gefahr war, einen Puff von schönem Händchen zu empfangen.