Die Lücke auf der Eckbank - Franziska König - E-Book

Die Lücke auf der Eckbank E-Book

Franziska König

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Beschreibung

Aus dem Leben der Familie König Letztes Quartal 2009 Oktober bis Dezember

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Aus dem Leben einer Musikerfamilie

2009

Oktober - Dezember

Für meine allerliebste Mama

zum 80. Geburtstag am 1.4. 2019

Inhaltsverzeichnis

Vorrede

Oktober 2009

Vorrede

Donnerstag, 1. Oktober

Freitag, 2. Oktober

Samstag, 3. Oktober

Sonntag, 4. Oktober

Montag, 5. Oktober

Dienstag, 6. Oktober

Mittwoch, 7. Oktober

Donnerstag, 8. Oktober

Freitag, 9. Oktober

Samstag, 10. Oktober

Sonntag, 11. Oktober

Montag, 12. Oktober

Dienstag, 13. Oktober

Mittwoch, 14. Oktober

Donnerstag, 15. Oktober

Freitag, 16. Oktober

Samstag, 17. Oktober

Sonntag, 18. Oktober

Montag, 19. Oktober

Dienstag, 20. Oktober

Mittwoch, 21. Oktober

Donnerstag, 22. Oktober

Freitag, 23. Oktober

Samstag, 24. Oktober

Sonntag, 25. Oktober

Montag, 26. Oktober

Dienstag, 27. Oktober

Mittwoch, 28. Oktober

Donnerstag, 29. Oktober

Freitag, 30. Oktober

Samstag, 31. Oktober

November 2009

Sonntag, 1. November

Montag, 2. November

Dienstag, 3. November

Mittwoch, 4. November

Donnerstag, 5. November

Freitag, 6. November

Samstag, 7. November

Sonntag, 8. November

Montag, 9. November

Dienstag, 10. November

Mittwoch, 11. November

Donnerstag, 12. November

Freitag, 13. November

Samstag, 14. November

Sonntag, 15. November

Montag, 16. November

Dienstag, 17. November

Mittwoch, 18. November

Donnerstag, 19. November

Freitag, 20. November

Samstag, 21. November

Sonntag, 22. November

Montag, 23. November

Dienstag, 24. November

Mittwoch, 25. November

Donnerstag, 26. November

Freitag, 27. November

Samstag, 28. November

Sonntag, 29. November

Montag, 30. November

Dezember 2009

Dienstag, 1. Dezember

Mittwoch, 2. Dezember

Donnerstag, 3. Dezember

Freitag, 4. Dezember

Samstag, 5. Dezember

Sonntag, 6. Dezember

Montag, 7. Dezember

Dienstag, 8. Dezember

Mittwoch, 9. Dezember

Donnerstag, 10. Dezember

Freitag, 11. Dezember

Samstag, 12. Dezember

Sonntag, 13. Dezember

Montag, 14. Dezember

Dienstag, 15. Dezember

Mittwoch, 16. Dezember

Donnerstag, 17. Dezember

Freitag, 18. Dezember

Samstag, 19. Dezember

Sonntag, 20. Dezember

Montag, 21. Dezember

Dienstag, 22. Dezember

Mittwoch, 23. Dezember

Donnerstag, 24. Dezember

Freitag, 25. Dezember

Samstag, 26. Dezember

Sonntag, 27. Dezember

Montag, 28. Dezember

Dienstag, 29. Dezember

Mittwoch, 30. Dezember

Donnerstag, 31. Dezember

Personenverzeichnis

Vorrede

Nachstehend beginnt die wahrhaftige Geschichte der Franziska König und der Personen und Begebenheiten, die ihr Leben in den Monaten Oktober bis Dezember 2009 austapeziert haben, von ihr selbst teils mit liebevollem Pastell weich umrissen, teils mit spitzem Bleistift und einiger Schärfe dargestellt.

Geh, kleines Buch und such Dir Dein Publikum. Wer sich in Dir wiedererkennt, gewinnt Erkenntnis und wird klug, wer nicht bleibt dumm aber glücklich.

Dr. Hartmut König,

Potsdam am 19. März 2019

Die wichtigsten Vorkömmlinge finden sich

am Ende des Buches im Personenverzeichnis

Oktober 2009

Donnerstag, 1. Oktober Ofenbach, (ein unscheinbares Dorf in Niederösterreich)

Hi und da regnete es mal zwei Minuten lang, so daß man rapide die Wäsche abzupfen mußte. Warm. Am Spätnachmittag dann z.T. auch milder Sonnenschein

Vorwissen für den Tag:

Jahr für Jahr besucht uns Onkel Dölein aus den USA, dieweil er sehr an seiner Ursprungsfamilie hängt.

Doch am 1. Oktober galt´s, die wunderschönen Wochen mit dem Onkel zusammenzupacken, und in der Erinnerung einzumotten. Man mußte Abschied nehmen, und Buz (mein Vater) und ich begleiteten den Hinwegstrebenden bekümmert zum Flughafen.

Onkel Dölein schien erfreut, daß wir um Punkt fünf Uhr dreißig bereits über den Kalgassenbuckel hinweg durch die Nacht zum Flughafen fuhren.

Plastisch erzählte er Buz und mir, wie seine Frau Deborah mit der Pünktlichkeit auf Kriegsfuß stünde, und Geschichten dieser Art höre ich für mein Leben gern. Bald darauf trafen wir am Flughafen Wien-Schwechat ein, um uns alsbald suchend nach dem passenden Schalter umzusehen.

Ich schulterte Döleins weinrote Reisetasche, die mir sehr in´s Fleisch schnitt, und dachte: „Das ist alles, was ich für den Onkel jetzt noch tun kann!“

Ein Passus, den ich ja im Sommer schon einmal, und hinzu wörtlich, über meinen verstorbenen Onkel Wolfhard gedacht habe, den ich an seinem Geburtstag kurz in den Köpfen vereinzelter Senioren hab aufleuchten lassen.

„Mein Onkel Wolfhard feiert heute seinen 75. Geburtstag!“ erzählte ich überall herum. Dann wartete ich, bis vor den geistigen Augen ein rüstiger Senior aufgestiegen war – vielleicht mit Glatze, hochglanz oder seidenmatt? Mit flammenden Frisurresten oder gar Frisurprotuberanzen auf der Oberfläche einer untergehenden Sonne? Oder eher einer weißen Schaumfrisur? – Wir wissen es nicht, und diejenigen, in deren Kopf der Verblichene kurz aufgeflammt war, können heute auch nicht mehr mit Bestimmtheit sagen, wie er ausgeschaut habe, da ich das innere Bild mit den folgenden Worten viel zu rasch wieder hinweggelöscht habe.

„Aber der Onkel starb bereits mit 6 Monaten!“

Unfassbar wär´s nun natürlich gewesen, wenn ich die weinrote Tasche mit den Reiseunterlagen im Morgengrauen einfach neben die Garage hingestellt hätt´, und Buz entweder drübergefahren wäre, oder wir sie vergessen hätten.

Wir warteten in der Schalterhalle herum.

Eine sehr unpersönliche Schalterbeamtin („Hier nicht bitte!!“ (wienerisch eingefärbt)) öffnete einen etwas abseits gelegenen Schalter, und einige der Wartenden wollten sich bereits auf unschlüssige Weise dort hinbemühen. Dies gefiel Onkel Dölein jedoch nicht, und er hatte das Gefühl, die wollten sich vordrängeln, so daß er sich auf dem kurzen Weg dorthin noch leicht Luft darüber machte.

Zum Abschied umarmte Buz seinen Schwager herzlich, und auch ich legte ein inniges Bestreben, den Onkel bald wiederzusehen, in meine Abschiedsumarmung hinein.

Der Onkel entschwand hinter einem Gatter Richtung Abschußrampe, und mit vor Enttäuschung und Schmerz watschelweich erschlafften Haxerln begaben wir uns zum Parkplatz, um alsbald zurück nach Ofenbach zu fahren, wo neben dem süßesten Rehlein nur noch die Lücke, die der Onkel hinterlassen hat, auf uns wartete.

Wieder daheim:

Ich holte die Kamera herbei, weil ich Onkel Dölein in einem kleinen Filmchen verdeutlichen wollte, wie es ohne ihn weitergegangen ist. Ich filmte somit die leere Eckbank, um ihm die Lücke zu zeigen, die er uns hinterlassen hat, und mit der wir uns nun irgendwie arrangieren müssen.

Buz war zu einem Spaziergang aufgebrochen, doch als bei uns daheim sein Händi auftönte, dachte Rehlein, er sei in Wien und habe sein Händi vergessen.

„Der Papa hat auch kein gutes Gedächtnis mehr!“ spöttelte Rehlein mit ihren geschärften Sinnen für das Negative einfach so.

„Jahaa! Du hast es vergessen!“ rief Rehlein einfach unreflektiert in den Hörer hinein, auf daß Buz „staunen“, oder gar „doof aus der Wäsche schauen“ möge, doch es war Julia Kim, die da anrief. Da fiel Rehlein ein, daß Buz doch im Walde unterwegs sei, und das Schönste: ich hatte auch gedacht, Buz sei in Wien!

Nach dem Joggen im Wald am Abend schaute ich von außen durch das Terrassenfenster auf meine geliebten Eltern drauf.

Auf dem Tisch lag ein Stapel historischer Briefe vom jungen Beätchen aus Amerika, das damals noch längere Besuche bei ihren Eltern in Europa plante und in Form schwärmerischer Passagen einen wundervollen Eindruck von ihrem damaligen Mann Ric zu vermitteln suchte. So, wie heut vom Jesse, dem Neuen an ihrer Seite.

Beim Stöbern in den alten Briefen fanden wir auch noch so einen bezaubernden Brief von Döleins mittlerweile verstorbenen Exe Christa, so daß einem schmerzlich bewußt wurde, wen man da verloren hat.

Früher schickte man sich Päckchen:

Omi Mobbl strickte und buk, und der Opa schrieb ein Gedicht dazu.

Das süße Rehlein bekam massivste Knieprobleme. Rehlein ächzte vor Schmerz und konnte sich nurmehr ganz humpelig bewegen. D.h., wenn Rehlein ganz brav auf ihrem Stühlchen saß, vergaß es den bohrenden Schmerz zeitweise.

Abends meinte Buz, es käme ein Münster-Krimi. „Milberg!“ sagte Buz, „Wilberg!“ korrigierte Rehlein konsterniert, doch es war tatsächlich der Milberg, indem nämlich nur der Schauspieler so hieß, und es hinzu gar kein Münster- sondern ein Kiel-Krimi war.

Ein Psycho-Sujet, zusammengebastelt aus folgenden Zutaten, die doch je eine leicht elektrisierende Wirkung haben, wie der Drehbuchautor gehofft haben dürfte: Pfarrer, Säure, Leichen ← eine reichhaltige Mischung somit für den Psychofreund.

Freitag, 2. Oktober

am Morgen trüb und tröpfelig. Dann zwar hi und da aufgeklart, doch eher unauffällig

Montags und Freitags pflegt Buz nach Wien zu reisen um zu unterrichten. So auch heut.

Mit Rehleins Knie war es etwas besser geworden, so daß sich das süßeste aller Rehleins auch ganz in die Zubereitung für den köstlichen Frühstücksgriesbrei für „den Gatten“ hineinknien konnte.

Ich brachte Buz zum Bahnsteig nach Lanzenkirchen, und dann stand ich noch ganz lange herum und beobachtete von außen, wie mein alter Vater im Inneren des Waggons mühsam sein Billet zusammenzapfte. Ich spiegelte mich in Buzens heller Lederjacke wie ein Geist.

Als Buz sich niedergesetzt hatte, tippte ich an die Scheibe.

Da drehte Buz sich nochmals um, und ich lachte freundlich und rannte ganz schnell weg – grad wie ein verliebter Teenie, und während ich noch rannte, kam ich mir so lächerlich vor.

Bei Billa kaufte ich für Buzen eine Flasche Rotwein, und für Rehlein eine Tafel Chili-Chocolade der Firma Lindt, welche ich später neben Rehleins Kopfkissen aufstellte.

Um Punkt 9 lief wieder die Morgengymnastik, diesmal geleitet von der hefeweichen Jungseniorin „Mia“, die immer so mild und langsam redet, wie man gemeinhin mit 93-jährigen zu sprechen pflegt, denen man das Leben im Altersheim schmackhaft machen möchte. Davon versetzte ich mich in jene Zeit hinein, wenn ich mal 93 bin, und man so mit mir redet, um mich bei Laune zu halten.

Ansonsten war die Gymnastik langweilig.

Kurz vor Schluß sagte ich: „Mutti! Mir ist langweilig!“ Man müht sich ab, und es verändert sich nichts, außer daß man nach der Gymnastik schon wieder 15 Min. näher an den Tod hinangerückt ist.

Manchmal versuche ich mir vorzustellen, wie es wohl bei Christinas Eltern zugeht, zumal es mit dem Vater, und seiner Art, die Dinge negativ zu sehen, einfach nicht auszuhalten sei.

Pfarrer M. aus S. hatte geschrieben.

„Plakate könen wir nicht gebrauchen!“ schrieb er ungebildet mit nur einem „n“, so wie hier zu lesen, und überhaupt wirkte alles so ernüchternd und so, daß man „gar koi große Luscht verspürt“, die lange und beschwerliche Reise ins Schwabenland auf sich zu nehmen. Der Pfarrer tut so, als sei´s eine Gnade für mich, in seiner Kirche spielen zu dürfen, und dabei ist es doch eine Gnade für ihn, daß ich dort spiel´!

Ich parodierte Rehlein launig vor, wie die Unterredung zwischen der Christina und dem Pfarrer wohl gewesen sein könnte:

„Ha, macht die dös professionell?“

„So halb und halb.“

Nun hatte man sich gedanklich bis ins Schwabenland vorgearbeitet, und so dachte ich auch noch schnell an unsere Freundin Veronika:

Die Veronika darf jetzt nimmer fernsehen, da der Jorberg nicht nur entrüsteter Nichtraucher und Nichttrinker, sondern hinzu auch entrüsteter Fernseh- und Computergegner ist.

In klärenden Gesprächen versucht er der Veronika den Fernseher auszureden.

Abends holte ich Buz bei Vollmond vom Bähnle ab. Das bezaubernde Rehlein hatte bereits liebevoll den Abendbrottisch gedeckt, und grad wie in Tante Utas Erzählungen („Deine Mutter schwört ja auf Kamillentee!“) gab´s bei uns Kamillentee.

Samstag, 3. Oktober

nach grauem Beginn sagenhaft schön – doch nach einer Weile zogen erneut Wolken auf.

In der Bäckerei Lielacher lernte ich die undurchschaubare, hölzerne Tochter von der undurchschaubaren hölzernen Brötchenfrau von früher kennen, und kaufte ihr ganz weiche und schöne Semmeln ab.

Dann frühstückte ich mit den Erwachsenen in der Stube.

Nach Anlaufschwierigkeiten wurde es sehr nett. Anlaufschwierigkeiten derothalben, weil Rehlein noch ein bißchen ihr Bisgurnentum austoben mußte, und einmal brachte sie Buz direkt in Verlegenheit, indem sie ihn auf die Pornohefte ansprach, die bei einer Kofferkontrolle in ihrem Koffer gefunden worden waren, und es war dem süßesten Rehlein so peinlich! (Auf ihrer schönen Unterwäsche da lagense, einen genierlichen Anblick bietend, den ungläubigen Blicken der Beamten preisgegeben).

„Da haben wir doch…“ begann Buz schwammig, und alle Worte Buzens wurden erstmal hohnvoll abgeschmettert:

„“Wir“!“ höhnte Rehlein.

Damit wollte man doch die Akiko (unsere Bedienstete in Taiwan) erschrecken, fischte Buz eine trübe, dünne Ausrede aus einem Glaserl voll ehrlicher Verlegenheit.

Ein so schönes Wetter, doch ich fühl´ mich in Ofenbach einfach nicht heimisch.

Rehlein wollte zu „Billa“ radeln, und eifrig raste ich zum Schuppen um Rehleins Radl zu holen, während Rehlein den Schuppen von der anderen Seite anpeilte. Ich wäre so gerne die Erste gewesen, doch bemühe ich mich dorthin, so überkommt mich immer ein leises Gefühl der Traurigkeit. Ich bin so langsam, und renne ich, so fühlt´s sich eigentlich nur so an, als wolle eine Schnecke einem Hasen imponieren und gäbe ein bißchen Gas.

Sollte ich jemals im Leben nochmals drei Wünsche frei haben – ich dachte einfach „nochmals“ obwohl ich noch nie im Leben drei Wünsche frei hatte - dann wünsch´ ich mir ja doch nicht, daß ich niemals mehr an einer roten Ampel warten muß, sondern lieber eine Düse an den Po, mit der ich etwas besser vom Fleck käme.

Um 18 Uhr sollten wir uns für unser erstes Webcamdate mit Onkel Dölein bereithalten. Rehlein drückte wild auf den Knöpfen am PC herum und wirkte angespannt und aufgeschäumt, da´s ja, wie´s computertypisch ist, doch nicht klappte. Unfassbar, was es für ein Gezeter gegeben hätte, wenn Buz diese Tasten gedrückt hätte.

Wir versuchten es dreimal: um 6, um 7 und um 8 Uhr - je vergebens.

Dabei hatte ich dem Onkel doch schon so lustige Sachen geschrieben: z.B. im Stile von Frau Brünnert: „Wir stehen stramm Gewehr bei Fuß!“

Zuerst hatte ich immer Angst, Onkel Dölein könne uns „zu doof“ finden.

Ich schrieb extra ein begütigendes E-Mail, daß dies doch unser allererster Versuch sei. Bestimmt können wir bald so virtuos chätten und webkämmen, wie Hilkes Verwandte in Afrika.

„Wenn das sogar die Neger lernen können!“ schrieb ich leicht despektierlich und populistisch, bloß um den Onkel auf billige Weise zu erheitern.

Nachtrag 2019: Genau so ist´s gekommen!

Heute herrschte der Tag der deutschen Einheit (wie lang will man den denn noch feiern??), und die „Lindenstraße“, auf die der Seniorenrhythmus doch eingependelt ist, fiel einfach aus.

Abends säuselte Buz Passagen aus dem Mendelssohn-Konzert.

Ich: „das muß besser werden!“

Buz: „Wiesooo??“

Sonntag, 4. Oktober

wunderschöner, strahlender Sonnenschein und ganz warm

In einem Ballettstrumpfhöslein mit kleinen Löchern um die Gesäßregion herum steckend, stand Rehlein in einer Gymnastikpose auf der Matte.

„Andi Fumolo & friends“ - (Hahahaha) (denkt man da nicht gleich an die Musiker mit ihren „Konneckschns“?) - zeigten Schultergymnastikfinessen.

Ich überlegte, daß der Onkel Andi um diese Zeit, an diesem strahlend schönen Morgen doch wohl schon online sein könnte? Seit gestern haben wir ja ein neues Hobby: Chätten und webkämmen, und man möchte die Freunde und Verwandten eigentlich nurmehr quadratisch umrahmt aufleuchten sehen und mit lustigen Sätzen betippen, oder - wenn das Hobby denn einmal gereift ist - sogar beplabbern!

Onkel Dölein hatte einen Link geschickt, der uns auf die Spur bringen sollte. In Computerlatein las man, wie man den „msn. Messenger“ gescheit herablädt. Ich versuchte es auch augenblicklich, und spürte den hohen Annagel-Effekt einer solchen Tätigkeit: Grad wie Onkel Dölein sonst, war ich nämlich augenblicklich am PC festgezwackt.

Der Messenger sagte: „Sie haben bereits eine neue Version…“

Die erneute Herabladung wäre somit jener wohl überflüssigen Tätigkeit gleichgekommen, die Satellitenschüssel abzuschrauben, um stattdessen eine Antenne am Televisor anzubringen? Wieder spiegelte ich mich zusammen mit Rehlein als Zweiergespann, in den Sinnen des Oheims als unerhört hinterwäldlerisch und torhaft.

Buz nestelte am CD-Spieler herum. „Ich will noch den Zemlinsky hören!“ murmelte er, doch in Wirklichkeit ging es ihm als stolzem Pädagogen, oder auch Triebpädagogen darum, durch Rehleins Sinne in Han-Lins Geigenklängen zu baden?

Über das Streichquartett von Zemlinsky sagte Rehlein: „Diese Musik gefällt mir auf Anhieb!“

Wir hörten gut zu, doch vieles erschien mir zu nüchtern und hindemitsch gespielt, interpretiert und eingefärbt. Von jemandem, der seine Briefe spröd mit „Gruß Han-Lin“ unterschreibt.

Ich stellte mir vor, wie die Han-Lin als Pädagogin sehr darauf schaut, ob eine Interpretation wohl schlüssig ist?

(„Warum spielst du mit einem Male im halben Tempo??“)

Ich selber könnte meist gar nicht sagen, ob eine Interpretation „schlüssig“ ist, denn auch eine Lebensgeschichte muß ja nicht unbedingt schlüssig sein, und von den Wirrnissen und Irrungen des Lebens erzählen doch die meisten Musikwerke.

Ich achte bei meinen Schülern, bzw. meiner einzigen Schülerin Frau Schinke eher darauf, daß sie gefühlvoll spielen. (Bislang leider vergebens.)

Über das Spiel des Streichquartetts sagte Rehlein: „Da ist noch sehr viel jugendliche Kraft drin, und die geht nämlich verloren!“

Daraufhin diskutierten wir über die schwindende Kraft im Alter.

„Beim Spielen schwindet meine Kraft nicht, aber beim Proben schon!“ wußte ich zu berichten, und schon gestern hatten Rehlein und ich seufzend darüber gesprochen, warum Cellisten und Bratscher immer so gerne reden bzw. sich einfach selber zu Wortführern ernennen, auch wenn niemand darum gebeten hat.

Ich sprach davon, wie sich die Cellisten oftmals einfach selber zur Leitkuh ernennen, und dabei gilt´s doch, dies´ Hochamt über dramatische Kämpfe erst mühsam zu erwerben.

Auf einem Spaziergang durch den Wald:

Ich erzählte Buzen von unserer Lehrerin in der zweiten Klasse in Taiwan: Einer vornehmen Dame aus Peking, die es schauderte, sich das grausliche Taiwan-Chinesisch anhören zu müssen. Ich versuchte Buzen zu verdeutlichen, wie es sich für ihr Ohr wohl ausgenommen haben dürfte, und Buz sollte sich hierfür den Opa vorstellen, der, behaftet mit der Sicherheit, daß im Schwabenland das beste Deutsch gesprochen würde, als Lehrer in eine Berliner Schule verpflanzt worden wär.

„Ick jeh mal rasch hoch nach Omi!“

Brrrrr, da schüttelt sich ein Schwabe – und ich mit ihm.

Mittagessen auf der Terrasse:

Wir sprachen darüber, wie ein Hund die wahre Persönlichkeit seines Herrchens widerspiegelt und in die Welt hinausträgt. Die Rede kam auf Herrn Sieben, unseren Deutschlehrer und seinem grässlichen Hund „Anton“, dessentwegen man Herrn Sieben zehn Jahre lang nicht besucht hat.

Der Anton hatte den unangenehmen Charakter eines alten deutschen Studien- oder auch Stupidienrats, in dessen Nähe einen scharf das Gefühl der Unzulänglichkeit beweht.

Jetzt ist der Anton alt und liegt nurmehr wie ein Teppichvorleger herum. Die unsympathisch, knurrige Art hat er allerdings beibehalten.

Hurra! Abends klappte es mit der Webkämmerei: Man sah den erfreuten Onkel Dö in Cape Cod. Seine Tochter Julie im Hintergrund telefonierte soeben mit ihrem Schwiegervater, der Geburtstag hatte, und als das Telefonat beendet war, bekamen auch wir sie zu Gesicht, und die Julie lachte so bezaubernd, wie einst das junge Mobbele.

Auch Buz als Onkel zeigte sich, und leuchtete vor Freude über den knusprigen Anblick aus Übersee.

Abends kam ein Film über Viviane Hagner (eine Geigerin). Sie sagt „..ganz, ganz…“ und „..sehr, sehr…“ um ihre Sätze schwärmerisch aufzubauschen, und wackelt oder vibriert dazu mit dem Haupt. Blöd finde ich, daß immer irgendwelche anderen Musiker beschreiben sollen, wie sie spielt, und diese anderen würden natürlich gern in der scheinbar erlesenen Gruppe „Viviane Hagner & friends“ mitspielen, und machen daher übertriebene Worte, die völlig an der Realität vorbeigehen.

Montag, 5. Oktober

sagenhaft. Warm, blauer Himmel, Herbstglanz

Wenn man sich morgens in den Tag hineinpflanzt, hält man ja erstmal ein blütenweißes, frisch abgezupftes Kalenderblatt in Händen, das man nun vielleicht ganz schön gestalten könnte?

Das süßeste Rehlein hatte heut schon die gleichen Überlegungen getätigt wie ich: Ob Buz heute in 10 Jahren immer noch Mon- und Freitags auf Maloche nach Wien fährt? Bis dahin ist Buz so alt wie´s heut der Jorberg ist.

„Ja natürlich!“ sagte Buz unbekümmert.

Da dachte ich natürlich auch noch an die anderen Akteure in diesem Bühnenschauspiel: Die bis dahin 40-jährige Julia Kim geht immer noch zu Buzen in die Lehre. Die Veronika ist 74, und der Jorberg mit 91 ½ sei körperlich zwar noch fit, habe allerdings damit angehoben, geistig nun doch stark abzubauen. Mutti Himstedt ist da sicherlich nimmer da, weitete ich meine Überlegungen aus. Sie ist ein Typ wie die Omi Mobbl, kann auch „ganz anders“ sein, und wird meiner groben Schätzung zufolge etwa 88 Jahre alt.

Nachtrag Anfang 2019: Falsch! Beide sind noch da, und der Jorberg hat geistig keinesfalls abgebaut.

Schrübe ich der Veronika jetzt, so würde der Jorberg den Brief wahrscheinlich abfangen und vernichten, nachdem er ihn gelesen hat.

„Es ist fürwahr besser, wenn die Veronika eine Weile lang Abstand zu ihrem alten Leben hält!“ bildet er sich ein, zum Wohle seiner Liebe zu handeln, doch wie immer: Die Veronika als Frau frägt er gar nicht.

Bei Dunkelheit holte ich Buz vom Bähnle ab. Buz war nett! Ich erfuhr allerdings, daß ein Schüler Buzens leider so langsam lerne und etwas denkzäh sei, während die bezaubernde Taiwanesin „Isabella“ Buzen so viel Freude bereitet.

Dienstag, 6. Oktober

hochsommerlich. Nur hi und da mehlige Überzüge

Am Morgen träumte ich, daß ich ein eheliches Anhängsl eines reichen Mannes war, und nun schwamm man gemeinsam in einem Urlaubsparadies herum, welches sich der Leser folgendermaßen vorstellen muß: Den Elefantenpalast vom Zoo Hannover – allerdings vorwiegend mit Gewässern „ausgekleidet“ auf welchen man dösend in aufblasbaren Ufos, solcherart wie eines im Schwimmbad der Poppingers schwimmt, herumtrieb, und sich vom süßen Nichtstun umspielen lassen durfte. Ich hatte mir in einer blütenförmigen frischgebackenen Waffel ein köstliches Möwenpickeis servieren lassen: „Belgische Chocolade mit Meersalz“. Doch nun entdeckte ich in meinem Eis den abgeschnittenen Fingernagel eines alten Mannes, unter welchem sich ein leichter Schmutzfilm befand!

Um sich zu beschweren, mußte man zwischen zwei überhängenden Felsen hindurch in die Küche schwimmen.

Alles schaute so schön aus: Wie in Afrika, oder auch in 1001 Nacht.

Bevor ich mich allerdings beschwerte, aß ich noch weiter, und das Eis schmeckte immerhin köstlich.

Beim Koch, an den die Beschwerde zu richten war, handelte es sich genau um den Nämlichen, bei welchem Ming sich im wahren Leben einst wegen einem Haarbüschel im Essen beschweren mußte.

„Zwei Beschwerden innerhalb kürzester Zeit!“

(dachte ich im Traume)

Ich fuhr nach Lielach – nein, es muß anders heißen: Ich fuhr in die Bäckerei Lielacher.

Heute bediente die verstorben geglaubte, historische alte Bäckersfrau, (aus jenen Zeiten, als die Großeltern noch gelebt haben) mit ihren geheimnisvollen selbstgepinselten tintenschwarzen Augenbrauen, und war recht nett.

Buz berichtete von einem hocharroganten Wiener Dirigierprofessoren, der neulich einfach Buzens Unterrichtsraum usurpiert hielt. Die pünktlichen und fleißigen asiatischen Studenten herrschte er alle so unschön an, daß sie erschrocken von dannen stoben wie Federvieh, dem man einen Stein ins Gehege wirft, und dann legte er sich auch noch auf häßliche Wiener Art mit Buzen an, der ihn todesmutig aus den Räumen zu vertreiben suchte. Später erschien dann die Sekretärin, um sich zu entschuldigen: Man habe sich im Stockwerk geirrt. Ein Fehler! Den Fehler verzieh der süße Buz gern, allerdings sagte er zur Sekretärin, der Herr selber sei ein Fehler!

„Da können´s recht haben!“ zitierte Buz die Sekretärin und lachte auf platschende Weise an´s letzte Wort angeschmiegt so bezaubernd, da er immer so verzückt und gerührt von zwischenmenschlichen Verbindlichkeiten ist.