Die Moser und der Sägemörder - Franziska König - E-Book

Die Moser und der Sägemörder E-Book

Franziska König

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Beschreibung

Eine feste Freundin brauchte der geschiedene Vater zweier Töchter nicht, da ihm eine Jede freiwillig folgte. (Das Landru-Syndrom.) Der Sägermörder wohnte bis gestern Vormittag in einer netten Wohnung in Celle, und an der weißgestrichenen Tür mit fächerförmigem, spitzenbeghangenem Türfenster hing bzw. hängt zur Stunde noch ein Kranz.

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Erinnerungen

Für Onkel Dölein

Franziska (Kika) mit ihrer Violine – fotografiert von ihrer lieben Freundin Ute Bott aus Rottweil.

„Wenn ich dereinst verstorben bin, so schweigt auch meine Violine!“ sagt sie.

Und drum bringt Franziska alle vier Wochen ein schlankes bis vollschlankes Taschenbuch heraus.

Erzählt werden Geschichten aus ihrem Leben, die von erhöhtem Interesse sein dürften.

Jeden vierten Dienstag um 18.05 wird das fertige Manuskript in die Umlaufbahn entsandt.

Die meisten Vorkömmlinge finden sich im Personenverzeichnis

Hier die engste Familie vorweg:

Opa, (*1909) Opa mütterlicherseits in Ofenbach (Niederösterreich)

Omi, Mobbl, (*1910) Oma mütterlicherseits

Oma Ella, (*1913) Omi väterlicherseits in Hessen

Buz (Wolfram), mein Papa (*1938) Professor für Violine an der Musikhochschule in Trossingen

Rehlein (Erika), meine Mutter (*1939)

Ming (Iwan), mein Bruder (*1964)

Ein Buch ohne Vorwort.

Sie können gleich anfangen zu lesen…

Inhaltsverzeichnis

Januar 1999

Freitag, 1. Januar

Samstag, 2. Januar

Sonntag, 3. Januar

Montag, 4. Januar

Dienstag, 5. Januar

Mittwoch, 6. Januar

Donnerstag, 7. Januar

Freitag, 8. Januar

Samstag, 9. Januar

Sonntag, 10. Januar

Dienstag, 12. Januar

Mittwoch, 13. Januar

Donnerstag, 14. Januar

Freitag, 15. Januar

Samstag, 16. Januar

Sonntag, 17. Januar

Montag, 18. Januar

Dienstag, 19. Januar

Mittwoch, 20. Januar

Donnerstag, 21. Januar

Freitag, 22. Januar

Samstag, 23. Januar

Sonntag, 24. Januar

Montag, 25. Januar

Dienstag, 26. Januar

Donnerstag, 28. Januar

Freitag, 29. Januar

Samstag, 30. Januar

Sonntag, 31. Januar

Februar 1999

Montag, 1. Februar

Dienstag, 2. Februar

Mittwoch, 3. Februar

Donnerstag, 4. Februar

Freitag, 5. Februar

Samstag, 6. Februar

Sonntag, 7. Februar

Montag, 8. Februar

Dienstag, 9. Februar

Mittwoch, 10. Februar

Donnerstag, 11. Februar

Freitag, 12. Februar

Samstag, 13. Februar

Sonntag, 14. Februar

Montag, 15. Februar

Dienstag, 16. Februar

Mittwoch, 17. Februar

Donnerstag, 18. Februar

Freitag, 19. Februar

Samstag, 20. Februar

Sonntag, 21. Februar

Montag, 22. Februar

Dienstag, 23. Februar

Mittwoch, 24. Februar

Donnerstag, 25. Februar

Freitag, 26. Februar

Samstag, 27. Februar

Sonntag, 28. Februar

März 1999

Montag, 1. März

Dienstag, 2. März

Mittwoch, 3. März

Donnerstag, 4. März

Freitag, 5. März

Samstag, 6. März

Sonntag, 7. März

Montag, 8. März

Dienstag, 9. März

Mittwoch, 10. März

Donnerstag, 11. März

Freitag, 12. März

Samstag, 13. März

Sonntag, 14. März

Montag, 15. März

Dienstag, 16. März

Mittwoch, 17. März

Donnerstag, 18. März

Freitag, 19. März

Samstag, 20. März

Sonntag, 21. März

Montag, 22. März

Dienstag, 23. März

Mittwoch, 24. März

Donnerstag, 25. März

Freitag, 26. März

Samstag, 27. März

Sonntag, 28. März

Montag, 29. März

Dienstag, 30. März

Mittwoch, 31. März

Personenregister

Januar 1999

Freitag, 1. Januar

Sequim (Washington, USA)

Morgens wolkig.

Auf dem üppig verschneiten Berg

schönster Sonnenschein.

Dann war wieder alles in dicke Wolken verpackt

Vorwissen:

Den Jahreswechsel verbrachten Ming, Linda und ich bei

Tante Bea und Onkel Jesse in Amerika

Alle schliefen noch. Vielleicht gäbe es ja einen Sonnenaufgang zu bestaunen , dachte und hoffte ich, weil es so ausschaute, als würde von der dunklen Decke, die uns nachts umhüllt, ein erster Zipfel sachte ange-lupft.

Doch die Dunkelheit wich vorerst nicht, und nachdem ich mir Tee aufgebrüht hatte, saß ich auf dem türkisfarbenen Barhocker und las in dem philosophisch angehauchten und doch so persönlichen Tagebuch von Georges Simenon, während sich in mir bereits Pflichterfüllungsgedanken dahingehend ballten, daß ich der Dame Gerswind schreiben sollte, denn mit ihr, der ehemaligen unehelichen Schwägerin, und Bratscherin in meinem einstigen Streichquartett, führe ich seit Jahr und Tag ein Briefabbo – jeweils am Ersten den Monats.

Das philosophisch Nachdenkliche von Georges S. hatte sich in meine Art zu denken verzwickt, und nun fühlte ich eine Anfangsscheu vor meiner brieflichen Plauderei mit der Gerswind und überlegte herum, was man ihr, einer Frau für die ich eher munkeleswarme Freundschaftsgefühle hege, wohl schreiben könne?

Ich schickte meine Gedanken zur Gerswind nach Österreich, und stellte mir bildlich vor, wie sie in ihr Tagebuch schreibt:

„Fritzis Küsse beginnen schal zu schmecken.“

*

Nach und nach wurden alle wach:

Tante Bea, Onkel Jesse, Jenny, Eric, Ming und das Lindalein. Ich schlug vor, daheim in Ofenbach anzurufen, wo das für uns frisch angezapfte Jahr immerhin schon 20 Stunden alt sei, so daß dort bereits Fernsehzeit herrsche.

Tante Bea hat immer ein wenig Angst, Omi Mobbl könne den Hörer abheben, weil Mobbl bei ihrem Geplabber meist kein Ende findet, immer die gleichen Geschichten erzählt und immer die gleichen unergiebigen oder gar torhaften Fragen stellt.

Z.B. frägt sie mich, wie es mir geht, und Ming frägt sie hernach auch, wie es mir geht, schüttelte man allgemein wie in einem schlechten Roman den Kopf, „und dabei ist es doch äußerst reizvoll, sich das Wohlergehen eines Menschen aus zwei verschiedenen Perspektiven schildern und beleuchten zu lassen!“ fand wiederum ich.

Es könnte z.B. sein, daß ich auf die Frage nach meinem Wohlergehen mit: „Guuuht!“ antworte, während Ming sagt: „Sie verbirgt die Leere ihres Lebens hinter aufgesetzter Heiterkeit.“

Das Beätchen erzählte von ihrem Exmann Ric, in den sie sich einst als junges Ding direkt ungestüm verliebt hatte, so daß sie sich allen weisen und ach so klugen Ratschlägen zum Trotze mit ihm liierte und eine fünfköpfige Familie gründete.

Einige Jahre später wünschte sich das kleine Rifflein immer so sehr, sein Papi möge ein Baumhaus mit ihm bauen, und der Ric sagte: „Oh yes! That´s a great Idea!“ „Irgendwann mal…“ – fügte der stets Stringente innerlich hinzu, was in der Erwachsenensprache nichts anderes als „nirgendwann mal“ bedeutet. Aber vielleicht dachte er auch „gegebenenfalls…“

Es verging Jahr um Jahr, und bloß für´s Tennisspiel hatte der Ric immer Zeit, weil er vom zweifelhaften Ehrgeiz getrieben wurde, die Tage mögen einander gleichen wie ein Ei dem anderen, damit man sie besser aufeinander stapeln könne.

Als wenn man Eier übereinander stapeln könnte, hahaha!!! Da lacht man doch.

Der Jesse als Neuer an der Seite von der Bea, hat dem kleinen Rifflein die Freude mit dem Baumhaus aber sofort gemacht.

Vormittags retirierte ich mich zum Üben ins Zimmer von Beate und Jesse, nicht ohne vorher höflich gefragt zu haben, ob es den Jesse vielleicht störe, wenn jemand in seinem Schlafzimmer wirkt und eventuell furzt?

Den Jesse aber stört das nicht, weil er ein unkomplizierter Mensch ist, der selber gerne irgendwo wirkt und furzt.

Mittags:

Ohne die Tante Bea, die daheimgeblieben war, fuhren wir serpentinenförmig in die Höh´ auf einen üppigst verschneiten Berg hinauf.

Der Berg ragte mitten durch einen Wolkenteppich hindurch steil in die Höhe, so daß oben schönster Sonnenglanz auf uns wartete.

Wir stapften durch den Schnee, doch der Jesse lief nur ganz kurz mit, um sich bald darauf in die Berggasthütte zurückzuziehen, weil seine Füße nass geworden waren. Uns wurde somit die Sicht auf den weiteren Verlauf seines Lebens vorübergehend entzogen.

Er als gemütlicher Seemannstypus hob vermutlich ein paar Biere, und lernte eventuell eine Frau kennen?

Wir aber liefen weiter, und die Linda brachte uns das Lied vom rotnasigen Hirschen Rudolph bei.

Ming frug mich, ob es mir in Amerika gefalle?

„Ja,“ sagte ich, obwohl ich hier nicht so gerne leben würde.

Früher, als wir noch in Japan lebten, schwang bei meiner Sehnsucht, nach Amerika zu ziehen, eine gehörige Portion Sandkasten- und Klassenzimmersyndrom mit, und auch jetzt würde ich, wenn ich schon in Amerika leben sollte, gern mit ansehen wie meine Freunde und Kollegen in Europa wohl „spitzen“, wenn ich hier lebte.

Bloß sähe ich die dann ja gar nicht mehr beim Spitzen, und den Leuten hier wäre es einerlei, weil die ja selber hier leben, und nichts Besonderes mehr dabei finden können.

Abends:

Ich fühlte eine zärtliche Rührung in mir aufwallen, daß es uns das Beätchen so schön macht! Zwei Auflaufformen mit einem köstlichen Nudel-Pilz-Auflauf standen verheißungsvoll dampfend auf dem Tisch.

Man sprach über eine eventuelle Reise in einen Ort namens „Victoria“ im angrenzenden Kanada – gleich morgen früh.

Die Linda hat immer Angst, Ming könne ums Leben kommen, wenn er auf Reisen geht.

„Das Dumme an solchen Gedanken ist: Wenn´s denn mal passiert, so meint man, man habe recht gehabt!“ sagte Ming.

Tante Bea nahm ihre Näharbeit zur Hand, und sah dabei aus wie „die Mutter“ in einem berührenden skandinavischen Film.

Ming und ich setzten uns zu ihr.

Wieder sprachen wir über den Ric, und darüber, wie schwierig er war. Mal sprach er tagelang kein Wort mit der Beate, dann wiederum konnte man sich fabelhaft mit ihm unterhalten, und manchmal entschuldigte er sich für sein befremdliches Benehmen.

Kurzum, und um Worte von Ute M.* zu nutzen: „Ein Wechselbad der Gefühle!“

*Liebe Freundin, die immer in geflügelten Worten spricht und schreibt, so daß man sich wie auf Wolke sieben fühlt, wenn ein Brief von ihr ins Haus flattert.

Dann lenkte man das Psychologisierungsokular auf mich, und sprach mahnend und wachrüttelnd:

Daß ich zu sehr an den moribunden Großeltern klebe, und daß Rehlein heute noch Kinderberichte über mich schreibt, obwohl ich doch schon so alt bin!

Die Beate meinte gar, daß sie sich gar nicht vorstellen könne, sich mit mir gescheit zu unterhalten.

Ich aber finde, daß man sich mit mir gut unterhalten kann. Wahrscheinlich war ich nur müd, oder aber Beätchens zwar süße, aber auch etwas hippelige Art nahm mir ein beim Versuch, Klugheiten von mir zu geben, ein wenig den Wind aus den Segeln?

Ming brachte die Sprache darauf, daß ich wohl derothalben so gut mit den Großeltern klar käme, weil ich nie Freunde mitbringe?

Es ist aber einfach bloß so, daß die wenigen Freunde die ich habe, mir bei meinem Glück mit den Großeltern eigentlich nur im Wege stehen würden.

Samstag, 2. Januar

Schmuddelweiße Wölkchen über einem mattblauen wässrigen Himmel. Zur Dämmerstunde jedoch zauberhaft

Etwas ungelenk, nach Art eines neuen Au-pair-girls, das sich weder eingelebt noch eingearbeitet hat, räumte ich die Spülmaschine aus. Immer auf der Hut, hoffentlich nichts fallen zu lassen, da das Beätchen doch ein so wunderschönes buntes Picasso-Geschirr hat, auf das man sehr stolz ist.

Tatsächlich kann ich mit dem Beätchen nicht ganz so toll plaudern wie mit Rehlein oder Frau Kettler.

Meistens fühle ich mich bei meinen Geschichten etwas „staubig“ an, so als sprächen die Großeltern aus mir, und dabei redet die Bea viel mehr über die Großeltern, die ihr auf den Wecker fallen.

Und obwohl sie die Großeltern liebt, weil die ja ihre Eltern sind, sagte sie gar:

„Ich müsste die Großeltern jetzt gar nicht mehr besuchen!“

Die Linda war heute ein wenig krank, und lag zuweilen einfach auf dem Sofa herum.

Der Psychologe würde natürlich sagen, es sei die Familie, die sie krank mache.

Manchmal bekommt sie, wenn es die Bea mit ihren Übermütigkeiten vielleicht ein wenig arg treibt, wieder jenen überwunden geglaubten, schmollenden Ausdruck ins Gesicht und sagt vorwurfsvoll in einer geelendeten Knatschfärbung: „Ma-am!?!“

Es herrschte eine Stimmung wie am ersten Tag nach der Pensionierung:

Man sollte froh sein, ist es aber nicht.

Mittags ging es der Linda etwas besser.

Hoffnungsfroh ersörfte sie sich im Internet allerlei über ihren eventuellen künftigen Arbeitsplatz beim Dr. Kroath in Österreich, fern ab von den Eltern.

Um 16 Uhr trieb ich etwas Sport oder vielleicht „Sport“ in Anführungszeichen, da mein Gehoppel wohl kaum mehr als etwas symbolischen Wert besitzen dürfte.

(„Sie bemüht sich“).

Rosa-güldene Schäfchenwolken schwebten am blauen Himmel über der friedvollen Einöde.

Ich rannte immer nur den Weg am Haus entlang bis zum Briefkasten und wieder zurück.

Das Haus von der Tante Bea sieht schön aus – bißl wie Bates-Motel in „Psycho“, so jedoch in ganz freundlichen Farben.

Beim Laufen versetzte ich mich in die Bea und ihr Leben hinein, das sie sich nun so fernab von der Familie aufgebaut hat.

„Wenn ich jetzt hier wohnte, so wäre meine Nabelschnur zu Rehlein ja zum Zerreissen gespannt – so weit entfernt ist´s!“ dachte ich gar – so daß man gemerkt hat, daß die mahnenden Worte von Bea und Ming im Grunde wenig gefruchtet hatten.

Ab und zu trank ich Tee und las in Mings Ägypten-Tagebuch.

Ming als Autor erinnert zuweilen leicht an den Onkel Eberhard:

An allen Ecken und Enden begegnet einem der Ausdruck „der süßeste Schatz“, und ein Wortgebräu solcherart, in welchem der Onkel Eberhard über das böse Uschilein einst glücksbeschwörend „das süßeste Uschilein“ geschrieben haben dürfte.

Die Beate ermahnte mich am Abend, immer Englisch zu sprechen, aber man kann doch darin eigentlich nur schmaltalken, - ich zumindest.

Zur Abendesszeit duftete es so wunderbar nach Zimt.

Tante Bea hatte süße Kartoffeln für ihre Lieben in Zimt gewälzt.

Dazu gab´s farbenfrohes Gemüse und kleingeschnittene Roastbeefschnipsel.

Am Familienoberhauptseck saß der Jesse, der als Einziger Wein zu trinkt pflegt, und seinem großen, gesegneten Appetit wie ein Scheunendrescher freien Lauf lässt, ohne den Blick nach links und rechts zu schwenken, um zu schauen, ob es seinen Lieben wohl schmeckt?

Der Jesse hatte so köstliches, duftendes Brot gebacken, wo die Orangenmarmelade gleich in den Teig mit hineingeknetet worden war, so daß sich der Marmeladenfreund den ganzen Schmiervorgang sparen kann.

Die Beate schenkte mir ein Stück davon, doch aus Kaloriengründen, so sagte ich, wolle ich nur einmal pro Stunde davon abbeißen.

„Dann weiß ich immer wie spät es ist. Das ist dann meine Brotuhr“, sagte ich in Friesenlogik.

Sonntag, 3. Januar

Sequim - Seattle

Wunderschön. Sonnenglanz

Am Morgen lachte froh die Sonn´ mir ins Gesicht. Das süße, hippelige Beätchen war schon dabei, die Sändwichs für ihre Lieben zusammenzubasteln, und hyperaktivelte beständig herum, weil´s vor so einer langen Reise immer viel zu tun und zu bedenken gibt.

In zwei dickbepackten Autos fuhren wir schon am Vormittag los.

Heute mußten wir uns von Jenny, Eric und Rifflein verabschieden, und ich sagte: „the next time, we see each other again, there will be snow on our head!“

Nachtrag 2021:

Rifflein und Eric habe ich nie wieder gesehen.

Wir besuchten Jesses Schwester Marie: Eine liebe pummelige Dame, von der es hieß, sie leide unter schweren Depressionen, da ihre Ehe mit einem wattigen Herrn namens Bill kinderlos geblieben sei, so daß das Leben mit dem Abblättern der Jugend von Jahr zu Jahr sinnloser zu werden droht.

Der Jesse schien sich dort jedoch sehr zuhause zu fühlen, und schaltete augenblicklich, und ohne gefragt zu haben den Fernseher ein. Dankbar griff er nach dem Biere, das ihm der Schwager mit seiner weißen Wattefrisur und der etwas schwabbeligen Ausstrahlung reichte.

Später hat man den Onkel Jesse johlen hören, weil die San Francisco Soccers 49 ein Tor geschossen haben. Die Bea hat sich so süß für ihn gefreut, tänzelte herum und rief mit ihrem zwitschrigen Stimmchen:

„I am so proud! I am so proud!“

Bei Dunkelheit fuhren wir zum Flughafenhotel, wo wir jetzt in einem 5-Bett-Zimmer nächtigen. Die nächtliche Skyline von Seattle war so eindrucksvoll.

Doch in Großstädten fühle ich mich einsam.

Ich vermisste Rehlein & Buz.

Montag, 4. Januar

Seattle - Kauaii

Herrlich temperiert. Sonnig – mit imponierlichen Wolkengebilden am Himmel

Im Flugzeug hat sich das heimliche Hoffen der Verwandten, ich könne neben „dem Mann meines Lebens“ zu sitzen kommen, leider nicht erfüllt.

Doch ich war froh drum. Schließlich möchte ich nicht „der Liebe wegen“ so fernab von der Heimat hängen bleiben.

Statt eines gutaussehenden Beaus, der mir die Sinne vernebeln sollte, kam ich neben einer amerikanische Seniorin zu sitzen. Einer Variation von Nancy Reagan:

Schlank, mit hochgetürmten weißen Röllchen auf dem Haupt, und einer irgendwie „rosa“ wirkenden Ausstrahlung. In ihrem Windschatten fühlte ich mich fremd und klein. Vielleicht weil sie mich an jene amerikanische Mutti erinnerte, die in Taiwan mal so ein entsetztes Getue drum gemacht hat, daß ich mich auf einen Tisch gesetzt habe.

Ich überlegte, daß ich eigentlich ihre Hände ergreifen, und unter fast enthusiastischem Geschüttel: „Haaai, I´m Jane!“ hätte ausrufen können, um eine Befreundung regelrecht herbeizuzwingen? Schließlich ist man dazu verdammt, eine gewisse Wegstrecke seines Lebens gemeinsam zu verleben.

Die Barenboimsche Autobiographie ist mir schon gleich zu Anfang etwas fad geworden, zumal der Autor schon im Vorwort darauf hinwies, daß Privates privat bleiben würde, und dann wurde immer nur über die Herkunft bzw. die geographischen Verflechtungen der Großeltern, den Zionismus und dererlei palavert, und da wäre es doch wirklich interessanter gewesen, wenn er Persönliches, wie beispielsweise, daß er beim Sex die Socken anbehält, preisgegeben hätte.

„Siehst Du! Der redet auch nur über die Großeltern!“ hätte man dem Beätchen unter die Nase reiben können.

Nur zu den Mahlzeiten holte ich die zierliche Barenboim-Biographie hervor, um Mings kostbares Ägypten-Tagebuch, in welchem ich sonst zu lesen pflege, nicht zu bekleckern.

Das Essen schmeckte schal und öd.

(Etwas Vegetarisches; ohne Liebe zubereitet.)

Ming hatte mir Kopfhörer für 5$ gekauft, doch es dröhnte nur ein musikalischer Gulasch und schrilles Gequietsche heraus.

Manchmal bekam ich direkt eine leichte Athazagoraphobie (kennt jemand dieses frisch ergoogelte Wort?), weil ich so weit von meinen Lieben daheim entfernt bin, daß in gewisser Weise sogar der geistige Funkaustausch abgerupft ist.

Ming, der wie das Kläuschen alles weiß, erklärte, daß wir uns jetzt auf der anderen Erdhalbkugel befänden. D.h. es sind eingentlich stets die Anderen, die sich auf der anderen Seite befinden…

Den Anflug auf Hawaii fand ich so schön, obwohl mir das Gekräusel der Wellen von oben fast ein wenig mager schien, und ich doch mit der Aussicht auf gigantische Wellen geködert worden war.

Mit einem kleinen Flugzeug sind wir schließlich nach Kauaii hinübergeflogen. Einmal glaubte ich von oben einen Wal im Wasser schwimmen zu sehen, doch es handelte sich bloß um den Schatten unseres Flugzeugs.

Folgendes geschah im verbliebenen Fortsatz unseres ersten Ferientages:

Wir promenierten am Strand entlang, und nach einer Weile stiegen wir ins Wasser.

Obwohl der schöne rotbraune Sandstrand mich begeisterte, konstatierte ich betrübt, daß überhaupt kein gescheiter Wellengang herrschte, und dabei war ich doch mit Versprechungen über die hohen Wogen überhaupt erst hier hergelockt worden! Ich fühlte ein fast ehefrauenhaftes Bedürfnis, loszunörgeln und meine Enttäuschung zur Schau zu stellen. Zu allem Unbill schien mir das Wasser hinzu noch mehr als frisch, so daß ich bei jeder Kräuselwoge, die mich noch nässer machte einen kreischigen Huh-Ruf von mir gab.

Später gewöhnte ich mich dann aber an die Frische und es wurde sehr vergnüglich:

Wir vier (Linda, Ming, Bea & ich) auf paradiesischer Ebene im Wasser!

Dienstag, 5. Januar

Kapaa Shore (Kauaii)

Tropisch, sonnig. Ab und zu feuchtgraue,

vorbeiziehende Wolkenbänke

Nach dem Frühstück befüllte man das Auto mit Flossen und Taucherbrillen.

Das Auto schlängelten sich einen Berg hinan, und nach langer Zeit stiegen wir an einem in dampfende Wolken gehüllten Aussichtsplateau aus, wo man in die gewaltigen Gebirgswogen und Brüste hinabschauen konnte. Ein junges Pärchen bat mich, ein Erinnerungsfoto zu schießen, denn so, wie meine Freundin Katharina im Schwabenland immer von jungen Männern gefragt wird, ob sie mit ihnen essen gehen würde, so werde ich andauernd gefragt, ob ich jemanden fotografieren würde, und ich freue mich darüber stets wie ein kleines Kind!

Ich scherzte herum, wie ich das mit dem Fotografieren jetzt auch hätte kompliziert machen können, und dann scherzte ich wiederum darüber, wie peinlich es wäre, zu scherzen, ständig in wieherndes Gelächter auszubrechen, um schließlich festzustellen, daß man ganz allein mit seiner Scherzelei beschäftigt war.

Wir besuchten noch zwei weitere Aussichtsplateaus. Auf dem einen hätte man sich beinahe gewünscht, fliegen zu können. Sogar einen Gamsbock sah man!

Das dritte Aussichtsplateau wiederum gefiel mir weniger: Pötzlich waren so viele Menschen da, die in die Tiefe auf das kräuselnde Meer draufschauten.

Ich fand es ein wenig postkartenhaft, so daß ich an Tones köstliche Worte von der "anstrengenden Schönfinderei" denken mußte.

Zeitgleich mit dem Lindalein fiel mir derselbe Schüttelreim ein:

„Die Frauen mit den weißen Haaren, gehören zu den heißen Waren!“

(Doch ob dies stimmt?)

Wir unternahmen eine Wanderung durch tropische Vegetation.

Gleich zu Beginn ist die Linda in rutschigem Lehm ausgeglitten, und zog sich ein ganz morastig aussehendes Bein zu.

Wir spaßten darüber, daß der Onkel Jesse anhand von Mobblns Anekdötchen-Repertorium Deutsch lernen könne:

Im Frühjahr, wenn Bea und Jesse nach Europa reisen, könnte er ihr die Anekdötchen dann immer aus dem Munde nehmen, und in einwandfreiem Deutsch zuende erzählen.

Der Jesse erzählt gerne sehr persönliche Geschichten: Sogar das Zölibat streifte er in jenem Sinne, daß er damals nach seiner Scheidung doch wohl kaum unter Zölibat stand??

Mittwoch, 6. Januar

Vormittags sonnig. Nachmittags oftmals grau überzogen (weiß, feucht, graublau). Tropisch

Linda, Ming & ich schwammen in unserem Lieblingsmeeresbecken, dort, wo wir das allererste Mal geschwommen waren. Im Wasser fühlte ich mich direkt wie ein junges Sumatra-Nashorn, das zwar vom Aussterben bedroht ist – doch bis es so weit ist, das Leben als Naturwunder unter Naturschutz noch in vollen Zügen genießen darf.