Die Red Bull Story - Wolfgang Fürweger - E-Book

Die Red Bull Story E-Book

Wolfgang Fürweger

3,9

Beschreibung

Dietrich Mateschitz steht für einen der weltweit größten wirtschaftlichen Erfolge der vergangenen Jahrzehnte, er hat mit Red Bull eine Weltmarke geschaffen. Sein Firmenimperium beherrscht den globalen Energydrink-Markt, ist einer der größten Sportkonzerne und entwickelt sich auch in der Medienbranche zu einem wichtigen Player. Doch wer steckt hinter dieser Erfolgsgeschichte? Wolfgang Fürweger gibt in seinem Porträt einen umfassenden Einblick in die schillernde und geheimnisumwitterte Welt des Dietrich Mateschitz, der am 20. Mai 2019 seinen 75. Geburtstag feiert.

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Über dieses Buch

Dietrich Mateschitz steht für einen der weltweit größten wirtschaftlichen Erfolge der vergangenen Jahrzehnte, er hat mit Red Bull eine Weltmarke geschaffen.

Sein Firmenimperium beherrscht den globalen Energydrink-Markt, ist einer der größten Sportkonzerne und entwickelt sich auch in der Medienbranche zu einem wichtigen Player. Doch wer steckt hinter dieser Erfolgsgeschichte? Wolfgang Fürweger gibt in seinem Porträt einen umfassenden Einblick in die schillernde und geheimnisumwitternde Welt des Dietrich Mateschitz, der am 20. Mai 2019 seinen 75. Geburtstag feiert.

Inhalt

Einleitung

TEIL I: DER BULLE LERNT FLIEGEN

1. Das Dosen-Imperium entsteht

2. Weltweiter Marktführer

3. Verbote und gesundheitliche Bedenken

4. Keine Produktion

5. Wem gehört Red Bull?

6. Ein neuer Konzern für eine neue Zeit

7. Der Sport-Konzern

TEIL II: DAS IMPERIUM DES BULLEN

8. Der Fußball-Konzern

9. Red Bull und der Motorsport

10. Die Eis-Bullen

11. Mateschitz und die Medien – Mateschitz’ Medien

12. Carpe Diem und Afro Café

TEIL III: DAS VERMÖGEN DES BULLEN

13. Der Selfmade-Milliardär

14. Der Red-Bull-Konzern

15. Private Investments

TEIL IV: DER BULLE PRIVAT

16. Das Netzwerk des Dietrich Mateschitz

17. Der Mann hinter dem Bullen

Ausblick: Wohin der Bulle fliegt

Personenregister

Bildnachweis

Einleitung

Sebastian Vettel schrieb Geschichte, als er am 14. November 2010 beim Rennen um den Großen Preis von Abu Dhabi über die Ziellinie raste: Der damals gerade einmal 23-jährige Deutsche hatte nicht nur das letzte Formel-1-Rennen der Saison gewonnen, sondern auch als jüngster Fahrer in der Geschichte des Motorsports den WM-Titel in der Königsklasse geholt. Der Jubel in der Box von Vettels Team Red Bull Racing sowie unter den deutschen und österreichischen Motorsportfans kannte keine Grenzen. Der Erfolg war umso sensationeller, als Vettel vor dem Finale hinter Ferrari-Pilot Fernando Alonso und Teamkollege Mark Webber nur auf Platz drei der Fahrerwertung gelegen hatte. Einer freute sich ganz besonders mit dem jungen Weltmeister: sein Mentor und Teambesitzer Dietrich Mateschitz. Er hatte schon früh das Ausnahmetalent des Jungen aus Heppenheim im südlichen Hessen erkannt und dessen Karriere seit Jahren behutsam gefördert und gelenkt.

Mit dem ersten WM-Titel Vettels trat auch Dietrich Mateschitz verstärkt in den Mittelpunkt des weltweiten medialen Interesses, nicht zuletzt da der erste Weg den Champion von Abu Dhabi direkt zum großen Red-Bull-Boss nach Salzburg führte. Das Unternehmen und sein Gründer wurden genauso oft in den Himmel gehoben wie kritisiert. Für die einen ist Dietrich Mateschitz ein genialer Marketing-Stratege, Unternehmer und Entrepreneur, der fast so etwas wie den amerikanischen Traum verkörpert: vom Angestellten zum Milliardär – und das mit nur einer einzigen zündenden Idee. Für die anderen ist er die Personifizierung einer verachtenswerten hedonistischen Gesellschaft, die außer Action, Fun, Beauty und Wellness keine Werte kennt.

Wie auch immer man zu Dietrich Mateschitz steht, Tatsache ist: Er hat es geschafft, binnen weniger Jahrzehnte einen global agierenden Konzern aus dem Boden zu stampfen. Begonnen hat die Erfolgsgeschichte – die offizielle Firmenlegende will es so – an der Bar des Hotels Mandarin Oriental in Hongkong. Dort soll der spätere Großunternehmer zum ersten Mal von einem Energydrink gehört haben. Mittlerweile ist Red Bull neben dem Tiroler Optik- und Kristallkonzern Swarovski und dem Süßwaren-Produzenten Manner aus Wien die dritte und bei Weitem größte österreichische Weltmarkte im Konsumgüter-Bereich. Und Dietrich Mateschitz ist der mit Abstand reichste Österreicher: Das US-Wirtschaftsmagazin Forbes schätzte 2019 sein Vermögen auf 18,9 Milliarden Dollar (16,6 Milliarden Euro) – Tendenz: weiter stark steigend. 2018 tranken statistisch gesehen 89 Prozent aller Menschen zumindest einmal im Jahr Red Bull. Während dieses Buch entstand, schickte sich das Dosen-Imperium an, seine letzten weißen Flecken von der Weltkarte zu tilgen. Dabei begann der internationale Aufstieg von Red Bull erst Ende der Neunzigerjahre – daran sieht man auch, wie schnell man vergisst und etwas für selbstverständlich erachtet.

In Verbindung gebracht wird das Imperium des Dietrich Mateschitz vor allem mit dem Energydrink Red Bull – jenem picksüßen Getränk in der hohen, schlanken Dose, das binnen weniger Jahre in allen Teilen der Welt Kultstatus erreichte. Die Aufputsch-Brause ist aber nur ein Teil im großen Wirtschaftsreich des gebürtigen Steirers: Mateschitz hat in den vergangenen Jahren rund um seine erfolgreiche Marke einen breit aufgestellten Marketing-, Sport-, Freizeit- und Medien-Konzern geschaffen: Formel 1, Fußball, Eishockey, Wellness-Getränke, Gastronomie, Hotels, Fernsehen und Verlagswesen sind weitere Bereiche, in denen das berühmte Logo mit den beiden aufeinander losstürmenden roten Stieren vor dem Hintergrund der Sonne auftaucht. Seit einigen Jahren wird Salzburg international nicht mehr nur mit Mozart, Festspielen und dem Film The Sound of Music bzw. der Trapp-Familie in Verbindung gebracht, sondern immer häufiger auch mit Red Bull.

Wer Erfolg hat, über den wird geredet und geschrieben: Über den Gründer von Red Bull gibt es unzählige Meldungen, Mateschitz hat zahlreiche Interviews für Zeitungen und Zeitschriften gegeben. Im Radio und Fernsehen hat man ihn bisher so gut wie nie gehört. Seine Leidenschaft für Flugzeuge ist genauso bekannt wie sein Marketing-Talent, das in Form von beeindruckenden Bilanzzahlen auf der Hand liegt. Kaum jemand weiß jedoch etwas über den Menschen Dietrich Mateschitz, über seine Ausbildung, seinen Berufsweg bis zur Gründung von Red Bull im Jahr 1984, sein Netzwerk, seine Ansichten und sein Privatleben. Und kaum jemand hat bei all den Meldungen über die Eroberung neuer Märkte, die Gründung neuer Tochterfirmen und die Übernahme bestehender Unternehmen oder Vereine noch einen Überblick über die Entwicklung des Imperiums von Red Bull behalten.

Dieses Buch bringt Licht ins Dunkel. Es gibt Einblicke in die Welt des Dietrich Mateschitz und sein Imperium, die weit über das hinausgehen, was bisher veröffentlicht wurde. Allerdings machte es mir der Red-Bull-Gründer von Anfang an schwer: Als ich 2007 begann, die erste Version dieses Buches zu schreiben, lehnte die damalige persönliche Assistentin des Konzernchefs in dessen Namen jede Zusammenarbeit höflich, aber bestimmt ab: »Herr Mateschitz hat weder Interesse an einer autorisierten Biografie noch an einer Case-History über Red Bull.« Trotz dieser Absage lag es nicht in meinem Interesse, ein Schwarzbuch über den Konzern und seinen Gründer zu schreiben. Ich wollte aber auch nicht in den allgegenwärtigen medialen Lobgesang auf Red Bull einstimmen. In Österreich wird Kritik am Energydrink-Konzern, wenn überhaupt, nur im persönlichen Gespräch und dann häufig hinter vorgehaltener Hand geäußert.

Mein Ziel war es, die Geschichte eines der weltweit erfolgreichsten Unternehmen der vergangenen Jahre und die seines Gründers so nachzuzeichnen, wie sie sich dem neutralen Beobachter darstellt. Vor allem wollte ich ein Gesamtbild schaffen, in das die einzelnen Teile wie die persönlichen Leidenschaften, Eigenschaften und Marotten des Dietrich Mateschitz genauso passen wie der Einstieg seines Konzerns in die Formel 1 oder die Übernahme von Fußballklubs in Österreich, Deutschland, den USA und Brasilien. Die Recherchen zu diesem Buch gestalteten sich wie ein Puzzle: Ständig kam ein weiterer Teil hinzu, lange war nicht abzusehen, was am Ende herauskommt. Schlussendlich präsentierte sich aber ein interessantes Gesamtbild.

Als ich 2007 begann, die Red-Bull-Story zu schreiben, dachte ich keine Sekunde daran, dass es mir gelingen würde, das Standardwerk über den Energydrink-Konzern und seinen Gründer zu schreiben. Das Buch ist mittlerweile auf Deutsch in sechs Ausgaben mit weit mehr als einem Dutzend Auflagen erschienen: als Hardcover 2008 und aktualisiert 2012 und 2016, als Taschenbuch 2011, 2015 und 2017. Es wurde in mehrere Sprachen übersetzt – darunter auch Japanisch – und in zahllosen wissenschaftlichen Arbeiten, Sachbüchern und Beiträgen für Magazine und Tageszeitungen zitiert. Genauso oft schrieben Autoren ab, vergaßen dabei aber leider, die Quelle zu erwähnen. Ich selbst gab zum Thema Red Bull Dutzende Interviews für Printmedien und Radio-Stationen im In- und Ausland und konnte auch in mehreren TV-Dokumentationen als Experte mitwirken.

Die vorliegende Ausgabe erschien anlässlich des 75. Geburtstags von Dietrich Mateschitz im Ueberreuter-Verlag, für den ich inzwischen neun Wirtschaftsbiografien geschrieben habe – unter anderem über die Familien Porsche und Piëch, über den mittlerweile ehemaligen VW-Patriarchen Ferdinand Piëch oder Hans Peter Haselsteiner, schillernder Politiker und Gründer des Baukonzerns Strabag. Auch ein Buch über die schlimmste Hexenverfolgung im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation konnte ich unter dem Titel Verbrannte Kindheit veröffentlichen und gewann damit ex aequo mit dem Buch Die Alpen den Preis für das Wissenschaftsbuch des Jahres 2016. Diese, die mittlerweile siebte, Ausgabe der Red-Bull-Story entspricht dem Stand von April 2019.

Seit dem Erscheinen der ersten Auflage begegnete ich Dietrich Mateschitz zwar mehrere Male persönlich, ich konnte jedoch nur ein einziges, kurzes persönliches Gespräch mit ihm führen – am Rande einer Red-Bull-Veranstaltung. In diesem bezeichnete der Red-Bull-Gründer das Erscheinen eines Buches, das er nicht autorisiert hatte, als »Katastrophe«: Genauso gut hätte er ein Buch über den Papst schreiben können. Ich habe seit dieser kurzen Begegnung Hausverbot im Hangar 7, da ich beschuldigt wurde, ich hätte mich in die Veranstaltung eingeschlichen. Das war natürlich nicht der Fall, schließlich war ich ganz offiziell eingeladen worden. Bis dato gab es weder von Mateschitz noch von Red Bull öffentlich eine einzige inhaltliche Anmerkung oder Korrektur zu diesem Buch, das in Österreich über Wochen auf der Bestsellerliste stand.

Teil I

Der Bulle lernt fliegen

1. Das Dosen-Imperium entsteht

»Für Red Bull gibt es keinen Markt. Wir werden einen schaffen«, stand in den ersten Präsentationsbroschüren, die Dietrich Mateschitz Mitte der Achtzigerjahre verteilte. Selten wurde in der Welt der Wirtschaft eine großspurige Ankündigung so in die Realität umgesetzt wie diese. Red Bull ist bei Erscheinen dieses Buches mit seinem Hauptprodukt 32 Jahre auf dem Markt. In dieser Zeitspanne hat sich die Firma vom Kleinstunternehmen zum weltumspannenden Konzern entwickelt. Am Anfang des schier unglaublichen Erfolges steht eine Gründungsgeschichte, die sich fast wie ein Märchen liest.

Eine Reise verändert alles

Anfang der Achtzigerjahre war Mateschitz ein agiler, kreativer Diplomkaufmann in den besten Berufsjahren und für den holländisch-britischen Konsumgüterkonzern Unilever tätig. Konkret war er Marketing-Direktor der internationalen Division der Unilever-Tochter Blendax und nicht wie meist geschrieben von Blendax Deutschland. 1987 verkaufte Unilever die Marke Blendax, die damals gerade ihren 150. Geburtstag feierte, an den US-Riesen Procter & Gamble, der sie auch heute noch besitzt. Aber das war nach dem Ausscheiden des Red-Bull-Gründers und ist daher eine andere Geschichte. Mateschitz’ Jahresgehalt betrug am Ende seines Angestellten-Daseins. 285.000 Mark (143.000 Euro) – ein Betrag, der sich auch mehr als 30 Jahre später noch sehen lassen kann. Damals war die Gage fürstlich, der Job hatte es aber auch in sich: Der umtriebige Manager stand unter ständigem Termin- und Zahlendruck und damit auch unter Stress. Deswegen plante er, sich eines unbestimmten Tages selbstständig zu machen. Er wollte einfach finanziell und vor allem in seiner Zeiteinteilung unabhängig sein.

Sein Büro hatte Mateschitz in der Karnevalshochburg Mainz, beruflich jettete er jedoch drei bis vier Monate pro Jahr rund um den Globus, oft auch in den Fernen Osten. Das Leben des Vielfliegers habe er aber keineswegs genossen, wie er dem US-Magazin Bloomberg Businessweek erzählte: »Alles, was ich sehen konnte, waren dieselben grauen Flugzeuge, dieselben grauen Anzüge, dieselben grauen Gesichter. Ich fragte mich, ob ich die nächsten Jahrzehnte so verbringen wollte wie das letzte.« Eine Dienstreise in Sachen Zahnpaste, Seife und Haarshampoo sollte dann im Jahr 1982 nicht nur die Welt des Dietrich Mateschitz, sondern auch den weltweiten Getränkemarkt von Grund auf verändern. Es war an einem schwülen Nachmittag in der Bar des eleganten Hotels Mandarin Oriental in Hongkong. Der spätere Red-Bull-Gründer plauderte mit anderen Handelsreisenden. Es wurde gescherzt, gelacht und auch in einer Ausgabe der Zeitschrift Newsweek geblättert.

Vor allem ein Artikel erregte damals Heiterkeit: Das Magazin präsentierte ein Ranking der besten japanischen Steuerzahler. Die Herren Manager fanden das besonders kurios und spaßig. Mateschitz aber blieb ernst: Ihm fiel auf, dass auf Platz eins kein Weltkonzern wie Sony oder Toyota zu finden war, sondern der ihm völlig unbekannte Industriebetrieb Taisho Pharmaceuticals. Dieser war als Produzent eines Getränks namens Lipovitan eingetragen. Dem Produkt, so stand zu lesen, werde aufgrund des Inhaltsstoffes Taurin belebende Wirkung nachgesagt; es werde seit 1963 international erfolgreich vertrieben.

Der Konzern mit Hauptsitz in Tokio wurde 1912 gegründet und beschäftigte 2018 in 26 Tochterfirmen weltweit 6300 Mitarbeiter und notiert an der Tokioter Börse. Die Wiege der taurinhältigen Energydrinks ist also Japan. Dort kamen Ärzte während des Zweiten Weltkriegs auf den Gedanken, man könnte Piloten Taurin verabreichen, um ihre Sehkraft zu steigern. Das nutzte zwar nicht allzu viel, als Vorbild waren die waghalsigen Flieger aber allemal gut: Schon wenige Jahre nach dem Krieg waren Energydrinks in Ostasien groß in Mode.

Der damals 38-jährige Mateschitz war fasziniert von der Tatsache, dass ein Unternehmen mit so einem Produkt größter Steuerzahler Japans werden konnte – immerhin war das Land der aufgehenden Sonne damals die zweitgrößte Volkswirtschaft der Erde. Dahinter musste also eine gigantische Gewinnspanne stecken und diese Erkenntnis brachte das Blut des Blendax-Managers in Wallung: »Von da an habe ich den Markt beobachtet und alle erhältlichen Drinks dieser Art gekostet«, erinnerte sich Mateschitz 1994. Gemeinsam mit anderen Außendienstkollegen habe er regelrechte Energydrink-Partys veranstaltet, bei denen die aufputschenden Säfte im Selbstversuch verkostet worden seien: »Die Wirkung war sensationell. Sogar nach einem 18-Stunden-Flug fühlte man sich sofort wieder wohl.«

Der Sprung in die Selbstständigkeit

In dieser Zeit führte eine Geschäftsreise Mateschitz zu einem thailändischen Franchise-Partner des Unilever-Konzerns, zum Kosmetikunternehmen T. C. Pharmaceutical Industries Ltd. Dieses erzeugte nicht nur Zahnpaste, sondern füllte auch einen Tonic-Drink mit aufputschenden Zutaten ab, der von den Inhaltsstoffen her an Lipovitan angelehnt war und sich vor allem bei Lastwagenfahrern und Reisbauern großer Beliebtheit erfreute. Das Getränk hieß Krating Daeng, was auf Thailändisch nichts anderes bedeutet als roter Stier. Mateschitz, fasziniert vom Produkt Energydrink, brachte in Bangkok bei seinen Verhandlungen über Zahnpasten das Thema auf die Tagesordnung.

Nach ersten Vorgesprächen traf er die Eigentümer, den chinesischstämmigen thailändischen Chemiker und Geschäftsmann Chaleo Yoovidhya (1931–2012) und dessen Sohn Chalerm (* 1950), und erwarb 1984 die Lizenz zum Vertrieb von Krating Daeng außerhalb Asiens. Mateschitz übersetzte den Namen des Produkts ins Englische und gründete gemeinsam mit der Familie Yoovidhya die Red Bull Trading GmbH, in die beide Partner je 500.000 Dollar einzahlten. Bereits damals war also klar, dass sich Red Bull zu einem Handels- und Marketing-Unternehmen und keinesfalls zu einem Produktionsbetrieb entwickeln sollte. 1985, im Alter von 41 Jahren, kündigte der Steirer seinen gut dotierten Job bei Unilever und wagte damit den Sprung in die Selbstständigkeit.

An deren Beginn stand eine Kreativphase, die Mateschitz fast ruinierte. In dieser Zeit verdiente der in Deutschland lebende Auslands-Österreicher nicht nur keine müde Mark, sondern musste für seine damaligen Verhältnisse auch ein wahres Vermögen ausgeben: Einerseits galt es, das ursprüngliche Rezept von Krating Daeng an den europäischen Geschmack und Markt anzupassen. Dafür waren zahlreiche Laborversuche notwendig. Am auffälligsten ist die Zugabe von Kohlensäure, die wesentlichen Inhaltsstoffe jedoch blieben gleich, es änderte sich lediglich das Mischungsverhältnis. Andererseits ließ Mateschitz ein Marketing-Konzept entwickeln, das einen erfolgreichen Markteintritt ermöglichen sollte – mehr dazu später. In dieser Phase investierte der Neo-Unternehmer seine gesamten Ersparnisse: 350.000 Euro (5 Millionen Schilling) – ein Betrag, der für seine heutigen Verhältnisse geradezu rührend ist. Das Geld war, wie die Gegenwart zeigt, ideal angelegt.

Sitz der Red Bull Trading GmbH war ursprünglich Wiesbaden, da Mateschitz damals in Deutschland lebte. Allerdings fand der Jungunternehmer wenig Unterstützung in seiner Wahlheimat: Die verschiedenen europäischen Rechtssysteme kannten die Kategorie eines Energydrinks noch nicht, Mateschitz musste also die europaweit erstmalige Zulassung für eine neue Art von Genussmittel erwirken. Die Behörden in Deutschland hätten sein Ansuchen um Genehmigung wie einen unsittlichen Antrag behandelt, ärgerte sich der Red-Bull-Gründer später des Öfteren. Als nach mehr als einem Jahr des Zuwartens noch immer kein Ende des Behördenverfahrens in Sicht war, packte Mateschitz in Wiesbaden entnervt seine Koffer und ging nach Österreich. Es ist also der deutschen Bürokratie zu verdanken, dass Red Bull heute ein österreichisches Unternehmen ist.

Österreich am Beginn der »Welttournee«

Ende 1986 kam Mateschitz zurück nach Österreich. Als neuen Unternehmenssitz wählte er Salzburg. Zum einen hatte sich der Red-Bull-Gründer hier schon immer gerne aufgehalten, zum anderen war die Mozartstadt als Verkehrsdrehscheibe im Zentrum Österreichs und mit guter Anbindung nach Deutschland ein idealer Standort. Red Bull siedelte sich in der Alpenstraße an. Dort, im Süden der Stadt, reiht sich heute ein Firmengebäude an das andere, Mitte der Achtzigerjahre war der Stadtteil gerade erst im Entstehen. Zehn Jahre später zog das Unternehmen nach Fuschl am See um. In diesem 1400-Einwohner-Dorf am Ufer eines kalten und glasklaren Bergsees inmitten des Salzburger Teils des weltberühmten Salzkammerguts befindet sich noch heute die Weltzentrale des Energydrink-Konzerns.

Auch in Österreich musste erst eine Zulassung erwirkt werden, allerdings war schon einiges an Vorarbeit geleistet. Als Grundlage für die Genehmigung musste Mateschitz eine umfangreiche Produktdokumentation vorlegen. Diese enthielt ein toxikologisches Gutachten, weiters Unbedenklichkeitserklärungen von verschiedenen Lebensmittelexperten, eine exakte Spezifikation aller enthaltenen Rohstoffe sowie Stellungnahmen von Ärzten, Chemikern, Apothekern und Juristen. Dieses langwierige Ringen mit den verschiedenen Behörden ist wohl der Hauptgrund für die Abneigung gegenüber allen bürokratischen Hemmnissen, die Mateschitz gerne vor sich herträgt.

Am 1. April 1987 war es dann endlich so weit: Red Bull durfte in Österreich verkauft werden. Die Alpenrepublik war zwar nur eine Ausweichstation, bot jedoch einen Riesenvorteil: Hier konnte Mateschitz sein Marketing-Konzept in überschaubarem Rahmen testen, bevor er sich anschickte, größere Länder zu erobern. Die Geschichte von Red Bull drohte übrigens anfangs eine ganz kurze zu werden. Der Verkauf wollte nämlich nicht so recht anspringen. Mateschitz lieferte sein Getränk selbst palettenweise aus, um es für Werbezwecke kostenlos unter die Leute zu bringen. In dieser Zeit ging es dem Unternehmen und seinem Gründer finanziell sehr schlecht. Einzig die kleine Privatbank Spängler glaubte an das Produkt und das dahinterstehende Konzept und ließ Mateschitz nicht fallen. Heute ist das Salzburger Bankhaus eines der wenigen Unternehmen, das mit Red Bull als Referenzkunden werben darf.

Red Bull begann erst zu florieren, als Barkeeper und Diskotheken-Betreiber davon überzeugt werden konnten, dass es als Bestandteil von neuen Mixgetränken geeignet war. »Koks für Arme« wurde der Energydrink damals bisweilen genannt. Offiziell durfte das Unternehmen diese Linie natürlich nicht vertreten. Noch 1993 fanden Prüfer der Lebensmittelaufsicht in Salzburg offiziell »keine Hinweise« darauf, dass alkoholische Mixgetränke mit Red Bull angeboten würden. Die Beamten räumten aber ein, solche Cocktails seien »bekannt«.

Trotz der Startschwierigkeiten konnten im ersten Jahr bereits mehrere Hunderttausend Dosen verkauft werden. 1988 stieg die Zahl auf 1,2 Millionen an, 1989 auf 1,7 Millionen. Der Umsatz lag 1987 bei 11 Millionen Schilling (knapp 800.000 Euro). Das klingt zwar für ein Unternehmen im ersten Jahr seiner operativen Tätigkeit nicht schlecht, allerdings wurden im gleichen Zeitraum 14 Millionen Schilling (rund 1 Million Euro) ausgegeben – vor allem für Werbung. Erst im dritten Jahr schaffte Red Bull den Break-even-Point. Seitdem benötigen die Buchhalter keinen Rotstift mehr. Alle folgenden Markteintritte finanzierte der spätere Weltkonzern ausschließlich mit Eigenkapital.

Red Bull ist – ganz nebenbei erwähnt – eine völlig untypische österreichische Erfolgsgeschichte. Zum einen pflegen Erfinder, und zu dieser Gruppe ist Mateschitz im weiteren Sinn zu zählen, hierzulande erst nach ihrem Tod anerkannt und geehrt zu werden. Zum anderen feierten rot-weiß-rote Unternehmen in der Vergangenheit Erfolge vor allem mit Produkten, in denen ausgefeilte Technik steckte. Österreich war vor Mateschitz stets ein Land der Ingenieure und nicht der schlauen Kaufleute.

Mit seinem Schritt in die Selbstständigkeit ging Mateschitz auch ein großes persönliches Risiko ein: »Wenn die Sache schiefgegangen wäre, würde ich heute unter einer Brücke schlafen«, sagte er einmal. Das wirtschaftliche Risiko lag also von Anfang an ausschließlich bei ihm. Die thailändischen Partner brachten außer ihrer Marke und für sie lächerlichen 500.000 Dollar Startkapital nichts in das Unternehmen ein. Daraus erklärt sich auch, warum sie in weiterer Folge so wenig Einfluss auf die Entwicklung von Red Bull nahmen.

Die einzige finanzielle Unterstützung während der dreijährigen Anlaufphase erhielt Mateschitz ausgerechnet vom deutschen Finanzamt: Dieses zahlte damals Jungunternehmern, deren Geschäft nicht so recht anspringen wollte, einen Teil jener Lohnsteuer zurück, die noch im Angestelltendasein eingehoben worden war. Ein Treppenwitz der Wirtschaftsgeschichte: Die deutsche Bürokratie hatte Mateschitz aus dem Land getrieben, während der deutsche Fiskus den Aufbau des Unternehmens mitfinanzierte.

Red Bull »verleiht Flüüügel«

In den drei Jahren zwischen der Unternehmensgründung und der Zulassung des Produkts machte Mateschitz gründlich seine Hausaufgaben: Er arbeitete eine Marketing-Strategie aus, die den späteren Durchbruch ermöglichte. Von Anfang an war für den Jungunternehmer klar, dass er sein Getränk als High-end-Produkt im obersten Preissegment positionieren wollte. Denn nur so waren jene sensationellen Gewinnspannen möglich, die Taisho Parmaceutical zum größten Steuerzahler Japans gemacht hatten. Gefragt war damit Werbung in ihrer höchsten Vollendung. Schließlich sollte Red Bull sauteuer werden, dabei war es ein neues Produkt, für das es noch nicht einmal einen Markt gab. Es galt also, zuerst den Bedarf zu schaffen: Den potenziellen Kunden musste erklärt werden, warum sie Red Bull, das sie bis dahin nicht gekannt hatten, nun unbedingt brauchten. Dazu griff der Neo-Unternehmer Mateschitz auf seinen ehemaligen Studienkollegen Johannes »Hansl« Kastner zurück: »Kastner war ein pfiffiger Bursche, das habe ich gewusst. Der ist wie ich ein Perfektionist. Als Team sind wir daher unschlagbar.« Der gebürtige Lienzer Kastner war so wie Mateschitz nach dem Studium ins benachbarte Deutschland gegangen und hatte sich dort mit der Werbeagentur Kastner & Partner selbstständig gemacht. Das Unternehmen war bereits zur Zeit der Red-Bull-Gründung in einer umgebauten Scheune unweit der Startbahn West des Frankfurter Flughafens untergebracht. Damit befand es sich auch in geografischer Nähe zur neuen Red Bull Trading GmbH, die ihren Sitz anfangs ja in Wiesbaden hatte.

Kastner spielt im Zusammenhang mit dem steilen Aufstieg von Red Bull eine zentrale Rolle: Aus seiner Feder stammen der Slogan »Red Bull verleiht Flüüügel« und die dazugehörige Kampagne mit den frischen und frechen Comic-Spots. Red Bull sollte von Anfang an anders sein, auch in der Vermarktung. Allerdings hat es in der Werbung schon fast alles einmal gegeben. So erinnert die Linie mit den Comic-Spots an das »HB-Männchen« Bruno, mit dem der britische Tabak-Konzern BAT von 1957 bis 1984 im Fernsehen seine Zigarettenmarke HB bewarb. Während sich Bruno am Ende jedes Spots mit einer HB beruhigte, ließ Kastner seine Protagonisten immer mit Red Bull abheben. Auch in der Bildsprache ähnelt die Red-Bull- der HB-Werbung.

Wie auch immer: »Der Hansl ist der kreative Vater von Red Bull«, sagte Mateschitz später einmal. Als er zum ersten Mal mit seinem neuen Produkt in Kastners Agentur vorstellig wurde, soll dieser das Potenzial sofort erkannt haben: »Konsequent verfolgt, musste die Idee zum Erfolg führen. Das sagt einem der gesunde Menschenverstand«, meinte Kastner später einmal im Wirtschaftsmagazin Brand eins. Ein starker Spruch, der sich im Nachhinein leicht klopfen lässt. Irgendwie erinnert er aber doch ein wenig an das sprichwörtliche Lottospiel am Montag nach der Ziehung: Wie viele haben nicht schon sechs Richtige getippt, nur leider vergessen, den Wettschein aufzugeben?

Einfach war die Geburt der Kampagne jedenfalls nicht, wie Kastner und sein Partner Thomas Grabner einmal dem PR-Fachmagazin Extradienst verrieten. Kastner wäre beinahe an seinem ehemaligen Studienkollegen verzweifelt: Eineinhalb Jahre lang arbeitete er Vorschlag um Vorschlag aus – in Summe an die fünfzig. Mateschitz verwarf sie alle. Kastner wollte schon alles hinschmeißen: »Wir müssen uns trennen, um weiter Freunde bleiben zu können«, soll er gesagt haben. »Ich war kaputt und leer und ich wusste nicht mehr weiter. Mir fiel nichts mehr ein und ich sah keine Möglichkeit, wie ich mit dem Didi zusammenkommen sollte.« Partner Grabner ergänzt: »Mateschitz will immer das Absolute. Der glaubt bis ans Ende seiner Tage an sein Produkt, und er glaubte eben, dass die bisher vorgelegten Strategiepläne nicht zum Ziel führen würden. Die Zeit war für beide ganz schwierig – und unser Boss wusste nicht mehr weiter.«

Was war das Problem? Kastner: »Wer Red Bull schluckt, der wird verdammt stark. So haben wir uns das ja auch immer gedacht – nur die richtigen Worte waren nicht gefunden.« Die zündende Idee kam mitten in der Nacht: »Red Bull verleiht Flüüügel!« – später wurde der Satz mit »Red Bull gives you wings« ins Englische übersetzt. Kastner holte Mateschitz telefonisch aus dem Schlaf. Dieser war sofort hellwach und segnete den Slogan mit einem einfachen »das passt« ab.

Kleine Anekdote am Rande: Am Anfang seiner Unternehmertätigkeit hatte der Red-Bull-Gründer kein Geld, um seinen Werbeprofi zu bezahlen. Daher half er in dessen Agentur als freier Mitarbeiter aus. Kastner und Mateschitz erarbeiteten sieben Kunden-Präsentationen, die jedoch allesamt abgelehnt wurden. Kastner führte das später einmal schmunzelnd auf die zu »100 Prozent kompromisslosen, konsequenten Vorschläge« zurück.

Zurück zu Red Bull: So wie das Produkt erreichte auch die Werbelinie rasch Kultstatus. In den Jahren von 1993 bis 1995 gewann Kastner gleich dreimal in Serie einen österreichischen Staatspreis für Werbung. Dabei verstößt die Red-Bull-Werbung gegen viele Marketing-Regeln: »Der comicartige TV-Spot der Einführungskampagne macht sich mit absichtlich unbeholfenem Charme über den Effekt des Produkts lustig – bei jedem Markenartikel-Konzern ein sicherer Entlassungsgrund«, analysierte das Wirtschaftsblatt. »Selbstironisch, nonkonformistisch, smart und rebellisch«, beschreibt Kastner sein Konzept. »Manche sagen, da ist wohl viel von unserer eigenen Persönlichkeit eingeflossen.«

Als die Kampagne 1987 startete, gab es aber nicht nur allgemeines Schmunzeln und viel Anerkennung, sondern auch Aufregung: Einige streng konservative Katholiken sahen ihre Gefühle verletzt, weil Kastner in einem Werbespot einen Priester fliegen ließ. Der Werbeprofi nahm die Kritik mit Humor und wies mit einem Augenzwinkern jeden religiösen Zusammenhang zurück: »Auch wenn ich aus dem heiligen Land Tirol komme, die Geschichte mit dem Verleihen von Flügeln hat mit Gott nichts zu tun gehabt.« Diskussionen wie diese schadeten aber weder der Kampagne noch dem Produkt – im Gegenteil: Was konnte Mateschitz Besseres passieren, als dass sein Getränk auch im übertragenen Sinn in aller Munde war?

Erste Schritte ins Ausland

Fünf Jahre lang backte Mateschitz in Österreich vergleichsweise kleine Brötchen. 1992 begann er mit Red Bull den ersten ausländischen Markt zu erobern, und zwar Ungarn. Im März 1994 ließ dann das Bundesgesundheitsamt in Berlin Red Bull endlich auch für den deutschen Markt zu. Damit wurde Mateschitz zu einem der ersten großen österreichischen EU-Profiteure. Möglich wurde die Genehmigung nämlich nur über einen Umweg: Red Bull schaffte es, in Großbritannien erlaubt zu werden. Die Insel hatte man zwar vorerst noch nicht im Visier, das EU-Recht legte aber die Schienen für die Zulassung in Deutschland. Praktisch tags darauf machte sich die Red Bull GmbH daran, jenen Markt zu erobern, auf dem sie eigentlich heimisch hatte werden wollte.

Den Vertrieb übernahm die zum Oetker-Konzern gehörende Sektkellerei Henkell & Söhnlein aus Wiesbaden, wo Red Bull seinen ersten Firmensitz hatte. Diese Partnerschaft sollte bis Mai 2003 dauern, ihr Ende bescherte der Kellerei eine veritable Krise. Eineinhalb Jahre lang versuchte die Deutschland-Tochter von Red Bull den Vertrieb selbst zu organisieren, war dabei aber nicht so erfolgreich, wie sich das Mateschitz vorgestellt hatte. Im November 2005 wurde daher mit der Warsteiner Gruppe eine neue Vertriebspartnerschaft geschlossen.

Zurück in die Neunzigerjahre: Deutschland wurde praktisch im Sturm genommen, und spätestens Mitte 1994 tat es dem hessischen Finanzminister leid, dass seine Politikerkollegen in Berlin und deren Beamte Mateschitz aus dem Land getrieben hatten. Getrunken war Red Bull in Deutschland freilich schon lange vor der Genehmigung worden: Die Dosen wurden im großen Stil von Österreich in das benachbarte Bayern geschmuggelt. Der Energydrink des Dietrich Mateschitz ist ein Produkt, bei dem Image die zentrale Rolle spielt. Durch die illegale Einfuhr nach Deutschland wurde er zusätzlich mit dem Reiz des Verbotenen aufgeladen und damit noch kultiger. Auch haarsträubende Gerüchte, wie das Getränk enthalte einen Extrakt aus Stierhoden oder Stiersamen oder werde heimlich mit Amphetaminen angereichert, heizten die Nachfrage an. Schon vor dem Beginn der Werbekampagne in Bayern kannten 60 Prozent aller Münchner die Marke Red Bull. Das Unternehmen tat nichts, um diesen skurrilen Gerüchten entgegenzutreten. Wie dozierte Mateschitz einmal:

»Das Gefährlichste für ein Markenprodukt ist geringes Interesse.«

In den ersten drei Monaten der legalen Marktpräsenz wurden 33 Millionen Dosen verkauft. »Es läuft noch besser, als wir es uns erwartet haben«, sagte der damalige Deutschland-Verkaufsleiter in der Wirtschaftswoche. Mehr war auch gar nicht möglich: Die Dosenfabriken, die Red Bull belieferten, kamen mit der Produktion nicht nach. Im Herbst 1994 fiel daher die Auslieferung für drei Monate aus. Dennoch peilte der Energydrink-Konzern im Jahr 1994 seine erste Umsatzmilliarde an – damals natürlich noch in Schilling. Dieser Betrag entspricht 70 Millionen Euro – eine für heutige Red-Bull-Verhältnisse bescheidene Summe: Zehn Jahre später waren allein die jährlichen Gewinne fünf- bis sechsmal so hoch. 1994 bedeuteten 70 Millionen Euro aber gegenüber dem Jahr zuvor eine Verdreifachung des Umsatzes.

Der Erfolg in Deutschland war zwar unerwartet groß, Red Bull hatte aber von Anfang an hoch hinausgewollt. Das Marketing-Budget betrug für das erste Jahr auf dem neuen Markt 15 Millionen Mark (7,5 Millionen Euro) und war für die damaligen Verhältnisse sensationell hoch. Dennoch lächelten selbst ernannte Experten milde, als Mateschitz und sein Werbeprofi Kastner von 400 Millionen Dosen sprachen, die sie dereinst in Deutschland pro Jahr verkaufen wollten. Mitbewerber wie Flying Horse glaubten noch, den Kampf um die Marktführerschaft langfristig gewinnen zu können: »Red Bull hat einen Bedarf geschaffen. Befriedigen können den auch andere.« Und Coca-Cola verstieg sich sogar zu der Aussage, Red Bull versuche die legendäre schwarze Brause zu kopieren. »Wir sind nun mal die Größten. Kein Wunder, dass sich kleine Mitbewerber an uns orientieren«, sagte der damalige Sprecher der Coca-Cola Deutschland GmbH. Später sollte Red Bull seinem Konkurrenten Coca-Cola sogar in dessen Heimatland USA im Bereich der zuckerfreien Softdrinks den Rang ablaufen.

Für den Transport der Dosen nach Deutschland war die Salzburger Spedition Quehenberger verantwortlich. Deren damaliger Eigentümer Rudolf »Rudi« Quehenberger war auch Präsident des damals international erfolgreichen Fußballklubs Austria Salzburg. Elf Jahre später übernahm Mateschitz den nun von der Pleite bedrohten Traditionsverein und benannte ihn in FC Red Bull Salzburg um – mehr dazu später.

Parallel zu Deutschland wurde ab Oktober 1994 Red Bull auch in der Schweiz eingeführt. Die Eidgenossen hatten noch im Jahr zuvor ein Einfuhrverbot verhängt, das sie nach neuerlicher Prüfung und der Zulassung in Deutschland aufhoben – allerdings nur widerwillig: »Hinsichtlich der Zweckbestimmung und den damit verbundenen Anpreisungen« bestünden »nach wie vor begründete Zweifel«, ließ die Eidgenössische Ernährungskommission verlauten. Auch in der Schweiz hatte es vor der Zulassung einen regen Schwarzmarkt für Red Bull gegeben.

Trotz aller Erfolgsmeldungen: Eine kleine Wachstumsdelle gab es in den ersten Jahren aber doch. 1989 führte Mateschitz das Limonadengetränk Red Rooster ein – ein Gemisch aus Ahorn- und Zitronensirup. Der rote Hahn erwies sich aber im Gegensatz zum roten Stier als flügellahm und brachte Verluste im Millionen-Schilling-Bereich. Kritische Beobachter von Red Bull sehen darin eine Parallele zur Marke Carpe Diem, mit der Mateschitz ab 1997 versuchte, eine zweites Getränke-Standbein zu schaffen.

2. Weltweiter Marktführer

Der weltweite Durchbruch kam Ende der Neunzigerjahre. Noch 1996 lag Red Bull auf der Liste der umsatzstärksten österreichischen Marken nur auf Rang 46! Erst ab 1997 begann der Konzern dann quasi im Monatsrhythmus neue Märkte zu erobern, die Umsätze kletterten in schwindelerregende Höhen. Besonders steil ging es 1999 bergauf. Gegenüber dem Jahr zuvor – schon dieses hatte ein Rekordergebnis gebracht – konnte der Umsatz mehr als verdoppelt werden. Weil das Jahr 2000 fast ähnlich erfolgreich war, kürte das Wirtschaftsmagazin trend Mateschitz zum ersten Mann des Jahres im neuen Jahrtausend.

Die späten Neunzigerjahre waren auch die Zeit, in der sich das 1991 erfundene World Wide Web wirklich weltweit durchsetzte. Die zeitliche Parallele zu Red Bull ist kein Zufall: Im Big Business der Dot-Coms dominierten dynamische, schicke Frauen und Männer, die immer jung zu sein und vor allem immer zu gewinnen schienen. Red Bull passte dazu wie der Deckel auf den Topf: Es wurde das Getränk zum Lebensgefühl, zum scheinbar ewigen wirtschaftlichen Aufstieg – schließlich versprach der Slogan doch, dass es Flügel verleihe. Im Frühling 2000 platzte dann die Internetblase an den internationalen Börsen. Red Bull aber blieb auf dem Markt und mutierte vom Aufputschgetränk zum Mittel gegen Katerstimmung und Mateschitz verkaufte jährlich mehr und mehr Dosen.

2018 setzte Red Bull die unglaubliche Zahl von 6,79 Milliarden Dosen ab, der Umsatz betrug 5,5 Milliarden Euro. Der Konzern sprach vom bisher erfolgreichsten Jahr der Geschichte. „Absatz, Umsatz, Produktivität und Betriebsgewinn konnten weiter gesteigert werden.“ Davor hatte es von 2016 auf 2017 einen Umsatzeinbruch von etwas mehr als sechs Milliarden Euro auf 5,3 Milliarden Euro gegeben, der weder kommuniziert noch erklärt wurde, und für den es wahrscheinlich bilanztechnische Hintergründe gibt. Seit dem Markteintritt wurden bis Erscheinen dieses Buches mehr als 75 Milliarden Dosen verkauft. Es klingt unglaublich, ist aber wahr: Seit seiner Gründung konnte der Energydrink-Konzern bis auf das Jahr 2009, in dem es wegen der 2008 ausgebrochenen Finanzkrise einen weltweiten Einbruch in allen Branchen gab, jedes Jahr einen neuen Absatzrekord feiern. Für 2018 hieße das rein statistisch gesehen: Neun von zehn Erdenbürgen versuchen zumindest einmal im Jahr mit dem Energydrink aus Österreich abzuheben und zahlten dafür 99 Cent pro Dose direkt an den Mateschitz-Konzern! Das ist zwar ein fantastischer Erfolg, allerdings bleibt er hinter den offiziellen Erwartungen des ehrgeizigen Konzerngründers zurück. Der hatte nämlich noch 2007 erklärt, er wolle 2010 schon 6 Milliarden Dosen verkaufen. Diese Marke fiel aber erst mit Ende 2016.

Red Bull goes USA

Erhältlich ist Red Bull mittlerweile in 171 Ländern. Wichtigster Markt sind die USA, wo im langjährigen Schnitt rund ein Viertel aller Dosen verkauft werden. Dort wurde Red Bull 1997 eingeführt, als Experimentierfeld diente Kalifornien – die Wahlheimat des berühmtesten Auslands-Österreichers und steirischen Landsmannes von Mateschitz, Arnold Schwarzenegger. Von der Westküste aus tastete sich die Marke nach Osten vor: Im Jahr 2005 schaffte sie es zum ersten Mal, sich bei den Energydrinks einen Marktanteil von 50 Prozent zu sichern, und Red Bull Sugarfree überholte die Light-Versionen von Coca-Cola und Pepsi-Cola. Angesichts dieses Erfolges machten 2006 Gerüchte die Runde, Pepsi