KHG Die Grasser-Story - Wolfgang Fürweger - E-Book

KHG Die Grasser-Story E-Book

Wolfgang Fürweger

0,0

Beschreibung

Karl-Heinz Grasser: vom beliebtesten Politiker Österreichs und Wunsch-Schwiegersohn tausender Mütter zum Buhmann. Dieses Buch schildert das Leben des KHG - von seinen politischen Anfängen in der Kärntner Landespolitik über seine Zeit als Finanzminister bis zu den aktuellen brisanten Anklagen. Außerdem kommen Weggefährten und prominente Beobachter wie Peter Westenthaler, Franz Vranitzky, Peter Pilz oder Florian Scheuba ausgiebig zu Wort.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 244

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Wolfgang Fürweger

KHG

Die Grasser-Story

Inhalt

EINLEITUNG: Zu jung, zu schön, zu intelligent

TEIL I: Die Karriere des Karl-Heinz Grasser

Interview: Peter Westenthaler über KHG

1. Der Shootingstar

2. Der Finanzminister

3. Der Fondsmanager

Interview: Heinz-Christian Strache über KHG

TEIL II: Die Affären des Karl-Heinz Grasser

Interview: Peter Pilz über KHG

4. Die Homepage-Affäre

5. Die Buwog-Affäre

6. Die Eurofighter-Affäre

7. Der Steuersünder

8. Plagiatsvorwürfe

Interview: Florian Klenk über KHG

TEIL III: Das Leben des Karl-Heinz Grasser

Interview: Florian Scheuba über KHG

9. Das Netzwerk des KHG

10. Wie Karl-Heinz Grasser tickt

11. KHG und die Frauen

12. Die Wohnsitze des Glamour-Paares

Interview: Franz Vranitzky über KHG

EPILOG: Willkommen im Land der Diebe?

Lebenslauf

Personenregister

EINLEITUNG

Zu jung, zu schön, zu intelligent

Als Karl-Heinz Grasser mit seiner Lebensgefährtin Fiona Swarovski erscheint, bricht rund um die beiden ein Blitzlichtgewitter und Gedränge der Fotografen und Kameraleute los, wie man es sonst nur bei Showstars vom Kaliber eines Thomas Gottschalk oder später bei Opern-Göttin Anna Netrebko und ihrem Herzkönig Erwin Schrott erlebt. »Einmal zu mir schauen, bitte!« »Hierher, hierher!!!« »Und jetzt zu mir!« Die beiden beweisen auch wirklich Geduld und blicken die Front der Fotografen brav von links nach rechts und von rechts nach links ab. Auf dass ja jeder ein Foto bekommt, auf dem sie direkt in die Kamera lächeln. – Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich bei den Salzburger Festspielen 2005 vor der Premiere von »La Traviata« einen Auftritt des damaligen Superstars der heimischen Innenpolitik und seiner glitzernden Partnerin erlebte. Und ich weiß auch noch, wie ich 1997 als damals blutjunger Redaktionsaspirant in einem Salzburger Altstadthotel den damaligen Kärntner Landeshauptmann-Stellvertreter Grasser zum ersten Mal bei einer Pressekonferenz erlebte und mich fragte: »Wie kann ein junger Mann, der kaum älter ist als ich, sich so anziehen und so tun, als wäre er ein alter Hase? Das passt doch nicht zusammen.«

»Der gut aussehende Kärntner gilt als Medienprofi, der seine Popularität mit den Mitteln des Boulevards geschickt zu steigern verstand«, schrieb Der Spiegel einmal über Karl-Heinz Grasser. Dieser hat in den vergangenen knapp 20 Jahren eine rasante und erstaunliche Entwicklung durchgemacht: Vom Mitglied in Jörg Haiders »Buberlpartie« wurde er rasch zum Jungstar der Politik. Als Finanzminister wurde er in neoliberalen Kreisen wie ein Guru und Heilsbringer bejubelt und spätestens in dieser Funktion auch zum Wunsch-Schwiegersohn Zehntausender Österreicherinnen. Die Boulevard- und Klatschmedien liebten ihn – allen voran: Österreichs größte Zeitung, die Krone, die noch immer die Macht hat, mit ihren Kampagnen Wahlen zu beeinflussen. Mit dem Beginn der Beziehung zu Kristall-Erbin Fiona Swarovski vollzog sich allmählich der Wandel vom Feschak aus Kärnten zum durchgestylten Metro-Mann.

Und schließlich wurde Grasser nach seinem Ausscheiden aus der Politik zuerst zum Society-Löwen und Manager und dann zu jenem Buhmann, den viele am liebsten hinter Gittern sehen würden. »Wann geht der Karl-Heinz endlich in Häfn?«, singen etwa die Wiener Liedermacher Christoph & Lollo auf ihrer CD Tschuldigung. Und Grasser wurde auch zum Kasperl, über den halb Österreich lacht, was er sich mit patscherten Auftritten vor allem selbst zuzuschreiben hat. Schließlich war er es selbst und niemand anderer, der zur Verteidigung seiner Person gegen all die negativen Berichte über mögliche Verwicklungen in Skandale in einer TV-Diskussion jenen berühmten Fanbrief vorlas, laut dem er zu jung, zu schön, zu intelligent, zu erfolgreich sei und daher im Kreuzfeuer der Kritik stehe. Sein schlechter Ruf eilt ihm mittlerweile über die Staatsgrenzen hinweg voraus. So bekam KHG auch in der Süddeutschen Zeitung sein Fett ab: »In Österreich ist der Mann längst zu einem Symbol geworden – für einen Teil der politischen Klasse, der stets den Weg des geringsten Widerstandes sucht, der immer nur auf den eigenen Vorteil bedacht ist, der öffentliche Ämter schamlos für Privates ausnutzt und der für nichts, aber auch für gar nichts zur Verantwortung gezogen werden kann. Er ist so etwas wie der österreichische Silvio Berlusconi.«

»Nicht überall, wo ein Skandal ist, ist ein Grasser drin.« Kaum ein Satz könnte die Stimmung in der jüngeren Vergangenheit gegenüber KHG besser zum Ausdruck bringen als jener seines Rechtsanwalts Manfred Ainedter. Entschlüpft ist ihm die denkwürdige Aussage in einem Interview mit der Zeit im Bild Anfang 2010. Damals hatte das Wirtschaftsmagazin Format berichtet, Grasser habe während seiner Zeit als Finanzminister Ende 2006 einen Genussschein der skandalgebeutelten Pleitebank Hypo Alpe Adria im Wert von 500.000 Euro gezeichnet und damit einen satten Gewinn erzielt. Ainedter hat natürlich recht: Grasser ist nicht an jedem Skandal beteiligt. Dennoch liest sich dieses Buch über den ehemaligen Politiker, Manager und Society-Liebling wie eine Chronik der großen österreichischen Politikaffären der vergangenen zehn Jahre: Buwog-Privatisierung, Eurofighter-Affäre, Pleite der Hypo Alpe Adria und Meinl-Affäre – nicht immer, aber immer öfter ist ein Grasser drin oder zumindest dabei. Und dabei ist er als ehemaliger Minister nicht allein. Mittlerweile hat die Justiz vier seiner Ex-Regierungskollegen im Visier: Ex-Innenminister Ernst Strasser (ÖVP), Ex-Vizekanzler Hubert Gorbach, Ex-Verkehrsminister Mathias Reichhold und Ex-Verteidigungsminister Herbert Scheibner (FPÖ/BZÖ).

Angesichts der Fälle, in denen es zum Teil um Milliarden Euro geht, nehmen sich Skandale und Skandälchen wie eine Förderung der Industriellenvereinigung für eine Grasser-Bejubelungs-Homepage, der schnelle Aufstieg einer sitzengelassenen Verlobten, ein paar Tausend vergessene Euro in der Steuererklärung oder der Transport von 500.000 Euro in bar über die Staatsgrenze geradezu als rührend aus. Die FPÖ habe die »Kunst der Staatskorruption zu neuen, ungeahnten Höhen geführt«, ätzte der Innenpolitik-Chef der Salzburger Nachrichten Andreas Koller einmal. Er meinte damit nicht nur, aber vor allem auch das System Grasser. Skandale pflastern seinen Weg – könnte man in Anlehnung an den legendären Italowestern »Leichen pflastern seinen Weg« mit Klaus Kinski sagen. Es ist dies einer der wenigen Streifen, in denen am Ende der Böse zufrieden von dannen reitet, nachdem er alle Guten umgebracht hat.

Ob Grasser am Ende mit seiner Fiona im Arm in den Sonnenuntergang jettet – ja, ob er überhaupt der Böse ist, für den ihn viele halten, wird die Zukunft zeigen. Inzwischen gilt die Unschuldsvermutung gemäß Paragraf 7b des heimischen Mediengesetzes. Das ist an dieser Stelle nicht als leere Floskel oder gar bissige Ironie gemeint, wie sie in manchen Zeitungen und Magazinen zu lesen war, sondern wörtlich: Jeder Beschuldigte in einem Strafverfahren, und sei er noch so berühmt, reich, schön, intelligent oder erfolgreich, hat das Recht auf die beste Verteidigung und darauf, dass seine Schuld bewiesen werden muss und nicht er seine Unschuld beweisen muss.

Dieses Buch kann die verschiedenen Verdachtsfälle rund um KHG nicht aufklären. Wie sollte ich als einzelner Autor auch mehr zu leisten imstande sein als der gesamte Apparat der Justiz? Es fasst die einzelnen Aspekte der Affären zusammen und ordnet sie in einen Gesamtkontext ein. Und es zeichnet den beruflichen Weg und die wichtigen Stationen im Leben des Karl-Heinz Grasser nach. Nicht mehr und nicht weniger. Der Inhalt dieses Buches beruht auf der Durchsicht Tausender Meldungen, Berichte, Reportagen und Kommentare in Tageszeitungen, Magazinen und Agenturen, auf der Erfahrung aus mehr als 15 Jahren Journalismus, in denen ich auch an meinem Wohn- und Arbeitsplatz Salzburg unmöglich an Grasser vorbeikommen konnte, auf zahlreichen Hintergrundgesprächen mit Journalistenkollegen, Politikern bzw. politischen Mitarbeitern und Vertretern der Wirtschaft. Und zu guter Letzt sollen prominente Wegbegleiter und Beobachter – Freunde und Feinde – des Karl-Heinz Grasser zu Wort kommen, sodass sich am Ende ein rundes Bild über eine der bekanntesten und umstrittensten Personen der jüngeren österreichischen Geschichte ergibt.

Dass es in diesem Buch mehr Kritiker als Verteidiger gibt, ist nicht beabsichtigt, aber auch kein Zufall: Ich fand bis auf den ehemaligen FPÖ-Klubobmann im Parlament und langjährigen Grasser-Bekannten Peter Westenthaler niemanden, der für diesen Partei ergreifen wollte. Vor allem in der ÖVP scheint man peinlich darauf bedacht zu sein, am ehemaligen Finanzminister nicht mehr anzustreifen. Interview-Anfragen an mehrere führende ÖVP-Vertreter aus Grassers aktiver Politikzeit wurden entweder mehr oder weniger harsch abgelehnt oder erst gar nicht beantwortet. Natürlich hätte ich auch gerne Karl-Heinz Grasser selbst befragt und ihm die Chance gegeben, zu den Vorwürfen gegen ihn Stellung zu nehmen. Eine Interview-Anfrage hat der Ex-Minister aber nicht einmal beantwortet. – Dieses Buch sollte keine Anklage werden, wenn es eine geworden ist, so liegt das ausschließlich an den handelnden Personen.

Zum Schluss noch eine formale Feststellung: In den Affären rund um Karl-Heinz Grasser und seine Freunde tut sich laufend Neues. Weil nicht nur Zeitungen und Magazine einen Redaktionsschluss haben, sondern auch Verlage, kann dieses Buch nur die Entwicklungen bis zur Drucklegung Anfang November 2011 berücksichtigen.

Wolfgang Fürweger

Salzburg, Oktober 2011

TEIL I

Die Karriere des Karl-Heinz Grasser

Interview

»Er war einfach ein guter Finanzminister«

Der ehemalige FPÖ-Klubobmann im Parlament Peter Westenthaler über Karl-Heinz Grasser.

Es heißt, Karl-Heinz Grasser sei als Finanzminister innerhalb der Regierung sehr abgehoben gewesen und habe sich mit dem Nimbus des Superstars umgeben. Wie haben Sie die Zusammenarbeit mit ihm in der Bundesregierung erlebt? War er abgehoben?

PETER WESTENTHALER: Nein, überhaupt nicht. Ich kann nur das Beste sagen. Ich habe mit ihm zweieinhalb Jahre als Klubobmann der größeren Regierungsfraktion zusammengearbeitet. Unsere Zusammenarbeit war intensiv, engagiert und sehr erfolgreich.

Wolfgang Schüssel hat einmal gemeint, Karl-Heinz Grasser sei der beste Finanzminister aller Zeiten gewesen. Würden Sie diesen Satz heute noch unterschreiben?

PETER WESTENTHALER: Absolut! Mit seinen jungen Jahren hat er in einer der wohl schwierigsten Phasen einer Regierungsbildung wesentlich mitgeholfen und unmittelbar danach ein Nulldefizit erwirtschaftet. Vom Fachlichen her kann man ihm überhaupt keinen Vorwurf machen, weil er einfach ein guter Finanzminister war. Das zeigt auch der Kampf, den die Linke dieses Landes bis heute gegen ihn führt. Die Motivation, ihn so zu bekämpfen und so gegen ihn zu kampagnisieren, liegt ausschließlich darin, dass er einen sozialdemokratischen Finanzminister abgelöst und die SPÖ dieses Finanzministerium als Erbpacht gesehen hat. Und plötzlich kam da ein junger, aufstrebender Politiker, der dieses Amt übernahm, kein Sozialdemokrat war und es noch dazu hervorragend führte. Deswegen verfolgt man ihn bis zum heutigen Tag, weil man ihm das übel nimmt. An seiner Amtsführung ist überhaupt nichts auszusetzen.

Glauben Sie, geht es den von Ihnen angesprochenen Gegnern Grassers auch darum, die mögliche Neuauflage einer Koalition von ÖVP und FPÖ zu verhindern?

PETER WESTENTHALER: Selbstverständlich! Das ist das Trauma der Sozialdemokratie und zum Teil der Grünen auch noch Jahre danach: Eine schwarz-blaue Regierung hat besser regiert als eine große Koalition. Das war zumindest für die beiden ersten Jahre der Fall, in denen ich dabei war und es selbst miterleben durfte. Wir haben ja in diesen ersten beiden Jahren in etwa zwei Drittel des Regierungsübereinkommens abgearbeitet und wesentliche Reformen auf den Weg gebracht, die sogar politisch Andersdenkende in der Bevölkerung positiv bewertet haben. Und wir haben gezeigt, dass eine andere Konstellation in diesem Lande möglich ist und erfolgreich arbeiten und wirtschaften kann. Die Sozialdemokratie und die Grünen haben Angst davor, dass so etwas wieder kommt. Und deshalb versucht man diese Phase von damals systematisch, mit medialen Verbündeten und allem Aufwand, den man zu leisten vermag, madig zu machen. Es werden Bücher geschrieben, in denen die Vertreter der damaligen politischen Generation als Diebe dargestellt werden, die Volksvermögen vernichtet haben. Wenn man diese Zeiten hingegen nüchtern analysiert und eine Bilanz zieht, ist diese positiv. Es ist natürlich nicht alles gut gewesen, aber die Bilanz ist halt positiv.

Was waren aus Ihrer Sicht die ganz großen Verdienste des Karl-Heinz Grasser als Finanzminister?

PETER WESTENTHALER: Er hat ein Nulldefizit geschafft, was ihm bis zum heutigen Tage niemand mehr nachgemacht hat. Und das in einer schwierigen finanziellen Situation. Man darf nicht vergessen, dass wir damals keinen Aufschwung oder Hochkonjunktur, sondern konjunkturelle Schwierigkeiten hatten. Und das noch dazu in einem europäischen Umfeld, in dem uns die EU unter einen Glassturz gestellt hat. Man darf ja die EU-Sanktionen nicht vergessen. Trotzdem hat er dieses Nulldefizit zustande gebracht, ohne dass weite Teile der Bevölkerung zur Kasse gebeten wurden. Das war eine Meisterleistung. Und dann waren da auch noch zwei Steuerreformen, die die Bevölkerung um insgesamt drei Milliarden Euro entlastet haben. Dabei hatten wir von der sozialdemokratisch geführten Regierung ein Defizit und einen Schuldenberg übernommen, die eine einzige Katastrophe waren. Österreich war ja 1999 abgewirtschaftet aufgrund der jahrzehntelangen Führung durch die Sozialdemokratie. Es war eine schwarz-blaue Sanierungspartnerschaft, die wir gebildet haben, bei der Wolfgang Schüssel, Susanne Riess-Passer und Karl-Heinz Grasser an der Spitze standen.

Waren Sie persönlich böse oder enttäuscht von Grasser, als er die Seite zur ÖVP gewechselt hat?

PETER WESTENTHALER: Es obliegt jedem selbst, wie er sich politisch positioniert und was er beruflich macht. Also, ich war ihm persönlich sicher nicht böse. Es war aber mit Sicherheit eine Gratwanderung, die er mit dem Wechsel vollzogen hat. Das Angebot von Wolfgang Schüssel anzunehmen kann man kritisieren. Objektiv gesehen war es richtig, weil er eine weitere Periode Finanzminister war und für das Land arbeiten konnte. Und aus objektiver Sicht war es ja auch nicht Wolfgang Schüssel, der im Jahr 2002 die Wahl gewonnen hat. Eigentlich war es Karl-Heinz Grasser, der Wolfgang Schüssel und der ÖVP aufgrund seines Wechsels einen Riesenerfolg bescherte, weil er Tausende Wähler mitgenommen hatte.

Auch wenn Sie Karl-Heinz Grasser verteidigen: Es gibt in seinem Umfeld Dinge, die aufklärungsbedürftig sind. Etwa die Provision von 9,6 Millionen Euro im Zusammenhang mit der Buwog-Privatisierung. Kann man diese Dinge einfach wegwischen? Oder wurde er selbst von Personen aus seinem persönlichen Umfeld hintergangen?

PETER WESTENTHALER: Das kann ich nicht beurteilen, weil ich zu wenig nahe an der Sache war. Ich sehe nur die Fakten. Und diese sind: Auf der einen Seite gibt es seit mehreren Jahren eine Kampagne gegen den Ex-Minister, mit Vorwürfen, die schwerwiegend sind, mit politischen Intrigen, mit medialen Feldzügen gegen ihn. Auf der anderen Seite steht die Unbescholtenheit. Es gibt keine Anklage und derzeit keinerlei objektivierbare Vorwürfe durch die Justiz. Die Fakten sagen mir, dass Karl-Heinz Grasser trotz jahrelanger Verfolgung auch durch die Behörden nicht Gegenstand einer Anklage ist und meiner Einschätzung nach auch nicht sein wird. Es werden auch immer wieder Unterlagen sehr bewusst an die Öffentlichkeit getragen. Ich kann aber bisher nicht erkennen, dass es hier eine rechtliche Grundlage für irgendeinen Vorwurf gibt. Die Vorwürfe, die bisher artikuliert wurden, sind von politischer Art und Weise und vom politischen Gegner. Solange nicht das Gegenteil bewiesen ist, habe ich keinen Grund, an der Unschuld zu zweifeln. Das ist in diesem Land einfach so.

Halten Sie persönlich eine Rückkehr Grassers in die Politik für möglich?

PETER WESTENTHALER: Ich würde es ihm nicht raten, weil die Politik in diesem Land derartig verludert ist und vom Image her am Sand ist. Die Politik ist derzeit in der Gosse angelangt. Wer auch nur in die Politik gehen will, muss sich unredliches Verhalten vorwerfen lassen. Man kann daher nur jedem abraten, in die Politik zu gehen. Und ich glaube auch nicht, dass er Interesse an einer Rückkehr hat.

Man unterstellt Politikern immer wieder, sie würden in die Politik gehen, um sich selbst Vorteile zu verschaffen oder um abzukassieren. Was, glauben Sie, waren Grassers Beweggründe?

PETER WESTENTHALER: Karl-Heinz Grasser habe ich als Referent im Parlamentsklub kennengelernt, ich habe mit ihm Tür an Tür zusammengearbeitet. Er war wie wir alle einer der jungen aufstrebenden Riege, die politisch hochinteressiert und auch schon in jungen Jahren sehr talentiert war. Karl-Heinz Grasser hatte es aufgrund seiner Herkunft nicht notwendig, in die Politik zu gehen, damit er Geld verdient. Jeder hat damals gewusst und weiß es auch heute, dass man in der Politik nicht das Geld verdient, das man mit demselben Einsatz in der Privatwirtschaft verdienen kann. Es war vielmehr die Motivation, für das Land etwas zu machen und in der Politik einige Zeit lang etwas zu bewirken. Es war uns allen bewusst, dass man das nicht das ganze Leben machen kann. Ich hatte nie den Eindruck, dass Karl-Heinz Grasser aus anderen Motiven in die Politik gegangen ist.

1. Der Shootingstar

Im Juni 1987 waren Mama und Papa Grasser mächtig stolz: Ihr Sohn hatte soeben die Matura mit Auszeichnung bestanden. Und sie sollten weiterhin allen Grund haben, bewundernde Blicke auf ihren Karl-Heinz zu richten. Der absolvierte nämlich an der Universität Klagenfurt auch das Studium der Betriebswirtschaftslehre in der Mindestdauer von zehn Semestern. Bundesheer oder Zivildienst blieben dem Sohn aus wohlhabendem Hause erspart. Er wurde nämlich 1993 wegen eines Magenleidens auf Dauer für untauglich erklärt. Das sollte ihn aber weder bei seiner weiteren Karriere behindern, noch bei sportlicher Aktivität – wie die zahlreichen Bilder auf seiner späteren Homepage www.karlheinzgrasser.at bewiesen, die ihn beim Sport zeigten.

Grasser stammt aus einem stramm nationalkonservativen Haus. Seine Eltern waren der FPÖ und deren charismatischem Parteichef Jörg Haider immer zugetan gewesen und gehörten zur Kärntner Oberschicht. Da war es dann kein Zufall, dass Grasser 1992 Haider auch persönlich kennenlernte. Dieser umgab sich damals gerne mit gut aussehenden und politisch talentierten jungen Männern und erkannte auf Anhieb das Potenzial des frisch gebackenen Magisters.

VOM BUBI ZUM LANDESVIZE

Von da an ging es steil bergauf: Haider nahm den jungen Kärntner in seine »Buberlpartie« auf und machte ihn zum wissenschaftlichen Mitarbeiter und Fachreferenten für Tourismuspolitik im FPÖ-Nationalratsklub und bald darauf zu seinem persönlichen Grundsatzreferenten. Grasser verließ damals sein vertrautes Kärnten zum ersten Mal für längere Zeit und übersiedelte beruflich nach Wien, wo er auch heute seinen Lebensmittelpunkt hat. Im Parlamentsklub und an Haiders Seite leistete er so gute Arbeit, dass er bereits im August 1993 zum Geschäftsführer der freiheitlichen Akademie und neben Walter Meischberger und Herbert Scheibner zum dritten, gleichberechtigten Generalsekretär der Bundes-FPÖ ernannt wurde.

Meischberger hatte ursprünglich als Mineralöl-Händler und Pächter zweier Tankstellen sein Geld verdient. 1989 wurde er zuerst Bundesgeschäftsführer und dann Generalsekretär der FPÖ; er sollte das bis 1995 bleiben. Er kannte Haider bereits seit 1987 und gilt damit als »Ur-Buberl«. Scheibner stieß 1988 zur FPÖ, anfangs als Schulungsreferent und Büroleiter im Generalsekretariat. Ab 1989 war er auch Bundesobmann der Freiheitlichen Jugend. Er war 1992, also rund ein Jahr vor Grasser, Generalsekretär geworden, sollte das so wie Meischberger bis 1995 bleiben und saß dann ab dem Jahr 2000 als Verteidigungsminister neben Grasser in der Bundesregierung. Seit der gemeinsamen Zeit im Generalsekretariat der FPÖ besteht eine enge Männerfreundschaft zwischen Grasser und dem um knapp zehn Jahre älteren Tiroler Meischberger. Dieser wurde später Trauzeuge des Finanzministers, dessen Berater und könnte nun in der Buwog-Affäre auch dessen Sargnagel werden.

Im Oktober 1994 entsandte Haider den gerade erst einmal 25-jährigen Grasser als Landeshauptmann-Stellvertreter in die Kärntner Landesregierung, wo seine Freiheitlichen den ÖVP-Politiker Christof Zernatto erneut zum Landeschef gewählt hatten. Wenn man es im Nachhinein so sehen will, war das ein Probelauf dafür gewesen, was sich sechs Jahre später im Bund abspielen sollte: Zernatto war 1991 mithilfe der SPÖ in Form eines fliegenden Wechsels zum Landeshauptmann gewählt worden. Zuvor hatten SPÖ und ÖVP Haider nach dessen Aussage von der »ordentlichen Beschäftigungspolitik im Dritten Reich«, die er bei einer Landtagsdebatte gemacht hatte, per Misstrauensantrag abgesetzt.

Bei der darauf folgenden Landtagswahl, die trotz des Wechsels an der Spitze der Landesregierung im März 1994 regulär am Ende der fünfjährigen Legislaturperiode stattfand, fuhr Zernatto mit 23,8 Prozent ein eher bescheidenes Ergebnis ein. Die SPÖ wurde trotz schwerer Verluste von mehr als 8 Prozent mit 37,37 Prozent noch einmal stärkste Partei, die FPÖ landete mit 33,27 Prozent auf Platz zwei. SPÖ und FPÖ konnten sowohl aus alter landespolitischer Feindschaft als auch aus bundespolitischer Räson nicht miteinander koalieren. Daher war die ÖVP der lachende Dritte im doppelten Sinne des Wortes. Dieses Mal ließ sich Zernatto von den Freiheitlichen zum Landesfürsten küren.

Kärnten wurde allerdings trotz der ÖVP-FPÖ-Koalition von einer Proporzregierung gelenkt, in der allen Parteien nach Maßgabe ihrer Stimmen Regierungssitze zustanden. Daher war hinter Zernatto der SPÖ-Vorsitzende und ehemalige Gesundheitsminister Michael Ausserwinkler erster Landeshauptmann-Stellvertreter und damit zweiter Mann im Lande. Ausserwinkler hatte sich mit seinen Antiraucher- und Antialkoholkampagnen in Wien nicht nur Freunde gemacht und war daraufhin nach Kärnten »befördert« worden. Grasser übernahm im November 1994, als zweiter Landeshauptmann-Stellvertreter, die Ressorts Fremdenverkehr, Wirtschaft, Verkehr und Hochbau. Damit er überhaupt in die Regierung einziehen konnte, musste ihm der bisherige blaue Frontmann in der Landesregierung, Mathias Reichhold, Platz machen. Dieser war einer der treuesten Diener Haiders und Landesvize geworden, nachdem SPÖ und ÖVP seinen Chef 1991 aus der Regierung geworfen hatten. Bei der Angelobung hatte er noch artig erklärt, welche Ehre es für ihn sei, Platzhalter für Jörg Haider sein zu dürfen. Nun wurde er kurzerhand ins Parlament nach Wien abgeschoben.

Der Landwirt sollte auch später noch den Lückenbüßer für die FPÖ abgeben: 2002 wurde er für ein Jahr Nachfolger der glücklosen Verkehrsministerin Monika Forstinger und nach dem Rücktritt von Parteichefin Susanne Riess-Passer sogar kurz Parteiobmann. »Ich stehe hier, weil Jörg Haider entschieden hat, nicht zum Parteiobmann zu kandidieren«, sagte er damals zu seiner Motivation. Bereits nach 40 Tagen löste ihn Herbert Haupt ab. Reichhold zog sich im Frühjahr 2003 »aus gesundheitlichen Gründen«, wie es offiziell hieß, im Alter von 46 Jahren auf seinen Biobauernhof zurück. Dort gesundete er so rasch, dass er schon kurze Zeit später beim Magna-Konzern von Frank Stronach anheuern konnte, bei dem zuvor auch schon Grasser gewesen war. Mitte 2006 wurde Reichhold Vorstand der Autobahngesellschaft Asfinag. Auch diesen Job hatte er nicht lange: Nach nur eineinhalb Jahren trat der Asfinag-Vorstand geschlossen zurück. Als Trostpflaster gab es 720.000 Euro Abfertigung für Reichhold. Im Spätsommer 2011 machte der Kurzzeit-Parteichef noch einmal Schlagzeilen, als er beim Auffliegen des Telekom-Skandals als einer jener Ex-Politiker geoutet wurde, die über den Lobbyisten Peter Hochegger Geld von der Telekom erhalten hatten.

An Grassers Seite zog im November 1994 Elisabeth Sickl als zweite FPÖ-Vertreterin in die Landesregierung ein. Sie löste Jörg Freunschlag ab, der Zweiter und ab 1999 Erster Präsident des Kärntner Landtags wurde. Sickl wurde später kurzzeitig auch bundesweit bekannt: Sie saß von Februar bis Oktober 2000 als glücklose Sozialministerin an der Seite von Grasser in der Bundesregierung.

Haiders Shootingstar hinterließ im alltäglichen Geplänkel der Landespolitik keine allzu bleibenden Eindrücke und vollbrachte auch keine großartigen Wohltaten, von denen man eineinhalb Jahrzehnte später noch reden würde. Aber er machte dennoch zweimal bundesweit Schlagzeilen: Im Februar 1997 erteilte er seinen Beamten die Weisung, »öffentliche Aufträge nur noch an Baufirmen zu vergeben, die ausschließlich heimische oder Arbeiter aus EU-Ländern beschäftigen«. Angesichts der hohen Arbeitslosigkeit auf dem Bau müssten einheimische Arbeiter gegenüber Ausländern bevorzugt werden, führte Grasser als Begründung an.

Die Weisung war vor allem politisch motiviert und sollte landes- und bundesweit tief in die bis dahin tiefrote Klientel der Bauarbeiter hinein wirken. Die SPÖ betrieb damals unter ihrem Vorsitzenden Franz Vranitzky gegenüber der FPÖ eine konsequente Politik der Ausgrenzung und forderte den sofortigen Rücktritt Grassers – freilich ohne Erfolg. Auch außerhalb der SPÖ gab es einen lauten Aufschrei und Protest. Der blaue Landesvize musste seine Weisung unter dem massiven öffentlichen Druck nach nur elf Tagen wieder zurücknehmen. Sie war in dieser Zeit nur in zwei Ausschreibungen berücksichtigt worden und kein einziges Mal zum Tragen gekommen. Dennoch standen Grasser und die FPÖ als politische Sieger da, da sie sich als glaubhafte Kämpfer für die fleißigen und anständigen österreichischen Arbeiter präsentieren konnten.

DER ERSTE BRUCH MIT HAIDER

Im Sommer 1997 folgte der zweite Auftritt Grassers, der bundesweit Schlagzeilen machte: Bei einem Sommergespräch mit dem ORF demonstrierte er, dass er sich nicht als willfähriger Diener Haiders sah, so wie das vor ihm Reichhold gewesen war. Selbstbewusst kündigte der damals 28-Jährige an, bei der Landtagswahl 1999 Landeshauptmann werden zu wollen. »Mein Ziel ist immer die Landespolitik gewesen«, sagte er. Den Satz glaubte ihm schon damals kaum jemand. Haider war aber brüskiert, denn schließlich war dieser Vorstoß nicht mit ihm abgesprochen gewesen. Dazu kam, dass Grasser es gewagt hatte, seinem Chef Forderungen zu stellen. Damit er als Spitzenkandidat antrete, müssten zwei Voraussetzungen stimmen, erklärte Grasser: die Unterstützung durch Bundes- und Landesparteiobmann Jörg Haider und die Freiheit, sich sein eigenes Team aussuchen zu können. Tatsächlich trat bei der Kärntner Landtagswahl 1999 Jörg Haider selbst als Spitzenkandidat der FPÖ an, holte mit 42,09 Prozent Platz eins und wurde mit den Stimmen seiner Freiheitlichen im Landtag zum zweiten Mal nach 1989 zum Landeshauptmann gekürt. SPÖ und ÖVP wollten ihn nicht wählen, aber auch den deutlichen Willen der Kärntner Bevölkerung nicht negieren. Also hatten sie vor der Abstimmung den Sitzungssaal verlassen.

Vor dem Hintergrund von Haiders Ambitionen in Kärnten wird klar, warum das Verhältnis zwischen ihm und seinem Zauberlehrling Grasser deutlich abkühlte, nachdem dieser öffentlich Anspruch auf die Führung im Bundesland erhoben hatte. Anfang Jänner 1998 wagte es Grasser dann sogar, Haider öffentlich zu kritisieren. Der FPÖ-Chef hatte zuvor beim Neujahrstreffen in Graz eine heftige Schelte an den eigenen Funktionären vom Stapel gelassen. Grund waren einige Affären in der schnell gewachsenen Partei, die bei der Wahl ihrer Repräsentanten bisweilen recht unglücklich agiert hatte. Grasser kommentierte das gegenüber dem profil mit den berühmten Worten: »Jörg Haider ist zurzeit nicht besonders motiviert.« Ganz im Gegenteil! Dieser war plötzlich höchst motiviert, an Grassers Stuhl in der Landesregierung zu sägen.

Der eigentliche Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, soll die Umwidmung eines Grundstücks am Wörthersee gewesen sein, das Magna-Gründer Frank Stronach gehörte. Das behaupteten damals zumindest FPÖ-interne Gerüchte. Die Umwidmung war Angelegenheit der Landesregierung und sollte im Umlauf beschlossen werden: Der Akt wanderte durch alle Regierungsbüros und jeder Ressortchef sollte durch seine Unterschrift sein Okay kundtun. Grasser habe mit seiner Zustimmung gewartet, bis sein Parteichef Haider, der ständig alles mitbekam, was in der Regierung passierte, auf Urlaub war. Haider fühlte sich hintergangen und fing an, Grasser immer mehr unter Druck zu setzen. Dieser war in Kärnten 1994 mit dem Schwung eines 25-Jährigen angetreten. Plötzlich sah er sich mit Nadelstichen aus Haiders Umfeld konfrontiert. Dazu kam ein zermürbender täglicher Kleinkrieg mit der SPÖ in der Landesregierung, die nie verwunden hatte, dass sie nun nicht mehr den Landeshauptmann stellte, so wie sie das vor Haiders erster Kür 1989 in Kärnten seit Kriegsende stets getan hatte.

Am 3. Juni 1998 erklärte Grasser frustriert seinen Rücktritt als Landeshauptmann-Stellvertreter und rechnete gegenüber der Kleinen Zeitung mit der Landespolitik und vor allem mit der FPÖ ab: Er habe sich von seiner Partei »langsam immer mehr entfremdet«. Außerdem »wollte ich nie mit vierzig ein politischer Versorgungsfall in einem halböffentlichen Amt sein«. Sechs Jahre lang habe er 100 Stunden pro Woche gearbeitet, was sich schließlich nicht gerechnet habe, »weil das parteipolitische Hickhack, wie es bei uns betrieben wird, unzufriedenstellend ist«. Auch sein bisheriger politischer Ziehvater bekam sein Fett ab: »Haider muss die Kraft haben, einen wesentlich konstruktiveren Kurs zu gehen, als das zuletzt der Fall war.« Die FPÖ habe immer gesagt, »wir können es besser, wir sind anders. Jede politische Äußerung müsste nach dem Nutzen für die Bevölkerung hinterfragt werden. Doch davon hat sich die Politik in ganz Österreich und leider Gottes auch die FPÖ weit entfernt.« Grassers Nachfolger als Landeshauptmann-Stellvertreter wurde übrigens sein Vorgänger: Mathias Reichhold. Er sollte nur bis zur Wahl im März 1999 im Amt bleiben.

ZWISCHENSPIEL BEI MAGNA

Der Rücktritt war aus heiterem Himmel gekommen. Zumindest wurde es damals medial so dargestellt. Ganz so unerwartet war er freilich nicht gewesen. Denn schon vier Wochen später trat Grasser einen Job bei Stronach an, womit sich seine internen Gegner in der FPÖ bestätigt sahen. Diese hatten dem Landeshauptmann-Stellvertreter vorgeworfen, sich in Richtung Magna absetzen zu wollen. Die Umwidmung des Seegrundstücks sei eine Vorleistung für ein späteres Engagement im Stronach-Konzern gewesen. Mit seinem neuen Chef dürfte Grasser bereits vor seinem Rücktritt zumindest informell zu verhandeln begonnen haben.

Stronach war 1932 als Franz Strohsack in Kleinsemmering bei Weiz (Steiermark) geboren worden und hatte einen der größten Autozulieferbetriebe Nordamerikas aufgebaut. Mitte der Achtzigerjahre kam er zurück nach Österreich und siedelte hier die Zentrale der Magna International Europa AG an. Schlagzeilen machte er damals mit seinem Engagement im Fußball und den letztlich gescheiterten Plänen für einen Vergnügungspark an der Wiener Stadtgrenze mit einer 200 Meter großen Weltkugel als Attraktion. Grasser wurde im englischsprachigen Magna-Konzern »Vice President« und war zuständig für »Human Resources and Public Relations« – auf gut Deutsch war er Personalchef und Pressesprecher. Jörg Haider tobte – zumindest öffentlich – und bezeichnete Grassers Wechsel zu Magna als »Teil einer Generaloffensive gegen die FPÖ«. Es solle offensichtlich das »Aufbauwerk von einem Jahrzehnt zerschlagen« werden. Grasser habe sich instrumentalisieren lassen.

Auch im Privatleben des frisch gebackenen Ex-Politikers gab es damals einige Turbulenzen: 1998 wurde die erste (Kurzzeit)Ehe des damals 29-Jährigen geschieden – mehr dazu im Kapitel »KHG und die Frauen«. Ab 1999 war Grasser zusätzlich zu seiner Vorstandsfunktion bei Magna Europa Geschäftsführer der Firma Sport Management International (SMI), in der Stronach die Sportaktivitäten seines Konzerns gebündelt hatte. Dieser hatte im selben Jahr die Präsidentschaft der österreichischen Fußballbundesliga übernommen, die er bis 2005 innehatte; im Jahr 2000 sollte er in Hollabrunn eine nach ihm benannte Fußball-Akademie gründen.

Der Management-Posten dürfte Grasser trotz des interessanten und breiten Aufgabengebiets nicht ganz ausgefüllt haben. Dazu kam wohl auch die Sehnsucht nach jener Aura der Macht, die er in der Politik kennen- und bewundern gelernt und zum Teil bereits selbst genossen hatte. Schon im April 1999 ließ er die Öffentlichkeit via Austria Presse Agentur (APA) wissen, er stehe einer Rückkehr in die Politik nicht abgeneigt gegenüber: Wirtschafts- oder Finanzminister wäre schon ein reizvolles Amt, diktierte der Magna-Manager in einem Interview. Das war eigentlich ein Affront seinem Arbeitgeber gegenüber. Ob Grasser sich dessen bewusst war, kann angesichts des diplomatischen »Geschicks«, das er vorher gezeigt hatte, getrost bezweifelt werden. Jedenfalls be