Die rote Mütze - Daniel de Roulet - E-Book

Die rote Mütze E-Book

Daniel de Roulet

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Beschreibung

Als Daniel de Roulet von seinem Vater einen goldgerahmten Stich erbt, auf dem ein Vorfahr mit Louis-XVI-Perücke abgebildet ist, stellt sich heraus, dass es sich um den Besitzer eines Söldnerregiments handelt, Jacques-André Lullin de Châteauvieux. Ein Menschenschinder, der einen Aufstand seiner Söldner wegen ausbleibenden Solds blutig niederschlagen lässt. Wie die «Zehn unbekümmerten Anarchistinnen» beruht der Roman auf historischen Vorbildern. Im Straflager von Brest hat de Roulet sieben Namen von Söldnern notiert, deren Schicksal er erzählt, im Zentrum das des neunzehnjährigen Genfer Schreiners Samuel Buchaye. «Aus diesen Namen habe ich Figuren gemacht. Die Mächtigen erdrücken einen mit ihrem Erfolg. Ihren Sklaven, den weniger vom Glück Begünstigten, erteilt nur die Literatur das Wort.»

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Als Daniel de Roulet von seinem Vater einen goldgerahmten Stich erbt, auf dem ein Vorfahr mit Louis-XVI-Perücke abgebildet ist, stellt sich heraus, dass es sich um den Besitzer eines Söldnerregiments handelt, Jacques-André Lullin de Châteauvieux. Ein Menschenschinder, der einen Aufstand seiner Söldner wegen ausbleibenden Solds blutig niederschlagen lässt.

Wie die «Zehn unbekümmerten Anarchistinnen» beruht der Roman auf historischen Vorbildern. Im Straflager von Brest hat de Roulet sieben Namen von Söldnern notiert, deren Schicksal er erzählt, im Zentrum jenes des neunzehnjährigen Genfer Schreiners Samuel Buchaye.

«Aus diesen Namen habe ich Figuren gemacht. Die Mächtigen erdrücken einen mit ihrem Erfolg. Ihren Sklaven, den weniger vom Glück Begünstigten, erteilt nur die Literatur das Wort.»

Foto Ayşe Yavaş

Daniel de Roulet, geboren 1944, war Architekt, arbeitete als Informatiker und lebt heute als freier Schriftsteller in Genf. Autor zahlreicher Romane, für die er in Frankreich mit verschiedenen Preisen ausgezeichnet wurde, zuletzt «Durch die Schweiz», «Staatsräson» und «Brief an meinen Vater». Für sein Lebenswerk erhielt er 2019 den Grand Prix de Littérature der Kantone Bern und Jura (CiLi).

Daniel de Roulet

DIE ROTE MÜTZE

Roman

Aus dem Französischenvon Maria Hoffmann-Dartevelle

Limmat VerlagZürich

«Ich habe dem alten Wörterbuch eine rote Mütze aufgesetzt.»

Victor Hugo, «Antwort auf eine Anklageschrift»

INHALT

1782DIE GENFER REVOLUTION

1786VIRGINIE

1788DIE REKRUTIERUNG

1789DER TRUPP

1789DIE BASTILLE

1790NANCY

1790DER AUFSTAND

1790DIE NIEDERSCHLAGUNG

1790DIE MARTER

1791DAS BAGNO

1792DIE ROTE MÜTZE

1792FREIHEIT, GLEICHHEIT

1792CLAVIÈRE

1792DIE TUILERIEN

1793DAS FEST ZU EHREN ROUSSEAUS

1798IRLAND

2014DER MARQUIS

DIE ÜBERSETZERIN

1782

DIE GENFER REVOLUTION

Seit vier Lenzen

lebt der Genfer Citoyen Jean-Jacques Rousseau nicht mehr,

und immer noch ist die neue Verfassung

seiner Stadt nicht in Kraft gesetzt.

Die Menschen in den einfachen Vierteln,

Natifs und Bourgeois,

wollen nicht länger den Bankiers,

den schmarotzenden Rentiers,

den großen Patrizierfamilien unterworfen sein.

König Ludwig XVI., der eine Demokratie

vor den Toren seines Reiches fürchtet,

nennt die Genfer «die Wütenden».

Mehr als einmal hat die Einmischung Frankreichs

sie um ihre Revolution gebracht.

«Aber diesmal», sagt Antoine Bouchaye zu seinem Sohn,

«kriegen sie uns nicht so leicht.»

Am Abend des 7. April 1782

sind Antoine und sein Sohn Samuel

in der Stadt,

als im Zuge eines Volksaufstandes

die Garnison angegriffen wird.

Die Soldaten zögern nicht,

mit ihren Musketen in die Menge zu schießen,

in den Straßen bleiben Tote und Verwundete zurück.

Eine alte Frau, die gerade ihre Fensterläden schließt,

wird von einem Fehlschuss getroffen.

Das reicht, verjagen wir sie!

Aufgeregt begeben sich

der Vater und sein elfjähriger Sohn

zu den Patriziern, die im Hôtel des Balances

an der Place Bel-Air als Geiseln genommen wurden.

Sie erfahren, dass andere Privilegierte

sich in ihre Landhäuser geflüchtet haben.

Angeblich hat der französische Resident

still und leise seine Koffer gepackt.

Am Tag darauf wird die Regierung gestürzt

und durch eine Kommission ersetzt.

Samuel hat seinen Vater noch nie so glücklich gesehen.

Aber ihr Leben war bisher auch nicht gerade heiter.

Im Frühjahr 1771 in Genf geboren,

überlebt Samuel seine Mutter nur knapp.

In seinen drei ersten Lebensjahren

bringt eine Amme ihm bei, zu laufen,

zu essen, ohne zu sabbern,

Danke zu sagen und der Welt zuzulächeln.

Als sein Vater ihn wieder zu sich nimmt,

zeigt er dem Sohn hinter einer Kirche

den Stein, unter dem seine Mutter ruht.

«Jetzt bist du alt genug, um zu verstehen:

Sie starb, als sie dich zur Welt brachte.»

Der Vater zieht mit seinem Sohn

in das Viertel am rechten Rhône-Ufer,

wo er Arbeit gefunden hat.

Zwischen einer Uhrmacherwerkbank unterm Dach

und Kindern seines Alters wächst Samuel auf.

Schreiben und Rechnen lernen sie

bei einem alten Mann,

dessen Augen zu schlecht geworden sind,

um die Pinzette zu führen.

Samuel liest allen in der Werkstatt

aus einem Buch mit vielen Eselsohren vor,

was seinem Vater hin und wieder

eine Träne entlockt.

Mit der Revolution und dem Frühling

verfliegt die väterliche Schwermut.

Jeden Abend geht er zu den Stadtteiltreffen,

erklärt seinem Sohn die Grundsätze,

die es den Menschen erlauben,

gleichberechtigt in der Stadt zu leben.

Vierundachtzig Tage lang

organisieren die Citoyens

ohne jede Gewalt eine neue Republik,

demokratisch und frei.

Ganz Europa spricht davon.

Eine großartige Hoffnung keimt.

Revolution ist also möglich.

In Frankreich, Österreich und Sardinien

fühlt sich die Aristokratie bedroht.

Was wird aus ihren Adelsprädikaten?

Die aus Genf geflohenen Patrizier

jammern und klagen in Versailles, in Bern,

sogar bei den schlimmsten Feinden der Republik,

den Savoyarden.

Den Mächtigen überall auf dem Kontinent

erklären sie, letzten Endes

führten die gärenden Ideen dieses Rousseau

zum Umsturz der schönen Hierarchie,

die doch von Gott und den Königen gewollt sei.

«Revolutionäre Ansteckung, das ist die Gefahr.»

Nach diesen Worten entsenden Versailles, Bern und Turin

mehrere Tausend Soldaten

zur Wiederherstellung der Ordnung von Banken und Geschäften.

«Aber diesmal», sagt Antoine Bouchaye erneut zu seinem Sohn,

«kriegen sie uns nicht so leicht.»

Rings um die aufständische Stadt

sammeln sich die Truppen der Konterrevolution.

Franzosen, Schweizer und Sarden planen,

die Bastion der Freiheit anzugreifen.

Drei Armeen gegen Genf,

zwölftausend Mann gegen ein paar Hundert

schlecht ausgerüsteter Genfer.

Zu den französischen Truppen gehört

das Bataillon des Marquis de La Fayette.

Er hat sich für die Freiheit

der englischen Kolonien in Amerika eingesetzt,

will die der Genfer jedoch vernichten.

Ein paar Dutzend Deserteure

aus den Schweizer Regimentern

unterstützen die Belagerten.

Die Genfer Kathedrale wird zum Hospital,

die Akademie zum Wachlokal,

die Kathedrale zum Pulvermagazin.

Das Getreide wird gerecht verteilt.

Ganz Genf macht sich bereit, die Eindringlinge abzuwehren.

Die aus der Stadt geflüchteten Patrizier

zeigen den Angreifern,

welchen Weg sie nehmen müssen,

um ihre Ländereien nicht zu beschädigen.

Jeden Abend beobachten

Samuel und sein Vater von der Stadtmauer aus,

wie die Soldaten des französischen Königs Gräben ausheben,

um sich der Stadt zu nähern und sie zu umzingeln.

Samuel staunt, dass man sie gewähren lässt,

sind sie doch nur einen Kanonenschuss entfernt.

«Weil», sagt der Vater, «sie sich am Ende

unseren Freiheitsideen anschließen werden.»

Die Tage vergehen,

das feindliche Militäraufgebot

schnürt Genf die Luft ab.

Manche Bürger finden,

das brave Volk gehe zu weit.

Sie flüchten nachts über den See.

Wer bleibt, macht sich bereit,

für seine Ideen zu sterben.

Die erste demokratische Revolution Europas

wird im Blut ersticken.

In seiner als Munitionsdepot genutzten Werkstatt

liest Antoine Bouchaye seinen Kameraden

einen Brief vor, den ihr Landsmann Rousseau

vierzehn Jahre zuvor einem Freund geschrieben hat:

«Ihr seid bereit, euch unter den Ruinen des Vaterlandes zu vergraben (…) einen letzten Entschluss müsst ihr fassen (…) müsst gemeinsam am helllichten Tag herauskommen, Frauen und Kinder in eurer Mitte.»

Ebendies geschieht in der Nacht des 2. Juli 1782.

Um ein Uhr morgens einigen sich

beide Parteien auf einen Rettungskorridor.

Zweitausend Revolutionäre verlassen Genf.

Sie verkünden, eine von fremden Truppen

besetzte Stadt nicht länger

als ihre Heimat betrachten zu können,

eine Stadt, deren Gesetze nicht mehr

dem freien Willen ihrer Bürger entsprechen.

Um fünf Uhr morgens

dringen die Invasoren in die Stadt ein.

Die Patrizier erlangen die Macht zurück.

Ende einer beispielhaften Revolution!

Während es dämmert über einem trüben Genfersee,

sprechen Samuel und sein Vater über ihr künftiges Leben,

gemeinsam mit vielen auf einem Karren sitzend,

der normalerweise Fässer transportiert.

Mitnehmen konnten sie nur einen kleinen Koffer

mit Uhrmacherwerkzeug,

ein Buch von Rousseau und ein wenig Kleidung.

Bei ihrer Ankunft in Rolle,

auf halbem Weg zwischen Genf und Lausanne,

beschließen sie, nicht nach Neuenburg weiterzureisen,

wo den Emigranten Zuflucht geboten wird.

Samuel hofft, dass sie schon bald

in ihre Heimat zurückkehren können.

Sein Vater bezweifelt es.

Er klappert die Uhrmacher ab, dann die Fischer,

findet niemanden, der ihn anstellen will.

Nach zwei Nächten unter den Kastanien der Schlossterrasse

mietet er einen Raum

auf dem Speicher eines früheren Kollegen.

In den folgenden Wochen

findet Antoine bei einem Schiffer Arbeit,

sein Sohn bei einem Schreiner,

der Boote baut, naux mit flachem Boden,

für vier Ruderer gedacht,

und liquettes, die leichter und wendiger sind.

Doch sein Herz bleibt wie das seines Vaters

am Ende des Sees, in Genf.

In Rolle, im Waadtland,

das Berner, also Schweizer Herrschaft untersteht,

werden nur Flüchtlinge geduldet,

die nicht politisch aktiv sind.

Der Vater unterhält weiterhin

heimliche Beziehungen

zu den Genfern vor Ort,

die seine Ideen teilen.

Aufgeben kommt nicht in Frage.

«In Genf ist die Revolution gescheitert, aber bald»,

sagt Antoine Bouchaye,

«wird ganz Europa unserem Beispiel folgen.»

Samuel, nicht so verdächtig wie sein Vater,

kann auf Umwegen die Verbindung

zum Widerstand in Genf herstellen.

Bisweilen überlässt Chappuis, sein Chef, ihm

eine liquette,

um zu einem französischen Hafen

zwischen Rolle und Genf zu fahren.

Dort tauscht er mit einem Schiffer

vom Ende des Sees Postsendungen aus.

So umgehen sie die Zensur.

Samuel fühlt sich nützlich im Dienst der Sache.

Er ist kein Kind mehr,

er begeistert sich für eine Welt, in der

ein Aristokratensohn nicht mehr Rechte haben wird als er.

Dennoch empfindet er große Bewunderung,

vielleicht mehr, für eine Pariserin,

die jedes Jahr den Sommer in Rolle verbringt.

Die Leute aus der Stadt nennen sie nur

Madame de, ohne ihren Namen auszusprechen.

Ihre Freundin ist die Tochter des königlichen Schatzmeisters,

der in einem Schloss ganz in der Nähe wohnt.

Wenn Madame de am Ufer entlang

bis zum Hafen spazieren geht

mit ihren kleinen Kindern und einer Hausdame,

wartet Samuel mal hier, mal dort am Weg,

um sie zu sehen.

Sie bemerkt ihn,

spricht ihn jedoch nicht an, außer einmal,

um ihn zu fragen, ob sein Chef

ihr Fisch liefern könne.

Samuel errötet, verwundert,

dass sie von seiner Arbeit für Chappuis,

der in der Freizeit angelt, weiß.

Am selben Abend liefert dieser Madame de seinen Fang.

Am Ende des Sommers

verlassen die Pariserin und ihre Kinder Rolle,

ohne dass Samuel ein zweites Mal mit ihr gesprochen hätte.

Anfang Juni des nächsten Jahres

ist sie wieder da.

Samuel ist nun ein junger Mann.

Auf ihrem Spaziergang am Hafen erblickt ihn

die Pariserin.

«Ah! Sie sind es!», sagt sie, «Samuel, nicht wahr?»

Dieser errötet, stammelt etwas, fragt sie schließlich,

ob sie noch immer Fisch bekommen möchte.

«Ja», sagt sie und geht davon.

An den folgenden Tagen

bemüht sich Samuel, sie abermals zu treffen.

Sie schenkt ihm jedes Mal ein schönes Lächeln,

aber nicht mehr.

Wenn er abends im Bett an sie denkt,

ist ihm, als sei er verliebt.

Sein Vater, der seine kleinen Manöver durchschaut,

rät ihm, nicht mit dem Adel zu verkehren:

«Vergiss nicht, wie uns die Patrizier

in Genf behandeln.»

Die väterlichen Bemerkungen fachen

Samuels Neugier nur weiter an, der sich nun fragt,

wie eine derart hübsche Frau zur Klasse

seiner Feinde gehören kann.

In Genf sind die Patrizierinnen, die er kennt,

allesamt abstoßend hässlich.

Am Ende des Sommers verlassen

Madame de und ihre beiden Kinder Rolle,

vermutlich geht es

zurück nach Paris.

Samuel wird sie nie wiedersehen.

Nach und nach lernt er

dank seines Chefs, der Schreiner ist und Fischer,

auf Flüssen und Seen zu navigieren,

lernt Winde, Wellen, Wassertiefen kennen

und weiß, an welchen Stellen

die Netze treiben können und sich füllen.

Als Samuel eines Tages im französischen Hafen

mit einem Genfer Komplizen Post austauscht,

verlangen zwei Uniformierte von ihm,

den versiegelten Umschlag herauszugeben.

Man bringt ihn ins Büro des Hafenmeisters.

Die Sache könnte brenzlig werden,

sie wollen wissen,

wer die Absender und

Empfänger dieser Briefe sind, die er bei sich trug.

Samuel behauptet, ein Fremder aus Lausanne

habe ihn für diesen Dienst bezahlt.

Schließlich lässt man ihn frei.

Als er seinem Vater davon erzählt,

wiederholt Antoine Bouchaye:

«Aber diesmal kriegen sie uns nicht so leicht.»

Und findet, dass es klüger wäre, wenn

sein Sohn das Land noch einmal wechseln würde.

1786

VIRGINIE

Dank eines Freundes seines Vaters

findet Samuel Bouchaye,

der später – angenommen, er ist es –

seinen Namen

in Sam Butcher ändern wird,

Anstellung in den Steinbrüchen bei Meillerie.

Das Dorf am Steilhang eines Savoyer Berges

lebt vom Gesteinsabbau und von der Fischerei.

Erst spät geht dort die Sonne auf.

Im Winter zieren Eisgirlanden seine Mole.

Von einem Bergarbeiter angeleitet,

stopft Samuel Schwarzpulver ins Gestein

und kümmert sich auch um die Stute,

die einen Karren

mit geschnittenen Felsblöcken zum Hafen zieht.

Von dort reisen die Blöcke

auf flachen Kähnen nach Genf und Lausanne,

wo der Stein aus Meillerie die schönsten Bauten ziert.

Sechs Tage die Woche

ruiniert sich Samuel im Bergwerk die Hände

und den Rücken.

Unter den Savoyarden fühlt er sich noch mehr im Exil

als bei den Waadtländern.

Er versteht nicht

alle Wörter, die sie verwenden,

noch die Art, wie sie manche betonen,

die er zu kennen glaubt.

Jede Woche schreibt er seinem Vater

lange Briefe, die er Schiffern anvertraut.

Nach und nach findet er Freunde

unter den Burschen seines Alters.

Mit leuchtenden Augen erzählt er ihnen

von den Ereignissen während der Genfer Revolution.

Nach getaner Arbeit

treffen sie sich am Abend

nahe dem gepflasterten Platz,

der Verlängerung der Rue des Pêcheurs.

Der Waschplatz ist das wichtigste Zentrum

des Dorflebens,

das andere, das der Alten, ist das Hafenlokal.

Unter den Fischerbooten, die täglich

in Meillerie anlegen,

ist auch das einer jungen Frau, Perchette.

Seit ihre Eltern von einer heftigen Welle

in den Tod gerissen wurden, hat sie deren Geschäft,

Netze, Boot und Kundschaft übernommen.

Sie wohnt bei ihrer Tante.

Niemand weiß, ob diese wilde Schönheit einen Liebsten hat.

Fünfundzwanzig Jahre alt, blondes, hochgestecktes Haar,

die Augen so blau wie der See bei schönem Wetter,

Finger, zart genug, um die Netze zu flicken.

Groß und schlank,

von niemandem Virginie genannt, sondern Perchette.

Bei Wind und Wetter fährt sie hinaus,

will nicht begleitet werden.

Im Hafenlokal flüstert man, sie springe gern

im ersten Morgenlicht und fern vom Ufer

nackt in den See für ein Erfrischungsbad.

Das nicht zu überprüfende Gerücht

vergrößert die Verwirrung der Verehrer,

zu denen sie sich setzt auf ein Glas Wein,

ohne ihnen je mehr zu gewähren.

Eines Tages, als Samuel

seine Steine auf der Landebrücke der Gauloise ablädt,

spricht Perchette, soeben in den Hafen eingefahren,

ihn an und neckt ihn wegen seines Akzents,

den sie erkannt hat als einen, wie sie sagt,

vom anderen Ende des Sees.

Samuel spürt, wie ihm die Röte ins Gesicht steigt.

Am nächsten Tag gibt sie ihm einen Teller

mit einem Dutzend Barschen,

die soll er seiner Zimmerwirtin bringen.

Für Samuel ist Perchette weit schöner

als alle Frauen, die er je getroffen hat,

begehrenswerter noch

als die Pariserin aus Rolle.

Am Abend, als er ihr den Teller wiederbringt,

lädt sie ihn ein an ihren Küchentisch.

Samuel nimmt Platz und weiß nicht, wie er sich verhalten soll,