Roulet, Fukushima - Daniel de Roulet - E-Book

Roulet, Fukushima E-Book

Daniel de Roulet

0,0
1,49 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

"Wir sind in die Falle gegangen, haben an einem System mitgewirkt, von dem wir wussten, dass es einen grausamen Tod bringen wird." Ein Schweizer Schriftsteller schreibt einen bewegenden Brief der Anteilnahme und ein aufrüttelndes Dokument des Entsetzens über die nukleare Katastrophe von Fukushima. In Tokio steht das Kirschblütenfest bevor, als sich die Havarie im Atomkraftwerk Fukushima ereignet. Nach mehreren Explosionen werden radioaktive Strahlenwerte gemessen, die denen von Tschernobyl nicht nachstehen. Daniel de Roulet hat selbst in einem Kernkraftwerk gearbeitet und befasst sich in seinen Büchern seit langem kritisch mit der Atomenergie. Er verfolgt die Katastrophe in Japan geschockt und schreibt einen sorgenvollen Brief an seine japanische Freundin Kayoko, mit der er vor genau einem Jahr in Tokio zusammen war. Kernkraftwerke sind für Daniel de Roulet Ausdruck der Maßlosigkeit und stehen in ihrem Zynismus den Menschheitsverbrechen des 20. Jahrhunderts nicht nach. Das Erschreckende: Wir wussten um das tödliche Potential der Atomkraft und haben den Wahnsinn trotzdem zugelassen. Aber hilft diese Erkenntnis jetzt den verstrahlten Mitarbeitern des Atomkraftwerks, den Evakuierten, den Bewohnern Tokios und ganz Japans? Und brauchen sie das Mitgefühl und die Betroffenheit von Europäern?

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 30

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Daniel de Roulet wurde 1944 in Genf geboren. Nachdem er einige Jahre als Architekt und Informatiker tätig war, widmet er sich seit 1997 ausschließlich der schriftstellerischen Arbeit. Seine Werke wurden in mehrere Sprachen übersetzt und ausgezeichnet. Neben seinen Romanen erregte insbesondere sein Lebensbericht Double (1998) Aufsehen, eine Art Autobiographie anhand der Akte, die die Schweizer Polizei in jahrelanger Überwachung zusammengetragen hat. Auch sein literarischer Bericht Ein Sonntag in den Bergen (2006) fand breite Beachtung. Darin bekennt de Roulet einen Brandanschlag auf das Chalet von Axel Springer bei Gstaad im Jahr 1975 und erzählt, wie es dazu kam.

Daniel de Roulet ist Mitglied im Schweizer Autorenverband und lebt in Frankreich.

Daniel de Roulet

FUKUSHIMA mon amour

Brief an eine japanische Freundin

Aus dem Französischenvon Maria Hoffmann-Dartevelle

Liebe Kayoko,

ich wüsste gern, wie es Ihnen geht. In Japan schlägt das Wetter um, am Wochenende könnte der Wind vom Kernkraftwerk Fukushima in Richtung Tokio wehen. Was werden die fünfunddreißig Millionen Hauptstadtbewohner tun? Was werden Sie tun? Sich zu Hause verkriechen, im Schutzanzug auf die Straße gehen? Hat man Sie rechtzeitig gewarnt? Ich habe es schon auf Ihren beiden Mail-Adressen probiert, aber auf Ihrem Handy anzurufen, nur zur eigenen Beruhigung, wo ich doch hier in Frankreich auf dem Land in Sicherheit bin, traue ich mich nicht. Auch nicht, Voyeur zu spielen, während Sie in Angst und Schrecken leben. Also mache ich das Einzige, was gegen die Beklemmung hilft: Ich schreibe Ihnen einen Brief, den ich ins Englische übersetzen werde, damit Sie wissen, wie sehr ich an Sie denke.

Genau vor einem Jahr haben Sie mich eines Abends um sieben eingeladen. In Tokio hielt der Frühling Einzug, mit seinen Kirschbaumzweigen, an denen über Nacht aus schwarzen Knospen weiße Blüten wurden, obwohl noch kein Blatt zu sehen war. Rendezvous vor der Bank, in der Sie arbeiteten. Ich lese noch einmal Ihre Mail mit der detaillierten Wegbeschreibung: »Die grüne U-Bahn-Linie in Richtung Shinjuku nehmen, in Shibuya aussteigen, mit der gelben Linie Richtung Ginza fahren, bis zur ersten Haltestelle, Omotesando, die U-Bahn über Ausgang B4 verlassen. Wenn Sie oben sind, bleiben Sie vor der Mizuho Bank stehen. Seien Sie pünktlich, 7 Uhr.« Das war Ihre präzise japanische Art, sich mit mir zu verabreden. Ich schreibe die Sätze in Ruhe ab, wie man Briefe von jemandem liest, der verstummt ist. Aber Sie werden auf meine Mails antworten, nicht wahr? Jetzt ist es Nacht bei Ihnen. Wenn Sie aufwachen, schreiben Sie mir.

Seit New York hatten wir uns nicht mehr gesehen, damals haben Sie zwei Monate im Zimmer über mir gewohnt, jede Nacht hörte ich Ihre langen Telefonate mit Japan. Ich hatte einen Ihrer Texte ins Französische übersetzt, die Geschichte einer Frau, die ihr Kind verliert  – ein Text voll zarter Traurigkeit. Damals gaben Sie mir Einblick in das, was Ihnen beim Schreiben wichtig war – in die verborgenen Wunden, die Sie versorgten.

Als ich vor der Bank ankomme, stehen Sie schon da, lächelnd, geschminkt nach New Yorker Art, Prinzessinnenkleidung, japanisch geschnitten. In der dichten abendlichen Menschenmenge haken Sie mich unter, wir biegen nach links ab, nach rechts, ich lasse mich von Ihnen führen bis hinunter in eine Kellerkneipe, in der die Kellner uns schreiend begrüßen und die Köche hinter ihren Stirnbändern schwitzen. Sie handeln zwei Plätze an der Bar aus und fertig, so einfach ist ein Rendezvous in Tokio.

Ich wäre außerstande, das Lokal wiederzufinden, aber ich erinnere mich noch an die Speisen, die Sie mich haben probieren lassen, und an vieles, worüber wir geredet haben, lachend oder im Ernst. Dies sind die Zeilen, die ich nachts in meinem Hotel hingekritzelt habe: »Mit Kayoko in einer tollen Kneipe gewesen,