Die Schnitzel-Jagd - Carine Bernard - E-Book
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Die Schnitzel-Jagd E-Book

Carine Bernard

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Beschreibung

Der neue Kriminalfall von Carine Bernards EU-Ermittlerin Molly Preston in Wien! Auf Bitten eines Freundes reist Molly diesmal nach Wien, um den Unfalltod eines jungen Mannes aufzuklären. Schnell stößt sie bei ihren Recherchen auf ein Rätsel, das sie auf die Spur eines raffinierten Betrügers führt. Gemeinsam mit Markus Wilhelm rekonstruiert sie die letzten Tage seines Schützlings, der tiefer in die Sache verwickelt ist, als es zunächst den Anschein hat. Molly und Markus erleben eine virtuelle Schnitzeljagd, die nicht nur ihre Geocaching-Kenntnisse herausfordert. Die Verbindung zwischen dem geheimnisvollen »Stifter« und dem Toten ist ebenso ungewiss wie der Ausgang der Jagd … Ob in der sonnigen Provence, im grünen Yorkshire oder im kaiserlichen Wien – Molly Preston löst ihre Fälle mit Intelligenz, Charme sowie den Mitteln modernster Technik und entführt den Leser ganz nebenbei zu den schönsten Plätzen Europas.

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Seitenzahl: 264

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Carine Bernard

Die Schnitzel-Jagd

Ein Wien-Krimi

Knaur e-books

Über dieses Buch

Der neue Kriminal-Fall von Carine Bernards EU-Ermittlerin Molly Preston in Wien!

Molly Preston ist hochintelligent, bildhübsch und gebildet. Sie kann alles, weiß viel und hat einen spannenden Job als Ermittlerin in einer sehr geheimen Abteilung der EU.

Auf Bitten eines Freundes reist Molly diesmal nach Wien, um den Unfalltod eines jungen Mannes aufzuklären. Schnell stößt sie bei ihren Recherchen auf ein Rätsel, das sie auf die Spur eines raffinierten Betrügers führt. Gemeinsam mit Markus Wilhelm rekonstruiert sie die letzten Tage seines Schützlings, der tiefer in die Sache verwickelt ist, als es zunächst den Anschein hat. Molly und Markus erleben eine virtuelle Schnitzeljagd, die nicht nur ihre Geocaching-Kenntnisse herausfordert. Die Verbindung zwischen dem geheimnisvollen »Stifter« und dem Toten ist ebenso ungewiss wie der Ausgang der Jagd …

Inhaltsübersicht

Der graue MannKAPITEL 1KAPITEL 2KAPITEL 3KAPITEL 4KAPITEL 5KAPITEL 6KAPITEL 7KAPITEL 8Der graue MannKAPITEL 9KAPITEL 10KAPITEL 11KAPITEL 12KAPITEL 13KAPITEL 14KAPITEL 15Der graue MannKAPITEL 16KAPITEL 17KAPITEL 18KAPITEL 19Nachsatz
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Der graue Mann hämmerte mit seinen Fäusten wutentbrannt auf die Tastatur, bis die ersten Buchstaben in alle Himmelsrichtungen davonflogen. Ungläubig starrte er auf den Bildschirm. Das blau-weiße Logo der zypriotischen Helleniki-Bank schien ihn zu verspotten, als er seinen Kontostand sah. Außer den achthundert Euro, die er zur Eröffnung des Bankkontos hinterlegt hatte, war kein weiterer Eingang verzeichnet.

Er lehnte sich in seinem abgewetzten Schreibtischstuhl zurück und dachte fieberhaft nach. Irgendetwas war schiefgegangen. Und der einzige Mensch, der ihm hätte sagen können, was genau nicht funktioniert hatte, war tot.

Der graue Mann erhob sich und sammelte die herumliegenden Buchstaben wieder ein. Sorgfältig klickte er jeden zurück an seinen Platz, dann öffnete er ein Browserfenster und begann zu tippen.

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KAPITEL 1

Molly Preston lehnte die Stirn ans Fenster und sah hinunter auf ein Meer aus leuchtenden Farben. Gelb, Orange und Rot waren die vorherrschenden Töne von Buchen, Eichen und Ahornbäumen, immer wieder unterbrochen von dunkelgrünen Fichten und noch dunkleren Schwarzkiefern, die Kaiserin Maria Theresia einstmals hatte pflanzen lassen. Der Wald breitete sich wie ein Teppich unter ihr aus, die wenigen Straßen und Häuser waren aus der Luft kaum zu erkennen. Es war nur schwer vorstellbar, dass hinter dem nächsten Hügel tatsächlich eine Großstadt lag.

Mollys Flugzeug war im Anflug auf Wien, und der Herbst hatte die Bäume des Wienerwalds in Flammen gesetzt. Sie genoss den Farbenrausch, doch er konnte sie nicht lange von den Gedanken an den bevorstehenden Fall ablenken. War es denn überhaupt ein Fall? Bisher handelte es sich nur um einen Freundschaftsdienst, den Jeremy, der Leiter der Computerabteilung, von ihr erbeten hatte. Markus Wilhelm, ein alter Freund aus Wien, hatte ihn vor einigen Tagen angeschrieben und um Rat gefragt: Ein junger Mann war zu Tode gekommen, und die Polizei ging von einem Unfall aus, nur Jeremys Freund glaubte nicht daran. Er hatte den jungen Mann kurz vor seinem Tod getroffen, und was dieser ihm erzählt hatte, ließ ihn an der Unfalltheorie zweifeln: Geld sei im Spiel, und von einem sonderbaren Rätsel war die Rede gewesen – das reichte aus, um Mollys Neugier zu wecken. Ihr standen noch ein paar Tage Urlaub zu, und so war sie heute Morgen in Düsseldorf in die Air-Berlin-Maschine gestiegen, die sie nach Wien bringen würde. Sollte sich Wilhelms Verdacht als unbegründet herausstellen, konnte sie einfach ein paar schöne Tage in Österreichs Hauptstadt verbringen. Doch falls er recht hatte und hinter dem Tod des Jungen mehr als ein tragischer Unfall steckte, dann war es ein Fall, und sie würde alles tun, um ihn aufzuklären.

 

Molly arbeitete seit einigen Jahren als Ermittlerin für eine EU-Abteilung, die sich mit der Aufklärung von Wirtschaftsverbrechen beschäftigte. Dabei konnte sie ihre vielfältigen Talente immer wieder erfolgreich einsetzen. Üblicherweise schleuste sie sich in Firmen ein, die durch Unregelmäßigkeiten in ihrem Finanzgebaren aufgefallen waren, und führte ihre Recherchen von innen heraus durch. Unterstützt von einem fähigen Team und mit den Beziehungen der EU-Vertretung in Brüssel im Rücken, konnte sie auf Ressourcen zurückgreifen, die eine perfekte Ergänzung zu ihrem ausgeprägten Spürsinn und ihrem breit gefächerten Allgemeinwissen darstellten.

Doch dieses Mal war es anders: Sie würde ihre Ermittlungen nicht innerhalb einer Firma von einem Schreibtisch aus führen, sondern wollte gemeinsam mit Markus Wilhelm versuchen, die letzten Tage des jungen Mannes Schritt für Schritt zu rekonstruieren, in der Hoffnung, dadurch Licht ins Dunkel um die Umstände seines Todes zu bringen. Trotz der Tragik der Ereignisse freute sie sich darauf, Wien wiederzusehen. Bisher war sie erst einmal in der wunderschönen Donaumetropole gewesen und hatte sich sofort in die Stadt verliebt.

 

Molly lehnte sich in ihrem Sitz zurück und musterte die mitreisenden Passagiere. In der Business Class saßen hauptsächlich Geschäftsleute, denen es nicht auf die Kosten für die Übernachtung im Hotel ankam. Sie hatten die Nachmittagsmaschine genommen, um für ein Meeting am nächsten Morgen ausgeruht zu sein. Vorne in der ersten Reihe steckten zwei Jugendliche, ein Junge und ein Mädchen, die Köpfe zusammen, wahrscheinlich über dem Bildschirm eines Smartphones. Nun betrat die Stewardess das Abteil und überprüfte, ob alle die Sicherheitsgurte angelegt hatten, wie das Leuchtschild über der Kabinentür sie vor einigen Minuten angewiesen hatte. Der Anflug auf Wien-Schwechat hatte begonnen, und das Flugzeug würde in Kürze zur Landung ansetzen.

Molly blickte wieder aus dem Fenster. Das Bild hatte sich mittlerweile dramatisch gewandelt. Wo sich zuvor kilometerweit der bunte Herbstwald erstreckt hatte, dehnte sich jetzt eine gewaltige, grün gescheckte Ebene aus unregelmäßigen Rechtecken. In einiger Entfernung sah sie spitze Kirchtürme, grüne Kuppeln, rote Dächer und hohe Schlote im bläulichen Dunst auftauchen, und dazwischen einen gleißenden Lichtreflex: die Donau. In einer großen Schleife näherten sie sich nun dem Flughafen; schon konnte sie die Landebahnen unter sich erkennen. Das Flugzeug ging in den Sinkflug über, und ihre Trommelfelle knackten. Ihr Magen hob sich ein wenig, als es in ein Luftloch tauchte, dann waren sie unten. Seidenweich setzte der Pilot die Maschine auf den Boden, kaum eine Erschütterung war zu spüren. Sie rollte aus und kam zum Stillstand.

Molly war eine der Ersten an der Gangway. Sie trat hinaus in die kühle Abendluft und schaute sich neugierig um. In Düsseldorf hatte es beim Abflug geregnet, doch hier schien ihr die tief stehende Sonne ins Gesicht und malte lange Schatten auf den Beton. Mit schnellen Schritten überquerte sie die asphaltierte Fläche neben der Landebahn und betrat das Flughafengebäude, wo die Gepäckbänder gerade surrend den Betrieb aufnahmen. Erfahrungsgemäß dauerte es noch mindestens zwanzig Minuten, bis der erste Koffer das Licht der Halle erblickte, also zog sie ihr Telefon aus der Tasche und schaltete es ein. Das Hochfahren des Systems ging angenehm schnell. Mit hypnotischem Blick überredete sie die Gesichtserkennung zur Freigabe, und schließlich kündete ein mehrmaliges Vibrieren vom Eingang der verpassten Nachrichten.

Das einzig Wichtige war eine E-Mail von Charles, nämlich seine verspätete Antwort auf ihre Mitteilung, dass sie ein paar Tage in Wien sein würde. Er bedauerte, sie nicht begleiten zu können, und ließ zwischen den Zeilen Erinnerungen an gemeinsam verbrachte Tage anklingen. Abgesehen davon war die E-Mail völlig neutral und bar jeder Emotion. Nur Molly las darin das, was Charles ihr mitteilen wollte: Beim Lesen hörte sie seine Stimme, und die Betonung bestimmter Sätze machte aus dem Inhalt eine sehr private Botschaft.

Auch der Messenger zeigte einen Nachrichteneingang an: Jeremy hatte geschrieben, sein Freund Markus würde sie am Flughafen abholen; das war eine willkommene Nachricht. Sie hatte in einem kleinen Hotel auf der Wienzeile am Naschmarkt ein Zimmer reserviert und könnte natürlich auch ein Taxi nehmen, um dahin zu gelangen, aber hier am Flughafen willkommen geheißen zu werden, das fühlte sich besser an.

Endlich tauchten die ersten Koffer auf dem Band auf, und nach weiteren fünf Minuten war auch Mollys Reisetasche dabei. Sie drängelte sich höflich, aber bestimmt zwischen den wartenden Mitreisenden ans Laufband durch und schaffte es gerade noch rechtzeitig, bevor ihr Gepäck wieder verschwand und eine Ehrenrunde drehte. Die Tasche war nicht sehr groß und enthielt nur das Notwendigste, trotzdem war Molly dankbar über die kleinen Rollen in ihrem Boden. Sie zog den Griff heraus und machte sich mit der Reisetasche im Schlepptau auf den Weg zum Ausgang.

 

Die pneumatische Schiebetür öffnete sich zischend, als Molly sich ihr näherte. Sie trat aus dem Ankunftsterminal hinaus in die Wartehalle und mischte sich unter die Leute, die hier auf ankommende Flugreisende warteten.

Suchend blickte sie sich um: da waren junge Männer mit weißen Pappschildern, auf denen handschriftlich mit schwarzem Filzstift Namen geschrieben waren: Mr. Smith und Wong-San konnte sie entziffern. Ein professionell in Hochglanz gedrucktes Schild, auf dem das Logo eines Hotels zu sehen war, wurde von einem Mann in altmodischer Chauffeursuniform hochgehalten. Ein schlanker Asiate in einem schwarzen Anzug presste ein Blatt Papier mit dem Namen seiner Firma vor die Brust. Da waren eine junge Frau mit zwei kleinen Kindern, ein älterer Herr mit einem Dackel an der Leine, ein Ehepaar mit bunten Luftballons in der Hand, die an ihren Schnüren zerrten, um zur hohen Decke zu fliehen. Molly sah niemanden, der auch nur im Entferntesten so aussah, als wäre er Jeremys Freund und würde sie erwarten.

Auf einmal trat das Pärchen mit den Luftballons zur Seite, um ein etwa zehnjähriges Mädchen zu begrüßen. Der Herr mit dem Dackel bückte sich und hob den Koffer einer kleinen alten Dame auf.

Ein hochgewachsener Mann mit Vollbart und grauen Strähnen im dichten kastanienbraunen Haar wurde sichtbar. Er löste sich aus der Menge und trat auf Molly zu. Er war Mitte vierzig und trug abgewetzte Jeans, dazu ein braunes Tweedsakko über einem dünnen blauen Strickpullover. Das lockige, etwas zu lange Haar war aus der Stirn nach hinten gekämmt, wo es sich im Nacken kringelte. Er sah mehr aus wie ein Kunstprofessor und überhaupt nicht wie der konservative Bankangestellte, der er eigentlich war, und schon gar nicht wie der verrückte Computerfreak, der er laut Jeremy früher einmal gewesen sein soll.

»Miss Molly Preston, I assume?«, fragte er in fast akzentfreiem Englisch.

»Ja, das bin ich«, antwortete Molly auf Deutsch und streckte ihm die Hand hin. »Und Sie sind Herr Wilhelm, nehme ich an?«

»Oh, entschuldigen Sie bitte, ich dachte, Sie sind Engländerin«, erklärte Markus Wilhelm in bemühtem Hochdeutsch und ergriff ihre Hand. »Eine Freundin von Jeremy und dann der Name …« Er ließ den Satz unvollendet.

»Wenn es Ihnen lieber ist, können wir auch Englisch sprechen«, erwiderte Molly und zwinkerte ihm zu.

»Nein, bleib’ma lieber beim Deutsch«, beeilte sich Markus zu sagen und grinste sie an. »Herzlich willkommen in Wien, Fräulein Preston!« Mit diesen Worten verbeugte er sich galant und überreichte ihr einen kleinen Strauß bunter Blumen.

»Mein Großvater ist Brite, daher der Name«, sagte Molly und nahm die Blumen entgegen. »Danke schön, das ist aber nett!«, setzte sie hinzu.

»Keine Ursache«, antwortete Markus. »Wir haben hier in Wien schließlich einen Ruf zu wahren, Sie wissen schon.« Mit diesen Worten sah er ihr tief in die Augen, doch dann musste er lachen. Molly stimmte in sein Lachen ein; Jeremys Freund war ihr jetzt schon sympathisch.

Er ergriff ihre Tasche und blickte sie fragend an. »Wo müssen wir hin?«

»In die Wienzeile, Pension Schramel«, antwortete Molly und folgte ihm nach draußen.

»Rechte oder Linke?«, wollte Markus noch wissen, als sie am Auto angekommen waren, einem alten blauen Mercedes, den er frech auf der Vorfahrtspur abgestellt hatte.

Molly warf einen Blick auf den Zettel, auf dem sie die Adresse des Hotels notiert hatte. »Rechte«, antwortete sie. »Rechte Wienzeile 55.«

Nach einer guten halben Stunde Fahrt bremste Markus Wilhelm vor einem hohen, schmalen Gebäude mit Jugendstilfassade. »Da wären wir«, sagte er überflüssigerweise, denn über dem Hauseingang hing ein Schild mit den Worten »Hotel Schramel« in verschnörkelten Buchstaben. Die letzten zehn Minuten hatten sie mit einer Zickzackfahrt durch kleine Gassen verbracht. Die mehrspurige Straße, der Gürtel, wie Markus sie nannte, die von der Flughafenautobahn über die Südosttangente direkt in die Stadt führt, hatte sich immer mehr mit dem abendlichen Berufsverkehr gefüllt. Er war gekonnt jedem Stau ausgewichen, bis Molly komplett die Orientierung verloren hatte. Sie war überrascht gewesen, als der Mercedes den Wienfluss überquerte, genau gegenüber vom Hotel eine Schleife drehte und vor dem Eingang hielt.

»Soll ich Sie in einer Stunde wieder abholen, und wir gehen was essen?«, schlug Markus vor, als er ihr die Beifahrertür aufhielt. »Nicht weit von hier ist ein kleines Lokal, ein Beisel, wo man das beste Gulasch von Wien bekommt.«

»Das beste Gulasch?« Molly hob skeptisch die schmalen Augenbrauen. »Das ist in Wien wohl so etwas wie eine Empfehlung?«

»Lassen Sie sich überraschen«, erwiderte Markus und zwinkerte ihr zu. »Sie kriegen da auch andere Sachen, wenn Sie Gulasch nicht mögen.«

Er sah auf seine Uhr. »Schaffens’ das in einer Stunde?«

»Ja, das ist kein Problem«, antwortete Molly. »Bis nachher!«, verabschiedete sie sich und wandte sich dem Eingang zu.

»Baba«, rief Markus ihr hinterher, setzte sich wieder ans Steuer und fuhr los.

 

Molly betrat das Hotel und fand sich in einem breiten Flur wieder. Der Boden war mit einem roten, abgetretenen Läufer bedeckt, ein altmodischer Kronleuchter hoch oben an der Decke beleuchtete den Raum. Auf der rechten Seite befand sich eine verschlossene Tür, also ging sie weiter und gelangte schließlich durch eine Glastür in einen Empfangsraum. Hier dominierte hell gewachstes Eichenparkett; linker Hand befand sich ein schmaler Tresen mit einem dicken Perserteppich davor. Rechts in der Ecke standen zwei runde gepolsterte Sessel an einem kleinen Nierentisch mit konisch zulaufenden schlanken Beinen.

Als die Glastür hinter ihr zurückschwang, kam ein älterer Mann in schwarzem Anzug aus einem Torbogen hinter dem Empfangstisch.

»Guten Abend, gnädige Frau!«, begrüßte er sie und kam um den Tresen herum. »Ich bin Albert Schramel. Ich nehme an, Sie sind Frau Preston?« Mit diesen Worten streckte er ihr die Hand entgegen.

»Ja, die bin ich«, antwortete Molly und reichte ihm die Hand, die er nur an den Fingern ergriff und andeutungsweise an die Lippen führte. Molly schmunzelte innerlich. Sie hatte die legendäre Höflichkeit der Österreicher schon fast vergessen, die im ersten Augenblick ein wenig übertrieben erschien, an die man sich aber doch gerne gewöhnte.

»Wenn Sie mir bitte Ihren Personalausweis oder Pass geben wollen, dann mache ich die Anmeldung für Sie fertig. Sie müssen’s nachher nur noch unterschreiben.« Geschäftig blätterte Herr Schramel in seinem großen Buch. »Ah, da haben wir Sie ja. Zimmer 25, das ist hinten hinaus. Kommen Sie mit, ich zeige es Ihnen!«

Mit diesen Worten nahm er ihre Tasche und deutete auf eine weitere Glastür am anderen Ende des Empfangsraums.

»Ich darf vorgehen?« Er hielt die Tür für Molly auf und steuerte auf die verzierten Gittertüren eines Aufzugs zu, der sich in der Mitte eines geschwungenen Treppenhauses mit breiten Stufen befand.

»Die Aufzugkabine und die Gitter stammen noch original aus dem Jahr 1905«, erklärte er stolz. »Aber keine Sorge, die Technik ist modern, wir haben sie vor einigen Jahren erneuern lassen«, beeilte er sich zu betonen, als er Mollys skeptischen Blick bemerkte. Sie hatte kein Problem damit, sich Gefahren auszusetzen, aber einem über hundert Jahre alten Mechanismus ihr Leben anzuvertrauen war eine andere Sache. Trotzdem lächelte sie freundlich und folgte Herrn Schramel in den Lift.

Die Knöpfe in der Kabine bestanden aus Elfenbein, zumindest sahen sie so aus, und die Zahlen daneben waren schwarz und glänzend in schnörkeliger Schrift in rotbraunes Holz eingelegt. Albert Schramel drückte den Knopf neben der Zwei, und seidenweich setzte sich das Museumsstück in Bewegung. Er hatte nicht zu viel versprochen.

Durch die verglasten Seitenwände konnte Molly in das Treppenhaus blicken, dessen schmale Fenster in einen begrünten Hof hinausgingen. Die Fahrt wurde sanft abgebremst, und die Innentür des Fahrstuhlkorbes öffnete sich automatisch. Auch hier bestand das Gitter aus Ornamenten, die an Blumenranken erinnerten und durch vergoldete Knöpfe an den Kreuzungspunkten verbunden waren. Herr Schramel schob das Gitter beiseite und trat vor Molly auf den Gang hinaus, der nach links führte. Von ihm gingen nur zwei Türen ab; Nummer fünf befand sich auf der rechten Seite. Herr Schramel öffnete sie mit einem Schlüssel, den er aus der Tasche seines Anzugs holte.

»Nach Ihnen bitte«, sagte er und trat einen Schritt zurück, um Molly den Vortritt zu lassen.

Sie betrat das Zimmer und wandte sich um. Herr Schramel folgte ihr und stellte ihre Tasche ab.

»Ich lasse Sie jetzt allein. Wenn Sie etwas brauchen, rufen Sie einfach an. Nur abheben, und Sie sind direkt mit der Rezeption verbunden.« Mit diesen Worten deutete er auf den altmodischen Telefonapparat, der auf einem Tischchen am Fenster stand.

»Danke, Herr Schramel«, antwortete Molly und seufzte erleichtert auf, nachdem er leise die Tür hinter sich geschlossen hatte. Erschöpft ließ sie sich auf das breite Bett fallen, das weich nachfederte. Nach einigen Augenblicken erhob sie sich wieder und trat ans Fenster.

Obwohl sich die Pension mitten in der Stadt befand, war es im Zimmer sehr still. Sie blickte hinunter in einen kleinen Innenhof, der von einer braun und grün gesprenkelten Kastanie dominiert wurde, auf deren herbstgefärbte Krone sie hinabblickte. Im Hof standen zierliche weiße Metalltische und dazu passende Stühle, aber niemand war zu sehen; der Garten war verwaist. Ein lang gestreckter Wintergarten zog sich die Fassade des Hauses entlang. Durch die Glasscheiben, die das Dach bildeten, konnte Molly Reihen von gedeckten Tischen und eine lange Anrichte erkennen: der Frühstücksraum.

Die Einrichtung des Zimmers war auf den ersten Blick schlicht, aber sie passte wunderbar zum Stil des schönen Hauses aus der Wiener Secessionszeit. Dunkles Holz mit klaren Linien dominierte und wurde ergänzt von einem schweren goldenen Bettüberwurf sowie goldgelben Kissen auf dem Sofa. Das Eichenparkett bedeckte ein dicker Teppich in satten Rot- und Goldtönen, in dem ihre Füße zu versinken drohten. Die alten Doppelfenster waren durch moderne weiße Kunststofffenster ersetzt worden. So entstand eine tiefe Fensterlaibung, die von bodenlangen goldgelben Vorhängen verdeckt wurde. An der Wand über dem Bett hing – farblich perfekt abgestimmt – »Der Kuss« von Gustav Klimt.

Nun betrat Molly das angeschlossene Badezimmer. Der kleine Raum war zweckmäßig eingerichtet, ein Waschbecken, eine Dusche mit Glastüren und eine abgetrennte Toilette, alles sauber und modern, aber ohne Schnickschnack. Zufrieden lächelte sie, ging zurück ins Zimmer, nahm ihre Kulturtasche und verschwand erneut im Bad, um sich für ihre abendliche Verabredung fertig zu machen. Markus Wilhelm würde in einer guten halben Stunde wieder hier sein.

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KAPITEL 2

Punkt sieben Uhr wartete Molly frisch geduscht und umgezogen im Empfangsraum des Hotels. Sie trug jetzt eng anliegende schwarze Jeans, halbhohe weiche Stiefeletten und eine dunkelblaue taillierte Jacke über einem schmal geschnittenen grauen Kaschmirpullover. Die schwarzen Haare hatte sie im Nacken zurückgebunden, der Pferdeschwanz fiel ihr glatt und glänzend den Rücken hinab. Auf Schminke hatte sie verzichtet, nur ein wenig Wimperntusche und Lipgloss betonten ihre Züge. Markus Wilhelm hatte ein »Beisel« als Ziel erwähnt, eines dieser alten Gasthäuser, in denen zumeist bodenständige Hausmannskost serviert wurde, und sie wollte um keinen Preis overdressed erscheinen.

Die Eingangstür öffnete sich, und durch die Glastür sah sie Markus’ hochgewachsene Gestalt den Eingangsbereich betreten. Sie ging ihm entgegen, und er lächelte strahlend, als er sie erblickte.

»Guten Abend, Fräulein Preston! Können wir?«

»Ja, ich bin fertig«, erwiderte sie.

Markus hielt ihr die Tür auf und folgte ihr hinaus auf den breiten Bürgersteig. Es war inzwischen dunkel geworden, und die Straßenlaternen beleuchteten die schönen Jugendstilfassaden. Molly sah sich suchend nach dem Auto um, doch Markus winkte ab. »Wir gehen zu Fuß, es ist nicht weit.«

Molly nickte zustimmend und setzte sich in Bewegung. Sie wandten sich nach rechts, überquerten erst die Straße und anschließend einen leeren Parkplatz, auf dem samstags immer ein Flohmarkt stattfand, wie Markus erklärte. Nach wenigen Minuten erreichten sie ein unscheinbares Lokal mit dunkelgrünen Rundbogenfenstern und einer braunen Markise. Über dem Eingang hing ein beleuchtetes Schild: »Sopherl am Naschmarkt« stand da in der allgegenwärtigen Jungendstilschrift. Rechts und links der Tür waren mit Kreide die Tagesgerichte aufgelistet.

Einige der Tische draußen waren noch besetzt, doch Markus betrat das Lokal und ging zügig voraus in den Nichtraucherbereich, der durch eine Glaswand vom Rest des Lokals abgetrennt war. Hier fanden sie einen Tisch an einem der Fenster, und Markus rückte ihr den Stuhl zurecht, als Molly sich setzte. Sie musste sich erst daran gewöhnen, dass man ihr ständig eine helfende Hand reichte, egal, ob sie sie brauchte oder nicht.

»Was möchten Sie essen?«, fragte Markus erwartungsvoll.

»Was können Sie denn empfehlen?«, gab Molly die Frage zurück.

»Ich nehm hier immer Gulasch, das ist wirklich ausgezeichnet«, antwortete Markus.

»Dann probiere ich das auch«, beschloss Molly.

»Fiakergulasch, Erdäpfelgulasch, Esterházygulasch oder ganz normales Wiener Gulasch?« Markus grinste über Mollys augenscheinliche Verwirrung.

»Okay, ein ganz normales Gulasch«, entschied er für sie. »Mit den komplizierteren Dingen können wir uns später beschäftigen.«

Molly musste lachen. Markus gab ihre Bestellung auf und wählte für sich das Fiakergulasch, »damit Sie sich das zumindest ansehen können«, erklärte er schmunzelnd. Dazu orderte er eine Flasche »burgenländischen Roten«, ohne Molly lange zu fragen.

Der Wein kam mit einer adrett um den Hals gewickelten Stoffserviette. Der Kellner schenkte zwei bauchige kurzstielige Gläser voll und stellte die Flasche neben ihnen ab. Markus hob sein Glas.

»Prost, Fräulein Preston. Schön, dass Sie hier sind«, sagte er und zwinkerte ihr zu. »Prost Herr Wilhelm«, erwiderte Molly und zwinkerte zurück. »Ich freue mich auch.«

Der Wein war dunkel und schmeckte intensiv, aber ohne den herben Unterton der französischen Rotweine. Eine leichte Süße auf der Zunge erinnerte Molly an warme Sommerabende.

»Sehr gut«, lobte sie und drehte das Glas zwischen den Fingern, um die roten Lichtreflexe zu betrachten.

»Rotwein aus dem Burgenland, Weißwein aus Niederösterreich, das müssen Sie sich merken. Oder aus der Steiermark, dort gibt es auch sehr gute Lagen.« Markus Wilhelm war, was Wein betraf, offenbar ein Lokalpatriot.

Das Gulasch kam, und sie ließen es sich schmecken. Markus hatte neben den Fleischstücken in dunkler Paprikasauce noch Würstchen, ein Spiegelei und einen großen Kloß auf dem Teller, einen Semmelknödel, wie er betonte. Eine Essiggurke war zu einem Fächer aufgeschnitten und am Tellerrand drapiert. Molly bekam zu ihrem Gulasch nur ein weißes Brötchen als Beilage, eine Semmel, korrigierte sie sich im Stillen. Sie hatte das Gefühl, gerade eine neue Sprache zu lernen.

Doch die Portion war mehr als ausreichend, und als Markus zum Dessert noch Kaiserschmarrn für zwei Personen bestellte, winkte sie ab.

»Nein danke, Herr Wilhelm, ich bin wirklich satt!«

»Das macht gar nichts, ich ess das auch allein«, sagte er grinsend und nickte dem Kellner zu. Kurz darauf wurde die Platte mit der Süßspeise vor ihnen abgestellt, zwei Schälchen mit Apfelkompott an jeder Seite. Molly griff nun doch zur Gabel und kostete. Knusprig gebackener Eierkuchen, manche Stücke fast schwarz, mit Zucker bestreut, so einfach, und doch so gut. Nach wenigen Bissen legte Molly die Gabel weg und stöhnte. »Wenn ich noch mehr esse, dann platze ich!«

Markus lachte. »Schön, dass es Ihnen schmeckt!« Mit diesen Worten machte er sich daran, auch noch den Rest zu vertilgen. Erst als die Platte leer war, lehnte er sich zufrieden in seinem Stuhl zurück.

 

Molly rührte versonnen in ihrem Apfelkompott, schließlich blickte sie auf.

»Wollen Sie mir jetzt erzählen, was passiert ist?«, fragte sie. Jegliches Lachen war jetzt aus ihren Augen verschwunden.

»Ja, es ist wohl an der Zeit«, antwortete Markus. Doch er schwieg weiter und sah aus dem Fenster. Endlich seufzte er und blickte Molly an.

»Ich muss dazu ein bisschen weiter ausholen«, begann er. Molly nickte.

»Früher, als ich noch jünger war, war ich als Hacker recht aktiv. Wir waren eine Gruppe von Studenten und machten uns einen Spaß daraus, uns irgendwo einzuschleichen, wo wir nichts verloren hatten: die Verwaltung von einem Supermarkt, die PCs in einer Firma, die Daten von einer Autovermietung, solche Sachen halt. Wir haben die Zeitung vom nächsten Tag gelesen und die Liebesbriefe von einem Büroangestellten oder die eBay-Käufe von einer Sekretärin. Wir haben das lustig gefunden. Einer von uns war sogar einmal im Polizeicomputer, aber das haben sie schnell bemerkt, und ein paar Tage später haben sie da ein Sicherheitssystem wie Fort Knox gehabt.«

Markus’ Blick wurde eindringlich. »Aber wir haben nie was gemacht. Wir haben immer nur zugeschaut, wir haben nie was verändert oder zerstört, das müssen Sie mir glauben.«

Molly sah ihn erstaunt an. »Ja, natürlich, aber was hat das …«

»Ich arbeite heute für einen Bankenverbund als Datenbankadministrator. Genau genommen hab ich dadurch auch meinen Job bekommen, weil ich Sicherheitslücken in einer Datenbankanwendung entdeckt habe. Aber meine Arbeitgeber sollten von meiner Vergangenheit besser nichts erfahren.« Markus zwinkerte ihr zu. »Ich gehör zu den Guten, ich hab nie was Illegales gemacht, das wollt ich nur sagen.«

»Okay.« Molly nickte. »Und was hat es nun mit dem toten Jungen auf sich? Welche Rolle spielte er?«

»Ja, dazu wollt ich grad kommen«, erwiderte Markus. »Ich leite seit einigen Jahren einen Computerclub, einen Hackerclub, wenn Sie so wollen. Ich pass auf, dass das, was die jungen Leute heut so draufhaben, nicht aus dem Ruder läuft. Ich versuch es zumindest.« Er verstummte.

»Und der junge Mann war einer aus Ihrem Club?«, hakte Molly nach.

»Ja, der Karl war einer meiner Burschen«, antwortete Markus. »Einer der besten aus der Truppe, wirklich talentiert. Hochintelligent, er hat sich auf vielen Gebieten ausgekannt, nicht nur am Computer. Er war Informatikstudent, aber nicht sehr erfolgreich, weil er zu viel schwarz nebenbei gemacht hat. Er hat Herausforderungen geliebt, und es war ihm egal, wenn’s dabei nicht immer ganz legal zuging.«

»Und Sie meinen, dass sein Tod kein Unfall war?«, fragte Molly.

»Sie haben ihn letzte Woche tot aus dem Donaukanal gezogen. In der Zeitung steht, er ist ertrunken und man hat keine äußeren Verletzungen gefunden. In seinem Blut wurden Alkohol und Spuren von Cannabis festgestellt, also ist die Polizei davon ausgegangen, dass er betrunken und eingeraucht in den Fluss gefallen ist.«

»Und Sie glauben das nicht?«, warf Molly ein. Sie hatte Geduld und ließ Markus die Geschichte in seinem eigenen Tempo erzählen.

»Nein, ich glaub das nicht«, stimmte Markus ihr zu. »Die Burschen haben immer Bier getrunken, und gejointelt wurde auch meistens was. Das waren aber nie große Mengen, und Karl war daran gewöhnt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er sich so zugedröhnt hat, dass er im Donaukanal ertrinkt.«

»Das ist aber nicht alles, oder?«, vermutete Molly.

»Genau, das ist nicht alles.« Markus sah sie nun an. »Kurz vor seinem Tod hat er mir von einem Rätsel erzählt, auf das er im Internet gestoßen ist, irgendein eigenartiger Wettbewerb, bei dem er mitgemacht hat. Wer das Rätsel knackt, hätte wohl die Chance, zehntausend Euro zu verdienen. Er hat das Rätsel schon gelöst gehabt und war sich ganz sicher, dass er das Geld auch kriegt.« Markus zögerte. »Nein, es war mehr als das«, setzte er fort. »Er war regelrecht aufgedreht, als ob da eine ganz große Sache dahinterstecken würde. Aber er hat nichts davon erzählen wollen, das wär alles geheim, hat er gesagt.«

Molly wartete, ob noch mehr käme, doch Markus schwieg jetzt.

»Wissen Sie die Internetadresse dieses Rätselwettbewerbs?«, wollte sie wissen.

»Nein, die weiß ich nicht«, antwortete Markus. »Ich hab schon danach gegoogelt, aber ich hab nichts gefunden. Ich weiß auch nicht wirklich, wonach genau ich suchen soll.«

»Es ist sicher keine von den großen Plattformen wie geocaching.com oder eine dieser Ausschreibungen der Nachrichtendienste«, vermutete Molly.

»Nein, bestimmt nicht, sonst hätt Karl nicht so ein Geheimnis draus gemacht«, gab Markus ihr recht.

»Das heißt, unsere erste Aufgabe ist es, diese Adresse herauszubekommen und das Rätsel zu finden«, konstatierte Molly. »Oder sind Sie anderer Meinung?«

»Ja, das seh ich genauso«, antwortete Markus. »Aber ich hab keine Idee, wo wir ansetzen könnten«, setzte er hinzu.

Molly dachte kurz nach.

»Hatte Karl einen Computer? Gibt es ein Handy?« Molly sprach ihren ersten Gedanken laut aus.

»Von einem Handy weiß ich nichts. Er hatte eins, aber er hat es sicher bei sich gehabt, als er ertrunken ist.« Markus überlegte kurz. »Wenn man es gefunden hat, ist es vielleicht noch bei der Polizei«, schloss er.

»Ja, wahrscheinlich«, stimmte Molly zu. »Und sein Computer?«

»Der wird bei ihm zu Haus sein«, sagte Markus. »Oder seine Familie hat ihn, ich hab keine Ahnung. Auf jeden Fall kommen wir da nicht so ohne Weiteres dran.« Hilflos hob er die Schultern.

»Kennen Sie Karls Familie? Hatte er Geschwister oder eine Freundin?«, wollte Molly nun wissen.

»Nein, ich kenn ihn nur vom Club. Er stammte aus Salzburg, glaub ich, und er hat in Wien studiert, mehr weiß ich nicht von ihm.« Bedauernd sah er Molly an.

»Gibt es jemanden im Club, der das wissen könnte?«, fragte sie. »Bitte, denken Sie nach!«

Markus schloss kurz die Augen. »Ja, natürlich«, antwortete er. »Die Magdalena. Die beiden sind mal miteinander gegangen. Das ist zwar schon länger her, aber sie müsst was wissen.«

»Ein Mädchen? Auch aus dem Club?«, fragte Molly nach. Irgendwie hatte sie diesen Club nur mit jungen Männern in Verbindung gebracht. Ein Vorurteil natürlich, denn Hacken war keine Männerdomäne.

»Nein, die Magdalena gehörte nicht zum Club, aber der Peter, ihr Bruder«, erwiderte Markus und sah auf die Uhr. »Ich ruf ihn gleich einmal an!«

Mit diesen Worten zog er sein Telefon aus der Tasche und rief einen Namen aus der Kontaktliste auf.

»Peter? Hier ist der Markus, vom Club«, meldete er sich. »Sag einmal, kannst du mir sagen, wie ich die Magdi erreiche?«

»Warum? Es geht um Karl, du weißt schon«, fuhr er fort, dann lauschte er auf Peters Stimme.

»In Amerika? Das ist ja blöd«, sagte er nun. »Nein, natürlich ist das schön für sie, aber ich bräucht eine Auskunft, und ich hab gedacht …«

Er verstummte und hörte zu. »Ein Bruder? Das ist ja super! Du schickst sie mir? Ja, danke, baba!«

Mit diesen Worten beendete er das Gespräch.

»Die Magdalena ist in Amerika«, wandte er sich wieder Molly zu. »Aber der Karl hat einen Bruder, und Peter schickt mir seine Telefonnummer.«

»Wunderbar, das ist doch schon mal ein Anfang«, sagte Molly. »Aber für heute ist es wohl schon zu spät, um etwas zu unternehmen«, fuhr sie mit einem Blick auf ihre Armbanduhr fort. Es war nach halb elf.

»Sie haben recht«, stimmte Markus ihr zu. »Ich ruf ihn gleich morgen früh an und frag ihn, ob wir uns treffen können, okay?«

»Das ist eine gute Idee«, erwiderte Molly. »Und Sie sagen mir noch, wann und wo ich dazukommen soll, ja?«

»Natürlich!« Markus strahlte sie an. »Ich hol Sie sogar ab, wenn’s recht ist«, setzte er hinzu.

»Das wäre sehr schön.« Molly lächelte zurück. Unvermittelt musste sie gähnen und hielt sich schnell die Hand vor den Mund.

»Sie sind müde, ich muss mich entschuldigen.« Markus sah sie schuldbewusst an.

»Sie müssen sich gar nicht entschuldigen«, beruhigte ihn Molly. »Es war ein sehr schöner Abend, trotz dieser schlimmen Geschichte.«

»Wirklich?« Markus zwinkerte ihr zu.

»Ja, wirklich«, versicherte sie ihm. »Aber jetzt bin ich müde, es war ein langer Tag.«

Markus winkte den Kellner herbei, »Herr Ober, zahlen!«, und beglich die Rechnung. Molly bedankte sich, und die beiden verließen das Lokal. Schweigend legten sie die dreihundert Meter bis zu Mollys Hotel zurück, wo sich Markus verabschiedete.

»Ich wünsche Ihnen eine gute Nacht, Fräulein Preston, es war sehr schön, Sie kennenzulernen.«

»Danke, Herr Wilhelm, ich freue mich auch«, antwortete sie und wandte sich zum Gehen.

Markus wartete noch, während sie die Eingangstür des Hotels mit ihrem Zimmerschlüssel aufschloss. Sie hob noch einmal die Hand zum Gruß, dann fiel die Tür hinter ihr ins Schloss.

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KAPITEL 3

Am nächsten Morgen wurde Molly vom Klingelton ihres Handys geweckt. Eine unbekannte Nummer, das konnte nur Markus Wilhelm sein.

Sie setzte sich auf und nahm den Anruf an.

»Guten Morgen, Fräulein Preston, haben Sie gut geschlafen?«, tönte Markus’ Stimme aus dem Lautsprecher.