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Wir leben heute in einer globalen Ego-Gesellschaft, in der alles, was machbar ist, getan werden muss. Unsere alten Traditionen und Werte geben wir ohne Gegenwehr auf und folgen den neuen 10 Geboten des digitalen Kapitalismus. Dessen Paradies besteht aus unendlichem Wachstum, unbegrenztem Konsum und dem Wohlstand für alle. Damit wir ohne schlechtes Gewissen dem Konsumhimmel huldigen können, hat die Politik als Notlüge die Nachhaltigkeit aus dem Hut gezaubert. Mit der Folge, dass wir statt weniger immer mehr Ressourcen verbrauchen. Blicken Sie gemeinsam mit mir in die Seele unserer Gesellschaft, die ihr Gleichgewicht verloren hat, entdecken Sie erstaunliche Zusammenhänge und folgen Sie "visionär-vernünftigen" Lösungsansätzen, die wir anschieben können, indem wir gemeinsam nichts tun.
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Seitenzahl: 378
Veröffentlichungsjahr: 2019
Dr. phil. Hans-Peter Huppert
Die Sünden der Nachhaltigkeit
Und die Macht des Nicht-Tuns
© 2019 Dr. phil. Hans-Peter Huppert
Verlag und Druck: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg
ISBN
Paperback:
978-3-7497-1033-1
Hardcover:
978-3-7497-1034-8
e-Book:
978-3-7497-1035-5
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Die Sünden der Nachhaltigkeit
Und die Macht des Nicht-Tuns
Inhalt
A
DIE HEILE WELT DER PHRASENDRESCHER
UND
DIE EVO-REVOLUTION
B
ANNE WILL NICHT
UND
DER FLUCH DER FALSCHEN FRAGEN
C
DER DIGITALE KAPITALISMUS
UND
DER NEUE DEKALOG
1
DIE SCHICKSALHAFTE SYMBIOSE:
DU SOLLST AN DAS WACHSTUM GLAUBEN
2
DIE NEUE REALITÄT IST VIRTUELL:
DU SOLLST DEN NEUEN TECHNOLOGIEN HULDIGEN
3
DEKADENZ ALS LEBENSZIEL:
DU SOLLST ALLES TUN, WAS MACHBAR IST
4
DIE WELT BIN ICH:
DU SOLLST DICH SELBSTVERWIRKLICHEN
5
DAS ERKAUFTE GLÜCK:
DU SOLLST KONSUMIEREN
6
DIE MENSCHHEIT WIRD VER-APP-ELT:
DU SOLLST ONLINE SEIN UND DICH VERNETZEN
7
DIE WAHRHEIT STIRBT ZUERST:
DU SOLLST UNS NICHT HINTERFRAGEN
8
DIE DEMOKRATIE DER TYRANNEI:
DU SOLLST DICH NETZKONFORM VERHALTEN
9
AKTIONSBÜNDNIS PSYCHOPHARMAKA FÜR ALLE:
DU SOLLST FUNKTIONIEREN
10
DER GROßE SELBSTBETRUG:
DU SOLLST NACHHALTIG LEBEN
D
DAS KONFUZIUS-PRINZIP:
UND
DIE MACHT DES NICHT-TUNS
E
ZENTRALE TEXTBAUSTEINE
F
QUER-DENKEN
G
EXPOSEE
H
ÜBER DEN AUTOR
I
LITERATUR
A
Die heile Welt der Phrasendrescher und Die Evo-Revolution
Gesellschaftskritische Publikationen ziehen sich wie ein roter Faden durch die gesamte Weltliteratur. Angefangen bei den alten griechischen Philosophen über die Intellektuellen des Mittelalters bis hin zu Kant, Marx, Nietzsche, Horkheimer, Freud und Marcuse haben sich alle mit gesellschaftskritischen Fragen auseinandergesetzt. Warum? Ganz einfach, weil sie darin die Chance sahen, etwas verändern zu können. Wie die Geschichte zeigt, hat das zumindest in der Vergangenheit ganz gut funktioniert. Nichts weniger als die ein oder andere Revolution wurde durch die Macht des geschriebenen Wortes angeschoben.
Aber das waren auch andere Zeiten. Zeiten, in denen Informationen rar und nur wenigen zugänglich waren, die Lebensgeschwindigkeit eine andere und das alltägliche Leben durch klare Strukturen geprägt war. Durch die Technisierung und vor allem durch die Digitalisierung unseres Alltages hat sich das Leben jedoch gerade in den letzten 30 Jahren drastisch verändert.
Information ist heutzutage zur kostenlosen Massenware mutiert, die im Überfluss rund um die Uhr jedem zur Verfügung steht, wobei die Qualität und der Wahrheitsgehalt zunehmend zu wünschen übriglassen. Im Gegensatz zur vordigitalen Zeit haben wir nunmehr das Problem, dass es so gut wie unmöglich ist, all die Informationen, die uns täglich überrollen, zu filtern und richtig zu bewerten. Dies hat paradoxerweise dazu geführt, dass wir im digitalen Zeitalter themenbezogen viel oberflächlicher und somit schlechter informiert sind, als dies früher der Fall war.
Unsere Festplatte im Kopf wird im Online-Zeitalter von den digitalen Medien und vor allem von den (a)sozialen Netzwerken beinahe im Sekundentakt mit völlig unwichtigen Daten geflutet. Damit blockieren wir die notwendigen Speicher- und Denkkapazitäten, welche für die tatsächlich lebens- beziehungsweise überlebenswichtigen Themen so dringend benötigt werden. Und das gerade jetzt, wo wir mit Hilfe der Quantenphysik/-philosophie beginnen zu verstehen, dass im Universum tatsächlich alles informationsbasiert ist, wir in einem unendlichen und zeitlosen Informationsfeld leben und als Menschen jederzeit auf dieses Feld mit all seinen Informationen zugreifen können. Durch den ständig wachsenden Datenmüll versperren wir uns jedoch den notwendigen Zugang in eine bessere Welt. Tiefgreifende Diskussionen werden schon im Keim erstickt, wodurch eine Beschäftigung mit Inhalten kaum noch stattfindet. Wir haben uns in eine Gesellschaft der Phrasendrescher verwandelt. Zufall oder Absicht?
Dies lässt sich besonders gut am aktuellen Zustand der Politik festmachen, die das Phrasentum perfektioniert hat. Egal, ob Links, Mitte oder Rechts jeder benutzt seine eigenen Phrasen, um seine Daseinsberechtigung zu belegen. Und nicht selten sind die Phrasen mit einer gehörigen Portion an Selbstbetrug verbunden. Frei nach Machiavelli: Der Zweck heiligt die Mittel. So ist die Verherrlichung der E-Mobilität durch die Grünen genauso eine Lüge wie die Zusicherung der Rentenstabilität bis 2040 seitens der aktuellen Regierung sowie das Zurück zu nationalstaatlichen Allmachtsphantasien der Rechten. Beschäftigt man sich ernsthaft mit diesen Themen, so stellt sich sehr schnell heraus, dass die aktuelle Ökobilanz eines Elektroautos miserabel ausfällt, dass wir in dieser schnelllebigen Zeit nicht einmal einen halbwegs sicheren Haushaltsplan für die nächsten fünf Jahre hinbekommen, geschweige denn bis 2040 oder, dass aufgrund der nicht mehr aufzuhaltenden Globalisierung einzelne Nationalstaaten kein einziges Problem mehr alleine lösen können. Da stellt sich doch die Frage: Glauben die Politiker, egal welcher Couleur sie angehören, tatsächlich an das, was sie von sich geben? Oder haben sie als intelligente Menschen schon lange begriffen, dass sie de facto nichts mehr Wichtiges zu entscheiden haben? Und somit der ganze Selbstbetrug lediglich dazu dient, eigene Interessen wie Posten und Diäten abzusichern, wobei das Politiktheater nur noch deshalb veranstaltet wird, um die Menschen - auf Deutsch gesagt – ruhigzustellen und zu verarschen. Unfähigkeit oder Betrug, Pest oder Cholera?
Bei zunehmend komplexeren Themen eigenverantwortliche Entscheidungen zu treffen, fällt immer schwerer und das trifft nicht nur auf den privaten Bereich zu. Unser Gesellschaftssystem als Kombination aus freier Demokratie und Sozialer Marktwirtschaft gerät mehr und mehr unter Druck. Mit dem rasanten technologischen Fortschritt der letzten vierzig Jahre konnte die notwendige Weitentwicklung unseres Gesellschaftssystems nicht Schritt halten. Das ist der Grund dafür, dass wir in so gut wie allen Belangen an die Grenzen desselben stoßen. Das gilt insbesondere auch für unsere politischen Strukturen.
Wenn wir ehrlich zu uns selbst sind, müssen wir einsehen, dass das längst überholte Volksparteiengebilde, in dem zwei bis drei große Parteien die absolute Mehrheit der Bevölkerung repräsentieren, nicht mehr funktioniert. Die sogenannten großen Volksparteien mit ihren Berufspolitikern sind durch Aussitzen, Vertagen und Nichtentscheiden, man könnte auch sagen, durch eine Art „Angstpolitik“, in den letzten zwanzig Jahren dermaßen weichgespült und stromlinienförmig geworden, dass kaum noch Unterschiede zu erkennen sind. Selbst die Partei der Grünen, die einstmals angetreten ist, um das Establishment aufzumischen, ist im Mainstream profillos abgetaucht. Jedenfalls scheinen unsere heutigen Politiker vor ihren eigenen Bürgern Angst zu haben, oder weshalb nimmt die Demokratie stetig ab statt zu? In wichtige Entscheidungsprozesse wird man als Bürger nicht mehr eingebunden. Stattdessen werden wie beim Freihandelsabkommen mit den USA von einer kleinen, elitären Politikergruppe vorbei an Parlament und Bevölkerung Geheimverhandlungen geführt. Das hat mit Demokratie nur noch sehr wenig zu tun. Die einzig verbliebene Möglichkeit sich „demokratisch“ zu betätigen, ist alle paar Jahre zur Wahlurne zu gehen.
Das krampfhafte Festhalten an alten Strukturen hat noch nie funktioniert und das enorme Tempo mit dem wir heute globalvernetzt unterwegs sind, wird zu einem bösen Erwachen führen, wenn nichts geschieht. Schon heute werden die „Etablierten“ im wahrsten Sinne des Wortes von Links und Rechts überholt. Die Vergangenheit hat uns schon mehrmals gezeigt, dass dies nicht unbedingt gut für uns ist. Wir sollten auf Aristoteles hören: „In Wirklichkeit liebt niemand den Furchtsamen“. Das sollte uns eine Warnung sein.
Aber was kann man von Berufspolitikern erwarten, die nicht selten zwanzig Jahre und länger im Bundestag sitzen und deren größte Angst es ist, nicht wiedergewählt zu werden. Wir können uns dieses in den Parteien verankerte Berufspolitikertum nicht mehr leisten. Unser Gesellschaftssystem braucht dringend neue, vorwärts gerichtete Impulse.
Für Aristoteles war politische Arbeit eng verbunden mit dem Ziel der Ehre. Dafür haben unsere heutigen Politiker wohl kaum mehr als ein müdes Lächeln übrig. Von der kommunalen Ebene aufwärts bis hinein in die Weltpolitik ist das Hauptziel der aktuellen Politik mit einem Wort umfassend beschrieben: Macht. Entweder geht es darum, die Macht zu erhalten und auszubauen, oder überhaupt erst einmal an die Macht zu gelangen. Alles Weitere spielt eine untergeordnete Rolle. Natürlich findet man dieses Ziel nicht in den Parteiprogrammen, aber in den Köpfen der Politiker ist es omnipräsent. Nimmt man sich die Zeit, die Programme der großen Parteien zu lesen und nach Zielen zu durchforsten, so stellt man schnell fest, dass in den gesellschaftlichen Kernpunkten wie Wirtschaft, Soziales und Umwelt kaum nennenswerte Unterschiede bestehen. Viele hundert schön formulierter Textseiten lassen sich im Wesentlichen auf einen einzigen Satz herunterbrechen: Es geht um die moderne Vierfaltigkeit: Wachstum, Konsum, Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Hierzu bedarf es einer florierenden Wirtschaft, sozialer Gerechtigkeit, einer sauberen Umwelt und einer insgesamt friedlicheren Welt. Lediglich bezüglich des Weges, wie man dies erreichen will, gibt es zumindest ein paar kleine Unterschiede. Als externer Berater habe ich bei solch einem Programm mitgeschrieben und kenne somit die Anforderungen. Es darf kein Thema vergessen werden, die Ziele müssen konsensfähig und keinesfalls zu radikal sein, es muss alles gut verständlich und lesbar sein. Nur welcher normale Mensch liest heutzutage noch ein Parteiprogramm? So gut wie niemand. Deshalb übernehmen die Programme für die Parteien eher die Funktion einer intellektuellen, moralisch-ethischen Alibifunktion. Inhalte und Ziele der Programme finden nur sehr selten den Weg ins Tagesgeschäft und werden überarbeitet, bevor man sie überhaupt wahrgenommen hat. Das politische Tagesgeschäft ist heute gekennzeichnet durch permanentes Krisenmanagement und dem Machtkampf zwischen den Parteien sowie von Positionskämpfen in den eigenen Reihen. Es fehlt die Zeit, um strategische Ziele zu verfolgen, die eine dringend notwendige Weiterentwicklung unserer Gesellschaft ermöglichen. Gefangen im Krisenmodus sowie eingeklemmt zwischen nationalen und internationalen Abhängigkeiten mangelt es an Mut und Entschlossenheit, die Bürger mit der Wahrheit zu konfrontieren. Lieber hält man an einer schönen Scheinwelt fest, die notfalls mit neuen Schulden finanziert wird. Und dann kommt so ein Thema wie die Flüchtlingskrise daher und rüttelt gewaltig an den Toren unserer heilen Welt, deckt rechte Abgründe auf und bringt die EU ins Wanken. Noch hat niemand so richtig begriffen, dass das die Chance für einen längst überfälligen Umbruch ist. Unsere Gesellschaft wird sich verändern, ob wir wollen oder nicht und die aktuellen Ereignisse sind nur der Anfang. Augen zu und abschotten ist keine Option, weil zum Scheitern verurteilt.
Was also tun, als jemand der nicht einfach den Kopf in den Sand steckt und nach dem Motto verfährt: Da kann man ja sowieso nichts machen? Die Antwort ist nicht einfach. Ich habe versucht über die etablierten Parteien etwas zu verändern, als das nicht funktionierte über die Neugründung einer Partei. Aber auch dieser Versuch scheiterte kläglich. Ich musste feststellen: Sobald man sich auf die Spielregeln des Systems einlässt, lässt dieses aus sich heraus keine wesentlichen Veränderungen mehr zu. Unser Gesellschaftssystem hat sich verselbständigt und wurde sukzessive von einer globalisierten Wirtschafts-, Finanz- und Datenelite übernommen. Die vor langer Zeit installierten Stellschrauben und Kontrollmechanismen funktionieren nicht mehr. Die Politiker dürfen nur noch Schaulaufen, wohingegen für die Kür ganz andere Akteure zuständig sind.
Nachdem in den 1980er Jahren der Kommunismus als Gesellschaftsform den Offenbarungseid leisten musste, ist als einzige Systemalternative der Kapitalismus verblieben. Diesen haben wir folglich in den letzten 30 Jahren hemmungslos, weil alternativlos auf die Spitze getrieben und dabei vergessen, entsprechende Kontrollmechanismen einzubauen. Das Gegenteil ist der Fall. Durch die technologische Entwicklung und die weltweite Vernetzung hat sich das kapitalistische System verselbständigt und wir haben dabei tatenlos zugesehen. Nationale Eingriffe bringen deshalb kaum mehr etwas. Die aktuellen Probleme und die entsprechenden Lösungen sind auf einer höheren, sprich globaleren Ebene angesiedelt.
Genau hierin besteht der große Unterschied zur Vergangenheit, weshalb eine gebetsmühlenartig geforderte „Kehrtwende“ sprich ein rückwärts gerichtetes Handeln von vornherein zum Scheitern verurteilt ist. Auch die immer wieder herangezogenen Vergleiche mit der Vergangenheit sind wenig hilfreich, da diese unsere heutige Situation in keiner Weise widerspiegeln. Seit fast 10.000 Jahren sind viele menschliche Zivilisationen entstanden und wieder verschwunden. Es gab auf der Welt genug Ressourcen und so viel Raum, dass sich parallel immer neue Gesellschaftsformen entwickeln konnten. Das war einmal! Wir sind nunmehr in der letzten Zivilisationsstufe angelangt, für eine neue gibt es weder die Ressourcen noch den Raum. Wir spielen mit dem Untergang jeglicher Zivilisation. Deshalb brauchen wir nichts weniger als eine neue, globale Revolution, die dazu führt, dass wir uns endlich mit den wirklich wichtigen Problemen und Fragestellungen unserer Zeit befassen. Ziel muss es sein, einen Evolutionssprung zu schaffen, um die menschliche Entwicklung der technologischen anzupassen. Deshalb brauchen wir die globale „Evo-Revolution“, welche die Grundlage für ein neues „Weltmanagement-System“ schafft, mit dessen Hilfe wir in der Lage sind, die notwendigen Entscheidungen auf einer moralethi-schen Basis zu treffen und auch umzusetzen. Ich spreche hier bewusst nicht von einer „Weltregierung“, weil die Politik gar nicht mehr in der Lage dazu ist, die dringend notwendigen Veränderungen anzuschieben, um unsere Gesellschaft wieder zukunftsfähig zu machen. Die politisch Verantwortlichen sind nicht nur Teil des Systems, sie sind davon abhängig und zählen zu dessen größten Profiteuren. Somit haben sie wenig bis kein Interesse daran, ihr eigenes goldenes Kalb zu schlachten. Wie gehabt einfach weiterhin Forderungen an die Politik zu stellen in der Hoffnung, dass etwas passiert, ist daher keine Option mehr. Die neue „Evo-Revolution“ muss über den digital- und global-vernetzten Bürger direkt Einfluss auf die großen Wirtschafts- und Datenkonzerne nehmen, um gemeinsam mit diesen neue Wege zu gehen. Die verkrusteten politischen Strukturen werden sich in der Folge zwangsweise anpassen müssen.
Und da jede Revolution einen Anfang braucht, versuche ich dies auf dem klassisch-philosophischen Weg über die Macht des Wortes, wie es vor mir bereits viele andere Querdenker getan haben.
C
Der digitale Kapitalismus und Der neue Dekalog
Wertesysteme werden seit Jahrhunderten in nationalen Verfassungen festgeschrieben. Diese können sich im Laufe der Zeit durchaus verändern, so wie zum Beispiel in Deutschland mit der Einführung des Grundgesetzes nach dem zweiten Weltkrieg geschehen. Neben diesen klassischen Systemen ist mit der Einführung des Internets nahezu ein fast erdumspannendes, paralleles Wertesystem hinzugekommen, welches sich grenzüberschreitend zuerst schleichend und dann mit Hilfe der neuen digitalen Kommunikationsmöglichkeiten mit rasender Geschwindigkeit entwickelt und vor allem etabliert hat. Besonders gefährlich dabei ist, dass dies sehr still und leise geschehen ist, ohne dass sich irgendwer groß damit befasst hat. Deshalb wurde Vieles bis heute nicht hinterfragt und die neuen Werte flossen wie selbstverständlich in den Alltag mit ein, weil es ja die anderen überall auf der Welt genauso machen. Wir erleben gerade die feindliche Übernahme unserer alten Werte durch eine neue und erstmals tatsächlich weltweite Religion mit Namen „Digitaler Kapitalismus“. Weder die großen Religionsgemeinschaften auf unserem Planeten noch die Nationalstaaten mit ihren politischen Institutionen haben begriffen, was hier vor sich geht und, dass sie mit aller Wahrscheinlichkeit nach in nicht allzu ferner Zukunft selbst nur noch Geschichte sind. Der „Digitale Kapitalismus“ ist die erste Religion, die es tatsächlich schaffen wird, die gesamte Welt zu beherrschen. Ganz nach dem Motto: Alles ist machbar, nichts ist unmöglich.
Die Bibel des „Digitalen Kapitalismus“ ist im Kern ebenfalls ein Dekalog mit 10 Geboten als Richtschnur für ein globalvernetztes Leben.
1. Du sollst an das Wachstum glauben.
2. Du sollst den neuen Technologien huldigen.
3. Du sollst alles tun, was machbar ist.
4. Du sollst Dich selbstverwirklichen.
5. Du sollst konsumieren.
6. Du sollst online sein und Dich vernetzen.
7. Du sollst uns nicht hinterfragen.
8. Du sollst Dich netzkonform verhalten.
9. Du sollst funktionieren.
10. Du sollst nachhaltig leben.
Mit diesen 10 Geboten müssen wir uns intensiv beschäftigen, um zu verstehen, wo unser Weg in Zukunft hinführt, welchen Einfluss wir darauf überhaupt noch nehmen können und wie vernünftige Problemlösungen aussehen könnten. Deshalb lade ich Sie ein, mit mir gemeinsam eine spannende Reise in die Welt der 10 Gebote des digitalen Kapitalismus zu unternehmen und das gleichermaßen durch Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.
1Die schicksalhafte Symbiose: Du sollst an das Wachstum glauben
Wachstum ist nicht nur das Zauberwort des 20. und 21. Jahrhunderts, es liefert auch den Hintergrund für ein ganzes Heer von Wissenschaftlern, die sich mit Wachstumsfragen in allen nur erdenklichen Lebenslagen auseinandersetzen. Die Befürworter, Kritiker und Gegner überbieten sich gegenseitig in unzähligen Publikationen, Kalkulationen und Modellen mit Weisheiten, die allesamt ein grundsätzliches Problem aufweisen. Der wissenschaftliche Anstrich, die sogenannten harten Zahlen und Fakten, sind letztendlich nur eine Fiktion, die tatsächlich auf Annahmen, Versprechungen und auf Glauben beruht. Somit ist Wachstum, wie wir es heute begreifen, nichts anderes als eine Fantasie, auf der ganze Wirtschaftsbereiche aufbauen. Ein Wolkenkuckucksheim.
Der extremste Fantast ist der Finanzsektor mit seinen Geldanlagen, Wertpapieren und Derivaten. Diesen sogenannten Finanzprodukten steht kein realer Wert gegenüber, es ist der reine Glaube an das System, der diese Luftnummer aufrechterhält. Unser Geld ist lediglich ein Versprechen, welches stetiges Wachstum als Lebenselixier unbedingt benötigt. Nur so ist unser heutiges Leben auf Pump überhaupt möglich. Flächendeckend wurde Papiergeld in Mitteleuropa im 19. Jahrhundert eingeführt. Um das Vertrauen in das neue Zahlungsmittel hoch zu halten, gaben die Notenbanken nur so viel Papiergeld aus, wie sie an vorhandenen Goldreserven eingelagert hatten. Somit stand den Banknoten ein realer Wert an Gold entgegen, der stabile Wechselkurse gewährleistete. In der Folge wurde dieser sogenannte Goldstandard immer weiter aufgeweicht, bis schließlich Richard Nixon 1971 die Bindung des Dollars an Gold aufkündigte, was 1973 zur allgemeinen Freigabe der Wechselkurse führte. Warum tat er das? Ganz einfach, weil unsere Lebensweise auf permanentes Wachstum angewiesen ist und in Amerika bereits anfangs der siebziger Jahre die Grenzen dieses Wachstums erreicht waren. Es gab mehr Waren und Dienstleistungen auf dem Markt als die Verbraucher benötigten, beziehungsweise sich leisten konnten. Die vorhandene Geldmenge war somit im System gebunden. Für neue Investitionen und somit weiteres Wachstum fehlte schlichtweg das Geld. Der einzige Ausweg aus diesem Dilemma war das unbegrenzte Drucken von Papiergeld. Und so begann das große Schuldenmachen.
Die Mensch-AG ist insolvent
Quelle Zahlen: McKinsey -Studie
Nur aus Angst vor dringend notwendigen Systemkorrekturen wurde die Wachstumsstrategie deshalb bis heute kompromisslos durchgezogen. Finanziert wurde das alles seit den 1970er Jahren ausschließlich mit Schulden. Deshalb musste die Geld-Goldbindung aufgehoben werden. Nur so war und ist es möglich, unbegrenzt Schulden machen zu können. Die Notenbanken haben weltweit immer mehr Papiergeld gedruckt, dem kein echter Wert entgegensteht. Einen regelrechten Geldruckboom haben wir in den letzten zehn Jahren erlebt. Dadurch sind die Staatsschulden weltweit ins Gigantische gestiegen und jeder weiß heute, dass wir diese niemals wieder zurückzahlen können und auch nicht zurückzahlen werden. Die sogenannten Finanzexperten, die uns heute noch immer die so harmlos klingende Neuverschuldung als Lösung aller Probleme verkaufen, handeln unverantwortlich und gegen jegliche Vernunft. Diese Wachstumsorgie auf Pump hat natürlich nicht nur bei den Staaten haltgemacht, sondern ist bei fast allen Bürgern angekommen. Diese sind heute ebenfalls so hoch verschuldet wie nie zuvor. Nur dadurch, dass wir alle über unsere Verhältnisse leben, halten wir unser Wirtschaftssystem halbwegs am Laufen. Aber das geborgte Wachstum beziehungsweise das geborgte Leben fordert einen hohen Preis: Es macht die Menschen abhängig, krank und anfällig für radikales Gedankengut.
Wo ist die Grenze und wie viel Wachstum ist noch gesund? Exponentielles Wachstum, lineares Wachstum, Nullwachstum für alles gibt es Pro und Contra, Befürworter und Gegner, die sich gerne bis aufs Messer bekämpfen, regelrechte Glaubenskriege ausfechten und welch Zufall, damit gutes Geld verdienen. Lässt man die für das Thema typischen Emotionen sowie die politischen Grundeinstellungen einmal bei Seite, ist eine ehrliche Analyse gar nicht so schwer.
Von Beginn an ist die Menschheitsgeschichte durch nichts so geprägt wie durch das Wachstum. Zwischen Mensch und Wachstum ist über die Jahrtausende hinweg eine Art symbiotische Verbindung entstanden, wobei der Ursprung und die Mutter allen Wachstums das Bevölkerungswachstum ist.
So bildeten die Menschen immer größere Gemeinschaften, wurden sesshaft, spezialisierten sich immer mehr, erfanden und produzierten Dinge, die sie zunächst gegen andere Waren eintauschen und mit Einführung des Geldes verkaufen konnten. Damit war das stetige und niemals endende Wirtschaftswachstum als Glücksbringer der Menschheit auf den Weg gebracht.
Permanentes Wachstum war auch dringend erforderlich, denn selbst im Zeitalter der Industrialisierung gab es nur ein moderates Wirtschaftswachstum, welches von der schnell steigenden Bevölkerungszahl regelrecht aufgefressen wurde. Immer wieder unterbrochen von Kriegen und Krisen war Wachstum der Garant für eine bessere Lebensqualität und das in allen Gesellschaftssystemen. Ohne Wachstum gab es keinen Fortschritt. Das große Problem bei der Erfolgsgeschichte des Wirtschaftswachstums ist allerdings, dass es weltweit nicht linear zum Bevölkerungswachstum verlief. Mit der Folge, dass sich die Wohltaten des Wachstums auf die industriell hoch entwickelten Länder konzentrierten; der Rest der Welt ging so gut wie leer aus und konnte sich auch nicht dagegen wehren. So ist es kaum verwunderlich, dass die meisten Kriege nur sehr selten ideologische Hintergründe besaßen, sondern in der Regel reine Wachstumskriege waren. Die Welt besser machen zu wollen, war und ist nur ein fadenscheiniger Vorwand, um das eigene Wachstum auf Kosten anderer zu sichern. Die Welt ist dabei natürlich niemals besser geworden.
Platon hat mit seinem Konzept über einen „gerechten Krieg“ bereits vor zweieinhalbtausend Jahren die entsprechenden moralischethi-schen Grundlagen formuliert, die sich heute noch in den Zielen der Vereinten Nationen wiederfinden. Nach Platon müsste sich im Idealfall jeder Einzelne gerecht, vernünftig und besonnen verhalten. Dieses Verhalten würde zu einer interessenausgleichenden Innenpolitik und einer harmonischen Gesellschaft führen, was sich dann ebenfalls in einer friedlichen Außenpolitik widerspiegeln würde. Da dies jedoch nicht in allen Gesellschaften so umgesetzt wird, kann es zu kriegerischen Handlungen kommen, die friedliche Gesellschaften bedrohen. Deshalb können Kriege nur gerecht sein, wenn sie der eigenen Verteidigung oder der Verteidigung des Nachbarn dienen. Angriffs- und Eroberungskriege hingegen beruhen nach Platon auf ungerechter und unvernünftiger Habgier.
Nimmt man das zum Maßstab, hätten die aktuellen Kriege im Nahen Osten niemals geführt werden dürfen. Der mehrmalige Seitenwechsel der USA zwischen Freund und Feind ist ein guter Beleg dafür, dass es hier nicht wie bei Platon um Gerechtigkeit, Vernunft und Besonnenheit ging, sondern ganz andere Ziele verfolgt wurden. Nur so lässt sich erklären, dass die USA in den drei Golfkriegen zuerst den Irak militärisch gegen den Iran unterstützte, um dann Kuweit wiederum von den irakischen Invasoren zu befreien und zu guter Letzt den ehemaligen Verbündeten Saddam Hussein absetzte. Was für ein Chaos. Letztendlich war das nichts weniger als der Offenbarungseid der vielbeschworenen westlichen Werte, mit dem Ergebnis, dass massenweise Menschen starben, Überlebende ihr bescheidenes Hab und Gut verloren und Ihnen als letzter Ausweg nur noch die Flucht blieb.
Aber nicht nur die USA sind diesbezüglich an den Pranger zu stellen. Auf der Erde gibt es aktuell drei Supermächte, die sich gegenseitig in nichts nachstehen: die USA, Russland und China. Darüber hinaus gibt es eine Europäische Union, die gerne in der Liga der Supermächte mitspielen würde, aber aufgrund interner Streitigkeiten gerade dabei ist, sich selbst zu zerlegen.
Die Wirtschaftssysteme der drei Supermächte sind alle am Anschlag. Die USA sind seit den 1970er Jahren ausschließlich schuldenfinanziert. Der Wachstumsboom in China, der ebenfalls auf Schulden aufgebaut ist, läuft heiß und die russische Wirtschaft leidet massiv unter ihrer Rohstoffabhängigkeit. Nicht zufällig sind die USA, Russland und China weltweit genau in dieser Reihenfolge die mit Abstand größten Waffenhersteller und Lieferanten. Der Gesamtjahresumsatz beläuft sich auf über 400 Milliarden US Dollar. In allen drei Volkswirtschaften spielt die Rüstungsindustrie eine wichtige Rolle und ist extrem gut in Politik und Wirtschaft vernetzt.
Die drei Supermächte brauchen internationale Krisen mit Stellvertreterkriegen, um von eigenen innenpolitischen sowie wirtschaftlichen Schwierigkeiten abzulenken, um ihre Waffengeschäfte weiter ausbauen zu können und, um sich Rohstoffvorkommen zu sichern. Am Beispiel der USA lässt sich das gut belegen. Der Anteil der Militärausgaben am BIP beträgt aktuell etwa 4%. Auf den ersten Blick erscheint diese Zahl harmlos, ist sie aber keineswegs. Ein dauerhafter Rückgang von 4% der Wirtschaftsleistung der USA hätte aufgrund der Verschuldungslage fatale Folgen für die gesamte Weltwirtschaft. Selbst die Ölkrise in den 1970er Jahren sowie die aktuellen Krisenjahre 2008 und 2009 wären dagegen ein Lufthauch. Die Arbeitslosigkeit in den USA würde auf einen Schlag um über 40% steigen. Der Wirtschafts- und Wachstumsfaktor Militär ist daher systemimmanent, was bedeutet, dass Krisengebiete unbedingt gebraucht werden, um das Militär einsetzen und die Waffen verkaufen zu können.
Seit den achtziger Jahren hat sich der Nahe und Mittlere Osten systematisch zum weltweit stabilsten Krisengebiet entwickelt. Mit folgenden Vorteilen für die Supermächte: Sowohl die USA als auch Russland und China liegen geographisch weit genug entfernt, um unmittelbare Auswirkungen auf das eigene Land und die eigene Bevölkerung ausschließen zu können. Aufgrund der Öl- und Gasvorkommen ist in der Region das notwendige Geld für Waffenkäufe vorhanden und es gibt historisch bedingt genügend feindliche Gruppierungen mit großem Aggressionspotenzial. Dass es sich hierbei fast ausschließlich um muslimische Volksgruppen handelt, vereinfacht die Rechtfertigung der Krisenbefürworter.
Der Nahe Osten ist der Türöffner für ein noch weitaus größeres Krisenpotenzial in gesamt Afrika. Was ebenfalls weit genug entfernt liegt und sowieso von vielen bereits als „Lost Continent“ abgeschrieben wurde. In Afrika betreiben die Chinesen seit der Jahrtausendwende eine Art Neokolonialismus, um sich langfristig wichtige Rohstoffvorkommen zu sichern. Interessenkollisionen und Stellvertreterkriege sind hier so gut wie vorprogrammiert.
Russland hat sich mit seinem Engagement in Syrien wieder aktiv in den Kreis der Krisenprofiteure eingereiht und wird zukünftig eine größere Rolle spielen wollen. Es sieht nicht so aus, als ob hinter dieser Entwicklung ein großer strategischer Plan steckt, sondern die Vermutung liegt nahe, dass sich aufgrund der gesamten weltwirtschaftlichen Situation eine gewisse Eigendynamik entwickelt hat. Von den Supermächten stillschweigend akzeptiert, werden der Nahe und Mittlere Osten sowie Afrika langfristig als dringend benötigte Krisengebiete ausgebaut und somit menschlich abgeschrieben. Mit der Folge, dass die europäischen Länder hauptsächlich die Konsequenzen tragen müssen, was uns die aktuelle Flüchtlingsthematik drastisch vor Augen führt. Den Supermächten spielt dies wiederum in die Karten, weil sie an einem starken Europa kein Interesse haben. Dehnen sich die Krisen in Afrika zukünftig weiter aus, wovon auszugehen ist, ist die jetzige Flüchtlingskrise nur ein erster Vorgeschmack auf das, was passieren wird, wenn sich weitere Millionen von Menschen auf den Weg nach Europa begeben.
Drei Begriffe stehen exemplarisch für diese weltumspannende und aggressive Wachstumspolitik: Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländer. Die wachstumsgetriebene Politik hat mehr oder weniger gut funktioniert, solange die Industrieländer sich uneingeschränkt der notwendigen Rohstoffressourcen der Dritten Welt bedienen konnten, dadurch günstig an Rohstoffe herankamen und zu Hause über viele Jahrzehnte hinweg echtes Wachstum generieren konnten. Als sie aber vor gut drei Jahrzehnten an ihre Wachstumsgrenzen stießen und echtes Wachstum durch künstliches ersetzen mussten, begann die Misere. Worauf will ich hinaus?
Die drei Wachstumsphasen
Wir können drei Wachstumsphasen unterscheiden. In der ersten Phase dem Basiswachstum geht es darum, die Menschen mit den lebensnotwendigen Dingen des Alltages wie Wohnen, Essen, Trinken und Medikamenten zu versorgen. In der zweiten Phase dem Wohlstandswachstum geht es um die Steigerung der Lebensqualität (Waschmaschine, Auto, Kühlschrank, Fernseher etc.) und in der dritten Phase dem Luxuswachstum um die Befriedigung von Luxus (Reisen, zweites Auto, etc.).
In den ersten beiden Phasen werden Waren produziert und verkauft, die tatsächlich gebraucht werden und die sich zumindest die Menschen in den reichen Ländern leisten können. Mitte der 1970er Jahre wurde in den westlichen Industrieländern ein Sättigungspunkt erreicht, der ein reales Wachstum nicht mehr zuließ. Die meisten Menschen in diesen Ländern hatten alles, was sie zum Leben brauchten und besaßen bereits eine recht hohe Lebensqualität. Um trotzdem weiteres Wachstum zu generieren, musste man tief in die Trickkiste greifen und den Menschen ab jetzt Dinge verkaufen, die sie weder benötigten, noch sich leisten konnten. Dies führte in den letzten Jahrzehnten dazu, dass sich die privaten Haushalte bis über beide Ohren verschuldeten und auch die Staatsverschuldung extrem anstieg, da das Leben im Luxus eine entsprechende Infrastruktur (Energieverbrauch, Verkehr, Sozialsysteme etc.) notwendig machte, die ebenfalls nur über Schulden finanziert werden konnte. Dieses auf Schulden aufgebaute Wachstum bildete in der Folge den Nährboden für eine völlig aus den Fugen geratene Finanzwirtschaft, die aus Luxus und Schulden Geschäftsmodelle für den Einzelnen, für Firmen, aber auch für ganze Staaten entwickelte, die mit der Realität überhaupt nichts mehr zu tun haben. Die Spekulation mit all den damit verbundenen Risiken wurde zum Maß aller Dinge. Die Fallhöhe hat für alle Beteiligten seitdem stetig zugenommen und dazu geführt, dass die großen Finanzdienstleister (Banken, Versicherungen) mittlerweile so systemimmanent sind, dass ein Scheitern Einzelner das Funktionieren des ganzen Systems gefährdet. So geschehen 2008 bei der Pleite von Lehman Brothers in den USA.
Während die Industrieländer die drei Phasen des Wachstums über viele Jahrzehnte hinweg durchliefen, sieht es in den Entwicklungs- und Schwellenländern anders aus. Gerade diese Länder weisen immer noch ein sehr hohes Bevölkerungswachstum auf, welches jegliches noch so hohe Wirtschaftswachstum verpuffen lässt. Im Gegensatz zu den alten Industrieländern ist hier ein langsames und aus sich heraus gesundes, reales Wachstum nicht mehr möglich. Die rasante Globalisierung in Verbindung mit den neuen Kommunikationsmöglichkeiten wecken in diesen Ländern Begehrlichkeiten, die dazu geführt haben, dass die ersten beiden Phasen des Wachstums im Zeitraffer vollzogen werden. Mit der Folge, dass gerade in diesen Ländern die Staatsverschuldung bereits in den ersten beiden Phasen des Wachstums horrend gestiegen ist. Dieses unnatürliche, schnelle Wachstum ist nicht aus eigener Kraft heraus möglich, sondern nur durch staatlich geförderte Konjunkturprogramme, die ihrerseits lediglich mit immer neuen Schulden finanziert werden. Daher sind diese Länder schon vor dem Einstieg in die Luxusphase bankrott. Somit haben wir derzeit weltweit eine Gemengelage, in der die angeblich reichen Industrienationen sich ihr Luxuswachstum nicht mehr leisten können und die Schwellen- und Entwicklungsländer versuchen wachstumstechnisch auf Teufel komm raus aufzuholen, egal um welchen Preis.
Da jegliches Wachstum an den Verbrauch von Ressourcen gekoppelt ist, sind wir mit Volldampf dabei, unseren Planeten auszuplündern. Die UN prognostiziert, dass sich bei dem momentanen Tempo der Ressourcenverbrauch an natürlichen Rohstoffen wie Kohle, Kupfer oder Holz bis 2030 verdoppeln wird und die Liste lässt sich mühelos um fast alle Rohstoffe auf der Erde ergänzen. Einmal davon abgesehen, dass die Ressourcen endlich sind, beschäftigen wir uns gezwungenermaßen heute schon mit den Folgeerscheinungen des exponentiell wachsenden Ressourcenverbrauchs wie zum Beispiel der damit verbundenen Umweltverschmutzung und vor allem dem Klimawandel.
Der Mensch ist von Natur aus nicht nachhaltig
Weltweit führen wir politische Diskussionen über die Formulierung und Einhaltung von Klimazielen, über die Einführung erneuerbarer Energien und über ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum. Willkommen im Zeitalter der globalen Scheinheiligkeit! Es gibt keinen besseren Begriff, der dies zum Ausdruck bringt als den der Nachhaltigkeit (siehe 10. Gebot). Nachhaltigkeit ist das Unwort unserer Generation und steht für die Lebenslüge einer globalen Gesellschaft, die Ursache und Wirkung leugnet. Der Mensch ist von Natur aus nicht nachhaltig, das Gegenteil ist der Fall. Mehr, besser und schneller ist das Credo seit Menschengedenken. Ein Leben im Einklang mit der Natur war, ist und wird auch in Zukunft etwas für einige wenige Idealisten bleiben. Dessen muss man sich bewusst sein, wenn man politische Forderungen aufstellt, die sich gegen „ein immer Weiter so“ richten. Freiwilliger Verzicht ist in den Genen des Menschen nicht vorgesehen. Auch ein Appell an die Vernunft nützt nicht viel, da wir gleichzeitig auch noch Weltmeister im Verdrängen sind. Auf der einen Seite predigen wir in einer ewig wachsenden Wohlstands-Ego-Gesellschaft den Konsum, wohl wissend, dass wir die Grenzen eines umweltverträglichen Wachstums schon seit mehr als einer Generation überschritten haben. Auf der anderen Seite fühlen wir uns zunehmend unwohl dabei, weil wir spüren, dass dieser Weg enorme Konsequenzen nach sich zieht, die bereits für alle diejenigen offensichtlich sind, die nicht wie die „letzten Menschen“ durchs Leben gehen.
Die „Überlebensdiktatur“
Die Kombination aus Wachstum auf Pump, einem weiteren Bevölkerungswachstum und allzu menschlicher Ignoranz führt uns auf direktem Weg in eine Verbotsgesellschaft mit Dimensionen, wie wir sie in der Vergangenheit noch niemals erlebt haben. Wenn wir so weiter machen wie bisher, wird es nur durch strenge Regeln und Verbote möglich sein, mit den immer knapper werdenden Ressourcen auszukommen. Es wird schon in naher Zukunft nicht mehr um kleinstaatliche Machtspielchen gehen, sondern um Fragen des allgemeinen Überlebens der Menschheit. Ganz neue Allianzen werden entstehen, die unausweichlich auf eine „Überlebensdiktatur“ zusteuern, in der Demokratie, persönliche Freiheit und Privatsphäre keine relevanten Werte mehr darstellen. Dabei wird das, was wir heute unter Politik verstehen, verschwinden und durch restriktives, weltweites Daten- und Ressourcenmanagement ersetzt werden, welches die Grundlage für die Verteilung der notwendigen Dinge des Alltages regelt. Ob dann darüber noch Menschen oder nur noch Algorithmen entscheiden, wird sich zeigen. Zweiteres ist wahrscheinlicher, da weniger fehlerbehaftet. Algorithmen sind eben nicht bestechlich, kennen keine Gefühle, haben keine Instinkte und vor allem kein Ego. Ob das, was dabei herauskommt unseren Vorstellungen von lebenswert noch entspricht, ist mehr als ungewiss. Die Frage wird sein, wer sich am Ende die Vorherrschaft sichern wird. Sind es die großen Datenkonzerne oder militärische sowie andere staatliche Einrichtungen?
In China treibt man seitens der Regierung den Weg in eine Verbotsgesellschaft bereits massiv voran. Mittels eines digitalen Punktesystems für den „besseren Menschen“ wird jeder einzelne mit modernster Überwachungstechnologie wie zum Beispiel durch Gesichtserkennung permanent überwacht und erhält für sein Verhalten Plus- beziehungsweise Minuspunkte. Diese Überwachung macht auch vor den privatesten Bereichen des Lebens nicht halt und fördert den guten, sprich gehorsamen Bürger und bestraft den „bösen Querulanten“. Nur, dass dabei die Spielregeln nicht demokratisch festgelegt, sondern per Verordnung vorgegeben werden. Während dieser Prozess in China ganz offen abläuft, geschieht dies in den westlichen „Noch-Demokratien“ durch die Hintertür der großen Internetkonzerne, die ebenso große Datenmengen über jeden einzelnen sammeln und eng mit staatlichen Ausspähinstitutionen vernetzt sind. Die NSA lässt grüßen.
Solange den Menschen genügend Raum und Ressourcen zur Verfügung standen, entsprach die unendliche Wachstumsphilosophie exakt dem menschlichen Naturell. Über Alternativen brauchte man sich deshalb keine Gedanken zu machen und es gab sie auch nicht. Das immer Mehr war die Botschaft, die jeder verstand und auch verstehen wollte. Wachstum und Wohlstand waren über Jahrtausende hinweg immer eng miteinander verbunden und garantierten ein besseres Leben. Diese Gleichung ging bis vor rund 200 Jahren auf, wurde aber mit der industriellen Revolution, der rasanten technischen Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg und einem superexponentiellen Bevölkerungswachstum zu einer unlösbaren Rechenaufgabe, da man die einzelnen Größen der Gleichung beibehielt und nicht der Realität angepasste.
Im Jahre Null unserer Zeitrechnung lebten noch weniger als 200 Millionen Menschen auf der Erde, im Mittelalter waren es bereits 500 Millionen, im Jahre 1900 schon etwa 1,5 Milliarden. Danach kam es zu einer wahren Bevölkerungsexplosion. 1965 waren es bereits 3,3 Milliarden und im Jahr 2000 schon 6 Milliarden. 2050 werden es nach heutigen Schätzungen etwa 10 Milliarden Menschen sein und alle mit dem Wunsch auf ein Leben in Wohlstand frei nach den 10 Geboten des digitalen Kapitalismus. Um vorherzusagen, dass das nicht gut ausgehen kann, braucht man kein Prophet zu sein.
Der Ursprung allen Wachstums ist das Bevölkerungswachstum
Quelle Zahlen: Bundeszentrale für politische Bildung
Mittlerweile gehen Schätzungen der Uno davon aus, dass die Erdbevölkerung ab 2100 schrumpfen wird und dass wir somit die Spitze des exponentiellen Bevölkerungswachstums heute schon überschritten haben. Dies wird von einigen Wissenschaftlern und Autoren bereits als Entwarnung verkündet, da man somit bis 2100 nur noch die Energieversorgung und die Ernährung neu organisieren müsste. Wenn es nichts weniger ist als das, warum machen wir das nicht sofort und warten, bis wir statt 7 Milliarden Menschen 10 Milliarden versorgen müssen.
Der grundlegende und gefährliche Irrtum in dieser Verharmlosungsstrategie besteht nämlich darin, dass der Ressourcenverbrauch nicht linear mit dem Bevölkerungswachstum ansteigt, sondern parallel dazu um ein Vielfaches. Bereits seit gut zwei Jahrzehnten ist unsere Ressourcenbilanz negativ. Das bedeutet, wir verbrauchen jährlich mehr Ressourcen, als die Erde in der Lage ist, zu reproduzieren. Rechnet man den heutigen Durchschnittsverbrauch eines Menschen auf die Bevölkerungszahl im Jahr 2050 hoch, so bräuchten wir minimal drei Planeten Erde, um den Ressourcenverbrauch abdecken zu können. Jetzt kann man sagen, der technologische Fortschritt wird es schon richten, bisher hat es ja auch funktioniert. Das kann man machen, aber das ist ein Pokerspiel mit einem sehr hohen Einsatz und einem mehr als ungewissen Ausgang. Denn, wenn wir heute schon deutlich mehr verbrauchen, als die Regenerationsfähigkeit der Erde hergibt, wieso soll es ausgerechnet in 30 Jahren besser aussehen.
13 Wachstumsthesen
Aus den bisherigen Ausführungen lassen sich 13 Thesen ableiten:
- Wachstum bildet die Grundlage aller Gesellschaftssysteme.
- Es gibt drei Wachstumsphasen: Basis-, Wohlstands- und Luxuswachstum.
- Wachstum ist systemimmanent und somit alternativlos.
- Es gibt echtes und künstliches Wachstum.
- Die Urform des Wachstums ist das Bevölkerungswachstum.
- Jegliche Form von Wachstum verbraucht Ressourcen.
- Der Ressourcenverbrauch steigt nicht linear zum Bevölkerungswachstum, sondern wesentlich schneller.
- Wir verbrauchen die Ressourcen schneller, als diese reproduziert werden können
- Wachstum ist der Globalisierungsmotor.
- Der größte Anteil des weltweiten Wachstums ist mittlerweile schuldenfinanziert.
- Die Nationalstaaten haben die Kontrolle über das Wachstum verloren.
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