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Knigges Entwicklungsroman erzählt die Lebensgeschichte des Philosophen Ludwig von Seelberg, einem die Menschen liebenden Kosmopolit, der immer wieder an seine Grenzen geführt wird.
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Seitenzahl: 510
Veröffentlichungsjahr: 2012
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Die Verirrungen des Philosophen
oderGeschichte Ludwigs von Seelberg
Adolph Freiherr Knigge
Inhalt:
Die Verirrungen des Philosophen
Der Zweck dieses Buchs ist:
Erster Theil
Erstes Kapitel
Zweites Kapitel
Drittes Kapitel
Viertes Kapitel
Fünftes Kapitel
Sechstes Kapitel
Siebentes Kapitel
Achtes Kapitel
Neuntes Kapitel
Zehntes Kapitel
Elftes Kapitel
Zwölftes Kapitel
Dreizehntes Kapitel
Vierzehntes Kapitel
Fünfzehntes Kapitel
Zweiter Theil
Erstes Kapitel
Zweites Kapitel
Drittes Kapitel
Viertes Kapitel
Fünftes Kapitel
Sechstes Kapitel
Siebentes Kapitel
Achtes Kapitel
Neuntes Kapitel
Zehntes Kapitel
Elftes Kapitel
Zwölftes Kapitel
Dreizehntes Kapitel
Vierzehntes Kapitel
Fünfzehntes Kapitel
Sechzehntes Kapitel
Die Verirrungen des Philosophen, A. von Knigge
Jazzybee Verlag Jürgen Beck
86450 Altenmünster, Loschberg 9
Deutschland
ISBN:9783849629618
www.jazzybee-verlag.de
www.facebook.com/jazzybeeverlag
Schriftsteller, geb. 16. Okt. 1752 in Bredenbeck unweit Hannover, gest. 6. Mai 1796 in Bremen, studierte in Göttingen die Rechte, ward 1771 vom Landgrafen von Hessen zum Hofjunker und Assessor der Kriegs- und Domänenkammer in Kassel ernannt, wo er sich aber bald durch amtliche und gesellige Mißhelligkeiten unmöglich machte, und führte dann eine Weile hindurch ein Wanderleben, bis er sich 1777 in Hanau niederließ, wo er, zum weimarischen Kammerherrn ernannt, als gern gesehener Kurzweilmacher viel am dortigen Hofe verkehrte. 1780 siedelte er nach Frankfurt a. M. über, wo er einige Jahre in Zurückgezogenheit lebte, um 1783 in Heidelberg, später in Hannover, 1791 in Bremen seinen Wohnsitz zu nehmen, wo er Landdrost wurde. K. wurde 1780 Mitglied des Ordens der Illuminaten und entfaltete in diesem unter dem Namen Philo eine einschneidende Tätigkeit mit polemischer Spitze gegen Jesuiten und Rosenkreuzer. Wenige Tage nach dem Verbot aller geheimen Gesellschaften in Bayern schied K. durch Vertrag aus dem Orden aus. 1788 erschien in Hannover »Philos endliche Erklärung und Antwort auf verschiedene Anforderungen und Fragen, die an ihn ergangen, seine Verbindung mit dem Orden der Illuminaten betreffend«, und 1793 von gegnerischer Seite »Die neuesten Arbeiten des Spartacus und Philo in dem Illuminatenorden jetzt zum ersten mal gedruckt, und zur Beherzigung bei gegenwärtigen Zeitläuften herausgegeben«. K. war als Romanschreiber, Popularphilosoph, dramatischer Dichter, Publizist, Musiker etc. produktiv. Seine bekannteste Schrift ist die »Über den Umgang mit Menschen« (Hannov. 1788 u. ö.; hrsg. von Berends, Gera 1904; auch in Reclams Universal-Bibliothek), eine einst vielgelesene Sammlung von Lehrsätzen, Lebensregeln und Erfahrungsmaximen, die von großer Weltbeobachtung und Menschenkenntnis zeugt, aber von einer beschränkt-egoistischen Grundansicht ausgeht. Die zahlreichen Romane Knigges (»Der Roman meines Lebens«, 1781–87, 4 Bde.; »Geschichte Peter Clausens«, 1783–85, 3 Bde.; »Geschichte des armen Herrn v. Mildenburg«, 1789–90; »Des seligen Herrn Etatsrats Samuel Konrad v. Schafskopf hinterlassene Papiere«, 1792; »Die Reise nach Braunschweig«, 1792; Neudruck in Kürschners »Deutscher Nationalliteratur«, u. a.) sind im ganzen flüchtige Arbeiten und trotz der überall darin prunkenden Stichwörter Humanität und Aufopferung ohne festen sittlichen Kern und Gehalt; am besten hat der Verfasser den niedrig-komischen Ton getroffen. Eine Sammlung von Knigges Schriften erschien in 12 Bänden (Hannov. 1804–06). Vgl. Goedeke, Adolf Freiherr K. (Hannov. 1844); »Aus einer alten Kiste. Originalbriefe, Handschriften und Dokumente aus dem Nachlaß eines bekannten Mannes« (hrsg. von Klencke, Leipz. 1853). Über Knigges Verhältnis zu den Illuminaten vgl. Kluckhohn in den »Vorträgen und Aufsätzen« (Münch. 1894).
zu zeigen, wie früh schon im Menschen der Grund zu großen, edeln Handlungen sowie zu unzähligen Irrthümern und Vergebungen gelegt werden kann;
es anschaulich zu machen, daß jedes Stämmchen in Gottes segenreichem Boden gedeihen, grade aufwachsen, blühen und die herrlichsten Früchte tragen müßte, wenn es gehörig gewartet und gepflegt würde – nicht Alle Früchte einerley Art, aber Alle gute, schöne Früchte; daß aber diese Wartung von Erziehung und Schicksalen und von der Richtung abhängt, welche unsre Leidenschaften dadurch bekommen – unsre Leidenschaften, ursprünglich die wohlthätigsten, reinsten Triebe und Federkräfte, nur dann gefährlich und Unordnung anrichtend, wenn eine vor der andern voraus zu viel genährt, gereizt, verwöhnt und dadurch ihre Harmonie untereinander zerstört wird;
darzuthun, daß ebendies schon sehr früh bey der Bildung des Kindes und Jünglings geschieht; daß alsdann die zu mächtig gewordenen Triebe die andern niederdrücken, nach und nach unsers ganzen Wesens sich bemeistern, unsern Weltlauf lenken und uns Schicksale auf den Hals laden, deren keines von ungefähr kömmt, die aber endlich das aus uns machen, was wir in den Augen des Volks sind;
zu beweisen, daß durch unsre jedesmaligen Gefühle unsre Systeme von Moralität unmerklich umgebildet werden, wir dann alle menschliche Dinge durch eine Zauberlaterne ansehen und in dieser Verblendung zuweilen das Kleinste unendlich groß, das Wichtigste äußerst gemein und unbedeutend, das ewig Wahre zweifelhaft und irrig, das Widersprechendste hingegen erwiesen wahr finden; daß auch der konsequenteste Mensch selten von Haus aus die Systeme zu seinen Handlungen auf allgemein unwandelbare Grundsätze bauet, sondern sich seine Grundsätze nach den geheimen Wünschen seiner versteckten Leidenschaften modelt; daß wir dadurch Alle, mehr oder weniger, Sophisten werden, und daß kein System so albern, so unsinnig, so widernatürlich ist, daß nicht auch der verständigste Mann dasselbe in einer von seinen Perioden sich und Denen, die so wie er fühlen, annehmlich, süß und zusammenhängend darstellen könnte; daß aber ein solches noch so fest besponnenes System oft in einem einzigen Augenblicke von neuer Erfahrung wieder zusammenfällt oder das Opfer einer andern frischgereizten, aufgeweckten, verborgen gewesenen Leidenschaft wird;
zu lehren, daß eben daher die unzähligen Widersprüche in den Handlungen der Menschen nach Zeit, Ort, Gelegenheit und Antrieb und die Verschiedenheiten der Meinungen, selbst unter den Weisen, über das, was moralisch gut, nützlich, möglich und wünschenswerth ist, entstehen;
zu Beförderung der Duldung und Bruderliebe zu zeigen, wie das Urtheil des Publikums über den Werth und Unwerth eines Mannes und über die Konsequenz seiner Handlungen gewöhnlich nur nach dem Gegenwärtigen, vor Augen Liegenden sich richte, ohne Rücksicht zu nehmen auf jene Ursachen, durch die er zu Handlungen bestimmt wird;
zu erinnern, daß wir nicht immer Denjenigen für den Schwächsten halten sollen, der oft das System seiner Meinungen und Handlungen zu ändern scheint, sowie nicht immer Denjenigen für den Festesten, der stets in dem nämlichen Gleise bleibt, weil wir selten Veranlassung, Antrieb, stufenweise Entwicklung zu sehn im Stande sind, weil wir selbst in unserm Urtheile durch Sympathie, Gefühl und Leidenschaft geleitet werden und weil Einer mehr als der Andre von Außen her in einen Wirbel hineingetrieben wird, Einer auch mehr als der Andre uns sein Inneres öffnet und sich durchschauen läßt;
zum Trost Derer, die Frieden und Ruhe suchen, zu beweisen, daß es dennoch einen graden, unwidersprechlich richtigen Weg zur Wahrheit und unwandelbaren Glückseligkeit gibt, den jeder verständige, nach Vollkommenheit ringende und nicht ganz verwahrlosete Mann finden kann und sicher finden muß, wenn er genau prüft, soviel in jeder Periode des Lebens die Umstände es erlauben, wenn er mit Ernst und gutem Willen sucht, wenn Alter und Erfahrung endlich das wilde Feuer gedämpft und die Fantome zerstreuet haben (es müßte denn gar zu früh eine gehegte Leidenschaft ihn in einen solchen Zusammenfluß von unglücklichen Verhältnissen versenkt haben, daß er sich von dem entschiedenen Wege des Verderbnisses wegzureißen nicht mehr vermöchte); daß, wenn ihm aber die Augen des Verständnisses aufgehn, er alles um sich her im wahren Lichte sieht, nicht getäuscht, nicht irregeführt werden kann, immer bescheiden, aber sicher, richtig und weise urtheilt, alles mit Liebe umfaßt, ihn nichts wundert, er nie vor etwas zurückbebt, nach keinen Schatten greift, nie ängstlich sucht, nie unvorsichtig sich hinzudrängt, dankbar und froh aus Allem Wonne zu schöpfen, aber mäßig auch das Anlockendste sich zu versagen und mitten im Genusse zu entbehren weiß, nie Gewalt überspannt, nie Kräfte schlafen läßt, nicht zweifelt, nicht nachlallt, duldet ohne zu billigen, erträgt ohne Theilnahme, für Andre lebt und sich doch nicht aufopfert, das Verborgene ehrt und das Begreifliche ergründet, nur das Mögliche fordert, nur nach dem wahrhaftig Wünschenswerthen sich sehnt – daß dies dann die Vollendung des Mannes in dieser Welt, der Segen ist, den die Vorsehung den wenigen Bessern zusichert, die sich hier ihre Erfahrungen, die Erziehung des Schicksals, zu einer größern Laufbahn jenseits des Grabes zu Nutze machen wollen – Dies alles zu zeigen, ist der Zweck meines Buchs, der Geschichte Ludwigs von Seelberg.
Neue moralische Wahrheiten, die uns noch nicht offenbart wären, gibt es wohl nicht; also erwarte man auch hier dergleichen keine; die Art der Zusammensetzung und Darstellung aber kann einer sehr alten, nur oft vergessenen, vernachlässigten Lehre neue Fruchtbarkeit geben – ich wünsche, daß dies hier der Fall seyn möge.
Ob, was hier erzählt wird, wirkliche Begebenheiten sind? – Leser! was in dieser Welt möglicher Weise geschehen kann, das ist auch gewiß geschehen oder geschieht in der Folge der Zeit – Aber noch mehr! Ich liefere größtentheils Skizzen von dem Gewebe meiner eigenen Empfindungen und herrschenden Leidenschaften, Geschichte meines eigenen, oft irregeführten Herzens – nicht, daß ich in meinem unruhigen Leben in alle diese Labyrinthe des Verstandes und Herzens gerathen wäre, durch welche ich den Held meiner Geschichte führe, aber doch in viele derselben, und wahrlich! es ist nicht mein Verdienst, wenn andre Einwirkungen, andre Begebenheiten mich bey den nämlichen ausgebildeten Anlagen zum Bösen nicht grade den schlimmsten Weg geführt haben –
Leser! ich schäme mich dieses offenherzigen Geständnisses nicht. Jetzt, vielleicht bald am Ende meiner irdischen Laufbahn oder wenigstens, wie ich gewiß hoffe, am Ende meiner Verirrungen, möchte ich nicht gern besser scheinen, obgleich ich gern besser wäre, als ich bin, und sollte dies Geständnis von einer Seite in den Augen Mancher mich herabsetzen, die entweder bis itzt eine bessere Meinung von mir gehabt haben, als ich verdiene, oder die nicht möchten, daß es Mode würde, anders als im Feierkleide, wohl ausgepolstert, aufgeputzt, geschminkt, auch, nöthigen Falls, mit geborgten Zähnen und Augen von Porzelain im Publiko zu erscheinen, und die keinen Sinn dafür haben, daß man ohne Unverschämtheit und ohne Unverstand sich so zeigen könne, wie man ist, so werde ich von der andern Seite gewiß bey einfacher Gesinnten gewinnen, die sich gern vertraulich an einen arglosen Mann schließen, der keine versteckte Waffen unter dem Rocke trägt, um Arm in Arm mit ihm den kleinen Rest des Lebens durchzuwandeln – und diesen guten, lieben Menschen biete ich dann hier brüderlich die Hand – Findet Ihr irgendein heilsames Trostwort in dieser Geschichte, ein Wort, das Balsam gießen könnte in die geheimen Wunden Eurer Herzen; seyd Ihr je in ähnlichen Lagen gewesen; habt Ihr je gekämpft, wogegen ich gestritten habe und zum Theil noch streite; hat je Eure warme Fantasie Euch auf Abwege geführt, ein falsches Irrlicht Euch dahin gelockt, wo Euer Fuß bey dem leisesten Tritte sich in Dornen verwundete; ist je Eure emporstrebende Vernunft in verbotene Gebiete gerathen, in welchen heiliger Schauer Euch ergriff bey dem blendenden Feuerglanze, der Euch entgegenströmte, indes dicke Nebel den Rückweg bedeckten; seyd Ihr in überspannten, süßen Hoffnungen betrogen, in kindischem Vertrauen getäuscht, aus dem wonnevollsten Traume mit Ungestüm aufgeschreckt worden; wankte Euer Schritt oft auf dem ebensten, gebahntesten Wege; stürzte bey dem leichtesten Hauche des heißen Mittagswindes zuweilen der Palast ein, an welchem Ihr eine halbe Lebenszeit gebauet hattet; riß je eine geheime Macht Euch dahin, wovor Ihr so lange geflohen wäret, wo Kummer und Reue Eurer warteten; wichen auch die Geprüftesten weit von Euch, sobald Ihr Hilfe bedurftet; verließen Euch Bruder und Kind, wenn die Hand des Schicksals Euch dräuete; verriethen Euch Die, denen Ihr Euch aufgeopfert hattet; trat Euch Der mit Füßen, der Euer Brot aß; zog Der den Dolch gegen Euch, der so lange sicher an Eurem Busen geschlummert hatte – so leset diese Geschichte und erfahret, daß die Sorgfalt des liebevollsten Vaters aller Kreaturen dies alles zu Eurer größern Vervollkommnung zu lenken weiß und daß, wenn es Euch ernstlich darum zu thun ist, Ihr nach vollendeter Erziehung ein Glück schmecken werdet, das ohne Wechsel ist.
Und nun noch ein vielleicht verlornes Wort für den lesenden großen Haufen! Ich habe, glaube ich, vorhin gesagt, daß die Begebenheiten, welche ich erzähle, nicht grade so, wie sie da stehn, wahr noch wirklich vorgegangen sind, und eben das gilt auch von der Existenz der Personen, welche ich schildere. Die Züge dazu sind freilich aus der wirklichen Welt entlehnt; aber die Zusammensetzung ist mein eigenes Werk, doch kann es gar leicht seyn, daß irgendwo Menschen leben, denen meine Gemälde vollkommen gleichsehen. Absichtlich habe ich indessen nicht Einen Menschen nach dem Leben gezeichnet, obgleich ich das im Grunde gar nicht für unrecht halte, es auch nicht übel aufnehme, wenn man mir ein Gleiches thut, fest überzeugt, daß man Nachsicht und Duldung haben könne, ohne blind und stumm zu seyn, und daß Krankheitsgeschichten sehr viel zum Vortheil der Arzeneikunde beitragen. Diese Erinnerung könnte überflüssig scheinen und würde es auch seyn, wenn nicht unverständige und müßige Menschen bis itzt sich ein Geschäft daraus gemacht hätten, in meinen Schriften Anspielungen auf einzelne Personen ihrer Bekanntschaft zu suchen, welche Mühe ich ihnen künftighin gern ersparen möchte – Doch haben sie, wie sich das versteht, darin auch diesmal ihren freien Willen.
Endlich, was den literarischen Werth betrifft, den dies Buch, als Roman betrachtet, haben könnte, so gestehe ich, daß ich denselben gern dem Freicorps der Rezensenten preisgebe und von dieser Seite ohne große Ansprüche bin. Gelobt und geschimpft sind meine Schriften bis itzt vielfältig worden (je nachdem die Herrn Kunstrichter meiner geringen Person wohlwollten oder nicht, und je nachdem die Rezension vor oder nach Tische verfertigt war), beurtheilt (welches freilich heut zu Tage ganz etwas andres ist als rezensiert) hat man sie selten, auch haben die guten Herrn zu dieser Arbeit gewöhnlich weder Kenntnis noch Geschick, noch Erlaubnis, noch Beruf. Es wird also auch wohl diesem Büchelchen nicht besser gehn, welches mir denn sehr gleichgültig ist, insofern ich nur damit den Zweck erlange, den ich vorhin entwickelt habe.
Ludwigs Vater war ein begüterter Cavalier in Sachsen, ein Mann, der fast alle Fehler einer vornehmen und reichen Erziehung mit sich herumtrug. Verzärtelt an Seele und Leibe; gewöhnt, seinen Leidenschaften keine andren Grenzen zu setzen als höchstens die der Nothwendigkeit, und auch diese mit Murren und großem Kampfe; eingenommen von seinen in der That nicht geringen Fähigkeiten; durch Schmeicheley zu allem zu bewegen und zu stimmen, sowohl im Handeln als im Urtheilen; durch den geringsten Widerstand oder Widerspruch aber und durch den kleinsten Mangel an Huldigung und Aufmerksamkeit auch gegen die edelsten Menschen und gegen die beste Sache einzunehmen, und so lange unversöhnlicher Feind, bis der Gegner die Waffen streckte, und dann der partheiische Beschützer des Überwundenen; arbeitsam, kühn, unternehmend und fest im höchsten Grade, mit Überwindung aller Schwierigkeiten, wo hellklingender Ruhm einzuernten war; faul, augenblicklich abzuschrecken, kleinmüthig und furchtsam in Geschäften, die nichts einbrachten als die stille Beruhigung, Gutes gethan zu haben, und wobey er sich hätte compromittieren können; gefühlvoll und menschenliebend, theils in den Aufwallungen seines warmen Bluts, theils in Augenblicken, wo eine befriedigte Lieblingsleidenschaft die Ehre vom Hause machte, und dann herzlich zufrieden mit Gottes schöner Welt; theilnehmend, leicht zu rühren, aus Reizbarkeit schwacher, kränklicher Nerven; immer zu Hilfe eilend, wo die Sache sich mit Gelde ausmachen ließ; weniger bereitwillig, wo ein herzerschütternder Anblick zu erwarten war; zurückbebend vor allem, was widrige Eindrücke auf seine feinen Organe machte; bey Unglücksfällen, die er sich selbst zugezogen, immer sein böses Gestirn, die Vorsehung und andre Menschen anklagend; bey kleinen Schmerzen und Widerwärtigkeiten sogleich aus aller Fassung gebracht; bey größern hingegen mit einem fantastischen Heroismus bewaffnet, den Eitelkeit und Stolz ihm als ein feuriges Schwert in die Hand gaben, und das augenblicklich der Faust entschwand, sobald der Rausch, die Überspannung vorüber war, der Arm ohnmächtig hinsank oder ein unvorhergesehener Feind ihm grade auf den Leib ging; verständig, hellsehend, tiefeindringend, sobald Leidenschaft nicht die Augen blendete; witzig, zum Spotte und bey gereizter Eitelkeit, nie aus wahrem, echtem Humor; mißtrauisch aus Bewußtseyn eigener Schwäche, also nicht eigentlich gemacht, das Glück der Liebe und Freundschaft zu theilen, aber in beiden blindlings und unvorsichtig sich hingebend dem, der ihm schmeichelte, nicht, daß er recht fest geglaubt hätte, man meine es redlich, aber weil er sich gern täuschte, um einen Augenblick von Genuß zu haben, über welchen er sicher zu erwartende Jahre voll Nachwehe vergaß; verschwenderisch aus Mangel an kalter Überlegung und Überrechnung und dann, durch Verschwendung gezwungen, geizig, wo der Sparsame mit vollen Händen geben kann; unaufhörlich von Launen regiert, wovon die, welche um ihn lebten, alle Ebben und Fluthen aushalten mußten; wollüstig und gierig, um im immerwährenden Genusse sein Ohr gegen die Stimme der anklagenden Vernunft zu übertäuben, fand er doch bald alle Freuden, besonders die einfachem, langweilig, ermüdend, schnappte unaufhörlich nach Abwechselung, hatte täglich neue Liebhabereien und darbte, wo Andre schwelgen – Und dann in den wenigen, kurzen, nüchternen, seligem Augenblicken, wo sein besserer Genius ihn fest in seine Arme schloß, voll Reue, sein Unrecht einsehend, beweinend, voll Scham, Verleugnung und Demuth, werth ganz und immer zu seyn, wozu ihn Gott und die Natur aufgerufen hatten – So war Ludwigs von Seelberg Vater, und hast Du, lieber Leser! viel vornehm und reich erzogene Menschen genauer kennengelernt, so wirst Du wohl die mehrsten unter ihnen diesem Bilde mehr oder weniger ähnlich gefunden haben.
Ludwigs Mutter war die Tochter des Obristen von Treubaum, eines biedern, redlichen und verständigen alten Officiers, der, nachdem er sein Vermögen, seine besten Jahre und seine Gesundheit im Dienst eines großen Königs zugesetzt hatte, endlich, da er sich nach Ruhe sehnte, in dem Schoße seiner Familie das Ende seiner mühseligen Laufbahn erwarten wollte. Er forderte desfalls seinen Abschied und nahm die Liebe und Achtung der Armee und ein gutes, reines Gewissen mit sich in seine Hütte, in welcher er mit seiner Frau und mit Wilhelminen, seiner einzigen Tochter, von der kleinen Pension lebte, die sein Fürst ihm reichen ließ. Dahin nun kam Seelberg auf einer seiner Reisen, im vollen Schimmer des Reichthums, kramte als ein feiner Weltmann allerley angenehme Talente und edle Grundsätze aus, verliebte sich, wie Leute von seinem Charakter sich verlieben können, in Wilhelminen und hielt, voll des vornehmen Gedankens, ein armes Mädchen durch seine Hand glücklich zu machen, bey dem alten Treubaum um dieselbe an. Der gute Obrist war bald geneigt, ihm Gehör zu geben; es schien eine gute Versorgung für Wilhelminen; gegen den Herrn von Seelberg ließ sich eben nichts einwenden. Er war noch jung, noch nicht so ausgebildet, wie ich ihn vorhin geschildert habe, und wenn auch schon damals mein Gemälde ihm glich, so gefiel doch dies Gemälde noch und schimmerte durch die Lebhaftigkeit des Colorits. Seine glänzenden Seiten blendeten hervor; kleine sichtbare Fehler wurden durch die Jugend entschuldigt. Es hieß: »Der Jüngling ist ein wenig von sich eingenommen, aber doch ein guter, wohlthätiger Mensch; er hat ein mitleidiges Herz, und es fehlt ihm gewiß nicht an Verstande. Er hat ein bißchen ein loses Maul; aber das wird sich legen« – Kurz! jedermann würde es den Eltern verdacht haben, die ihm ihre Tochter versagt hätten. Der alte Treubaum durfte, arm wie er war, nicht ohne Bekümmernis an seinen vielleicht nicht weit mehr entfernten Abschied aus dieser Welt denken. Sein Kind war der einzige Gegenstand seiner Sorgfalt. Wilhelmine, häuslich, verständig und nicht romanhaft erzogen, fühlte eine ruhige, herzliche, liebevolle Zuneigung zu guten und weisen Menschen, ohne die Heftigkeit einer tyrannischen Leidenschaft und den Drang einer fantastischen, empfindelnden Freundschaft zu kennen. Sie glaubte, das Band der Ehe sey um desto fester und dauerhafter, je mehr es sich auf gegenseitige Hochachtung gründe, da hingegen der Rausch der blinden Liebe bald verschwinde und dann Reue und Überdruß folgten. Da sie nun an dem Herrn von Seelberg durch einen fortgesetzten Umgang so manche gute Eigenschaft wahrnahm und ihre Eltern es wünschten, daß sie seine Gattin werden möchte, so entschloß sie sich willig dazu.
Wilhelmine war ein sanftes, edles Geschöpf; ihr schöner Körper trug das Gepräge einer noch schönern, engelreinen Seele. Ihr Kopf war hell und heiter; mit gradem, ruhigem Blicke schauete sie durch Vorurtheile und Schwierigkeiten hindurch, und dieser Blick schwand nicht wie das blendende Feuer eines Wetterstrahls, sondern verweilte wohlthätig und drang mit Wärme ein in den Gegenstand, worauf er geheftet war wie das Sonnenlicht. Ihre Leidenschaften, in dem glücklichsten Gleichgewichte gegeneinander, zerstörten nie die Harmonie zwischen Vernunft und Gefühl. Strenge ihren Pflichten treu und voll Theilnehmung und Menschenliebe lief weder ihr gefühlvolles Herz mit dem Kopfe davon, noch ließ sich dies warme Herz durch kaltes Raisonnement überklügeln. Die fröhlichste, reizendste, immer gleiche Laune, die selbst da nicht von ihr wich, als sie anfing kränklich zu werden; das selige Bewußtseyn der Unschuld und Reinigkeit, die jeden ihrer Schritte leiteten, und die kindlichste Zuversicht zu dem liebreichen Vater und Beschützer guter Menschen gaben ihr unüberwindliche Geduld, Heiterkeit und Kraft zum Kampfe in allen Kümmernissen und Widerwärtigkeiten. Sie war das treueste, sorgsamste Weib, unerschöpflich in Gefälligkeiten für ihren Mann, und seine unterhaltendste Gesellschafterin. Sie verscheuchte seine bösen Launen durch die naivesten Einfälle, ließ ihn nie die Leiden zurückempfinden, die er ihr verursachte, und machte ihm selbst dann keine Vorwürfe (wenigstens die sanftesten und nie solche, die einen andern Gegenstand als seinen eigenen Seelenfrieden zur Absicht haben konnten), wenn er in Augenblicken von Bewunderung ihrer hohen Tugenden sich reuevoll in ihre Arme warf. Dabey war sie die zärtlichste, weiseste Mutter, die ordentlichste, pünktlichste Haushälterin, eine sichre Zuflucht der Armen, Trösterin der Leidenden und Rathgeberin Derer, die sich ihr vertraueten. In ihrem Anstande herrschte hohe Würde ohne gezwungene Feierlichkeit, Milde ohne Gemeinmachung, in ihrem Betragen Vorsichtigkeit ohne Zwang noch Übertreibung. Ihr Anzug war äußerst einfach, reinlich und geschmackvoll. Sie war nicht ohne Kenntnisse, aber gar nicht gelehrt, nüchtern und bescheiden in ihren Urtheilen und so lange, bis vieljähriger Gram ihr Innerstes zernagt hatte, an Leib und Seele kerngesund.
In den ersten Jahren ihrer Ehe, in welchen unser Ludwig geboren wurde, der auch die einzige Frucht dieser Verbindung blieb, lebte Wilhelmine mit ihrem Manne ziemlich glücklich. Er hatte wirklich viel Zärtlichkeit für sie, und wer hätte auch den Eindrücken widerstehn können, die ihr liebenswürdiger und sanfter Geist verbunden mit ihren äußern Vorzügen auf jeden Menschen machen mußte? Nach und nach, als sich sein Charakter in männlichen Jahren nicht zu seinem Vortheile ausbildete, Eitelkeit und verstimmte Laune ihn blind gegen die Vollkommenheiten Andrer machten und das Feuer seiner Liebe verraucht war, da fing er freilich an, mancherley Fehler an seiner Frau zu entdecken, doch begegnete er ihr nicht eigentlich unartig, denn er glaubte sich selbst zu ehren, wenn er seine Gattin ehrte. Endlich aber, sobald seine Art, sich zu betragen, ihm eine Menge von Widerwärtigkeiten und Demüthigungen auf den Hals zog, da verursachte seine Aufführung dem guten Weibe nicht nur vielfachen Kummer, sondern sie erhielt auch selten ein freundliches, liebreiches Wort von ihm, ungeachtet sie alles anwendete, ihn aufzuheitern und ihm gefällig zu seyn.
Seelbergs Reichthum und Fähigkeiten hatten ihm früh Aufmerksamkeit, Achtung und politische Vortheile in seinem Vaterlande erworben. Es wurde ihm eine Bedienung anvertrauet, die sonst nur Männern von reifern Jahren zu Theil wird; allein er war nicht gemacht, dergleichen gute Aussichten zu nützen; der junge Herr war zu verwöhnt, um sich irgendeiner Art von Zwange, Convenienz und Subordination zu unterwerfen. Er fand an seinen Vorgesetzten so wie an dem einmal eingeführten Gange der Geschäfte unendlich viel auszusetzen, wollte reformieren, und wenn nicht alles, was der Jüngling vorbrachte, Eingang fand; wenn man nicht voll Bewunderung verstummte, sobald sein hohes Genie sich auf den Dreifuß setzte; wenn die alten Herrn mit ihren Knotenperücken phlegmatisch bey ihrer Weise blieben und sich Zeit nahmen, die Nützlichkeit der vorgeschlagenen Neuerungen mit kaltem Blute zu überlegen; dann rüstete sich Seelbergs beleidigte Eigenliebe mit bitterm Spotte; er schonte seiner Obern und seiner Wohlthäter nicht, sondern rügte die kleinsten Fehler und Lächerlichkeiten, die ihn gar nichts angingen, auf die unbarmherzigste Art. Keine dieser Spötteleien ging verloren; schwächere Köpfe, neidisch auf seine größern Talente, sammleten jedes Wort von der Art auf, hinterbrachten es den Vorgesetzten, über welche sich Seelberg lustig gemacht hatte, und die Folge davon war, daß er zurückgesetzt wurde und daß man Männer, die bey Weitem seine Geschicklichkeit nicht hatten, aber ruhigere Bürger waren, ihm vorzog. Seelberg wurde hierdurch auf das Äußerste gebracht und nahm seinen Abschied. Um aber zu zeigen, daß er des elenden Zuschusses eines Gehalts aus fürstlicher Gnade nicht bedürfe, begann er einen größern Aufwand zu machen als selbst die Ersten im Staate. Hochmuth, Mangel an bestimmten Geschäften und unruhige Gemüthsart trieben ihn an, allen Gattungen von Zerstreuungen und rauschenden Vergnügungen nachzurennen; Pracht und Üppigkeit herrschten in seinem Hause, und endlich artete dies alles in Schwelgerey und Verschwendung aus. Er kam merklich zurück in seinen ökonomischen Umständen, allein der Gedanke daran wurde durch neue Feste, Reisen, Gastereien und Ausschweifungen verscheucht. Statt sich einzuschränken, wie es ihm seine gute Gattin rieth, verkaufte er nach und nach die kleinern, unbeträchtlichem Güter, die nicht Lehn waren, um die größern von den selbstgemachten Schulden zu befreien, suchte alte Forderungen hervor und wärmte verjährte Processe auf, die, nach angewendeten großen Kosten, verlorengingen. Ein verheerender Krieg, in welchem seine Güter ein paarmal von Feinden und Freunden geplündert wurden, vollendete den Umsturz seines Wohlstandes. Nun, da er sich nicht länger mehr den ganzen Umfang seiner häuslichen Zerrüttung verbergen konnte, war es freilich zu spät, zweckmäßige Vorkehrungen zu machen, aber immer noch früh genug, Gott, Schicksal und Menschen anzuklagen und zu lästern und Diejenigen zu quälen, welche mit ihm leben mußten. Wer das nicht mußte, der blieb itzt weg, und die Gefährten seiner Ausschweifungen, die Mitesser, die, ohne ihn persönlich zu ehren oder zu lieben, täglich um ihn versammlet gewesen waren, solange es in Seelbergs Hause groß und fröhlich hergegangen, betraten nun seine Schwelle nicht mehr.
Unsers Ludwigs Geburt fiel, wie schon gesagt ist, in die erste, folglich in die glänzendste Periode seiner Eltern, und er war erst drey Jahre alt, als der Vater seinen Abschied nahm. Da dieser nun täglich in Zerstreuungen lebte und er die Erziehung eines so unmündigen Kindes Seiner nicht werth hielt, die gute Wilhelmine aber so gern, fern vom Geräusche der Welt, ihre häuslichen Pflichten treu in der Stille erfüllte, so verwendete diese auch ihre Kräfte auf die Bildung ihres einzigen Sohns. Sie machte sein junges Herz empfänglich für die unzähligen, wonnereichen Schönheiten, die der liebreichste Schöpfer um uns her auf dieser Erde verbreitet hat, erfüllte es mit Wohlwollen gegen alle Creatur, suchte jede hervorsprossende böse Neigung und Begierde in ihrem Keime zu ersticken, gefährliche Beispiele zu entfernen, Milde, Duldung und Nachgiebigkeit einzuflößen und das rasche Feuer des Knaben zu dämpfen, ihn zu lehren, sich unschuldsvoll des Lebens zu freuen, niemand vorsätzlich zu kränken, mäßig, nicht gierig, bescheiden, aber immer grade und wahrhaft zu seyn in Allem, sich keine Launen zu gestatten, und, damit nie in ihm dergleichen erzeugt würden, so litt sie nicht, daß Andre ihn necken durften, sondern suchte ihn immer bey frohem Muthe zu erhalten, fest überzeugt, daß ein heiteres, offnes, fröhliches Herz keiner Tücke fähig ist und daß man die Jahre der zwang- und sorglosen, unbefangenen Freude bey den mehrsten Menschen nur zu sehr verkürzt. Dabey führte sie den Knaben an, sein kleines unschuldiges Herz dankbar zu dem allmächtigen göttlichen Wohlthäter zu erheben; nicht, daß sie ihn hätte auswendiggelernte Gebete herplappern lassen, aber, wenn das Kind so neben ihr auf einem kleinen Grashügel im Garten saß, rund umher in den Büschen die Vögel ihr Liedchen anstimmten, indes andre vor ihnen herumhüpften, und dann, wo sich die Aussicht nach dem benachbarten Dorfe hin öffnete, auf bunten Wiesen das muntre Vieh am Bächlein herabsprang, oder, wenn es begann Abend zu werden und der freundliche Mond sein sanftes Licht über die Fluren hingoß, oder wenn der majestätische Donner den Kampf der Elemente am hohen Himmel verkündigte, dann redete die gute Mutter mit Wärme, doch so, daß es der Knabe fassen konnte, von jenem großen Wesen, durch welches alles ist, wie es ist, das alles belebt, schafft, wirkt, erhält, zu dem sich unser Herz hinsehnt in glücklichen Augenblicken, wie das Kind nach den Armen der Mutter, und wie dies Hinsehnen und ein dankbares Gefühl ihm das angenehmste Gebet ist, ihm, der, uns aller Orten gegenwärtig, alles mit seiner Liebe umfaßt, mit dem wir zwar nicht reden können wie mit Menschen, der aber sogar unsre Gedanken hört, sieht, fühlt und ein Wohlgefallen hat an denen, die ihn lieben und auf seine Güte und Hilfe bauen.
Wenn aber ein ernster Blick voraus in die Zukunft, in die traurige Zukunft, welche Seelbergs Aufführung seiner Familie zubereitete, trübe Wolken vor ihre Augen zog, dann lehrte sie ihn, daß man nicht auf die Reichthümer dieser Welt bauen solle, daß es dauerhaftere Güter gäbe, die keinem Unfalle unterworfen wären: »Du siehest wohl, mein Kind!« sagte sie dann, »daß es in unserm Hause lustig und gut hergeht, daß wir keinen Mangel leiden, daß wir auch andre Menschen speisen, tränken und kleiden können von unserm Überflusse. Aber wie wäre es nun, wenn wir auf einmal arm würden, wie es doch immer möglich seyn könnte? Wenn wir durch Unglücksfälle Haus und Hof und Geld und Kleider und alles verlören? Wer würde uns dann zu essen geben? Wer uns kleiden? Wer in sein Haus aufnehmen?« Der Knabe antwortete: »Ey, liebe Mutter! So wie Du itzt die Armen aufnimmst und ihnen gibst, was sie gern haben möchten, so würde man dann auch uns thun, wenn wir arm wären.« Dann sprach Wilhelmine: »Ach, mein Sohn! Man braucht heut zu Tage sein Geld nothwendig und gibt nicht gern weg, aus Furcht, selbst Mangel zu leiden. Und dann ist es ja immer ein Ungewisses Ding, wenn man sich darauf verlassen soll, daß man Menschen antreffe, die gern geben, die uns kennen und die wissen, daß wir ihrer Hilfe nicht unwerth sind. Aber, mein liebes Kind! es gibt ein besseres Mittel, gegen Armuth und Noth gesichert zu seyn, und dies ist, daß man immer fromm und redlich und wahrhaft handle und dabey mäßig sey, um wenig zu bedürfen, und endlich, daß man sich Geschicklichkeit erwerbe, um durch Arbeit das Wenige, so man braucht, verdienen zu können. Ist man fromm und gut, so verläßt uns der liebreiche Vater im Himmel nicht, läßt es uns an Gelegenheit nicht fehlen, durch Fleiß unsern Unterhalt zu gewinnen; und sollte Krankheit uns zur Arbeit untüchtig machen, so finden wir leicht mitleidige Menschen, die sich Unsrer annehmen, wenn man von uns weiß, daß wir nicht durch schlimme Aufführung unser Schicksal uns zugezogen haben.« – Hier nahm dann die zärtliche Mutter Gelegenheit, das Kind auf alles vorzubereiten, was es wahrscheinlicher Weise einst zu erwarten hatte, und ihm Demuth, Redlichkeit, Fleiß und Nachgiebigkeit zu empfehlen.
Unter der Aufsicht dieses herrlichen Weibes erreichte nun Ludwig das achte Jahr, und die süßen mütterlichen Lehren faßten so tiefe Wurzeln in seinem jungen Herzen, daß sein ganzes Leben hindurch, auch mitten in seinen Verirrungen, sein Charakter den Anstrich von weiblicher Milde, Sanftmuth und Geschmeidigkeit behielt. Seine in der Folge gänzlich veränderte Erziehung und die Verhältnisse, in welche er kam, erzeugten manche stürmische, heftige Leidenschaft in ihm, aber in den bessern Augenblicken von Frieden und Stille, wenn der Sturm sich zu legen anfing, dann schien der heilige Schatten seiner lieben Mutter ihn freundlich bey der Hand zu nehmen, und es verschwand der böse Genius, der ihn gefoltert hatte –
So gewiß ist es, daß die Eindrücke, die man in den ersten Jahren der Kindheit bekömmt, unauslöschlich sind, wenngleich die Folgen derselben eine halbe Lebenszeit hindurch nicht offenbar werden – Auch der Geist der Ordnung und Arbeitsamkeit, wovon Ludwig beherrscht wurde, blieb ihm von Wilhelminen eingeflößt. Zugleich war ihm der Umgang mit weiblichen Seelen zu einem Bedürfnisse geworden. Er lernte früh den feinen Gang ihrer Gefühle und Ideen kennen, den der größte Theil der Männer so falsch beurtheilt. Er verstand sie, war immer gern in Gesellschaft feiner und gesitteter Frauenzimmer; sie liebten ihn, ungeachtet er ihnen keine platten Schmeicheleien vorsagte, und zogen ihn einem ganzen Heere von viel hübschem Stutzern vor, deren Mund von Honig überfloß und die des Weihrauchs zentnerschwere Lasten opferten. Von einer andern Seite aber hatte freilich die mütterliche Erziehung auf unsern Ludwig auch den nicht so glücklichen Einfluß, daß eine gewisse Ängstlichkeit und Furchtsamkeit in seinen Charakter kam, von welcher er sich nicht hat wieder losmachen können. Vielleicht wurde er auch schon in diesen frühen Jahren ein wenig von jener weiblichen Eitelkeit angesteckt, die ihm in der Folge seines Lebens so manchen bösen Streich spielte – Genug! bis in das achte Jahr war seine Bildung bloß allein Wilhelminens Werk. Alsdann aber hatte es die Vorsehung beschlossen, diese treue Mutter in einer andern Welt den Lohn ihrer Tugenden einernten zu lassen und sie für die Leiden zu entschädigen, womit sie hier war geprüft worden.
Lange schon hatte sie mit Krankheit gekämpft, als endlich die Folgen eines heftigen Schreckens ihrem schönen, wohlthätigen Leben ein Ende machten; folgende Umstände gaben die Veranlassung dazu: Obgleich der Vater Seelberg bey seinem verminderten Vermögen nicht mehr so viel Aufwand machen noch so viel Schmausereien geben konnte als vormals, so war er doch nun einmal so sehr an ein Leben voll Zerstreuung gewöhnt, daß, da es ihm an besserer Gesellschaft fehlte, er um sich her einen Haufen von äußerst mittelmäßigen Menschen, von Schmeichlern versammlete, die für eine gute Mahlzeit zu allem, was er sprach, lauten Beifall jauchzten. Dieser Zirkel bestand größtentheils aus seinen eigenen Beamten, aus benachbarten Predigern und ein paar Landedelleuten, die dann fleißig seine Tafel heimsuchten. Seelberg, der immer noch gern für einen verständigen, Wissenschaften und Künste liebenden Mann gelten wollte, sprach mit diesen Leuten (obgleich sie wenig davon verstanden, und vielleicht eben deswegen, weil sie wenig davon verstanden) oft von gelehrten Sachen. Er las allerley durcheinander, und es war eben damals die Naturlehre, wie er sagte, sein Lieblingsfach. Die mancherley neuen Entdeckungen, die in der Elektrizität, in der Lehre von der fixen und brennbaren Luft, von den Wirkungen des Schießpulvers, vom Magnetismus und dergleichen gemacht wurden und die er größtentheils aus Journalen und andern Schriften erfuhr, beschäftigten seine Neugier. Er schaffte sich nach und nach einen kleinen Apparat von physischen, mathematischen, optischen und andern Instrumenten an und machte dann nach Tische mit seiner Gesellschaft Experimente, die mehr oder weniger gelungen, je nachdem bey dem Schmause die Flaschen öfterer und seltener herumgegangen waren. Da es ihm zu manchen dieser Versuche an den nöthigen Handgriffen fehlte, so quetschte er sich zuweilen einen Finger oder verbrannte sich die Manschetten oder begoß seinen Rock mit stinkendem Spiritus oder ließ des Amtmanns Perücke halb im Rauch aufgehn; allein das alles ging noch so ziemlich ohne großen Schaden ab; ein unglückliches Experiment aber, das er mit einem leicht zu entzündenden Spiritus in der Nähe von andern brennbaren Sachen machte, hatte schlimmere Folgen.
Die gute Wilhelmine lag schon im Bette, weil sie seit einiger Zeit mit einem schleichenden Fieber kämpfte, welches sich gegen Abend einzustellen pflegte, als Seelberg seine Operationen anfing, die so übel ausfielen, daß er sein sogenanntes Studierzimmer mit allen darin liegenden Papieren in Brand steckte. Er mußte mit seiner Gesellschaft fliehen, um nicht erstickt zu werden, und indes man Anstalt zum Löschen machte und alles im Hause planlos durcheinanderlief, hatte das Feuer so sehr die Überhand genommen, daß man kaum Zeit fand, den besten Hausrath auf die Seite zu schaffen. Wilhelmine lag in unruhigem, ängstlichem Schlummer, als der Lärm sie weckte. Man hatte in der Verwirrung erst spät an sie gedacht, und schon hatte die Flamme die Treppe ergriffen, die nach ihrem Zimmer führte, als ein beherzter Lakaie mitten durch Feuer und Dampf hindurch in ihre Kammer einbrach und sie, die vor Schrecken ohnmächtig wurde, aus ihrem Bette weg in ein Nachbarhaus trug. Die Hälfte des Hauses wurde gerettet; aber das schwache Nervensystem der armen Frau war so zerrüttet, daß sich die Anfälle des Fiebers verdoppelten und sie wenig Wochen nachher ihre schöne Seele in die Hände des allmächtigen Trösters zurückgab.
Seelberg ließ seine Frau mit allem nur möglichen Aufwande begraben, weinte gewaltig, trauerte ungewöhnlich lange, sprach unendlich viel von seinem unersetzlichen Verluste, von seinem unaussprechlichen Schmerze und – fing nach kürzerer als Jahresfrist seine vorige Lebensart wieder an, nur mit dem Unterschiede, daß, da ihm nun die holde Freundin und Rathgeberin fehlte, die wenigstens die seltenen glücklichen Augenblicke genützt hatte, um auf sein Herz einigen wohlthätigen Eindruck zu machen, er jetzt ganz von Moralität herabsunk.
Wir reden jetzt von einer Periode in Ludwigs von Seelberg Leben, in welcher der Grund zu den mehrsten Verirrungen gelegt wurde, in die er nachher mit Kopf und Herzen gerieth. Sein Vater, nachdem er noch zwey Jahre hindurch auf dem alten Fuße fortgewirthschaftet hatte, fing nun an schwächlich zu werden; Unmäßigkeit und der vielfach Verdruß, den er sich zugezogen, hatten seine Gesundheit untergraben; jetzt kam er von seinem Hange zu rauschenden Freuden gänzlich zurück, trennte sich beinahe von allen Menschen, unter denen er so viel Feinde hatte, und schuf sich, in seiner isolierten Existenz, ein System von philosophischer Lebensart. (Denn mit diesem Namen benennen wir gewöhnlich, am Ende einer inconsequent und planlos durchrennten Laufbahn, eine Lebensart, wozu nicht Grundsätze und reife Überlegung, sondern Überdruß, Noth, Eigensinn, verstimmte Laune oder gekränkter Stolz uns treiben, drücken dann den falschen Stempel der Philosophie auf das Produkt unsrer Thorheit, hängen das Schild eines Minerventempels über den Eingang eines Hospitals und den Philosophenmantel über den zerrissenen Hannswurstrock.) Der alte Seelberg las Bücher über moralische, am mehrsten aber über spekulative, abstrakte Gegenstände, raisonnierte mit den Wenigen, die ihn umgaben, über Unsterblichkeit der Seele, über Nichtigkeit irdischer Freuden, über Zusammensetzung des Weltalls, über Monaden, Materialismus, Engel und Schutzgeister und hätte gern aus seinem Hause eine Akademie gemacht. Diese künstliche Existenz aber, die im Grunde gar nicht für ihn paßte, gewährte ihm auch keinen Frieden, noch machte sie ihn zum bessern Menschen, als er vorher gewesen. Seine Leidenschaften waren nur stumpf geworden, allein sie hinkten unaufhörlich um den Genius der spekulativen Philosophie herum, der seine Marktschreierbude mitten unter ihnen aufgeschlagen hatte, und der nämliche Mann, der mit hinreißender Beredsamkeit über die Armseligkeit aller Güter dieser Welt deklamierte, zitterte vor Zorn und Rache, wenn er sich der Demüthigungen erinnerte, die er hatte ertragen müssen. Er lebte in immerwährendem Kampfe mit sich selbst, konnte es sich nicht verbergen, wie sehr er Ursache hatte, sich wegen des Vergangenen Vorwürfe zu machen, und hätte sich doch so gern davon überredet, daß er nur durch die Ungerechtigkeit des Schicksals und durch die Falschheit der Menschen litte. Diese innerlichen Bewegungen erzeugten dann in ihm die unerträglichsten Launen, und die Ausbrüche derselben trafen unglücklicher Weise größtentheils den armen Ludwig.
Der gute Junge war seinem Vater zu milde, zu weiblich und nicht gelehrt genug, welches Letztere doch wahrlich seine Schuld nicht war, da Seelberg bis itzt sich nicht im mindesten darum bekümmert hatte, ihm Kenntnisse beizubringen, und er bis in sein jetziges zehntes Jahr noch keinen andern Unterweiser als seine Mutter gehabt hatte. War es nun, daß die Sanftmuth seines Charakters den Vater an Wilhelminens herrliche Eigenschaften erinnerte und ihm dann sein Gewissen sagte, wie glücklich er hätte seyn können, wenn nur der geringste Theil ihrer Vollkommenheiten bey ihm Wurzel gefaßt hätte, oder fürchtete er, der Sohn möchte einst, wenn er besser als er würde, seinen Vater verachten? – genug! er liebte den Knaben nicht, war ungerecht gegen ihn, konnte ihn nie sehn, ohne mit ihm zu schmälen, und beklagte sich gegen jedermann darüber, daß der Junge so dumm und so unmännlich wäre. Und hierin irrte er doch sehr; Ludwig hatte herrliche Naturgaben, aber sie waren nicht ausgebauet; seine Mutter hatte theils selbst hierzu nicht wissenschaftliche Kenntnisse genug gehabt, theils glaubte sie, es sey damit noch nichts versäumt, wenn nur das Herz rein erhalten würde; endlich hatte sie auch des kleinen Knaben sehr geschont und ihn nicht angreifen wollen, weil er überaus schwächlich zu seyn schien und die zu zärtliche Mutter es nicht über sich gewinnen konnte, irgend etwas mit ihm zu wagen.
Das große Genie und der recht dumme Tölpel kündigen sich oft in der ersten Jugend auf einerley Art an. Beide scheinen an Leib und Seele gleich links zu seyn: die Dummen, weil sie sich nicht Anstrengung genug geben können oder zu faul sind zu entwickeln, zu ergründen, zu fassen und einzudringen; jene aber, weil sie entweder in der Höhe ihres Flugs die nöthigen kleinen Details, welche zu Anordnung des Ganzen gehören, verachten und übersehen, oder weil ihre zu große Lebhaftigkeit sie zerstreuet, ihr zu unruhiger Thätigkeitstrieb ihnen nicht erlaubt, bey einer Sache lange zu verweilen. Es gibt Mittel, dergleichen Geister früh zu fixieren, aber mehrentheils beurtheilt man sie falsch und wählt die unrichtigen Mittel. Mit gereizter Nacheiferung und Erweckung des Ehrgeizes verfehlt man bey ihnen selten den Zweck, und dann kömmt man mit einem Solchen in einer halben Stunde weiter als mit einem kalten, fleißigen Jungen von stumpfen Organen in halben Tagen.
Seelberg, der überhaupt, wie wir gesehn haben, bey allen seinen Handlungen nur seinen leidenschaftlichen Eingebungen, selten aber einer nüchternen Überlegung und Nachforschung folgte, gab sich nicht die Mühe, seines Sohnes Anlagen kennenzulernen, sondern, weil er einmal gegen ihn eingenommen war, so erklärte er ihn gradezu für einen Schwächling an Geist und Körper, konnte nicht begreifen, wie ein so gescheiter Mann als er einen solchen Sohn habe zeugen können, ging hart mit ihm um, neckte ihn unaufhörlich, zog ihn seiner vermeinten Dummheit wegen auf und hoffte ihn dadurch anzuspornen; allein er betrog sich. Ludwig fühlte die Ungerechtigkeit dieses Betragens; seine Zuneigung wendete sich weg von seinem Vater, und nun sah er auch deutlich grobe Fehler an demselben. Die Vergleichung, die er zwischen ihm und seiner guten Mutter anstellte, und bey welcher Vergleichung die harte Behandlungsart des Einen gegen die liebreiche Führung der Andern der Waagschale den größten Ausschlag gab, verdrängte endlich alles Gefühl von kindlicher Liebe aus seiner Seele und erbitterte ihn gegen den, welchen zu ehren ihm seine Mutter doch zur heiligen Pflicht gemacht hatte.
Hierzu kam, daß Seelberg sehr unglücklich in der Wahl der Hofmeister war, die er seinem Sohne gab. Er vertrauete ihn zuerst der Führung eines steifen Magisters an, der nicht die geringsten Grundsätze von Erziehung, auch keine Disposition und Stimmung dazu hatte. Dieser rauchte den ganzen Tag durch Tabak, trank Merseburger Bier dazu, und da er fast immer einen rauhen Hals hatte, so nahm er die Zuckerbildlein, welche Ludwig ehemals von seiner Mutter zum Weihnachtsfeste geschenkt bekommen hatte und welche dieser als ein Heiligthum aufbewahrte, schmolz sie an seiner gelehrten Lampe wie der große Chemiker Moises das goldene Kalb der Israeliten und fraß sie dann auf. Dagegen aber konnte er in den langen Winterabenden mit dem alten Herrn über die systemata harmoniæ prastabilitæ, causarum occasionalium und influxus physici wacker deraisonnieren. Da indessen dieser finstre Gelehrte einst seinen Prinzipal sein Übergewicht von Erudition fühlen ließ, so mußte er fort, worauf er nach Jena und Leipzig ging, Mitarbeiter an zwey großen gelehrten Journalen, auch Mitglied der bernburgischen Gesellschaft wurde und viel über Erziehung schrieb. Nach ihm kam ein polyhistorischer Schwätzer, welcher mit der Hausmagd Zwillinge erzeugte und sich, sobald die Sache sichtbar wurde, in der Nacht davonmachte, ohne die glückliche Niederkunft abzuwarten, worauf er bey des Herrn Döbblin Gesellschaft in Berlin Schauspieler wurde. Ihm folgten kurz nacheinander noch Einige, die auch nicht viel mehr taugten, bis auf ein paar würdige und geschickte Männer noch, die es aber nicht lange in Seelbergs Hause aushalten konnten – Mit Einem Worte! Ludwig rückte in Wissenschaften und Sprachen bis zu seinem dreizehnten Jahre beinahe gar nicht fort, außer, daß von den wirklich zuweilen sehr gelehrten und verständigen Gesprächen seines Vaters mancher gute Brocken hängenblieb, wie man denn überhaupt eher das behält, was nicht absichtlich für uns gesagt wird, als das, was man uns nach einer vielleicht für uns nicht passenden Methode schulmäßig eintrichtern will. Aber er lernte doch viel – viel Gutes und noch mehr Böses. Die Kinder sind die aufmerksamsten, stillsten Beobachter, und ich möchte fast sagen, die besten, unbefangensten Menschenkenner. Von seiner ersten Jugend an hatte Ludwig in seines Vaters unruhigem Hause unter einer zahllosen Menge von Originalen aller Art und allerley Standes gelebt; seine Hofmeister hatte er noch genauer kennengelernt, sie oft, selbst bey dem Unterricht in den Wissenschaften, übersehn, ihre Unwissenheit, wenn es auf Klarheit der Begriffe und deutliche Darstellung ankam, gemerkt, ihre Gebrechen ausfindig gemacht, dabey die mannigfaltigen großen Fehler und Blößen seines Vaters, der ihn täglich weiter von sich stieß, studiert, und daraus gelernt, denselben und überhaupt Alle, mit denen er lebte, wenn es grade sein kleines Interesse erforderte, durch Schmeicheley und andre Künste bey den schwächsten Seiten zu fassen.
Nun verlor also Ludwig viel von der edeln Einfalt seines Charakters, bey der ihn seine würdige Mutter erhalten hatte, verlor an Liebe, Demuth, Gradheit, Nachgiebigkeit und Duldung. Er fing an, Menschen kennen, aber auch geringschätzen und zu seinen Zwecken nützen zu lernen; er wurde gleichgültiger gegen Familienband und Blutsverhältnisse; er lernte Schwachheiten bemerken, Schwachheiten ausspähen, gegen Schwachheiten erbittert werden, nach den Umständen sich schmiegen und sich gegen Menschen verstellen, die er nicht schätzte. Er lernte von sich selbst eine hohe Meinung hegen, Zurücksetzung fühlen, durch oft erlittene ungerechte Zurücksetzung eingebildet von seinen Vorzügen, aus Gegenkraft herrschsüchtig, aus Gefühl seines innern mißkannten Werths stolz werden. Endlich, weil sein Vater ihn nicht liebte, so wurde er auch schlecht in Kleidern gehalten, und dadurch entstand bey ihm ein gewisser Hang zur Pracht, wie es denn in der menschlichen Natur liegt, das zu wünschen, was uns versagt wird.
Allein bey dieser moralischen Verschlimmerung, die unmerklich bis zu seinem dreizehnten Jahre zunahm, ging dennoch nicht alles verloren, was Wilhelmine in ihres Sohns junges Herz gelegt hatte. Er behielt den Sinn für Liebe und Freundschaft, aber dieser Sinn vereinzelte sich mehr, umfaßte nicht mehr so alles um ihn her. Er sehnte sich, aber vergebens, in seines Vaters Hause nach einer sanften Seele, an die er sich hätte sympathetisch anschließen können, trauerte manche Stunde darüber, daß er keine fand, und dies erbitterte ihn um desto mehr gegen die, mit denen er leben mußte. Er war empfänglich für reine Freuden des Herzens, und die Musik (das Einzige, worin er gründlichen Unterricht bekam, weil grade ein guter Tonkünstler dort wohnte, Ludwig bald sehr viel Talent dazu zeigte und in Kurzem große Fortschritte darin machte), die Musik, sage ich, trug nicht wenig dazu bey, ihn äußerst empfindlich und reizbar zu machen. Er wurde gerührt von großen Handlungen, wenn er dergleichen erfuhr, fühlte sich hingezogen zu edeln und weisen Menschen, wenn er so glücklich war, solche anzutreffen. Man entzog ihm aber allen weiblichen Umgang, und das that ihm wehe. Übrigens blieb sein Nervensystem sehr zärtlich, bey einer weichlichen, an manche unnütze Bedürfnisse gewöhnten Lebensart in einem Hause, wo immer eine Art von Wohlleben geherrscht hatte. Aus diesem Allen nun ließen sich in seinen nachherigen Handlungen die häufigen Widersprüche zwischen Gefühlen und Grundsätzen, zwischen Drang der Seele und verständiger Überlegung erklären; sie bekamen in diesen Jugendjahren ihre erste Entstehung. So war, zum Beispiel, Ludwig aus Menschenkenntnis oft zu mißtrauisch und zu verschlossen und dann wieder aus Hang des Herzens zu hingebend, offenherzig und plauderhaft. Aus natürlichem Humor, welchen seine Mutter ungetrübt erhalten hatte, war er fröhlich, dagegen machten die frühen Vexationen, die er von seinem Vater hatte erdulden müssen, daß er so leicht aufzubringen, so leicht zu verstimmen war. Da er oft unbilliger Weise gelitten hatte, so war er auch nicht immer gerecht gegen Andre, glaubte, ein bißchen Druck könne wohl nicht schaden, sondern läutere, prüfe und bilde die Menschen. Aus Ehrgeiz war er rachsüchtig, aus Menschenliebe bald entwaffnet und sehr versöhnlich. Seines Vaters thörichte, unzweckmäßige Verschwendung, wovon er täglich die traurigen Folgen gesehn und oft erfahren hatte, wie wenig wirkliche echte Freuden, wie wenig wahren Genuß eine solche Lebensart gewährt, endlich wie wenig Achtung und Zuneigung, ja! nur einmal Anhang man dadurch gewinnt, diese Verschwendung und seiner Mutter gute Lehren erweckten in ihm zwar einen Geist von Ordnung und Sparsamkeit; ungeachtet dessen aber wurde er doch erst in seinen männlichen Jahren ein guter Wirth, denn da er in der Jugend weder durch Beispiel noch durch eigene Erfahrung den Werth des Geldes und die Vortheile einer guten, ordentlichen Wirthschaft hatte kennengelernt und er nachher, als Jüngling, eine Menge Wünsche, Liebhabereien und Bedürfnisse zu befriedigen hatte, so war er fast nie ohne Schulden und verrechnete sich immer in seinen Überschlägen. Seines Vaters Ausschweifungen hatten ihm wohl einen großen Widerwillen gegen alle Unmäßigkeit eingeflößt, und doch – wenn die Gelegenheit da war, so widerstand seine reizbare Maschine selten, und die Sinnlichkeit lief mit der Vernunft davon –
So waren die Anlagen, mit welchen Ludwig im dreizehnten Jahre seines Lebens das väterliche Haus verließ, nachdem der alte Seelberg an den Folgen eines hitzigen Fiebers gestorben war – So waren die Anlagen beschaffen! – Das übrige Gute und Böse kam, wie wir sehn werden, von Außen, durch Schicksale hinein; aber diese Schicksale waren nicht des Ungefährs, sondern waren sein Werk und würden jeden, der mit andern Dispositionen in die Welt getreten wäre, nicht betroffen haben.
Diejenigen, die nur lesen, um die Zeit auf eine lustige Art hinzubringen, und denen mehr mit Erzählung einer Reihe abentheuerlicher Begebenheiten als mit Entwicklung der feinern Falten des menschlichen Herzens, Geschichte der frühen Entstehung leidenschaftlicher Triebe und Enthüllung der Bewegungsgründe und Veranlassungen, die den Menschen zum Handeln bestimmen, gedient ist, werden freilich finden, daß ich mich zu lange bey den unbedeutenden Jugendjahren unsers Helden aufhalte; allein, ich sage es frey heraus, für solche Leser schreibe ich nicht; sie können dies Buch ungekauft lassen oder, wenn sie es etwa aus Neugierde in die Hand nehmen, die ersten drey bis vier Kapitel überschlagen – Doch, ich fahre ohne weitere Entschuldigung fort.
Wir haben gehört, daß der alte Seelberg starb, ehe Ludwig das vierzehnte Jahr erreicht hatte. Sein Tod war wie der letzte Akt eines mittelmäßigen Trauerspiels. Es wurde viel dabey deklamiert und wenig empfunden. Es war nicht das Hinscheiden eines liebevollen Menschenfreundes, der noch einmal, obgleich mit schon halbgebrochenen Augen, in dem kleinen Zirkel der Theuren umherblickt, die voll stummen Schmerzes dastehn und die Hände ringen, indes der sterbende väterliche Freund und Wohlthäter, gestärkt durch den himmlischen Boten, der ihm die Hand reicht, sie durch Winke mit Trost und Hoffnung des Wiedersehens zu erfüllen sucht – Nein! es war denn so eine gemeine Sterbescene; zur Seite ein Arzt und ein Geistlicher, die Beide für die Gebühr ihr Amt mit gehöriger Kälte und Ernsthaftigkeit verrichteten; die Bedienten, ermüdet von vielem Wachen, heute ein wenig lebhafter und geschwinder zu den nöthigen Handreichungen, da sie die Hoffnung nahe vor sich sahen, bald des Zwangs überhoben zu seyn und dann einen andern Herrn zu suchen – Ludwig, freilich nicht ohne Thränen, doch immer mehr deswegen, weil es der Anstand erforderte, als aus Zärtlichkeit – Der Sterbende selbst (wie er immer gewesen war), sobald er Linderung fühlte und glaubte, er könne noch davonkommen, hing das Schild der Religion aus, gab seinem Sohne kalte Lehren, verzieh seinen Feinden, die er beleidigt hatte, sagte gewaltig viel gute Dinge über seinen Zustand, zeigte Verleugnung und machte Parade mit Grundsätzen, nach denen er nicht gehandelt hatte. Sobald aber der Augenblick des Schmerzens kam oder der Todesengel ihm an das Herz griff und zurief: »Es ist Ernst!« dann ängstlich oder, nach den Umständen, ärgerlich, ungläubig oder stumm, aber die Hände ringend, das Bettuch kneipend, bis endlich Natur und Kunst sich erschöpft hatten und die Maschine ohne großes Geräusch stockenblieb.
Ludwig von Seelberg hatte keinen nähern Verwandten im Lande als von mütterlicher Seite einen gewissen Major von Krallheim, und dieser wurde ihm auch von den Gerichten zum Vormunde gesetzt. Er war ein redlicher Mann, ohne Firnis, nicht unverständig noch unbelebt, obgleich nicht äußerst poliert noch schlau, ein Witwer, der die Hälfte des Jahrs in der Residenz bey dem Regimente, die andre Hälfte auf seinem Gute zubrachte. Er hatte nicht zum Besten mit dem alten Seelberg gestanden, weil theils ihre Gemüthsarten sehr verschieden waren, theils alte Prozesse, die sie miteinander geführt, vorzeiten Uneinigkeit unter ihnen gestiftet hatten. Als aber dem alten Major die Vormundschaft über seinen Vetter übertragen wurde, nahm er dieselbe mit gutmüthigem Herzen an und ließ sich einen geschickten und redlichen Sachwalter beifügen, der dann alle Geschäfte mit ebensoviel Gewissenhaftigkeit als Ordnung führte. Im Grunde waren die Vermögensumstände des alten Seelbergs nicht so sehr zerrüttet, daß nicht noch dem Sohn ein sehr beträchtliches Vermögen übriggeblieben wäre. Nachdem dies nun vollkommen in das Reine gebracht und ein Etat zu baldiger Bezahlung der Schulden gemacht war, kam es darauf an, wo, wie und wozu Ludwig von Seelberg erzogen werden sollte. Der Major ging hierüber mit einigen studierten Männern zu Rathe, und es wurde beschlossen, der junge Mensch solle ein Civilist werden und in einem öffentlichen Erziehungsinstitute Unterricht erhalten, bey einem ehrlichen Schullehrer aber in Kost und Aufsicht gethan werden: »Der Soldatenstand«, sprach der Major, »ist ein undankbares Handwerk. Wenn man sich die paar alten Knochen hat krumm und lahm schießen lassen und immer seine Schuldigkeit gethan und unser Gesicht kömmt aus der Mode und es bleibt lange Frieden, so daß man Unsrer nicht bedarf, so kommen die jungen Gelbschnäbel, die nie wie Pulver gerochen haben, in die Höhe, rennen einem aller Orten in den Weg, und man muß sich wohl gar von Prinzen oder andern Kindern schuhriegeln lassen, von Knaben, deren Väter man auf dem Arm getragen hat. Nein! Soldat soll der Junge nicht werden, sondern studieren. Ich habe auch Gelehrte gekannt, zwar nicht viele, aber einige, die deswegen doch vernünftige Kerle waren. Wer weiß: ob der Pursche es nicht noch einmal bis zum Minister bringt, denn er ist wahrlich so dumm nicht, als ihn sein närrischer Vater machte; und damit er gewürfelt werde und lerne mit andern Menschen seines Gelichters umgehn, so denke ich, wir schicken ihn in die öffentliche Schule. Ich halte nichts von Hausinformatorn. Man findet selten einen, der so ist, wie er seyn sollte. Hätte ich Geschicklichkeit dazu, so nähme ich ihn zu mir und wollte selbst ihn unterrichten; so aber, denke ich, wollen wir ihn nach *** zu dem Rektor Werkmann in das Haus thun. Da ist er gut aufgehoben und kann nebenbey das Gymnasium besuchen.«
Dieser Plan wurde ausgeführt; der alte Major brachte Ludwigen selbst zu seinem neuen Pflegevater, empfahl ihn demselben so dringend, als wenn es sein eigener Sohn gewesen wäre, und wies dem Rektor eine jährliche ansehnliche Geldsumme an, wovon die Unkosten für Kleidung, Tisch, Unterricht und alles Übrige bestritten werden sollten. Werkmann und seine ehrliche Hausfrau waren würdige, uneigennützige, gewissenhafte Menschen, die für die jungen Leute, welche man ihnen anvertrauete, mehr als gemeine Sorgfalt trugen. Sie hatten verschiedene Solcher im Hause, aber Ludwig war der einzige Edelmannssohn unter denselben. Fehlten nun der gute Rektor und seine Frau irgendwo, so war es darin, daß sie dem jungen Seelberg äußerlich zu viel Vorzug vor seinen Gespielen einräumten. Nicht, daß die reichliche Pension, welche der Vormund ihnen auszahlen ließ, sie bestochen hätte (denn sie waren weise genug einzusehn, daß sich Dienste von der Art gar nicht bezahlen lassen), sondern aus dem verjährten Vorurtheile, daß man einen Junker anders behandeln müsse als einen andern Jungen und daß man ein Edelmann seyn könne, ehe man ein Mensch ist. Ludwig wurde daher wirklich ein wenig verzärtelt; besonders, was die Sorgfalt für seine Gesundheit betraf – »Der Einzige von der Familie«, hieß es immer; als wenn es nicht besser wäre, eine von den unzähligen Familien auf dem Erdboden aussterben als sie durch einen verzogenen Taugenichts fortpflanzen zu lassen!
Wenn indessen von Einer Seite Ludwig hier leicht hätte auf immer verderbt werden können, so wurde er auf der andern sehr unwillkürlich zur Demuth und Bescheidenheit geführt; denn als der Rektor an dem Tage, da der junge Mensch ihm überliefert wurde, mit demselben und den übrigen jungen Leuten in seinem Hause eine kleine Prüfung anstellte, um zu sehn, wie weit Ludwig die Andern überträfe oder von ihnen übertroffen würde, fand sich's, daß der Cavalier im Grunde gar nichts wußte und daß also die Bürgerssöhne, die in der That unter der besten Anführung große Fortschritte in den Wissenschaften gemacht hatten, ihn weit hinter sich ließen. Der ehrliche Rektor sprach kein böses Wort darüber, sondern sagte nur immer: »Ey nun! Es wird schon kommen! Der junge Herr wird die Andern wohl noch einholen, wenn Fleiß und Genie da sind.« So tröstend dies nun auch war, so niedergeschlagen blieb dennoch Ludwig dabey. Wäre er zurückgesetzt und verachtet worden, so würde ihm sein Stolz zu Hilfe gekommen seyn; aber hier wurde er geehrt und – bedauert; er selbst fühlte jeden Augenblick seine Schwäche; er wurde muthlos, und diese Muthlosigkeit nahm zu, als es an die Arbeit ging, mit der es gar nicht fortrücken wollte. Er war nicht daran gewöhnt, zu wetteifern, von jüngern Knaben beschämt, übertroffen, ja, nicht nur an Kenntnissen, sondern an Talenten und Scharfsinn übertroffen zu werden, und das war hier oft der Fall, den seine Eitelkeit sich nicht verbergen konnte. Er war nicht gewöhnt an fortgesetzten Fleiß, an eine festgesetzte Stundenreihe; seine aufgeschnappten Kenntnisse galten hier nichts; sobald er mit einem Fragmente von der Art angezogen kam, so fragte man auf die freundlichste Art von der Welt nach dem Grunde der Sache, so wie er es ehemals mit seinen Hofmeistern gemacht hatte; und da war die Gelehrsamkeit zu Ende. Seine Menschenkenntnis und Geschmeidigkeit halfen ihm noch weniger; er hatte es nicht mit leidenschaftlichen Leuten zu thun, die geschmeichelt seyn wollten, sondern mit Personen, die systematisch ihre Pflicht thaten. Wie gern hätte er diese Personen geringgeschätzt! Wie gern grobe Fehler an ihnen gefunden, um sich selbst ein bißchen größer zu scheinen! – allein er konnte nicht. Kleine Schwachheiten bemerkte er wohl, aber dabey so viel Güte, Würde, Konsequenz, Plan, Regelmäßigkeit, Sorgfalt und Liebe für ihn, daß er täglich mißmuthiger und fast des Lebens müde wurde.
In dieser Zeit nun kam eine Gesellschaft deutscher Schauspieler in die Stadt. Der Rektor war kein großer Freund davon, den jungen Leuten Geschmack für das Theater, so wie es jetzt ist, einzuflößen; weil er indessen gern alles thun wollte, was seinem Zöglinge Vergnügen machen konnte und wovon er glaubte, daß es einem jungen Cavalier gezieme, so fragte er bey dem Vormunde an, ob es erlaubt sey, den jungen Seelberg zuweilen in die Komödie zu schicken? Der Major war gefällig und gestattete es. Da nun aus Werkmanns Familie niemand das Schauspiel besuchte, so wurde ein Hofmeister in einem vornehmen Hause, der nebst seinen Untergebenen kein Spektakel versäumte, gebeten, den jungen Seelberg zuweilen mit dahin zu nehmen. Ludwig fand unendlich viel Wonne an dieser Unterhaltung. Sein zartes Nervensystem wurde durch die empfindsamen Stücke gar sehr gerührt; die Fantasie bekam einen romanhaften Schwung; sein Ohr wurde durch die wollüstige Musik gekitzelt; sein schlauer Beobachtungsgeist durch Darstellung der Folgen menschlicher Thorheiten und Leidenschaften geschärft, sein Witz durch feine Satyren und Spöttereien zugespitzt, sein Hang zum andern Geschlechte durch die mannigfaltigen Liebesintriguen, welche er vorstellen sah, und durch die reizenden Gebärden der Theaterschönen lebhafter – Mit Einem Worte! das Theater bildete ihn sehr, nur nicht zu dem Zwecke, zu welchem er in Werkmanns Hause war und der doch bey herannahenden Jünglingsjahren so äußerst wichtig wurde. Im Gegentheil! ein Trauerspiel, ein Lustspiel oder eine Oper verdarben ihn gewöhnlich drey Tage und machten ihn zu aller Arbeit untüchtig, nämlich den Tag vorher, an welchem er sich darauf freuete, den Tag der Vorstellung und den folgenden Tag, wenn die Fantasie noch erhitzt und der Geist zerstreuet war.