Die Weihnachtskatze - Rita Mae Brown - E-Book

Die Weihnachtskatze E-Book

Rita Mae Brown

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Beschreibung

Kurz vor Heiligabend besucht die unternehmungslustige Harry Haristeen die Bruderschaft der Barmherzigkeit, um dort ihren Weihnachtsbaum zu kaufen. Zwischen den Tannen stolpert sie über einen toten Mönch. Das Entsetzen in der Bruderschaft ist groß, doch Harry findet die Mönche verdächtig und beginnt zu recherchieren. Und dann wird ein zweiter Mönch ermordet. Gemeinsam mit Mrs. Murphy macht Harry Jagd auf den Täter.

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Das Buch

Eine Mordserie erschüttert das vorweihnachtliche Crozet. Mary Minor »Harry« Haristeen findet beim Kauf ihres Weihnachtsbaums in der Bruderschaft der Barmherzigkeit eine Leiche. Für die Mönche ist dieser Fund ein Schock. Denn das Mordopfer ist einer von ihnen: Erst ein Jahr zuvor hatte Christopher Brown dem Leben als Börsenmakler den Rücken gekehrt. Die Polizei vermutet das Motiv für die Tat in seiner Vergangenheit. Doch dann werden zwei weitere Mönche tot aufgefunden, wie Brown mit einer alten griechischen Münze unter der Zunge. Harrys und Mrs.Murphys Neugier ist geweckt. Was geht Unchristliches vor sich in der Weihnachtszeit?

Die Autorin

Rita Mae Brown, geboren in Hanover, Pennsylvania, wuchs in Florida auf. Sie studierte in New York Filmwissenschaft und Anglistik und war in der Frauenbewegung aktiv. Berühmt wurde sie mit dem Titel Rubinroter Dschungel und durch ihre Romane mit der Tigerkatze Sneaky Pie Brown als Koautorin. Weitere Informationen unter: www.ritamaebrown.com

Von Rita Mae Brown sind in unserem Hause bereits erschienen:

In dieser Krimiserie:

Schade, daß du nicht tot bist

Rache auf leisen Pfoten

Mord auf Rezept

Die Katze lässt das Mausen nicht

Maus im Aus

Die Katze im Sack

Da beißt die Maus keinen Faden ab

Die kluge Katze baut vor

Eine Maus kommt selten allein

Mit Speck fängt man Mäuse

Weitere Titel der Autorin in der Krimiserie mit Sister Jane:

Ausgefuchst

Auf heißer Fährte

Fette Beute

Mit der Meute jagen

Außerdem:

Alma Mater · Goldene Zeiten

Rubinroter Dschungel · Die Sandburg

Rita Mae Brown & Sneaky Pie Brown

Die Weihnachtskatze

Ein Fall für Mrs.Murphy

Roman

Aus dem Amerikanischen von Margarete Längsfeld

Besuchen Sie uns im Internet:

www.ullstein-taschenbuch.de

In diesem E-Book befinden sich Verlinkungen zu Webseiten Dritter. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass sich die Ullstein Buchverlage GmbH die Inhalte Dritter nicht zu eigen macht, für die Inhalte nicht verantwortlich ist und keine Haftung übernimmt.

ISBN 978-3-8437-0971-2

Ungekürzte Ausgabe im Ullstein Taschenbuch

1. Auflage November 2011

3. Auflage 2012

© für die deutsche Ausgabe Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2010/Ullstein Verlag

© 2008 by American Artists, Inc.

Innenillustrationen: © 2008 by Michael Gellatly

Titel der amerikanischen Originalausgabe: Santa Clawed (Bantam Books, New York, 2008)

Umschlaggestaltung: ZERO Werbeagentur, München unter Verwendung einer Vorlage von BÜRO JORGE SCHMIDT, München

Titelabbildung: © Jakob Werth, Teisendorf

Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzung wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.

eBook: CPI – Clausen & Bosse, Leck

Meine Eltern haben mir immer eingeschärft, nur mit den Besten zusammenzuarbeiten. Dies beherzigend, widme ich dieses Buch meiner Lektorin Danielle Perez.

Personen der Handlung

Mary Minor »Harry« Haristeen. Die ehemalige Posthalterin von Crozet versucht neuerdings, sich mit Farmarbeit über Wasser zu halten. Sie ist im August vierzig geworden, was ihr angeblich nichts ausmacht.

Doktor Pharamond »Fair« Haristeen, Veterinärmediziner. Harrys Ehemann ist Pferdearzt, und er bemüht sich, seine Frau aus Scherereien herauszuhalten – mit mäßigem Erfolg.

Susan Tucker, Harrys beste Freundin seit Kindertagen, staunt oft, wie Harrys Verstand funktioniert, sofern er funktioniert. Die zwei kennen sich so gut, dass die eine ohne weiteres die Sätze der anderen zu Ende sprechen könnte.

Mrs.Miranda Hogendobber. Miranda beobachtet viel, behält aber das meiste für sich. Sie ist Anfang siebzig, eine fromme Christin und bemuttert Harry, die mit etwa zwanzig Jahren ihre Mutter verlor.

Marilyn »Big Mim« Sanburne. Die Queen von Crozet sieht und weiß alles, beziehungsweise will unbedingt alles wissen. Sie verbessert unerbittlich jedermanns Los, ist aber alles in allem ein gutherziger Mensch.

Tante Tally Urquhart. Dieses wilde Weib, über neunzig Jahre alt, muss eine glühende Anhängerin des Gottes Pan sein, denn sie läuft zur Hochform auf, wenn die Hölle los ist. Sie ist Big Mims Tante und macht sich ein Vergnügen daraus, ihre prüde Nichte zu schockieren.

Deputy Cynthia Cooper. Harrys Nachbarin versucht wie Fair, Harry aus Scherereien herauszuhalten, wenn sie kann. Sie ist klug und liebt den Polizeidienst.

Sheriff Rick Shaw. Er ist Gesetzeshüter mit Leib und Seele, verständnisvoll, aber korrekt. Er hat genug von den politischen Aspekten seines Amtes, bekommt aber nie genug davon, Verbrecher ihrer gerechten Strafe zuzuführen. Er kann Harry gut leiden, aber sie kommt ihm gelegentlich in die Quere.

Olivia »BoomBoom« Craycroft. Sie ist mit Anfang dreißig Witwe geworden und hatte, schön wie sie ist, stets eine Schar Männer im Schlepptau. Einer von ihnen war Fair Haristeen. Er hatte eine Affäre mit ihr, als er von Harry getrennt lebte. Er und Harry wurden danach geschieden und haben später wieder geheiratet. BoomBoom kann zupacken, wenn es darauf ankommt.

Alicia Palmer. Sie war ein großer Filmstar, ist jetzt über fünfzig und heilfroh, wieder auf der Farm in Crozet zu sein. Sie ist überdies heilfroh, BoomBoom gefunden zu haben, denn sie ergänzen sich ideal.

Die wirklich wichtigen Figuren

Mrs.Murphy ist eine hübsche getigerte Katze mit Verstand, Tempo und einigermaßen gemäßigtem Temperament. Sie weiß, dass sie Harry, ihren Menschen, kaum vor Scherereien bewahren kann, aber sie kann sie manchmal herausholen, wenn sie in die Bredouille geraten ist.

Tee Tucker. Diese Corgidame, die ebenfalls an Harry hängt, ist sehr mutig und kriegt es hin, mit zwei Katzen zusammenzuleben. Das besagt eine Menge.

Pewter. Die graue Kanonenkugel, als die sie zu ihrem Missvergnügen bekannt ist, hegt eine Abneigung gegen Menschen. Aber sie liebt Harry und Fair. Sobald es jedoch die Möglichkeit gibt, einen weiten Weg oder Ärger zu vermeiden, ist sie die Erste, die diesen Pfad einschlägt.

Simon. Das Leben im Stall bei den vielen Pferden gefällt dem Opossum. Er mag auch Harry, soweit er imstande ist, Menschen zu mögen. Sie bringt ihm Leckerbissen.

Plattgesicht. Die große Ohreule, die mit Simon auf dem Heuboden wohnt, schaut auf erdgebundene Geschöpfe herab, im wörtlichen wie im übertragenen Sinn. In einer brenzligen Situation ist auf Plattgesicht jedoch Verlass.

Matilda ist eine große Kletternatter und die dritte Bewohnerin des Heubodens. Ihr Sinn für Komik grenzt an schwarzen Humor.

Owen. Tee Tuckers Bruder gehört Susan Tucker, die den Wurf gezüchtet hat. Er versteht nicht, wie seine Schwester die Katzen ertragen kann. In Katzengesellschaft weiß er sich zu benehmen, aber er hält Katzen für Snobs.

Da Mrs.Murphy, Tucker und Pewter auf einer Farm leben, kreuzen diverse Geschöpfe ihren Weg, von Bären über Füchse bis hin zu einem unausstehlichen Blauhäher. Sie lieben alle Pferde, was auf einige der anderen Geschöpfe nicht zutrifft, aber Pferde sind ja auch domestiziert. Pewter behauptet, nicht domestiziert zu sein, sondern lediglich in einem Haus mit regelmäßigen Mahlzeiten zu residieren.

1

Die schöne, aus Steinen gemauerte St.-Lukas-Kirche am Stadtrand von Crozet, Virginia, wirkte überwältigender denn je, was dem frisch gefallenen Schnee auf dem Kirchendach sowie auf den Dächern und Fensterbänken von Pfarrbüro und Pastorenwohnhaus am anderen Ende des verschneiten Hofes zu verdanken war. Rauch kam aus dem Schornstein über der großen Halle, die eine Seite des Hofes begrenzte, und auch über dem Pfarrbüro kringelte sich Rauch empor. Die Kirche war im Jahre 1803 erbaut worden, und jene frühen Lutheraner hatten offensichtlich jede Menge Kamine benötigt. Im Laufe der Jahrhunderte waren in den Gebäuden Strom gelegt, Belüftung und sanitäre Einrichtungen installiert worden. Diese modernen Anlagen steigerten eindeutig den Komfort in den Gebäuden, die schon Jahrhunderte überdauert hatten und in den folgenden Jahrhunderten zweifellos weitere Verbesserungen über sich ergehen lassen würden.

Während Harry Haristeen, gefolgt von ihren zwei Katzen und der Corgihündin, über den großen Hof ging, fragte sie sich, ob die Menschen heutzutage ebenso stabil bauen konnten wie einst unsere Vorfahren. Ihr kam es so vor, als würde der Verfall von vornherein einkalkuliert. Sie war froh, dass sie in einem alten Farmhaus wohnte, das ungefähr zur gleichen Zeit entstanden war wie die Kirche.

Auf dem Weg zur Arbeitsgruppe blieb sie kurz stehen, um einen Schneeball zu formen und in die Luft zu werfen. Tucker, die Corgidame, sprang hoch, um ihn zu fangen. Der Schneeball war so kalt an ihren Zähnen, dass sie ihn fallen ließ.

»Dumm gelaufen!« Pewter, die pummelige graue Katze, lachte.

»Ich hab gewusst, wie kalt das ist, aber wenn sie einen Ball wirft, muss ich ihn fangen. Das ist mein Job«, verteidigte Tucker sich.

Harry beschloss, die letzten zweihundert Meter zu sprinten, um warm zu werden.

Mrs.Murphy, die Tigerkatze, stürmte an ihr vorbei. Der freigeschaufelte Weg war schon wieder mit ein paar Zentimetern frischem Schnee bedeckt, aber begehbar.

Pewter, die sich höchst ungern im Freien aufhielt, konnte Harry nicht umrunden, darum sprang sie auf den Schnee, wo sie prompt einsank.

Tucker trottete den Weg entlang und äffte sie nach: »Dumm gelaufen.«

Ein Schneedreieck, das auf ihrem Kopf saß wie ein Reishut, vermochte Pewters Mütchen nicht zu kühlen. Sie schüttelte den Hut aus Schnee ab, hievte sich mühsam auf den Gehweg. Dann lief sie direkt zu Tucker und verpasste dem Hinterteil der Hündin einen gewaltigen Klaps.

Tucker knurrte und machte Anstalten, sich umzudrehen.

Harry befahl über die Schulter: »Schluss jetzt, ihr zwei.«

»Hast du ein Glück, dass sie deinen dicken Hintern gerettet hat.« Pewter legte die Ohren an, um besonders böse auszusehen.

»Oha.« Tucker schenkte der Katze jetzt keine Beachtung mehr, was für Pewter, die sich einbildete, dass die Welt sich um sie drehte, viel schlimmer war als eine körperliche Niederlage durch einen Hieb.

Beim Betreten der großen Halle atmete Harry den Duft von Eichenholz ein, das in den zwei Kaminen – je einer an jedem Ende – brannte. Der Geruch eines gepflegten Feuers steigerte den Reiz des Winters. Harry liebte alle Jahreszeiten. Die Klarheit des Winters sagte ihr zu. Sie genoss es, auf das kahle Land zu blicken, im Haus einer Freundin auf einen Kakao hereinzuschneien oder jemandem einen anzubieten. Da sie hier geboren und aufgewachsen war, konnte sie auf enge Freundschaften zählen. In Großstädten mochten die Menschen sich entfremdet fühlen, aber Harry konnte sich dieses Gefühl nicht vorstellen. Verbunden mit dem Land, den Menschen und Tieren, die es bewohnten, wusste sie, dass sie vom Glück begünstigt war.

»Sieh einer an, lauter schwer arbeitende Frauen«, rief sie aus, während sie sich von Mantel, Mütze, Handschuhen und Schal befreite.

Alicia Palmer und BoomBoom Craycroft, jede für sich eine große Schönheit, rückten einen langen Tisch vor den Kamin auf der Ostseite. Die Heizkosten für den großen Raum waren so immens, dass der Thermostat auf elf Grad gehalten wurde. Da waren die Kamine sehr nützlich. Wer am Kamin saß, bekam keine steifen Finger, und ihre Finger brauchten die Damen heute.

Alicia, ein ehemaliger Filmstar, jetzt über fünfzig, war für die Dekorationen für die in einer guten Woche stattfindende Weihnachtsfeier zuständig. Jedes Jahr zu Weihnachten veranstaltete die St.-Lukas-Pfarrei eine große Feier, die Pfarrkinder und Nachbarn in entspannter Atmosphäre zusammenbrachte. Reverend Herb Jones, der Pastor, ließ sich ständig etwas Neues einfallen, um die Gemeinde zu festigen.

Susan Tucker, Harrys beste Freundin seit Kindertagen und Züchterin von Tucker, legte Weinranken auf den Tisch.

Racquel Deeds und Jean Keelo, zwei ehemalige Mitglieder einer Studentinnenverbindung an der Miami Universität in Ohio, legten herrliche getrocknete Blüten mitsamt den großen, glänzenden dunkelgrünen Blättern der immergrünen Magnolie dazu.

BoomBoom hatte Lorbeerblätter und Goldperlenschnüre mitgebracht.

Harry trug getrocknete rote Rosen und Ketten aus Cranberrys herein.

Als die Frauen sich am Tisch niedergelassen hatten, um Kränze zu binden, boten Katzen und Hund ihre Hilfe an.

Mrs.Murphy spielte auf dem Tisch mit den Goldperlen. »Sind das nicht dieselben Perlen, mit denen die Männer die Frauen am Fastnachtsdienstag bewerfen, wenn die Frauen ihre Prachtstücke entblößen?«

»Bei diesem Wetter lassen sie bestimmt nichts blitzen.« Tucker lachte auf dem Fußboden.

Pewter schob eine hübsche rote Rosenknospe umher. »Ich werde nie begreifen, warum die Menschen jedes Mal Zustände kriegen, wenn eine Frau ihre Brüste zeigt oder ein Mann seine Gerätschaften. Ich meine, so was haben doch alle.«

»Erstes Buch Mose. Erinnerst du dich, wie der Engel ins Paradies kommt, nachdem Adam den Apfel gegessen hat, und Adam und Eva erkennen, dass sie nackt sind?« Mrs.Murphy las über Harrys Schulter mit, aber Harry ahnte nicht, dass die Katze den Inhalt erfassen konnte.

»Ha. Adam hat Schmiergelder von der Bekleidungsindustrie genommen.« Pewter wischte mit dem Schwanz Rosenknospen vom Tisch auf den Fußboden.

»Wenn du dich nicht benimmst, Fräuleinchen, musst du auf den Boden«, schalt Harry Pewter.

»Wenn du mir Leckerbissen gibst, bin ich ein Engel.«

»Lügnerin, Lügnerin, hast die Bux im Feuer drin«, trällerte Mrs.Murphy frech.

Blitzschnell ging Pewter auf die Tigerkatze los, so dass sich die Goldperlenschnüre zwischen ihnen verhedderten. Die zwei boxten sich. Harry stand auf und trennte die Katzen, um die Perlen zu retten.

Runter vom Tisch, jagten die zwei sich durch den Raum.

»Hat jemand Valium für Katzen mitgebracht?«, fragte BoomBoom.

»Erinnere mich nächstes Mal dran, dass ich meinen Vorrat aufstocke«, erwiderte Harry.

Racquel und Jean hatten Männer geheiratet, die enge Freunde waren, und beide Paare waren nach Crozet gezogen, als Bryson Deeds eine Stelle in der Kardiologie-Abteilung am Krankenhaus der Universität von Virginia annahm. Er hatte sich zu einem der führenden Kardiologen des Landes gemausert. Bill Keelo, sein bester Freund, hatte sich auf Steuerrecht spezialisiert. Auch er war überaus erfolgreich. Beide Männer verdienten sehr gut, und ihren Ehefrauen war anzusehen, dass sie bestens umsorgt wurden. Racquel war besessen von ihrem Äußeren und legte großen Wert darauf, jung auszusehen.

Wiewohl diese zwei Frauen äußerst attraktiv waren, konnten sie Alicia oder BoomBoom nicht das Wasser reichen. Komischerweise machte keine von diesen zwei großen Schönheiten viel Aufhebens um sich, was sie nur umso anziehender wirken ließ.

Harry, die gut, aber nicht umwerfend aussah, lebte in Jeans. Da sie Farmarbeit nachging, war das in Ordnung, doch hin und wieder verbündeten sich Alicia, BoomBoom und Susan gegen sie und schleppten sie in Geschäfte, um Kleider auszusuchen. Sie mussten sich zu dritt zusammentun, um Harry dazu zu bewegen.

Racquel und Jean waren zwar nicht mit den anderen aufgewachsen, lebten aber schon zwanzig Jahre in Crozet und hatten sich gut angepasst.

»Seht mal, der ist richtig hübsch.« Susan hielt einen Kranz aus Magnolienblättern hoch, in den Magnolienblüten, rote Rosenknospen und Goldperlen geflochten waren.

»Der hier ist auch sehr schön. Ein bisschen schlichter vielleicht.« Harry hielt einen mit Cranberrys gebundenen Lorbeerkranz hoch, den große blassgrüne Schleifen und goldene Sternchen zierten.

»Dieser Duft. Der ist das Besondere an Lorbeerkränzen.« Jean liebte den Geruch.

»Was machen wir mit den Weinranken?« Susan war dabei, ein paar von ihnen zu Kränzen zu binden. Sie hatte sie vorher in Wasser getaucht, damit sie biegsam wurden.

»Ich hab mir gedacht, wir könnten unten eine dicke Schleife befestigen und sie mit den geschnitzten Holzfiguren aus der Plastikkiste schmücken.« Alicia zeigte auf die Kiste.

Susan fragte: »Soll ich das jetzt machen?«

Alicia erwiderte. »Nein, lasst uns zuerst die Kränze für die Außentüren machen. Danach dürften wir die zwei Riesenkränze für hier drin hinkriegen.«

»Wie riesig?«, wollte Harry wissen.

»Ein Meter im Durchmesser«, antwortete Alicia.

»Das ist allerdings riesig.« Harry war erstaunt.

»Wir werden einen zu zweit binden müssen und ihn dann gemeinsam über dem Kamin aufhängen, aber es wird sensationell aussehen.« Davon war Alicia überzeugt.

Eine Außentür ging auf. Die drei lutherischen Katzen Cazenovia, Eloquenz und Lucy Fur stürmten herein, gefolgt von Herb Jones, der keinen Mantel trug.

»Rev, Sie holen sich den Tod.« Harry nannte ihn Rev.

»Ach, ich bin nur schnell vom Büro rübergelaufen.« Er schaute auf die paar fertigen Kränze und den Haufen Material auf dem Tisch, während die Katzen, nun fünf an der Zahl, durch die große Halle tobten. »Die sind aber hübsch.«

»Ich wollte eigentlich Walnüsse daran befestigen, aber ich glaub, die würden sich da nicht lange halten.« BoomBoom zeigte auf die Weinrankenkränze. »Alicia hatte andere Ideen. Sie ist die Chefin.«

»Mädels, ich bin Ihnen dankbar, dass Sie das machen.« Herb lächelte ihnen zu. »Brauchen Sie etwas? Etwas zu essen? Zu trinken?«

»Hab ich mitgebracht«, antwortete Jean. »Gucken Sie mal in eine von den Kühlboxen. Es wird Sie freuen.«

Da Herb bei Essen selten widerstehen konnte, hob er die Deckel von den beiden Boxen. »Sind das etwa Ihre sagenhaften Truthahnsandwiches mit Cranberrys?«

»Genau«, erwiderte Jean.

Herb nahm sich eins sowie eine Coca-Cola. »Ich esse schnell und bin gleich wieder weg. Oder nein, ich esse im Büro. Ach übrigens, Racquel, wie geht es Tante Phillipa?«

»Gott sei gedankt für das Hospiz der Brüder in Liebe. Sie ist klar im Kopf, aber ich glaube nicht, dass sie bis zum Frühjahr durchhält. So ein Emphysem nimmt einen arg mit.« Racquel sah ihn an.

Jean ergänzte: »Die Brüder sind großartig. Abgesehen von ihrer Arbeit mit Sterbenden ist es spannend, die Vorgeschichte von jedem Mönch kennenzulernen. Die sind alle dort, um ein Unrecht zu sühnen.«

Racquel sagte: »Sie sühnen doppelt. Manche waren im Gefängnis.«

»Glaubt ihr wirklich, dass ein Leopard seine Flecken ändern kann?«, fragte Harry, die ewige Zweiflerin.

Herb erwiderte mit tiefer Stimme: »Die einen können es, die anderen nicht. Ich bezweifle, dass es leicht ist, und wie ich mich erinnere, sind die meisten von ihnen einst durch Habgier oder Lüsternheit verdorben worden.«

»Weiber und Gesang haben sie auf Abwege gebracht«, vermutete Susan leichthin.

Als Herb sich zum Gehen wandte, bemerkte er, dass die Katzen es weiterhin wüst trieben. »Jean, falls Sie ein Truthahnsandwich übrig haben, das könnte die Racker zur Vernunft bringen.«

»Hab genügend mitgebracht. Möchten Sie noch eins?«

»Nein, eins reicht mir«, antwortete er und sauste über den Hof zurück.

Alicia stand auf und warf weitere Holzscheite ins Feuer, der Kamin war dem großen Raum entsprechend sehr groß. »Harry, ich möchte gerne glauben, dass Menschen sich ändern können.«

»Ich auch, aber mir scheint, dass manche Verdorbenheiten leichter überwunden werden als andere.« Harry wählte eine dunkelrote Rosenknospe aus.

»Sex. Der ist schwerer in den Griff zu bekommen als Habgier. Oder sollte ich Lüsternheit sagen?«, fragte Racquel.

»Wirklich? Ich meine, Geld übertrumpft alles in unserer Kultur«, entgegnete Susan.

»Finde ich nicht.« Racquel brachte ihren Einwand im besten Sinn des Wortes vor. »Lüsternheit ist irrational. Geldgier ist rational.«

»Aber sind nicht alle sieben Todsünden irrational? Ich meine, wenn Besessenheit mit ins Spiel kommt.«

»Okay. Woran merkt man, dass Besessenheit mit dabei ist?« Harry sprach lieber über Ideen als über Leute.

»Vielleicht ist es bei jedem Menschen anders«, mutmaßte Jean.

BoomBoom, deren Mann früh gestorben war, hatte sich auf eine Reihe von Affären mit Männern eingelassen, darunter mit dem Tierarzt Fair Harrison, Harrys Ehemann. Fair und Harry lebten damals getrennt, und anschließend ließ sie sich von ihm scheiden. Als er seinen Fehler eingesehen hatte, arbeitete er an sich, umwarb sie jahrelang und eroberte sie schließlich zurück. Nichts geschieht in einem Vakuum. Harry musste erkennen, dass sie nicht unschuldig war an seinen Abwegen. Sie hatte sich auf jedwede Aufgabe konzentriert, die sich ihr stellte, und hätte sich etwas mehr auf ihn konzentrieren können. Sie hatte dazugelernt.

»Wäre es nicht ein Zeichen, wenn jemand weiß, er sollte kürzertreten, aber stattdessen noch einen zulegt?« Hiermit fügte die Corgidame diesem Thema noch ihren hündischen Senf hinzu.

Genau in diesem Augenblick sprangen die Katzen, Mrs.Murphy voran, auf den Tisch und rannten von einem Ende zum anderen. Weinranken flogen auf den Boden, Rosenknospen rutschten vom Tisch. BoomBoom brachte rasch die Magnolienblüten in Sicherheit, weil die empfindlicher waren. Perlen klapperten.

»Tut mir leid. Ich hätte die Monster nicht mitbringen sollen«, entschuldigte Harry sich.

»Och, die Katzen vom Rev wären bestimmt gerne eingesprungen.« BoomBoom, die Tiere liebte, lachte.

Was war schon ein bisschen Aufräumen gegen die Wonne zu sehen, wie Tiere sich des Lebens freuten?

»Wären wir nicht. Wir sind christliche Katzen«, protestierte Lucy Fur und sprang wohlweislich vom Tisch.

»Ha.« Pewter sprang hinterher. »Lucy Fur, am christlichsten bist du beim Essen.«

»Das musst ausgerechnet du sagen, Fettsack.« Cazenovia, die langhaarige gescheckte Katze, jagte jetzt Pewter nach.

»Darf ich?« Harry stand auf und öffnete die Kühlbox.

»Unter diesen Umständen halte ich es für unumgänglich.« Jean lächelte.

Sobald das geteilte Sandwich, ein Papiertuch untergelegt, auf dem Fußboden lag, beruhigten die Katzen sich. Für Tucker gab es ebenfalls ein halbes Sandwich. Alle bekamen Wasser vorgesetzt.

Die große Halle wartete mit einer Küche auf, die einem Edelrestaurant alle Ehre gemacht hätte; es gab fließendes Wasser, einen luxuriösen Kühlschrank, einen großen Herd und andere Utensilien, die einen Küchenchef erfreut hätten.

Harry ließ sich wieder an den Tisch sinken.

»Die Sandwiches riechen aber gut.« Susans Bemerkung ermunterte die Damen, eine Essenspause einzulegen.

»Du hast vorhin gesagt, deine Tante Phillipa ist klar im Kopf. Wie erträgt sie ihr Leiden?«, erkundigte Alicia sich bei Racquel.

»Mit Fassung. Sie ist sechsundachtzig. Sie ist bereit zu gehen. Das Ringen um Atem nimmt einem die Lust auf alles, woran man sonst Freude hätte. Aber ich staune über sie. Auch über die Brüder. Ich hatte zuerst gedacht, es würde mir gegen den Strich gehen, dass sie immer in der Nähe sind, aber sie waren toll. Na ja, Christopher Hewitt ist nicht so toll. Bruder Morris«, sie sprach vom Prior, »sagt, er muss jetzt mal Hospizarbeit leisten. Die meiste Zeit kümmert Christopher sich um die Christbaumschule. Er versteht was vom Geldverdienen. Bryson ist noch öfter bei Tante Phillipa als ich, sie bekommt also viel Zuwendung. Er hat auch zwei ältere Patienten dort.«

BoomBoom, die ebenso wie Harry, Fair und Susan mit Christopher auf die Highschool gegangen war, sagte: »Ich habe Christopher nicht mehr gesehen, seit er in die Bruderschaft eingetreten ist. Allerdings waren wir auch vorher nicht dicke befreundet.«

»Ich habe gehört, er ist zu den Brüdern gegangen, nachdem er in Arizona aus dem Gefängnis entlassen wurde. Geld hatte ihn in die Irre geführt. Ich gehe nachher zur Christbaumschule, vielleicht ist er ja dort.« Harry freute sich schon darauf, einen Baum auszusuchen.

Susan sagte zu Alicia, Racquel und Jean, die nicht die Highschool von Crozet besucht hatten: »Christopher war eine Klasse unter Harry und mir. Ein hübscher Kerl. Und er wurde immer zum Kassenwart gewählt, egal, in welcher Gruppe er war.«

»Gutes Training.« BoomBoom lachte.

»Das bringt mich auf meine Frage zurück«, sagte Harry. »Kann ein Leopard seine Flecken ändern? Ich kenne nicht alle Einzelheiten, aber Christopher war Börsenmakler, hatte mit Insiderhandel zu tun und hat Millionen von Klientengeldern veruntreut. Da frag ich mich halt.«

»Also, ich hab meine Flecken geändert.« BoomBoom lachte wieder, diesmal über sich selbst.

»Och, so schlimm warst du nicht.« Susan mochte ihre Schulkameradin, aber natürlich hatte sie während der Affäre zu Harry gehalten.

»Schlimm genug.« Harry lachte auch. »Aber ist es nicht komisch, wie sich alles wendet? Wir drei sind uns nähergekommen.«

BoomBoom wurde ernst. »Die Wahrheit ist, ich wusste nicht, was Liebe ist, bis ich Alicia begegnet bin. Ich lief im Leerlauf und lief von einem Mann zum anderen.«

»Du Süße«, sagte Alicia.

Racquel, die nie mit etwas hinterm Berg hielt, fragte: »Meinst du, du warst schon immer lesbisch?«

»Nein. Nicht eine Sekunde. Ich weiß nicht mal, ob ich’s jetzt bin, aber ich liebe Alicia. Wenn mich das lesbisch macht, dann bin ich’s mit Freuden. Aber, Racquel, ich habe nie auf diese Weise an eine andere Frau gedacht.« Sie wandte sich an Jean. »Da fällt mir ein, es wundert mich, dass Bill dir erlaubt, mit Alicia und mir zusammenzuarbeiten.«

Jean verdrehte die Augen. »Er wird immer schlimmer. Über zwei Frauen denkt er nicht so schlecht wie über zwei Männer, aber er ist richtig bigott geworden. Was ihn sonst noch aufregt, ist illegale Einwanderung.« Sie blickte in die Runde. »Der Mann, den ich geheiratet habe, wusste, was er wollte, war dabei aber witzig. Ich weiß nicht – seit er vierzig geworden ist, meckert er bloß noch rum. Wohlgemerkt, er ist lieb zu mir. Doch er verachtet alles und jedes, was mit Schwulen zusammenhängt. Ich weiß einfach nicht, was ich dagegen machen soll; es gibt ja auch Schwule in unseren Schulungsgruppen. Denen geht er aus dem Weg.«

»Da kannst du gar nichts machen.« Racquel zuckte die Achseln, dann warf sie Harry eine Rosenknospe zu. »Der Leopard und seine Flecken. Ich mache mir Sorgen um Bryson. Er sagt, er hat sich geändert, aber ich weiß nicht. In den letzten paar Monaten habe ich das Gefühl, dass er rückfällig wird. Ich habe mir die neuen Schwestern genau angeguckt. Keine ist sein Typ.«

»Racquel, es gab nicht die Spur von Klatsch, und du weißt, das Krankenhaus ist eine Brutstätte für Tratsch. Wenn er mit einer Schwester schlafen würde, dann wüssten wir’s.« Jean wollte, dass Racquel glücklich war.

»Ich hätte es gehört.« Susan hörte eine Menge, zumal ihr Mann – ein Rechtsanwalt – als Abgeordneter in der Legislative von Virginia saß und im Krankenhausvorstand war.

»Ich weiß nicht.« Racquel wirkte für einen Moment bedrückt. »Ich schwöre euch, wenn er fremdgeht und ich ihn erwische, singt der Kerl im Chor Sopran.«

Alle Frauen lachten darüber; eine jede kannte, und sei es noch so flüchtig, diesen Rachegedanken.

Pewter und die anderen hatten zugehört. »Ich ändere meine Flecken nicht.«

»Du hast gar keine Flecken.« Tucker lachte über sie.

»Du weißt genau, was ich meine.« Pewter starrte den Hund böse an.

»Dass du denkst, du bist vollkommen«, sagte Tucker.

»Freut mich, dass du das erkannt hast.« Pewter strahlte, und die anderen Katzen lachten.

2

Eine Kette aus roten und grünen Glühlampen leuchtete um den quadratischen Platz mit den Reihen frisch geschlagener Christbäume. Die Brüder in Liebe gingen sehr sparsam mit ihren Finanzen um. Es war unnötig, Geld für eine Festbeleuchtung oder gar eine Krippe zu verschwenden. Die Christbaumschule verschaffte den Brüdern ihr halbes Jahreseinkommen.

Die Reihen mit Waldkiefern wogten, ihre Wurzelballen steckten in großen Töpfen. Andere Bäume, noch in der Erde, würden ausgegraben werden, wenn der Käufer einen ausgesucht hatte. Ein Gabelstapler hob die frisch ausgegrabenen Bäume auf offene Ladeflächen. Einen eingetopften Baum in einen Transporter zu schieben, erwies sich als schwieriger, weil die Wurzelballen recht schwer waren, doch nach zehn Jahren Praxis hatten die Brüder den Bogen raus.

Die Leute kamen in Scharen zu der Baumschule, weil die Bäume gleichmäßig gewachsen und die Preise reell waren. Überdies verließ man das Gelände mit dem befriedigenden Gefühl, Gutes getan zu haben, weil der Erlös dem Unterhalt des Hospizes diente. In den frühen 1980er Jahren, als sogar manche Angestellte von Arztpraxen und Krankenhäusern Aids patienten nicht anfassen wollten, weil die Übertragungs wege der Krankheit noch nicht geklärt waren, hatten sich die Brüder zusammengetan, um die Kranken zu pflegen und die Sterbenden zu trösten. Ihre Hingabe an alle Patienten, einerlei, welche Krankheit sie hatten, trug ihnen Achtung und Unterstützung ein. Die Ordensbrüder trugen Mönchskutten, die mit einem schwarzen Strick gegürtet waren. Solch äußere Zurschaustellung ihrer Gelübde in diesen profanen Zeiten stieß einige Leute ab. Andere eilten zu ihnen, begierig, ihre Sünden zu bekennen. Die Gründung des Hospizes war vielleicht auch dem Wunsch der Brüder entsprungen, sich vor dieser Monotonie zu retten. Jeder Bruder erkannte mit der Zeit, dass es so etwas wie eine Erbsünde nicht gibt.

Harry Haristeen ging zwischen den Bäumen außerhalb des Vierecks entlang. Mrs. Murphy und Pewter begleiteten sie. Behende stiegen sie über Girlanden und Kränze, die zur Seite gelegt und an denen VERKAUFT-Schilder hingen.

Alex Corbett, der Chef der Immobilienfirma Corbett Realty, trat aus einer Baumgasse hinter dem kleinen Hauptplatz.

»Schon einen Baum gefunden, Harry?«

»Noch nicht. Du?«

»Einen großen. Ich brauche ein imposantes Exemplar für die jährliche Betriebsfeier.«

»Am selben Abend wie die Feier von St. Lukas. Schlechtes Timing.« Sie lächelte.

»Ach Harry, die Leute feiern Tag und Nacht durch. Die Hälfte der Leute von St. Lukas kommt anschließend zum Keswick Club. Ich zähle darauf, dass du und Fair an der Feier teilnehmt.«

»Alex, wir würden ja gerne, aber ich muss aufräumen helfen.«

Sein rotblonder Schnurrbart zuckte aufwärts. »Schön, dann sehen wir uns in Spring Fling.« Er winkte zum Abschied, ging zu seinem neuen Range Rover und fuhr los.