Virus im Netz - Rita Mae Brown - E-Book

Virus im Netz E-Book

Rita Mae Brown

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Beschreibung

Ash Lawn, Landsitz des Präsidenten James Monroe: Bei sengender Sommerhitze rast ein Hell's Angel auf einer Harley-Davidson über die Landstraße. Wenig später liegt er erschossen im Gebüsch. Zur gleichen Zeit legt ein Computervirus die Stadt lahm und Bankdirektor Hogan Freely wird vor seinem Bildschirm ermordet. Tigerkatze Mrs. Murphy bringt Mary Minor »Harry« Haristeen schließlich auf die richtige Fährte – und verhilft der sympathisch-neugierigen Postbeamtin zu einem weiteren Ermittlungserfolg.   Alle Fälle der Mrs.-Murphy-Erfolgsserie gibt es jetzt als E-Books bei Ullstein!

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Die Autoren

Rita Mae Brown, geboren in Hanover, Pennsylvania, wuchs in Florida auf. Sie studierte in New York Filmwissenschaft und Anglistik und war in der Frauenbewegung aktiv. Berühmt wurde sie mit dem Titel Rubinroter Dschungel und durch ihre Romane mit der Tigerkatze Sneaky Pie Brown als Co-Autorin.

Sneaky Pie Brown ist Co-Autorin von Rita Mae Brown. Beide leben in Crozet, Virginia.

Das Buch

Ash Lawn, Landsitz des Präsidenten James Monroe: Bei sengender Sommerhitze rast ein Hell’s Angel auf einer Harley-Davidson über die Landstraße. Wenig später liegt er erschossen im Gebüsch. Zur gleichen Zeit legt ein Computervirus die Stadt lahm und Bankdirektor Hogan Freely wird vor seinem Bildschirm ermordet. Tigerkatze Mrs. Murphy bringt Mary Minor »Harry« Haristeen schließlich auf die richtige Fährte – und verhilft der sympathisch-neugierigen Postbeamtin zu einem weiteren Ermittlungserfolg.

 

Alle Fälle der Mrs.-Murphy-Erfolgsserie gibt es jetzt als E-Books bei Ullstein!

Rita Mae Brown & Sneaky Pie Brown

Virus im Netz

Ein Fall für Mrs. Murphy

Roman

Aus dem Amerikanischen von Margarete Längsfeld

Ullstein

Die Originalausgabe erschien 1995 unter dem Titel Pay Dirt, Or, Adventures at Ash Lawn bei Bantam Books, New York.

Wir wählen unsere Bücher sorgfältig aus, lektorieren sie gründlich mit Autoren und Übersetzern und produzieren sie in bester Qualität.

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ISBN 978-3-8437-1585-0

© 1995 by American Artists, Inc.Illustrationen © 1995 by Wendy Wray© für die deutsche Erstausgabe: Alle Rechte an der deutschen Übersetzung von Margarete Längsfeld© 1997 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg© für die deutsche Ausgabe: 2018 by Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin Umschlaggestaltung: zero-media.net, MünchenUmschlagabbildung: FinePic®, MünchenAutorenfoto: © Jerry BauerE-Book-Konvertierung powered by pepyrus.comAlle Rechte vorbehalten.

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Inhalt

Die Autoren / Das Buch

Titelseite

Impressum

Personen der Handlung

Vorbemerkung der Autorin

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Hinweis der Verfasserin

Social Media

Vorablesen.de

Cover

Titelseite

Inhalt

Personen der Handlung

Joan Hamilton und Larry Hodgesowie all meinen Pferdefreundenauf der Kalarama Farm gewidmet

Vorbemerkung der Autorin

Während ich in den historischen Heiligtümern von Virginia für meine Krimis recherchierte, habe ich zwar eine Menge über die Geschichte der Menschheit, aber nichts über unsere eigene Geschichte erfahren.

Eine Sachbuchautorin unter Euch Miezekatzen, die dies liest, sollte die Geschichte der Säugetiere Amerikas schreiben. Alle Lebensformen sind wichtig, aber es ist schwer, von Fischen zu schwärmen, nicht wahr – es sei denn, man frißt gerade einen.

Richtet Euer Augenmerk auf die Tatsache, daß die Menschen sich Regierungen schaffen mußten, weil sie nicht miteinander auskommen. Katzen brauchen kein Parlament. Es gibt im Leben genug Gefahren, da muß man sich nicht auch noch eine Versammlung von bezahlten Schaumschlägern anhören. Von Zeit zu Zeit könnt Ihr Eure Menschen daran erinnern, daß sie nicht die Krone der Schöpfung sind, für die sie sich halten.

Ciao-MiauSNEAKY PIE

Kapitel 1

»Gemütlich« war das meistbenutzte Wort, um die Kleinstadt Crozet zu beschreiben, nicht »malerisch«, »historisch« oder »hübsch«. In Mittelvirginia im allgemeinen und Albemarle County im besonderen gab es jede Menge malerische, historische und hübsche Ortschaften, aber Crozet gehörte nicht dazu. Eine behagliche Geschäftigkeit herrschte in der Gemeinde. Viele Familien lebten dort schon seit Generationen, andere waren Neuankömmlinge, herbeigelockt von der betörenden Anziehungskraft der Blue Ridge Mountains. Ob alt oder neu, reich oder arm, schwarz oder weiß, die Bewohner der Stadt nickten und winkten einander aus dem Auto zu, riefen und winkten von der anderen Straßenseite, und wer zu Fuß unterwegs war, konnte sich darauf verlassen, daß jemand ihn im Wagen mitnahm. Heckenzäune boten den idealen Rahmen für fruchtbaren Klatsch, während die Leute von der Gartenarbeit ausruhten. Wer was mit wem machte, wer was zu wem sagte, wer wem Geld schuldete und, Glanzpunkt allen Tratsches, wer mit wem schlief. Das Gerede verstummte nie. Selbst im tiefsten Schnee griffen die Bewohner von Crozet zum Telefon, um das Neueste loszuwerden. Handelte es sich um etwas wirklich Pikantes, zog man sich warm an und eilte durch den Schnee zu einer heißen Tasse Kaffee, dem Begleiter aller anzüglichen Gespräche unter Freunden.

Das Stadtzentrum bestand aus dem Postamt, den drei Hauptkirchen – lutherisch, baptistisch und episkopalisch – nebst einem kleinen Ableger, der Kirche zum Heiligen Licht; den Schulen – vom Kindergarten bis zur zwölften Klasse –, Market Shifletts kleinem Lebensmittelgeschäft und einer Pizzeria mit Namen Crozet Pizza. Da man nur in jeweils einer Kirche betete, blieben die Vorgänge in den anderen drei Kirchen womöglich ein Geheimnis. Der kleine Laden bot reichlich Gelegenheit, sich auf dem laufenden zu halten, nur mußte man natürlich auch etwas kaufen. Außerdem mußte man aufpassen, daß Pewter, Markets dicke graue Katze, einem nicht das Essen klaute, bevor man dazu kam, es zu verzehren. Die Schulen waren ebenfalls eine gute Informationsquelle, doch wer kinderlos war oder seine Lieblinge endlich auf dem College hatte, war von der Versorgung abgeschnitten. Somit fiel dem Postamt die zweifelhafte Ehre zu, als Haupttreffpunkt zu dienen, als Klatschzentrale.

Die Posthalterin – diese Bezeichnung war ihr lieber als der offizielle Titel Postvorsteherin – Mary Minor Haristeen frönte selten dem, was sie unter Klatsch verstand, das heißt, wenn eine Geschichte für sie nicht stichhaltig war, erzählte sie sie nicht weiter. Ansonsten verbreitete sie Neuigkeiten ausgesprochen gern. Ihre inoffizielle Assistentin, Mrs. Miranda Hogendobber, die Witwe des ehemaligen Postvorstehers, genoß die »Neuigkeiten«, aber bei Rufmord hörte für sie der Spaß auf. Wenn die Leute anfingen, andere in den Dreck zu ziehen, ermahnte Mrs. Hogendobber sie zur Mäßigung oder brachte sie kurzerhand zum Schweigen.

Harry, wie Mary Minor liebevoll genannt wurde, meisterte ihre Aufgaben mit Bravour. Noch ziemlich jung für diesen Posten, profitierte sie von Mirandas Erfahrung. Aber Harrys hilfreichste Assistentinnen waren Mrs. Murphy, ihre getigerte Katze, und Tee Tucker, ihre Welsh-Corgi-Hündin. Sie schwelgten in Klatsch. Nicht nur das Treiben der Menschen hielt sie in Bann, sondern auch die Macken der Tiergemeinschaft, von denen jeder Hund berichtete, der sein Herrchen ins Postamt begleitete. Was den Hunden entging, fand Pewter nebenan heraus. Wenn sie etwas zu erzählen hatte, rannte die rundliche graue Katze zum Hintereingang des Postamts, um es auszuplaudern. In den vergangenen Jahren hatten die Katzen so oft an der Tür gekratzt und solch einen Radau veranstaltet, daß Harry schließlich ein Katzentürchen eingebaut hatte, damit die Freundinnen nach Belieben kommen und gehen konnten. Harry hatte eine Abdeckplatte konstruiert, mit der sie die Tierpforte abschließen konnte, weil das Postamt jede Nacht vorschriftsmäßig verriegelt werden mußte.

Nicht, daß es im Postamt von Crozet viel zu stehlen gab – Briefmarken, ein paar Dollar. Aber Harry befolgte die Vorschriften gewissenhaft, da sie Staatsbeamtin war, eine Tatsache, die sie unendlich amüsierte. Sie hatte für die Bundesregierung nicht viel übrig und konnte die Staatsregierung kaum ertragen, die sie als Eldorado der Kleingeister betrachtete. Aber immerhin wurde sie von dem aufgeblähten Regierungsapparat am Nordufer des Potomac bezahlt, also bemühte sie sich, ihre Meinung für sich zu behalten.

Miranda Hogendobber dagegen erinnerte sich noch lebhaft an Franklin Delano Roosevelt, weshalb sie eine viel positivere Einstellung zur Regierung hatte als Harry. Daß Miranda sich an FDR erinnerte, bedeutete aber noch lange nicht, daß sie ihr Alter preisgab.

An diesem Julitag waren die Mimosen von den rosa-goldenen Heiligenscheinen ihrer zarten Blüten umkränzt. Myrten und Hortensien übersäten die Stadt, hier mit purpur- und magentaroten, dort mit weißen Sprenkeln. Weil sonst nicht viel blühte in diesen schwülen Hundstagen, die am dritten Juli begannen und am fünfzehnten August endeten, war man dankbar für diese Farben.

Bislang waren in diesem Monat keine fünf Zentimeter Regen gefallen. Die Schneeballsträucher ließen die Köpfe hängen. Selbst der widerstandsfähige Hartriegel fing an, sich einzurollen, und Mrs. Hogendobber sprengte ihre Pflanzen frühmorgens und spätabends, damit nicht zuviel Feuchtigkeit durch Verdunstung verlorenging. Ihr Garten, um den sie die ganze Stadt beneidete, zeugte von ihrer wachsamen Fürsorge.

Als die Post sortiert war, gönnten sich die beiden Frauen ihre morgendliche Teepause. Genauer gesagt, Tee für Harry, Kaffee für Miranda. Mrs. Murphy saß auf der Zeitung. Tukker schlief im hinteren Bereich des Postamts unter dem Tisch.

»Ist heute Honigtag oder Zuckertag, Mrs. H.?« fragte Harry, als das Wasser kochte.

»Honigtag.« Miranda lächelte. »Mir ist nach Natursüße.« Harry verdrehte die Augen und ließ einen dicken Klacks Honig von dem Spiralstab tropfen, der in dem Honigtopf aus brauner Keramik steckte. Dann nahm sie den Teebeutel aus ihrem Becher, wickelte den Faden um den Löffel, um die letzten Tropfen starken Tees auszudrücken. Der Henkel ihres Bechers hatte die Form eines Pferdeschweifs, das übrige stellte Leib und Kopf des Pferdes dar. Mirandas Becher war weiß und trug in Blockbuchstaben die Aufschrift SAGJA ZUNEIN.

»Mrs. Murphy, ich würde gerne die Zeitung lesen.« Miranda hob sacht das Hinterteil der Tigerkatze an und zog die Zeitung unter ihr weg.

Mrs. Murphy legte die Ohren an und quittierte das Ansinnen mit einem empörten Murren. »Ich steck meine Pfoten auch nicht an deinen Hintern, Miranda, und außerdem steht nie was Lesenswertes in der Zeitung.« Sie stapfte zu der kleinen Hintertür und marschierte hinaus.

»Hat die aber schlechte Laune.« Miranda setzte sich und überflog die Titelseite.

»Was sagt die Schlagzeile?« fragte Harry.

»Zwei Verletzte auf der 1–64. Was noch? Oh, dieser Threadneedle-Virus droht am ersten August unsere Computer zu infizieren. Es wäre mir sehr recht, wenn unser neuer Computer todkrank wäre.«

»Ach was, der ist doch gar nicht so schlimm.« Harry griff nach dem Sportteil.

»Schlimm?« Mrs. Hogendobber schob ihre Brille hoch. »Wenn ich auch nur eine Kleinigkeit in der falschen Reihenfolge mache, erscheint ein barsches Kommando auf diesem widerwärtigen grünen Bildschirm, und ich muß wieder ganz von vorne anfangen. Es gibt da viel zu viele Tasten. Moderne Errungenschaften! Zeitverschwender, das sind sie, Zeitverschwender, die sich als Zeitsparer verkleiden. Ich kann mir in meinem Oberstübchen mehr merken als so ein Computerchip. Und können Sie mir sagen, wozu wir im Postamt einen Computer brauchen? Wir brauchen eine gute Waage und einen guten Freistempler. Die Briefe kann ich selber stempeln!«

Als Harry sah, daß Miranda mal wieder in Maschinenstürmerlaune war, hielt sie es für das klügste, ihr nicht zu widersprechen.

»Nicht alle, die im Postdienst arbeiten, sind so schlau wie Sie. Die können sich nicht so viel merken. Für sie ist der Computer ein Geschenk des Himmels.« Harry reckte den Hals, um das Foto von dem Autounfall zu sehen.

»Das haben Sie hübsch gesagt.« Mrs. Hogendobber trank ihren Kaffee. »Wo Reverend Jones nur bleibt? Gewöhnlich ist er um diese Zeit hier. Alle anderen waren pünktlich.«

»Tausend Jahre sind vor dem Herrn wie ein Tag. Eine Stunde ist für den Reverend wie eine Minute.«

»Hüten Sie Ihre Zunge.« Miranda, tiefgläubig, auch wenn sie ihren Glauben gelegentlich den Umständen anzupassen pflegte, drohte mit dem Finger. »Wie Sie wissen, machen wir uns in der Kirche zum Heiligen Licht nicht über die Heilige Schrift lustig.« Miranda gehörte einer kleinen Kirchengemeinde an. Tatsächlich waren es Abtrünnige der Baptistenkirche. Vor zwanzig Jahren war ein neuer Pfarrer gekommen, der viele Gemeindemitglieder zur Weißglut brachte. Nach vielem Hin und Her spalteten sich die Unzufriedenen nach altehrwürdiger Tradition ab und gründeten ihre eigene Kirche. Mrs. Hogendobber, die große Stütze des Chors, war bei der Abspaltung eine treibende Kraft gewesen. Als der unbeliebte Pfarrer sechs Jahre nach dem Aufstand seine Sachen packte und die Stadt verließ, waren die Angehörigen der Kirche zum Heiligen Licht so mit sich zufrieden, daß sie sich weigerten, in den Schoß der Ursprungskirche zurückzukehren.

Ein leises Tappen am Hintereingang verkündete den Eintritt einer Katze. Mrs. Murphy kehrte zur Gruppe zurück. Ein lauteres Tappen zeigte an, daß sie Pewter im Schlepptau hatte.

»Hallo«, rief Pewter.

»Hallo, Miezekätzchen«, erwiderte Mrs. Hogendobber das Miauen. Als Harry damals den Posten von Mr. Hogendobber übernahm und Katze und Hund mitbrachte, hatte Miranda gegen die Tiere gewettert. Die Tiere eroberten sie allmählich; wenn man Miranda jedoch fragte, was sie von Menschen hielt, die mit Tieren sprachen, behauptete sie steif und fest, so etwas würde sie niemals tun. Die Tatsache, daß Harry täglich Zeugin ihrer Gespräche war, bewog sie keineswegs, von ihrer Behauptung abzulassen.

»Tucker, Pewter ist da«, sagte Mrs. Murphy.

Tucker machte ein Auge auf und wieder zu.

»Ich werd mich hüten, dir das Neueste zu erzählen.« Pewter leckte sich gemächlich die Pfote.

Beide Augen gingen auf, und die kleine Hündin hob den hübschen Kopf. »Ha?«

»Mit dir sprech ich nicht. Du läßt dich ja nicht mal herab, mich zu grüßen, wenn ich zu Besuch komme.«

»Pewter, du verbringst dein halbes Leben hier drin. Ich kann doch nicht so tun, als hätte ich dich monatelang nicht gesehen«, erklärte Tucker.

Pewter schnippte mit dem Schwanz, dann sprang sie auf den Tisch. »Gibt’s was zu essen?«

Mrs. Murphy lachte. »Schwein.«

»Was können sie schlimmstenfalls sagen, wenn man fragt? Höchstens nein«, sagte Pewter. »Aber sie könnten auch ja sagen. Mrs. Hogendobber muß was haben. Sie kommt doch nicht mit leeren Händen ins Postamt.«

Die Katze kannte ihre Nachbarin gut; tatsächlich hatte Mrs. Hogendobber einen Schwung glasierte Doughnuts mitgebracht. Sobald Pewters Pfoten den Tisch berührten, wollte Harry die Leckereien mit einer Serviette zudecken, aber zu spät. Pewter hatte ihre Beute erspäht. Sie krallte sich ein Stück Doughnut, köstlich feucht und frisch. Die Katze flitzte mit ihrer Beute vom Tisch auf den Boden.

»Diese Katze stirbt noch mal an Herzversagen. Ihr Cholesterinspiegel muß höher sein als der Mount Everest.«

»Haben Katzen auch Cholesterin?« wunderte sich Harry laut.

»Wieso nicht? Fett ist Fett …«

Bei dieser Bemerkung schritt Reverend Herbert Jones durch die Tür. »Fett? Machen Sie sich über mich lustig?«

»Nein, wir sprachen über Pewter.«

»Relativ gesehen ist sie dicker als ich«, bemerkte er.

»Aber Sie haben Diät gehalten und sind schwimmen gegangen. Ich finde, Sie haben kräftig abgenommen«, schmeichelte ihm Harry.

»Wirklich? Sieht man das?«

»Allerdings. Kommen Sie, trinken Sie eine Tasse Tee«, lud Mrs. Hogendobber ihn nach hinten ein, wobei sie sorgsam die Doughnuts zugedeckt hielt.

Der gute Reverend leerte sein Postfach, dann ging er schwungvoll durch die Klapptür, die den Raum für den Publikumsverkehr vom hinteren Bereich trennte. »Alle sind ganz aus dem Häuschen wegen diesem Computervirus. In den Richmonder ›Morgennachrichten‹ haben sie einen ganzen Bericht darüber gebracht, was zu erwarten und was dagegen zu tun ist.«

»Erzählen Sie.« Harry stand vor der kleinen Kochplatte.

»Nein. Ich will, daß unser Computer stirbt.«

»Miranda, ich glaube nicht, daß Ihr Computer in Gefahr ist. Es scheint sich hier um eine Art Firmensabotage zu handeln.« Reverend Jones zog sich einen Stuhl mit Sprossenlehne heran. »Soweit ich informiert bin, wurde der Virus von einer oder mehreren Personen in das Computersystem eines großen, in Virginia ansässigen Unternehmens eingeschleust, aber niemand weiß, in welches. Das infizierte Gerät muß ein Computer sein, der mit vielen anderen Computern kommuniziert.«

»Und wie, bitte schön, darf ich das verstehen?« Miranda senkte die Stimme. »So was wie Kommunion?«

»Reden. Computer können miteinander reden.« Herb beugte sich nach vorn. »Danke, Schätzchen.« Er nannte Harry »Schätzchen«, als sie ihm seinen Tee reichte. Wenn es von ihm kam, hatte sie nichts dagegen. »Wer immer diesen Virus eingeschleust hat –«

Miranda unterbrach ihn wieder. »Was meinen Sie mit Virus?«

Der Reverend, ein warmherziger Mann, der die Menschen liebte, zögerte einen Moment und seufzte. »Aufgrund der Art und Weise, wie ein Computer Befehle versteht, ist es möglich, ja ganz einfach, einen Befehl einzugeben, der sein Gedächtnis verwirrt oder auslöscht.«

»Dafür brauche ich keinen Virus«, sagt Miranda. »Das tu ich jeden Tag.«

»Dann könnte also jemand einem Computer so einen Befehl eingeben wie ›Lösche jede Datei, die mit dem Buchstaben A beginnt!‹«, warf Harry ein.

»Genau, aber wie der Befehl lautet, das weiß eben keiner. Stellen Sie sich vor, dies geschieht in einer medizinischen Datenbank. Der Befehl würde etwa lauten: ›Zerstöre alle Aufzeichnungen über jeden, der John Smith heißt.‹ Da sehen Sie, welche Auswirkungen das haben könnte.«

»Aber Herbie« – Miranda nannte ihn beim Vornamen, weil sie seit einer Ewigkeit befreundet waren –, »warum sollte jemand so etwas tun wollen?«

»Vielleicht, um eine Polizeiakte zu löschen oder eine Schuld zu stornieren oder eine Krankheit zu verheimlichen, die ihn den Job kosten könnte. Manche Firmen entlassen Angestellte, die Aids oder Krebs haben.«

»Wie können die Menschen sich davor schützen?« Mrs. Hogendobber bekam allmählich eine Vorstellung von den Möglichkeiten, damit Unheil anzurichten.

»Der Initiator hat Faxe an Fernsehsender geschickt, daß der Virus am ersten August wirksam wird und daß er Threadneedle-Virus heißt.«

Harry rieb sich das Kinn. »Threadneedle, ein komischer Name. Wo mag da die Verbindung sein?«

»Oh, die gibt es bestimmt. Die Journalisten suchen wie verrückt danach«, erklärte Herbie zuversichtlich.

»Ein einziges großes Rätsel.« Harry liebte Rätsel.

»Der Computerexperte sagte in der Morgensendung, eine Möglichkeit, eine Information zu schützen, bestehe darin, seinem Computer zu sagen, daß er jeden Befehl, der am ersten August eingeht, ignorieren soll.«

Miranda nickte. »Vernünftig.«

»Nur, daß die meisten Geschäfte über Computer abgewickelt werden, und das würde heißen, daß einen ganzen Tag lang sämtliche kommerziellen, medizinischen, sogar politischen Transaktionen auf Eis liegen.«

»Ach du meine Güte.« Miranda machte große Augen. »Kann man denn sonst gar nichts tun?«

Herbie trank seinen Tee aus und stellte den Becher mit einem leisen Plop auf den Tisch. »Der Experte hat einen Überblick über die Schutzmaßnahmen gegeben und die Leute aufgerufen, ihre Computer so zu programmieren, daß sie alle am ersten August eingehenden Befehle aufschieben und überprüfen. Wenn etwas merkwürdig ist, kann das Prüfprogramm den Computer anweisen, den verdächtigen Befehl ungültig zu machen. Natürlich werden große Firmen ihre eigenen Computerexperten heranziehen, aber wie es scheint, wird alles, was sie austüfteln, eine Variante des Prüfprogramms sein.«

»Ich wollte schon immer ›Ungültig‹ auf meine Autozulassung setzen«, gestand Harry.

Mrs. Hogendobber schürzte die Lippen, die heute muschelrosa geschminkt waren. »Warum das denn?«

»Weil der Computer dann jedes Jahr meine Zahlungsanweisung an die Kfz-Abteilung des Finanzamts zurücküberweisen würde. Zumindest habe ich mir das so vorgestellt.«

»Unsere kleine Saboteurin.«

»Miranda, ich hab’s ja nicht getan. Ich hab bloß drüber nachgedacht.«

»Aus kleinen Eicheln wachsen mächtige Eichen.« Mrs. Hogendobber setzte ein grimmiges Gesicht auf. »Stekken Sie dahinter?«

Die drei lachten.

»Also, was gibt’s Neues, Pewter?« fragte Tucker, dann wandte sie sich Mrs. Murphy zu. »Ich nehme an, du weißt es schon, sonst hättest du ihr längst das Fell abgezogen.«

Mit der leisen Andeutung von Überlegenheit, die Katzen so aufreizend macht, ließ Mrs. Murphy ihre Schnurrhaare vorwärts schnellen. »Wir haben hinten auf der Veranda ein bißchen geplaudert.«

»Los, erzähl.«

Pewter schlenderte zu dem Hund hinüber, der sich unterdessen aufgesetzt hatte. »Aysha Cramer hat Mim Sanburne glattweg ins Gesicht gesagt, daß sie sich weigert, mit Kerry McCray auf dem Wohltätigkeitsfest für die Obdachlosen zusammenzuarbeiten.«

Mim Sanburne hielt sich für die Queen von Crozet. An ihren großzügigen Tagen dehnte sie ihr Reich auf ganz Virginia aus.

»Wenn’s weiter nichts ist.« Tucker war enttäuscht.

»Das ist noch nicht alles. Mim kommt niemand ungestraft in die Quere. Sie ist aus der Haut gefahren und hat zu Aysha gesagt, das Wohl der Gemeinde sei wichtiger als ihre Zankereien mit Kerry«, erklärte die rundliche Katze.

»Ach, Aysha.« Tucker lachte. »Jetzt wird Mim ihr den miesesten Job bei der Wohltätigkeitsveranstaltung geben – Adressen schreiben, Couverts zukleben und abstempeln. Die müssen nämlich alle mit der Hand geschrieben werden.«

Pewter kicherte. »Und alles wegen Norman Cramer. Diesem Langweiler.«

Die Tiere hielten einen Moment die Luft an.

»Junge, Junge, das muß ein fader Sommer sein, wenn wir schon über dieses Dreiecksverhältnis lachen«, sagte Mrs. Murphy nachdenklich.

»Hier passiert aber auch gar nichts«, nörgelte Tucker.

»Die Parade am Vierten Juli war okay. Aber nichts Besonderes. Vielleicht stellt ja jemand am Labor Day was auf die Beine …« Pewter unterbrach sich. »Hoffen wir auf ein bißchen Wirbel.«

Mrs. Murphy streckte sich vorwärts, dann rückwärts.

»Wißt ihr, was meine Mutter immer gesagt hat? ›Sieh dich vor, worum du bittest, du könntest es bekommen.‹«

Die drei Freundinnen sollten später noch an diese Prophezeiung zurückdenken.

Kapitel 2

Ash Lawn, der Landsitz von James und Elizabeth Monroe, liegt hinter einer Reihe mächtiger englischer Buchsbäume. Zu Lebzeiten des fünften Präsidenten und seiner Gattin reichten diese stacheligen Gewächse den Menschen vermutlich nur bis zur Taille. Heute strahlt ihre gewaltige Größe etwas Unheimliches aus, verleiht aber gleichzeitig ein Gefühl von Sicherheit. Der offizielle Eingang wird nicht mehr benutzt; die Besucher müssen an dem kleinen Andenkenladen vorbeigehen und erreichen das Haus über eine Nebenstraße.

Das warme Gelb der Schindeln wirkt einladend, schafft Vertrautheit – man könnte sich vorstellen, in diesem Haus zu leben. Niemand könnte sich je vorstellen, in dem schönen, imposanten Monticello gleich hinter dem kleinen Hügel von Ash Lawn zu leben.

Harry spazierte mit Blair Bainbridge, ihrem neuen Nachbarn – allerdings war »neu« in Crozet ein relativer Begriff; Blair war vor mehr als einem Jahr zugezogen – zwischen den Buchsbäumen auf dem Gelände herum. Als gefragtes Model war Blair ebenso oft unterwegs wie in der Stadt. Vor kurzem aus Afrika zurückgekehrt, hatte er Harry um eine Führung durch das Heim der Monroes gebeten. Zum Verdruß von Harrys Exmann, dem Tierarzt Fair Haristeen, einem blonden Riesen, der die Dummheit, Harry verloren zu haben, längst bereute und seine Exfrau unbedingt wiederhaben wollte.

Was Blair betraf, so konnte niemand seine Absichten in puncto Harry ergründen. Mrs. Hogendobber, die selbsternannte Expertin für das Tier namens Mann, erklärte, Blair sei so unverschämt maskulin und gutaussehend, daß die Frauen sich ihm jederzeit auf jedem Kontinent an den Hals werfen würden. Sie behauptete, er sei von Harry fasziniert, weil sie gegen seine männliche Schönheit immun sei. Mrs. Hogendobber hatte damit mehr als halbwegs recht, trotz gegenteiliger Behauptungen von Susan Tucker, Harrys bester Freundin und Züchterin ihrer Corgihündin.

Mrs. Murphy wählte den Schatten einer mächtigen Pappel, wo sie ein bißchen Gras aufscharrte und sich dann hinplumpsen ließ. Tucker umrundete sie dreimal, dann setzte sie sich neben sie, da sie die verhaßten Pfauen von Ash Lawn erspäht hatte. Auf dem Anwesen der Monroes wimmelte es von den schillernden Vögeln, deren himmlische Erscheinung von grotesken, häßlichen rosa Füßen verunstaltet wurde. Außerdem besaßen sie die abstoßendsten Stimmen der Vogelwelt.

»Oh, am liebsten würde ich diesen großen Angeber zu Boden strecken«, knurrte Tucker, als ein riesiges Männchen vorbeistolzierte, dem kleinen Hund einen Todesstrahlblick zuwarf und dann weiterschritt.

»Der ist bestimmt zäh wie ein alter Schuh.«Mrs. Murphy genoß gelegentlich einen Zaunkönig als Leckerbissen, aber vor größeren Vögeln scheute sie zurück. Sie machte sich wohlweislich jedesmal ganz flach, wenn sie über sich einen großen Schatten bemerkte. Das beruhte auf Erfahrung, denn einst hatte ein rotschwänziger Habicht eins von ihren Brüderchen geraubt.

»Ich weiß nicht, warum Präsident Monroe sich diese Vögel hielt. Schafe, Kühe, sogar Truthähne – Truthähne kann ich ja verstehen –, aber Pfauen sind nutzlos.« Tucker sprang auf und drehte sich im Kreis, um nach etwas zu beißen, das in ihrem Fell saß.

»Flöhe? Ist jetzt die Jahreszeit«, bemerkte Mrs. Murphy mitfühlend.

»Nein«, knurrte Tucker, während sie noch ein bißchen weiterbiß. »Bremsen.«

»Wie kommen die durch dein dickes Fell?«

»Weiß ich nicht, aber sie schaffen’s.« Tucker seufzte, dann stand sie auf und schüttelte sich. »Wo ist Mom?«

»Überall und nirgends. Sie ist nicht weit weg. Setz dich hin, ja? Wenn du abhaust und einen von diesen dämlichen Vögeln jagst, krieg ich dafür die Schuld. Ich seh nicht ein, warum wir nicht ins Haus können. Ich verstehe ja, daß die Tiere von anderen Leuten nicht reindürfen, wie Lucy Fur, aber wieso wir nicht?« Der Name Lucy Fur, der wie Lucifer klang, paßte ausgezeichnet zu der jüngeren von Reverend Jones’ zwei Katzen, denn sie war ein Teufelskerl. »Wetten, Little Marilyn läßt uns durch die Hintertür rein?« Tucker zwinkerte. Sie wußte, daß Mim Sanburnes Tochter Tiere liebte.

»Gute Idee.«Die Katze wälzte sich im Gras, dann sprang sie hoch. »Komm, düsen wir los.«

»Wo hast du das denn her?«fragte Tucker, als sie zur Seitentür zockelten. Eine Bank unter einer kleinen Veranda verlieh dem Eingangsbereich ein einladendes Flair. Kein Mensch war weit und breit zu sehen.

»Das hat Susan gestern gesagt. Sie schnappt so was von ihren Kindern auf. Wie ›man sieht sich‹, wenn man sich verabschiedet.«

»Oh.«Tucker brachte der Sprache der Jugend nur begrenztes Interesse entgegen, weil der Jargon sich alle paar Jahre änderte.

Unterhalb des Hauptbereichs von Ash Lawn waren Fremdenführerinnen in zeitgenössischen Kostümen dabei, zu spinnen, zu weben, Fett für Kerzen zu schmelzen und zu kochen. Little Marilyn – Marilyn Sanburne junior, die seit kurzem geschieden war und ihren Mädchennamen wieder angenommen hatte – war heute die verantwortliche Fremdenführerin in Ash Lawn. Obwohl erst Anfang Dreißig, hatte die jüngere Marilyn finanziell eine Menge für Ash Lawn sowie das William and Mary College getan. Das College unterhielt Haus und Grundstück von James Monroe und stellte die meisten Fremdenführerinnen. Little Marilyn war stolze Absolventin des William and Mary College, wo sie so oft die Fächer gewechselt hatte, bis ihre Studienberater die Hoffnung aufgaben, daß sie je Examen machen würde. Schließlich hatte sie sich auf Soziologie verlegt, was ihrer Mutter ungemein mißfiel und folglich Little Marilyn um so besser gefiel.

Da Harry Absolventin des Smith College in Massachusetts war, gehörte sie nicht zum engeren Kreis von Ash Lawn, aber das Personal pflegte gute Beziehungen zur Gemeinde, so daß Harry und ihre Tiere sich dort willkommen fühlten. Natürlich kannten alle in Ash Lawn Mrs. Murphy und Tucker.

Die anderen Fremdenführerinnen waren an diesem 30. Juli Kerry McCray, eine kesse Rotblonde, die auf dem College Little Marilyns Zimmergenossin gewesen war, Laura Freely, eine hochgewachsene, strenge Dame um die sechzig, und Aysha Gill Cramer, ebenfalls eine Collegefreundin von Little Marilyn. Da Aysha erst im April geheiratet hatte – ein schauerlich übertriebenes gesellschaftliches Ereignis –, brauchten alle noch etwas Zeit, sich an den Namen Cramer zu gewöhnen. Danny Tucker, Susans sechzehnjähriger Sohn, arbeitete als Gärtner, und es machte ihm Spaß. Susan half im Andenkenladen aus, weil die Kassiererin sich krank gemeldet hatte.

Durch ein Kuddelmuddel bei der Einteilung waren Aysha und Kerry zur selben Zeit hier. Die zwei konnten sich nicht riechen. Zusammen mit Little Marilyn waren die drei von Kind an die besten Freundinnen gewesen, und auch noch die ganze Zeit auf dem College, wo sie derselben Studentinnenverbindung angehört hatten.

Nach dem Examen waren sie zusammen nach Europa gefahren und schließlich nach einem Jahr getrennte Wege gegangen. Sie schrieben sich Unmengen von Briefen. Kerry war als erste nach Crozet zurückgekehrt und hatte eine Anstellung bei der Crozet National Bank gefunden, die um die Jahrhundertwende als Lokalbank gegründet worden war, aber jetzt ganz Mittelvirginia bediente. Little Marilyn war wenig später gefolgt, hatte geheiratet, was schiefging, und sich scheiden lassen. Aysha war erst vor sechs Monaten nach Albemarle County zurückgekehrt. Ihr tadelloses Französisch und Italienisch waren hier nicht gefragt. Die Aussichten auf eine Karriere waren in diesem kleinen Winkel der Welt so minimal, daß Heiraten immer noch eine echte Karriere für junge Frauen darstellte, vorausgesetzt, sie fanden ein geeignetes Opfer.

Die Freundinnen knüpften wieder da an, wo sie aufgehört hatten. Aysha, in jüngeren Jahren ein bißchen pummelig, war zu einer hübschen Frau herangereift, die vor Ideen übersprudelte.

Little Marilyn, die sich gerade von ihrer Scheidung erholte, war noch deprimiert. Sie brauchte ihre Freundinnen.

Kerry, damals noch mit Norman Cramer verlobt, hatte Aysha und Little Marilyn oft eingeladen, abends mit ihnen essen, ins Kino oder zu einer nächtlichen Veranstaltung in die Blue-Ridge-Brauerei zu gehen.

Norman, schmächtig und schüchtern, hatte ein hübsches Gesicht, das große blaue Augen umrahmte. Er arbeitete ebenfalls in der Crozet National Bank, als Chefbuchhalter. Als aufregend hätte ihn wohl niemand spontan bezeichnet, daher kippten alle aus den Latschen, als Aysha ihn Kerry ausspannte. Keiner konnte begreifen, weshalb sie ihn wollte, außer daß sie die Dreißig überschritten hatte, ungern arbeitete und die Ehe als bequemen Ausweg sah.

Ihre Mutter, Ottoline Gill, die sich viel zu sehr in das Leben ihrer Tochter einmischte, schien von ihrem frischgebackenen Schwiegersohn begeistert. Das mag teils an dem freudigen Schreck gelegen haben, daß sie überhaupt einen Schwiegersohn bekam. Sie hatte Ayshas Zukunft schon verloren gegeben und immer wieder erklärt, ein Mädchen, das so schön und klug sei wie ihr Liebling, würde nie einen Mann finden. »Männer mögen dumme Frauen«, pflegte sie zu sagen, »und meine Aysha wird nicht das Dummchen spielen.«

Was immer sie spielte oder nicht spielte, sie hatte Norman betört, mit dem Ergebnis, daß Aysha und Kerry jetzt erbitterte Feindinnen waren, die kaum in zivilisiertem Ton miteinander reden konnten. Fern von Ayshas forschenden Blikken war Norman liebenswürdig zu Kerry, aber seine Liebenswürdigkeit wurde nicht immer erwidert.

Marilyn schickte Aysha zum Arbeiten nach unten und Kerry nach draußen zu den Sklavenquartieren. Das milderte die Spannung ein wenig. Sie wußte, daß beide am nächsten Tag zu ihr kommen und sich über das Durcheinander beschweren würden. Kerry würde leichter zu beschwichtigen sein als Aysha, die nichts lieber sah, als wenn jemand emotional im Unrecht war. Aber weil Aysha gerne Fremdenführerin in Ash Lawn war, wollte Marilyn sie besänftigen, um ihrer selbst willen wie zum Wohl der Stätte. Es war schlimm genug, daß Aysha ihr Ärger machte, aber sich mit dieser Zicke von einer Mutter herumzuschlagen, das war die Hölle. Und wenn Ottoline auf die Barrikaden ging, dann würde Mim, Marilyns Mutter, sich ebenfalls einmischen, und sei es nur, um die überhebliche Ottoline in die Schranken zu weisen.

Mrs. Murphy, den Schwanz senkrecht aufgerichtet, fühlte das kühle Gras unter ihren Pfoten. Grashüpfer schossen vor ihr davon wie grüne Insektenraketen. Sie hüpften, ließen sich nieder, hüpften weiter. Gewöhnlich jagte sie ihnen nach, aber heute wollte sie in das historische Wohnhaus, nur um zu beweisen, daß sie nicht die Absicht hatte, etwas kaputtzumachen.

Als der Tag sich neigte, waren die meisten Touristen gegangen. Einige hielten sich noch im Andenkenladen auf. Das Personal von Ash Lawn begann mit dem Abschließen. Harry und Blair waren ins Haus gegangen, um zu sehen, ob Marilyn Hilfe brauchte.

Ein entferntes Dröhnen kam näher. Dann verkündeten ein Quietschen, ein Spotzen und ein Stottern, daß ein Motorrad auf dem Parkplatz zum Stehen gekommen war, nicht irgendein Motorrad, sondern eine schimmernde, vollkommen schwarze Harley-Davidson. Der Motorradfahrer war so abgerissen, wie seine Maschine glänzte. Er trug einen schwarzen deutschen Helm aus dem Zweiten Weltkrieg, eine schwarze, mit Chromsternen besetzte Lederweste, zerrissene Jeans, schwere schwarze Motorradstiefel, und um die Brust hatte er eine imposante Kette baumeln, die an einen altertümlichen Patronengürtel erinnerte. Eine Motorradbrille mit dunklen Gläsern vervollständigte die Montur. Er war unrasiert, sah aber auf seine schmuddelige Art nicht übel aus.

Er schlenderte den gepflasterten Weg entlang, der zum Vordereingang führte. Tucker, die sich jetzt seitlich vom Haus bei den Sklavenquartieren befand, blieb stehen und bellte ihn an. Beide Tiere hatten sich vom Nebeneingang entfernt, um zu sehen, was vorging.

»Halt’s Maul, Tucker, du verdirbst mir sonst meine Strategie«, warnte die Katze. Sie lag flach vor dem Besuchereingang und wartete nur darauf, daß mit dem Eintritt des Motorradfahrers die Tür aufschwang, so daß sie hineinflitzen konnte. Wer immer die Tür öffnete, würde einen Schrei ausstoßen, wenn sie zwischen seinen Beinen durchsauste. Dann würde man ihr nachjagen oder sie locken müssen. Harry würde einen Tobsuchtsanfall bekommen. Jemand würde auf die Idee verfallen, Mrs. Murphy mit Futter oder vielleicht frischer Katzenminze aus dem Kräutergarten zu bestechen. Sie hatte alles geplant. Dann blickte sie hoch und sah den Hell’s Angel zur Tür marschieren. Sie beschloß zu bleiben, wo sie war.

Er öffnete die Tür und wurde von Little Marilyn begrüßt. »Willkommen im Heim von James und Elizabeth Monroe. Leider haben wir im Sommer nur von zehn bis siebzehn Uhr geöffnet, und jetzt ist es siebzehn Uhr dreißig. Ich bedaure sehr, aber Sie müssen morgen wiederkommen.«

»Ich geh hier nicht weg.« Er drückte sich an ihr vorbei.

Laura hörte den Wortwechsel vom Salon aus und trat zu Marilyn. Harry und Blair blieben im Wohnzimmer. Aysha war unten in der Sommerküche, und Kerry schloß die Sklavenquartiere ab.

»Sie müssen gehen.« Marilyn schürzte die Lippen.

»Wo ist Malibu?« Seine kehlige Stimme unterstrich die bedrohliche Erscheinung.

Blair kam in die Halle. »In Kalifornien.«

Der Motorradfahrer maß ihn von Kopf bis Fuß. Blair war ein großer, breitschultriger Mann in bester Kondition. Kein leichter Gegner.

»Sind Sie hier der zuständige Komiker?« Der Motorradfahrer zog ein kleines Klappmesser aus seiner Weste. Er ließ es geschickt mit einer Hand aufschnappen und stocherte damit in seinen Zähnen.

»Ja, für heute.« Blair verschränkte die Arme. Harry trat ebenfalls in die Halle und stellte sich hinter Blair. »Die Damen haben Sie informiert, daß Ash Lawn morgen geöffnet ist. Kommen Sie dann wieder.«

»Mir ist dieser Laden scheißegal. Ich will Malibu. Ich weiß, daß sie hier ist.«

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Personen der Handlung

Mary Minor Haristeen (Harry), die junge Posthalterin von Crozet, die mit ihrer Neugierde beinahe ihre Katze und sich selbst umbringt

Mrs. Murphy, Harrys graue Tigerkatze, die eine auffallende Ähnlichkeit mit der Autorin Sneaky Pie aufweist und einmalig intelligent ist

Tee Tucker, Harrys Welsh Corgi, Mrs. Murphys Freundin und Vertraute, eine lebensfrohe Seele

Pharamond Haristeen (Fair), Tierarzt, ehemals mit Harry verheiratet

Mrs. George Hogendobber (Miranda), eine Witwe, die emphatisch auf ihrer persönlichen Auslegung der Bibel beharrt

Market Shiflett, Besitzer von Shiflett’s Market neben dem Postamt

Pewter, Markets dicke graue Katze, die sich notfalls auch von der Futterschüssel lösen kann

Susan Tucker, Harrys beste Freundin, die das Leben nicht allzu ernst nimmt, bis ihre Nachbarn ermordet werden

Big Marilyn Sanburne (Mim), Queen von Crozet

Rick Shaw, Bezirkssheriff von Albemarle County

Officer Cynthia Cooper, Polizistin

Simon, ein Opossum, das auf Menschen nicht gut zu sprechen ist

Herbert C. Jones, Pastor der lutherischen Kirche von Crozet, ein gütiger, sparsamer Mensch, von dem man weiß, daß er seine Predigten mit seinen zwei Katzen Lucy Fur und Eloquenz verfaßt

Hogan Freely, Direktor der Crozet National Bank, ein guter Banker, aber nicht gut genug

Laura Freely, verantwortliche Fremdenführerin in Ash Lawn und Hogans Ehefrau

Norman Cramer, geachteter Chefbuchhalter bei der Crozet National Bank, dessen Heirat mit Aysha Gill die Klatschmäuler in Crozet in Bewegung hält

Aysha Gill Cramer, eine Jungvermählte, die ihren Mann mit Adleraugen bewacht

Kerry McCray, Norman Cramers noch flackernde alte Flamme, die zu schwelen beginnt

Ottoline Gill, Ayshas Mutter, die gesellschaftliche Ungehörigkeiten im Auge behält und ihren frischgebackenen Schwiegersohn nicht aus den Augen läßt