Herz Dame sticht - Rita Mae Brown - E-Book

Herz Dame sticht E-Book

Rita Mae Brown

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Beschreibung

Pferderennen im herbstlichen Montpelier, Virginia: Zwei Jockeys werden tot aufgefunden, ihre Herzen durchbohrt und die Spielkarten Kreuzdame und Pikdame aufgespießt. Es steht zu befürchten, dass die Herzdame als nächstes an der Reihe ist. Postbeamtin Mary Minor »Harry« Haristeen ermittelt in den gar nicht so feinen Kreisen des Reitsports. Ihr tierisches Detektiv-Team um Katze Mrs. Murphy bekommt überraschend Unterstützung von zwei Rennpferden.   Alle Fälle der Mrs.-Murphy-Erfolgsserie gibt es jetzt als E-Books bei Ullstein!

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Die Autoren

Rita Mae Brown, geboren in Hanover, Pennsylvania, wuchs in Florida auf. Sie studierte in New York Filmwissenschaft und Anglistik und war in der Frauenbewegung aktiv. Berühmt wurde sie mit dem Titel Rubinroter Dschungel und durch ihre Romane mit der Tigerkatze Sneaky Pie Brown als Co-Autorin.

Sneaky Pie Brown ist Co-Autorin von Rita Mae Brown. Beide leben in Crozet, Virginia.

Das Buch

Pferderennen im herbstlichen Montpelier, Virginia: Zwei Jockeys werden tot aufgefunden, ihre Herzen durchbohrt und die Spielkarten Kreuzdame und Pikdame aufgespießt. Es steht zu befürchten, dass die Herzdame als nächstes an der Reihe ist. Postbeamtin Mary Minor »Harry« Haristeen ermittelt in den gar nicht so feinen Kreisen des Reitsports. Ihr tierisches Detektiv-Team um Katze Mrs. Murphy bekommt überraschend Unterstützung von zwei Rennpferden.

 

Alle Fälle der Mrs.-Murphy-Erfolgsserie gibt es jetzt als E-Books bei Ullstein!

Rita Mae Brown & Sneaky Pie Brown

Herz Dame sticht

Ein Fall für Mrs. Murphy

Roman

Aus dem Amerikanischen von Margarete Längsfeld

Ullstein

Die Originalausgabe erschien 1996 unter dem Titel Murder, She Meowed bei Bantam Books, New York.

Wir wählen unsere Bücher sorgfältig aus, lektorieren sie gründlich mit Autoren und Übersetzern und produzieren sie in bester Qualität.

Hinweis zu Urheberrechten

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ISBN 978-3-8437-1586-7

© 1996 by American Artists, Inc.Illustrationen © 1996 by Wendy Wray© für die deutsche Erstausgabe: Alle Rechte an der deutschen Übersetzung von Margarete Längsfeld© 1998 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg© für die deutsche Ausgabe: 2018 by Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin Umschlaggestaltung: zero-media.net, MünchenUmschlagabbildung: FinePic®, MünchenAutorenfoto: © Jerry BauerE-Book-Konvertierung powered by pepyrus.comAlle Rechte vorbehalten.

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Inhalt

Die Autoren / Das Buch

Titelseite

Impressum

Personen der Handlung

Vorbemerkung der Verfasserin

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Kapitel 46

Kapitel 47

Kapitel 48

Kapitel 49

Kapitel 50

Kapitel 51

Kapitel 52

Kapitel 53

Hinweis der Verfasserin

Social Media

Vorablesen.de

Cover

Titelseite

Inhalt

Personen der Handlung

Pooh Bear und Coye gewidmet,die Mrs. William O. Moss liebenund beschützen

Vorbemerkung der Verfasserin

Liebe Leserinnen und Leser,

vielen Dank für Eure Briefe. Ich will mich bemühen, auf jeden einzelnen zu antworten, aber an dieser Stelle kann ich schon mal auf einige der häufiger gestellten Fragen eingehen.

Ob ich eine Schreibmaschine benutze? Nein. Mutter ja. Ich benutze einen Toshiba Laptop, der soviel kostet wie ein gebrauchter Toyota. Die Maus gefällt mir.

Ob ich jeden Tag schreibe? Nur wenn es mit dem echten Mausen hapert.

Ob ich mit anderen Katzen und Hunden zusammenlebe? Ja, und auch mit Pferden, aber ich denke nicht daran, unentgeltlich für sie zu werben. Schließlich bin ich diejenige, die die Bücher schreibt, deshalb verdiene ich den Löwenanteil der Aufmerksamkeit.

Ob Pewter richtig fett ist? Nun ja, Teile von ihr besitzen eine eigene Postleitzahl. Und ich habe sie erst vor zehn Minuten einen Champignon fressen sehen. Ein Champignon ist ein Pilz. Welche Katze, die auf sich hält, frißt Pilze? Sie säuft auch Bier.

Ob wir Spaß haben mit Mutter? Meistens. Sie schlittert in tiefste Verzweiflung, wenn sie Rechnungen bezahlen muß. Sie hat dieses Jahr eine Menge zu bezahlen, weil Überschwemmungen einen Teil von unserer Straße und unserer Brücke weggespült haben. Die Versicherung hat das nicht abgedeckt, aber das hätte ich ihr gleich sagen können. Sie hat sehr hart gearbeitet, und ich fühle mit ihr, andererseits rückt sie mir dann jedenfalls nicht auf den Pelz.

Ob ich eine Dixiekatze bin? Nun, ich bin in dem großartigen Staat Virginia geboren, daher glaube ich, daß wir nicht für lange Zeit, aber für eine schöne Zeit auf dieser Erde sind. Ich hoffe, Ihr habt genauso eine schöne Zeit wie ich!

Mit lieben GrüßenSNEAKY PIE

Kapitel 1

Den Eingang von Montpelier, dem einstigen Heim von James und Dolly Madison, zieren zwei mit Efeu bewachsene Säulen. Auf jeder Säule hockt ein Adler mit ausgebreiteten Schwingen. An diesem ersten Samstag im November fuhr Mary Minor Haristeen – »Harry« – durch das elegante, schlichte Tor, wie sie es seit vierunddreißig Jahren tat. Ihre Eltern hatten sie schon in ihrem ersten Lebensjahr mit nach Montpelier genommen, das sich über 2700 Morgen erstreckte, und seitdem hatte sie kein einziges Rennen versäumt. Wie Thanksgiving, ihr Geburtstag, Weihnachten und Ostern waren die Hindernisrennen, die auf dem Grundstück der Madisons sechseinhalb Kilometer östlich von Orange, Virginia, veranstaltet wurden, Marksteine ihres Lebens.

Als sie an den Säulen vorbeifuhr, warf sie einen Blick auf die Adler, schenkte ihnen jedoch kaum Beachtung. Der Adler ist ein Raubvogel, der mit tödlicher Zielgenauigkeit aus der Luft auf seine Opfer herabstößt. Die Natur teilt die Geschöpfe in Sieger und Besiegte auf. Der Mensch versucht, diese Eindeutigkeit aufzuweichen. Nicht, daß den Menschen nicht klar wäre, daß es im Leben Sieger und Besiegte gibt, doch sie ziehen es vor, ihre Erfahrungen an Begriffen wie gut und böse, nicht an »fressen und gefressen werden« festzumachen. Wie auch immer, Harry würde diesen frischen, himmelblauen Tag in Erinnerung behalten, und was ihr Gedächtnis abrief, waren die Adler … wie oft hatte sie diese Wächter passiert und doch ihre Bedeutung verkannt.

Eins stand jedenfalls fest – weder sie noch sonst jemand unter den fünfzehntausend Zuschauern würde dieses eine Montpelier-Rennen jemals vergessen.

Mrs. Miranda Hogendobber, Harrys ältere Freundin und Mitarbeiterin, bestand darauf, mit ihrem betagten Ford Falcon zu fahren statt mit Harrys ramponiertem Transporter, obwohl der Transporter ein paar Jahre weniger auf dem Buckel hatte als der Falcon. Da Harry Arthur Tetrick, dem Rennbahndirektor, versprochen hatte, sich als Bahnrichterin zur Verfügung zu stellen, mußte sie zeitig zur Stelle sein.

Sie fuhren durch das Tor, erklommen die Brücke, die sich über die Bahngleise der Southern Railroad wölbte, tauchten dann in die smaragdgrüne Weite der Rennbahn ein, die rund um den hundert Morgen großen Innenraum verlief. Hindernisse aus Besen und Brettern markierten die Bahn, die von einer weißen Barriere begrenzt war, die die Länge der schwierigen Strecke bestimmte. Zur Rechten, oberhalb der Straße, lag die Sandbahn, die die verstorbene Marion duPont Scott 1929 angelegt hatte, um ihre Rassepferde zu trainieren. Die Bahn, zur Zeit vermietet, war in Gebrauch geblieben und zusammen mit dem Gut nach dem Tod von Mrs. Scott im Herbst 1983 an den National Historic Trust übergegangen.

Geradeaus ragte hinter weiteren säulengeschmückten Toren das eigentliche Montpelier auf, ein pfirsichfarbenes Haus, leuchtend wie ein sanftes Stück Sonnenuntergang, das vom Himmel gefallen war, um sich in den Ausläufern der Südwestkette der Blue Ridge Mountains einzunisten. Harry dachte sich Montpelier, das errichtet worden war, während Amerika mit den Strafsteuern von König George III. zu kämpfen hatte, als eine Art Sonnenaufgang, einen verstohlenen Blick über den Horizont einer neuen politischen Kraft, einer Nation, bestehend aus Menschen von überallher, die eine Vision von Demokratie einte. Daß die Vision verdunkelt oder verzerrt worden war, minderte nicht den Glanz ihrer Geburt, und Harry, nicht gerade ein politischer Mensch, stand leidenschaftlich hinter der Überzeugung, daß die Amerikaner sich an die Prinzipien ihrer Vorväter und Vormütter zu halten hatten.

Einem solchen Prinzip entsprach es, die schönen Momente im Leben voll auszukosten. James und Dolly Madison hatten ein gutes Pferderennen zu schätzen gewußt und waren sich darin einig gewesen, daß der beste Reiter ihrer Zeit George Washington war. Schon vor James’ Geburt 1752 hatten die Siedler schöne Pferde geliebt, auf sie gesetzt und um sie gestritten. Im Gedenken an ihre Geschichte behielten die Virginier diesen Zeitvertreib bei.

Tee Tucker, Harrys Corgihündin, saß auf ihrem Schoß und sah aus dem Fenster. Auch sie liebte Pferde, aber heute war sie besonders aufgeregt, weil ihre beste Freundin und ärgste Rivalin, Mrs. Murphy, eine Tigerkatze von beeindruckender Intelligenz, zu Hause bleiben mußte. Mrs. Murphy hatte aus voller Katzenkehle »gemeine Bande« geschrien, doch es hatte nichts genützt; denn Harry hatte ihr erklärt, daß die Menschenmenge sie verwirren und sie entweder ins Auto flüchten und schmollen oder, schlimmer noch, bei sämtlichen geöffneten Kofferraumklappen die Runde machen würde. Murphy konnte sich nicht beherrschen, wenn es um frische Brathühner ging, und die würde es heute massenhaft geben. Ehrlich gesagt war es auch um Tuckers Selbstbeherrschung geschehen, wenn sie Fleischgerichte witterte, aber sie konnte nicht mitten in den Proviant hineinspringen wie eine Katze.

Oh, die wilde Wonne, ihre feuchte, kalte Nase an die Scheibe zu drücken, als der Falcon die Farm verließ, und Mrs. Murphy auf den Hinterbeinen am Küchenfenster stehen zu sehen. Tucker war überzeugt, wenn sie am Abend zurückkamen, würde Murphy die Fransen der alten Couch zerrupft, die Vorhänge zerrissen und die Telefonschnur zerbissen haben, und das wäre noch das mindeste. Dann würde die Katze noch mehr Ärger bekommen, während Tucker, gewöhnlich der Sündenbock, ihren Heiligenschein polierte. Wenn sie einen Schwanz hätte, würde sie damit wedeln, so glücklich war sie. So aber wackelte sie mit dem Hinterteil.

»Tucker, sitz still, wir sind gleich da«, schalt Harry sie.

»Da ist Mim.« Mrs. Hogendobber winkte Marilyn Sanburne zu, deren Kombination von Geld und herrischem Gebaren sie zur Queen von Crozet machte. »Gewalkte Wolle, sehe ich. Sie macht heute auf Bayrisch.«

»Die Pfauenfeder an ihrem Hut würde mir auch gefallen.« Harry lächelte und winkte ebenfalls.

»Wie viele Pferde hat sie heute laufen?«

»Drei. Sie hat ein gutes Jahr mit Bazooka, ihrem großen Wallach. Die anderen zwei sind noch roh und entwickeln sich gut.« Harry benutzte den Ausdruck für ein junges Tier, das noch Erfahrungen sammelte. »Es ist großartig, daß sie den Valiants die Chance gibt, ihre Pferde anzutrainieren. Gutes Material ist das A und O, aber das weiß Mim ja.«

»Ich fahre auf Ihren Parkplatz. Dann können Sie zu Fuß zum Führring gehen.«

»Okay.« Harry zog ihre Handschuhe aus der Tasche. Um zehn Uhr morgens betrug die Temperatur sieben Grad. Wenn um zwölf Uhr dreißig das erste Rennen startete, würde sie vielleicht an fünfzehn Grad heranreichen, eine ideale Temperatur für Anfang November.

»Vergessen Sie Ihr Abzeichen nicht.« Mrs. Hogendobber, erheblich älter als Harry, neigte dazu, sie zu bemuttern.

»Keine Bange.« Harry steckte ihr Abzeichen an, ein grünes Band, auf das in Gold »Richter« aufgeprägt war. »Ich hab sogar eins für Tucker.« Sie befestigte es am Lederhalsband des Hundes.

Mrs. H. sah vorsichtig nach links und nach rechts, bevor sie auf Platz 175 fuhr, den Platz der Heptworths, der Familie von Harrys Mutter, die dem ersten Jagdrennen von Montpelier beigewohnt hatte, das 1928 auf einer Geländestrecke stattfand.

Harry und Tucker sprangen aus dem Wagen, duckten sich unter der weißen Absperrung hindurch, sprinteten über den weichen, gepflegten Rasen zu den anderen Bahnrichtern im Führring, den hohe Eichen zierten, deren Blätter noch orangerot und gelb gesprenkelt waren. In der Mitte standen ein kleines grünes Gebäude und ein Zelt, wo die Jockeys ihre Seidendressen anzogen und ihre Nummerndecken in Empfang nahmen. Entlang des Führrings waren in einem für die Sponsoren der Veranstaltung reservierten Bereich große gestreifte Zelte aufgestellt. Harry konnte den Schinken riechen, der in einem Zelt brutzelte, und hoffte, daß sie Zeit haben würde, hineinzuhuschen, um frische Schinkenbrötchen und eine Tasse heißen Tee zu sich zu nehmen. Obwohl es sonnig war, ließ ein leichter Wind ihr Gesicht frösteln.

»Harry!« Fair Haristeen, ihr Exmann und der Rennbahntierarzt, schritt auf sie zu; er sah aus wie Thor persönlich.

»Hi, Schatz. Ich bin zu allem bereit.«

Bevor der blonde Riese antworten konnte, kamen Chark Valiant und seine Schwester Adelia vorbei.

Chark, sogenannt, weil er der sechste Charles Valiant war, umarmte Harry. »Wie schön, dich zu sehen, Harry. Das ist ein großartiger Tag für Hindernisrennen.«

»Allerdings.«

»Ach, sieh an, Tucker.« Addie kniete sich hin, um sie zu streicheln. »Deinem Richterspruch vertraue ich allezeit.«

»Einem Corgirichter oder einem Richter Corgi?« fragte Chark in neckischem Ton.

»Dem besten Corgi«, antwortete der kleine Hund lächelnd.

»Bist du bereit?« Harry sah Addie an, die demnächst einundzwanzig wurde und ihrem älteren Bruder in die Welt der Hindernisrennen gefolgt war. Er war der Trainer, sie der Jockey, begabt und mutig.

»Das ist unser Montpelier.« Sie strahlte, Sonne und Wind hatten bereits Falten in ihr junges Gesicht gegraben.

»Mim ist am aufgeregtesten von allen.« Chark lachte, weil Mim Sanburne, die mehr Pferde besaß, als sie zählen konnte, vor den Rennen nervöser auf und ab trippelte als die Pferde.

»Wir haben sie unterwegs überholt. Hatte den Anschein, als wollte sie zum großen Haus.« Harry meinte Montpelier.

»Ich weiß nicht, wie sie mit ihren Dutzenden von Komitees klarkommt. Ich dachte, Monticello sei ihr Lieblingsprojekt.« Fair fuhr sich mit den Händen durchs Haar, dann setzte er seine Kappe wieder auf.

»Ist es auch, aber sie hat versprochen, einige Kandidaten herumzuführen, und das Personal von Montpelier ist überlastet.« Harry mußte nicht erklären, daß in diesem Wahljahr jeder, der für ein öffentliches Amt kandidierte, und sei es als offizieller Hundefänger, eher sterben würde, als die Rennen zu verpassen und sich die Gelegenheit entgehen zu lassen, ein Foto von sich am Haus der Madisons in die Lokalzeitung zu bringen.

»So, ich muß in den Stall.« Chark klopfte Harry auf die Schulter. »Komm zu mir, wenn die Rennen vorbei sind. Ich hoffe, wir werden was zu feiern haben.«

»Klar.«

Fair, der von Colbert Mason, dem Präsidenten des Nationalen Jagd- und Hindernisrennverbandes, fortgerufen wurde, winkte und ließ Harry und Addie allein.

»Adelia!« rief Arthur Tetrick, dann bemerkte er Harry, und ein breites Lächeln ging über sein kantiges, feines Gesicht.

Während er herankam, um mit »den Mädels«, wie er sie nannte, zu plaudern, nickte und winkte Arthur den Leuten zu. Der beliebte Rechtsanwalt war nicht nur Rennbahndirektor von Montpelier, sondern häufig auch Bahnrichter bei anderen Hindernisrennen. Als Testamentsvollstrecker von Marylou Valiant war er zudem der Vormund ihrer beiden Kinder – der Vater lebte nicht mehr –, bis Adelia in diesem Monat einundzwanzig würde und ihr beträchtliches Erbe antrat. Obwohl Chark älter war als seine Schwester, kam auch er vor Addies Geburtstag nicht an sein Geld heran. Seine Mutter war der Meinung gewesen, daß Männer, da sie langsamer reifen, ihr Erbe später antreten sollten. Sie hätte nicht falscher liegen können, was ihre Sprößlinge betraf, denn Charles war besonnen, wenn nicht gar geizig, wogegen Addies Lebensphilosophie das finanzielle Äquivalent zum Bibelspruch »schauet die Lilien auf dem Felde« war. Doch Marylou, die vor fünf Jahren verschwunden und für tot erklärt worden war, hatte entscheidende Jahre in der Entwicklung ihrer Kinder verpaßt. Sie hatte nicht wissen können, daß ihre Theorie in diesem Fall umgekehrt zutraf.

»Ah, wie aus dem Ei gepellt«, neckte Addie ihren Vormund, während sie seine Weste und sein Sakko aus feinem englischen Tweed begutachtete.

»Ich kann nicht schäbig herumlaufen. Mrs. Scott würde zurückkommen und mir die Hölle heiß machen. Harry, es freut uns, daß Sie uns heute aushelfen.«

»Mach ich doch gern.«

Er legte seine Hand auf Addies schmale Schulter und murmelte: »Morgen – eine kleine Sitzung.«

»Ach, Arthur, du willst immer nur über Aktien reden und Obligationen und –«, sie äffte seine ernste Stimme nach, als sie rezitierte: »– NIE DAS KAPITAL ANRÜHREN. Das hängt mir zum Hals raus! So was Langweiliges.«

Er kicherte. »Trotzdem, wir müssen vor deinem Geburtstag noch einmal über deine Verantwortung reden.«

»Warum? Wir reden einmal im Monat über diesen Mist.«

Arthur zuckte die Achseln, seine strahlenden Augen suchten Unterstützung bei Harry. »Wein, Weib und Gesang sind die Laster der Männer. In deinem Fall sind es Pferde, Jockeys und Gesang. Du wirst keinen Penny mehr übrig haben, wenn du vierzig bist.« Sein Ton war locker, doch sein Blick war eindringlich.

Bedachtsam trat Addie einen Schritt zurück. »Fang bloß nicht von Nigel an.«

»Nigel Danforth ist so attraktiv wie eine Investition in der Wüste Gobi.«

»Ich mag ihn.« Sie preßte die Lippen zusammen.

Arthur schnaubte. »Sich zu verantwortungslosen Männern hingezogen fühlen ist ein Laster der Frauen in eurer Familie. Nigel Danforth ist deiner nicht wert, und –«

Addie schob ihren Arm durch Harrys, während sie Arthurs Satz für ihn beendete: »– er hat es bloß auf dein Geld abgesehen, glaub mir.« Sie seufzte aufgebracht. »Ich muß mich fertigmachen. Wir können nach den Rennen darüber streiten.«

»Es gibt nichts zu streiten. Absolut nichts.« Arthurs Ton wurde milder. »Hals- und Beinbruch. Wir sehen uns nach den Rennen.«

»Bestimmt.« Addie bugsierte Harry zur Waage, während Arthur sich zu Fair und den anderen vergnügten Bahnrichtern begab. »Du wirst Nigel mögen – du kennst ihn noch nicht, oder? Arthur ist ein alter Trottel, wie immer.«

»Er ist besorgt um dich.«

»Na, prima.« Addies Miene hellte sich auf. »Nigel reitet für Mickey Townsend. Hat gerade bei ihm angefangen. Ich hab ihm aber geraten, sich am Ende jedes Tages auszahlen zu lassen. Mickey hat gute Pferde, aber er ist ständig pleite. Nigel ist neu, verstehst du – er kommt aus England.«

Harry lächelte. »Amerikaner nennen ihre Söhne nicht Nigel.«

Addie überhörte die spöttische Bemerkung. »Er hat eine ganz weiche Stimme. Wie Seide.«

»Wie lange bist du schon mit ihm zusammen?«

»Zwei Monate. Chark kann ihn nicht leiden, aber Charles der Sechste kann manchmal so verbohrt sein. Ich wollte, er und Arthur würden mich nicht dauernd bevormunden. Bloß weil ein paar von meinen früheren Freunden sich als Knallfrösche erwiesen haben.«

Harry lachte. »Tja, du weißt, man sagt, du mußt eine Menge Frösche küssen, bevor du den Prinzen findest.«

»Besser ein armer Prinz als ein reicher Frosch.«

»Addie, Geld spielt dabei keine Rolle.« Sie hielt inne. »Aber Drogen. Nimmt Nigel welche? Man kann nicht vorsichtig genug sein.« Harry war immer dafür, das Kind beim Namen zu nennen.

Addie sagte rasch: »Ich nehme keine Drogen mehr«, dann wechselte sie das Thema. »Sag, kommt Susan heute?«

»Später. Reverend Jones will auch kommen. Die ganze Crozet-Truppe. Wir müssen Bazooka anfeuern.«

Chark winkte seine Schwester zu sich.

»Hups. Der große Bruder sieht mich an.« Sie ließ Harrys Arm los. »Harry, wir sehen uns nach den Rennen. Ich möchte dir Nigel vorstellen.«

»Also dann, bis nach den Rennen.« Harry ging, um sich ihren Posten zuweisen zu lassen.

Harry war wie üblich am östlichen Hindernis eingeteilt, das so hieß, weil es dem Osteingang zum Haupthaus am nächsten lag. Sie schwang sich über den Zaun zu den Zelten der Sponsoren, nahm sich ein Schinkenbrötchen und eine Tasse Tee, drehte sich zu schnell um, ohne hinzusehen, und stieß mit einem schlanken dunkelhaarigen Mann zusammen, der in Begleitung eines ihr bekannten Jockeys war.

»Verzeihung«, sagte sie.

»Schon wieder eine Frau, die über dich herfällt«, sagte Coty Lamont süffisant.

»Coty, du benutzt nicht das richtige Parfum. Alter Mist zieht keine Frauen an.« Der andere Mann sprach mit leichtem englischem Akzent.

Harry, die Coty – den derzeit besten Jockey – flüchtig kannte, lächelte ihn an. »Ich rieche das gern, Coty.«

Er erkannte sie, weil sie gelegentlich bei anderen Hindernisrennen arbeitete. »Die Dame von der Post.«

»Mary Minor Haristeen.« Sie streckte die Hand aus.

Er schüttelte sie. Er konnte seine Hand nicht ausstrecken, bevor sie ihm ihre reichte … so ungehobelt Coty auftrat, er beherrschte doch ein Minimum an Anstandsregeln.

»Und dies ist Nigel Danforth.«

»Freut mich, Mr. Danforth.« Harry gab ihm die Hand. »Ich bin eine Freundin von Addie.«

Ihre Mienen entspannten sich.

»Ah«, sagte Nigel nur und lächelte.

»Dann rein ins Vergnügen«, sagte Coty.

»Ah – ja«, sagte Harry leise, ein wenig verwirrt über den plötzlichen Enthusiasmus der Männer.

»Also, bis später.« Coty steuerte auf das Umkleidezelt der Jockeys zu.

Nigel blinzelte. »Addies Freunde …« Dann eilte auch er in das Zelt.

Harry sah den schmächtigen Männern nach, erstaunt, was für winzige Pos sie hatten. Sie wußte nicht, was sie von den beiden halten sollte. Ihr ganzes Auftreten hatte sich verändert, als sie Addie erwähnte. Als hätte sie das Kennwort eines exklusiven Clubs genannt.

Sie blinzelte, trank einen Schluck Tee, dann ging sie zur Ostseite des Zeltbereichs und stieg über die Absperrung. Tucker duckte sich unten durch.

»Komm, Tucker, überprüfen wir unser Hindernis, bevor die Horden einfallen.«

»Gute Idee«, sagte Tucker. »Du weißt ja, alle bleiben dauernd stehen, um ein paar Worte miteinander zu wechseln. Wenn du jetzt nicht da rüberkommst, kommst du nie rüber.«

Harry sah zu dem Hund hinunter. »Du hast eine Menge zu sagen.«

»Ja, aber du hörst nicht zu.«

Vom östlichen Hindernis aus konnte Harry die anfahrenden Autos nicht sehen, aber sie konnte den stetig anwachsenden Lärm hören. Froh, allein zu sein, biß sie in das saftige Schinkenbrötchen. Sie bemerkte Mim, die durch das Tor zum großen Haus in Richtung Rennbahn ging. Der wahltaktische Rundgang war wohl zu Ende, dachte sie, ein weiterer Grund, weshalb es ihr gefiel, im Hintergrund zu bleiben – kein Händeschütteln.

Die Arbeit im Postamt von Crozet bescherte Harry freie Wochenenden und ein Minimum an Plackerei. Das Postamt war samstags von acht bis zwölf geöffnet. Sally Dohner und Liz Beer wechselten sich samstags ab, so daß Harry zwei volle freie Tage genoß. Ihre Bekannten nahmen ihre Arbeit mit nach Hause, rieben sich auf, schufteten bis spät in die Nacht. Harry schloß die Tür des kleinen Postgebäudes auf der Hauptstraße von Crozet ab, fuhr nach Hause und vergaß die Arbeit bis zum nächsten Morgen. Wenn sie sich aufrieb, dann für ihre Farm am Fuß des Yellow Mountain oder wegen eines Problems mit einem Freund oder einer Freundin. Oft wurde ihr mangelnder Ehrgeiz vorgehalten, und sie gab ihren Kritikern ohne weiteres recht. Ihre Kommilitoninnen vom Smith College, die soeben anfingen, in New York, Boston, Richmond und weit entfernten Städten im Mittelwesten und Westen die Karriereleiter zu erklimmen, erinnerten sie daran, daß sie beim Schulabschluß zu den oberen zehn Prozent ihrer Klasse gehört hatte. Sie fanden, daß sie ihr Leben vergeudete. Sie fand, daß sie ihr Leben von innen heraus lebte. Es war ein erfülltes Leben. Sie legte einen anderen Maßstab an als ihre ehemaligen Kommilitoninnen.

Sie besaß etwas, was sie nicht hatten: Zeit. Natürlich besaßen sie etwas, was sie nicht hatte: Geld. Sie konnte sich nicht vorstellen, wie man beides haben konnte. Doch, Marilyn »Mim« Sanburne hatte beides, aber sie hatte soviel Geld geerbt, daß sie mehr besaß als Gott. Man mußte Mim zugute halten, daß sie klug damit umging, oft, um anderen zu helfen, doch um in den Genuß ihrer Großzügigkeit zu gelangen, mußte man ihre Überheblichkeit ertragen. Little Marilyn, in Harrys Alter, die im Schatten ihrer Mutter glimmte, hatte genug von guten Werken. Eine glühende Romanze würde Vorrang vor guten Taten haben, doch Little Mim, seit einiger Zeit geschieden, konnte den Richtigen nicht finden, oder vielmehr, ihre Mutter konnte den Richtigen nicht finden.

Harrys Lippen kräuselten sich. Sie hatte den Richtigen gefunden, der sich in den Falschen verwandelt hatte und nun wieder der Richtige werden wollte. Sie hatte Fair gern, wußte aber nicht, ob sie ihn jemals wieder würde lieben können.

Ein Donnern verkündete ihr, daß der Bledsoe/Butler Cup – 1600 Meter auf dem Gelände, 1000 Dollar für den Sieger – begonnen hatte. Sosehr sie versucht war, zur Geländestrecke zu laufen und zuzuschauen, wußte sie doch, daß sie an Ort und Stelle bleiben mußte.

»Tucker, ich hab mit offenen Augen geträumt, von der Ehe, von Männern« – sie seufzte –, »von Exgatten. Die Zeit ist mit mir davongaloppiert.«

Tucker spitzte die großen Ohren. »Fair liebt dich immer noch. Du könntest ihn noch mal ganz von vorne heiraten.«

Harry sah in die hellbraunen Augen. »Manchmal kommst du mir fast menschlich vor – als würdest du genau verstehen, was ich sage.«

»Manchmal kommst du mir fast hündisch vor.« Tucker erwiderte ihren Blick. »Aber du hast keinen Riecher, Harry.«

Harry lachte. »Bellst du mich an?«

»Ich sage dir, hör auf, so mit dem Kopf zu leben, das sage ich, jawohl. Warum du denkst, ich belle, ist mir unbegreiflich. Ich verstehe, was du sagst.«

Harry umarmte den stämmigen Hund und küßte das weiche Fell auf seinem Kopf. »Du bist wirklich ein ganz, ganz lieber Hund.«

Sie hörte den Rennbahnsprecher die Jockeys für das zweite Rennen aufrufen, die erste Abteilung des Marion duPont Scott Montpelier Cup, dotiert mit 10 000 Dollar, 3 500 Meter über Besen für sieglose Pferde von drei Jahren aufwärts. Sie sah die Menschen über den Hügel laufen. Viele Rennbegeisterte, vor allem die Kenner, wollten weg von der Masse und die Pferde beobachten.

Ein nagelneuer Landrover, dessen mitternachtsblauer Lack im Novemberlicht schimmerte, fuhr am Rand der Bahn. Harry konnte sich nicht vorstellen, wie jemand ein so teures Fahrzeug kaufen konnte. Sie sparte eisern, um den 78er Ford-Transporter zu ersetzen, der trotz seines Alters noch munter tuckerte.

Dr. Larry Johnson steckte den Kopf aus dem Beifahrerfenster des Landrover. »Alles klar?«

Harry salutierte. »Ja, Sir.«

»Hallo, Tucker«, sagte Larry zu dem treuäugigen Hund.

»Hi, Doc.«

»Wir haben ungefähr zehn Minuten.« Larry wandte sich Jim Sanburne zu, Mims Ehemann und Bürgermeister von Crozet, der am Steuer saß. »Nicht, Jim?«

»Könnte hinkommen.« Jim lehnte sich zum Beifahrerfenster hinüber, seine massige Gestalt verdeckte das Licht von der Fahrerseite. »Harry, Sie wissen, daß Charles Valiant und Mickey Townsend sich zanken wie Katze und Hund, also achten Sie gut auf die Rennen, für die beide Nennungen haben.«

»Worum geht’s?« Harry hatte nichts von dem Streit gehört.

»Keine Ahnung. Diese verdammten Trainer sind die reinsten Primadonnen.«

»Mickey hat Chark beschuldigt, er hätte Addie angewiesen, letztes Jahr beim Maryland Hunt Cup seinen Jockey zu behindern. Sein Pferd hat beim sechsten Hindernis gezögert und konnte es dann nicht ganz packen«, erklärte Larry.

»Mickey ist ein schlechter Verlierer«, sagte Jim brummend zu Larry. »Der bricht einem die Finger, wenn man ihn beim Damespiel schlägt – vor allem, wenn’s dabei um Geld geht.«

Harry seufzte. »Das reicht noch weiter zurück.«

»Stimmt. Charles haßt Mickey seit der allerersten Verabredung, die Mickey mit seiner Mutter hatte.« Jim fuhr mit dem Finger unter seinem Gürtel entlang. »So was nimmt manche Söhne ganz schön mit. Aber Charles hatte allen Grund zu der Sorge, daß Townsend nur ihr Geld wollte.«

»Chark verstand nicht, wie sie Mickey Arthur vorziehen konnte.« Larry Johnson erinnerte sich an die Romanze, die vor sieben Jahren begonnen und mit Erschütterung und Entsetzen für jedermann geendet hatte. »Ich schätze, jede Frau, die Arthur mit Mickey vergleicht, wird Mickey den Vorzug geben. Ich glaube nicht, daß es etwas mit Geld zu tun hatte.«

»Können Sie auf Anhieb sagen, welche Rennen –«

Bevor Harry ihre Frage beenden konnte, dröhnte Jim Sanburnes Baß: »Das dritte, das fünfte und das sechste.«

»Nigel Danforth reitet für Townsend«, fügte Larry hinzu.

»Das hat Addie mir erzählt«, sagte Harry.

Jim lächelte. »Und Sie haben von den beiden gehört.«

»Am Rande. Ich weiß, daß Addie verrückt nach ihm ist.«

»Ihr Bruder nicht.« Larry verschränkte die Arme.

»Ach je, Alltag in Virginia.« Harry schlug gegen die Tür des Landrover.

»Ein wahres Wort«, sagte Jim. »Man stecke zwei Virginier in einen Raum, und man bekommt fünf Meinungen.«

»Nein, Jim, man stecke Sie in einen Raum, und man bekommt fünf Meinungen«, frotzelte Larry.

Jim lachte. »Ich bin nur Bürgermeister einer Kleinstadt und gebe die verschiedenen Meinungen meiner Wähler wieder.«

»Wir kommen nach dem ersten Rennen vorbei. Brauchen Sie etwas? Essen? Getränke?« fragte Larry, während Jim noch vor sich hin lachte.

»Nein danke.«

»Okay, Harry, dann hole ich Sie in ungefähr einer halben Stunde ab.« Jim fuhr den Hügel hinauf, Larry winkte.

Harry stemmte die Hände in die Hüften und dachte nach. Jim, über sechzig, und Larry, über siebzig, kannten sie seit ihrer Geburt. Sie kannten Harry in- und auswendig, und Harry kannte sie ebenso. Das war auch ein Grund, weshalb ihr nichts daran lag, Queen der Madison Avenue zu sein. Sie gehörte hierher zu ihren Leuten. Es gab eine Menge, das nicht ausgesprochen werden mußte, wenn man mit den Menschen so vertraut war.

Diese abgekürzte Form der Verständigung traf nicht für Boom Boom Craycroft zu, die über die Hügelkuppe gesegelt kam wie ein voll aufgetakelter Clipper. Da Boom Boom einmal eine Affäre mit Harrys Exmann gehabt hatte, gehörte die üppige, große und elegante Frau nicht zu Harrys Lieblingen auf dieser Erde. Boom Boom schwelgte im emotionalen Gepränge des Lebens. Heute schwelgte sie in dem herzhaften Vergnügen, sich auf Harry zu stürzen, die sich ihr nicht entziehen konnte, weil sie Bahnrichterin war.

»Harry!« Boom Boom kreuzte herüber, ihre ebenmäßigen weißen Zähne blitzten, ihr schweres, teures rotes Cape wehte sanft im leichten Wind.

»Hi, Boom.« Harry kürzte ihren Spitznamen ab, den sie ihr in der High School gegeben hatten, weil ihre großen Brüste bei jedem Schritt zu wummern schienen, bumm-bumm. Die Jungs waren verrückt nach ihr gewesen.

»Du bist richtig angezogen für deinen Job.« Boom Boom taxierte Harrys gebügelte Jeans und ihre Gummistiefel mit den hohen Schäften, die bei Damenstiefeln nur zwanzig Zentimeter hoch waren, was Harry ärgerte, da sie auf der Farm gut und gern dreißig Zentimeter hätte gebrauchen können; nur Herrenstiefel hatten Schäfte von dreißig Zentimetern. Harry trug außerdem ein seidenes Unterhemd, einen gebügelten wollenen Umhang mit Schottenmuster – MacLeod – und eine Daunenweste in Rot. Wenn der Tag wärmer wurde, würde sie ihre Schichten abwerfen.

»Boom, Boom, ich ziehe mich immer so an.«

»Ich weiß«, lautete die ätzende Antwort der Frau, die von oben bis unten in Versace steckte. Allein ihre Krokodillederstiefel hatten über tausend Dollar gekostet.

»Ich habe nicht dein Budget zur Verfügung.«

»Selbst wenn du es hättest, würdest du genauso rumlaufen.«

»Also, Boom, was ist los? Kommst du hierher, um mir einen Schnellkurs in Mode zu verpassen, mich mit Unbehagen zu strafen, oder willst du was von Tucker?«

Tucker drückte sich eng an ihre Mutter. »Sie hat zuviel Parfüm drauf, Mom. Sie verstopft mir die Nase.«

Boom Boom beugte sich herunter, um den seidigen Kopf zu streicheln. »Tucker, du siehst beeindruckend aus mit deinem Richterabzeichen.«

»Boom, die falschen Fingernägel müssen weg«, entgegnete der Hund.

»Ich bin hier, um das erste Rennen von hinten zu beobachten.«

»Krach mit Carlos?«

Boom Boom war mit einem reichen Südamerikaner zusammen, der in New York und Buenos Aires lebte.

»Er ist dieses Wochenende nicht hier.«

»Dann bist du also auf Angeltour?« Boom Boom gabelte gerne Männer auf.

»Du kannst so ekelhaft sein, Harry. Das ist kein schöner Zug von dir. Ich bin hier, um unsere Beziehung zu kitten.«

»Wir haben keine Beziehung.«

»O doch.«

»Sie stellen sich auf, das Startband ist oben«, erklang die Stimme des Rennbahnsprechers, während er auf das endgültige Hochschnellen des Bandes wartete, »und das Rennen ist gestartet.«

»Ich muß bei diesem Rennen arbeiten.« Harry schob Boom Boom gewaltsam zur Seite, dann nahm sie ihren Posten auf der Barriere ein, die mit dem Hindernis genau auf gleicher Höhe lag. Stürzte ein Reiter, konnte sie den Jockey schnell erreichen, sobald alle anderen Pferde über das Hindernis gesetzt hatten, während die Begleitreiter dem durchgegangenen Pferd nachjagten.

Die ersten Sprünge lockerten die Pferde auf und beruhigten die Jockeys. Bis sie Harrys Hindernis erreichten, würde der Kampf um die besseren Positionen in vollem Gang sein. Das erste Hindernisrennen ging über eine Strecke von 3 500 Meter; die Teilnehmer würden nur einmal an Harrys Hindernis vorbeikommen. Das erste Rennen war ein Flachrennen. Harry konnte diesem Eröffnungsrennen nicht zusehen, weil es zu lange dauern würde, bis sie für das zweite Rennen auf ihren Posten zurückgekehrt war, dem Beginn der eigentlichen Hindernisrenn-Veranstaltung. Dieses Rennen und alle anderen, bis auf das fünfte, den Virginia Hunt Cup, gingen über Besen, womit die künstlichen Grand-National-Hindernisse gemeint waren, die vor einigen Jahren das natürliche Gebüsch ersetzt hatten. Der Grund der Umstellung war, daß das natürliche Buschwerk eine unterschiedliche Dichte hatte. Weil die Hindernispferde diese Hürden regelrecht streiften, konnte jede Unregelmäßigkeit in Struktur, Tiefe oder Festigkeit einen Sturz oder eine Verletzung hervorrufen. Die Grand-National-Zäune gaben den Pferden eine gewisse Sicherheit. Bei festen Hindernissen hingegen mußten die Pferde die ganze Hürde glatt überspringen. Auch wenn die oberen Bretter auf der Rückseite eingekerbt waren, so daß sie nachgaben, wenn sie richtig berührt wurden, wünschte weder Trainer noch Jockey, daß sein Pferd ein festes Hindernis streifte.

Harry hörte die Menge. Dann hörte sie in der Ferne das Donnern. Die Erde bebte. Das Gefühl jagte ihr Schauder über den Rücken, und einen Augenblick später bogen die Pferde um die Ecke, ein Farbenspiel aus Braunen, Füchsen und Sealbraunen in bester Kondition, ihre Hufe griffen aus, die Galoppsprünge wurden länger. Sie erkannte die purpurnen Rennfarben von Mim Sanburne ebenso wie Addies entschlossenen Blick. Die Urquharts, Mims Familie, waren von Anfang an Mitglieder gewesen, als der Jockey Club sich 1894 formierte, daher liefen ihre Pferde mit kräftigen Farben. Harry sah auch die anderen Farben: Smaragdgrün mit einem roten Ring um die Brust, Blau mit gelben Tupfen, Gelb mit einer diagonalen schwarzen Schärpe, intensive Farben, die im Wind wogten und den Eindruck von Geschwindigkeit, Schönheit und Kraft erhöhten.

Die ersten drei Pferde setzten über das Gebüsch, ihre Hufe berührten die Spitze der künstlichen Zeder und erzeugten ein eigentümliches schwirrendes Geräusch, dann hörte sie das beruhigende Bump-bump, als die Vorderfüße auf der Erde auftrafen, gefolgt von den hinteren. Die drei in Führung liegenden Pferde preschten fort, und der Rest des Feldes nahm das Hindernis, ein zum Leben erwecktes Degas-Gemälde.

Harry stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. Niemand stürzte an ihrer Hürde. Keine Behinderungen. Als die Hufschläge verklangen und es wieder bergauf ging zu den letzten Hindernissen und zur Zielgeraden, tobte die Menge, während der Rennkommentator die Plazierungen der Pferde bekanntgab.

»Ransom Mine schließt dicht auf, doch Devil Fox bleibt in Führung, und hier kommen sie in die Gerade, und Ransom Mine ist zwei Längen zurück, aber oh, was für ein enormes Tempo, Devil Fox ist einfach nicht zu schlagen!«

»Hurra für Mim!« flüsterte Harry. »Ein guter zweiter Platz.«

Boom Boom trat an ihre Seite. »Sie hat nicht viel von Ransom Mine erwartet, oder?«

»Sie hat ihn ja erst sechs Monate. Sie hat ihn in Maryland aufgetrieben, glaube ich.«

»Der Trainerwechsel hat geholfen«, sagte Boom Boom, »Chark trainiert wirklich gut für sie.«

»Will und Linda Forloines laufen immer noch herum und verbreiten Horrorgeschichten, wieviel sie für Mim getan haben, wie niederträchtig es von ihr war, sie zu feuern.« Harry schüttelte den Kopf, als sie an Mims früheren Trainer dachte und seine Frau, einen Jockey. »Will konnte seinen Hintern nicht mal mit beiden Händen finden.«

»Nein, aber das Scheckheft fand er mühelos«, sagte Boom Boom. »Und ich glaube nicht, daß Will eine Ahnung hat, wieviel Linda mit dem Verkauf von Kokain verdient oder wieviel sie selbst nimmt.«

»Sie können von Glück sagen, daß Mim sie nicht gerichtlich belangt, nachdem sie die Stalleinnahmen dermaßen eingesackt haben.«

»Sie würde Tausende von Dollar für das Verfahren ausgeben und trotzdem keinen Penny wiedersehen. Sie haben alles verschleudert. Mims Rache wird sein, zuzusehen, wie sie sich zugrunde richten. Mim ist zu klug, um sich direkt mit Drogensüchtigen anzulegen. Sie wartet, bis sie sich selbst umbringen – oder sich in Behandlung begeben. Gott sei Dank hat Addie sich behandeln lassen.«

»Ja«, sagte Harry kurz angebunden. Sie konnte Menschen nicht ausstehen, die andere ausnutzten und sich damit rechtfertigten, daß die Leute, die sie bestahlen, reich seien. Wenn sie die Zehn Gebote richtig in Erinnerung hatte, hieß eins: Du sollst nicht stehlen. Es hieß nicht: Du sollst nicht stehlen, außer wenn der Arbeitgeber reich ist. Will und Linda Forloines trieben sich nach wie vor in der Welt der Hindernisrennen herum. Vergangenes Jahr hatte Will sich dazu erniedrigen müssen, in einem Verbrauchermarkt außerhalb von Middleburg zu arbeiten. Schließlich hatten sie sich an einen reichen Arzt geheftet, der von New Jersey hierhergezogen war und »in Pferden machen« wollte. Der Ärmste.

»Sie sind hier.«

»Hier?« sagte Harry. Boom Booms tiefe Stimme könnte einen einlullen, so süß ist sie, dachte sie.

»Man sollte meinen, sie wären so vernünftig, sich nicht blicken zu lassen.«

»Will war noch nie der Hellste.« Harry zog ihre Daunenweste aus, und Boom Boom wechselte das Thema.

»Ich bin gekommen, um dir zu sagen, es tut mir leid, daß ich ein Verhältnis mit Fair hatte, aber das war nach eurer Scheidung. Er ist ein lieber Kerl, bloß, wir haben nicht zusammengepaßt. Ich hatte keine ernsthafte Beziehung gehabt, seit Kelly tot ist, und ich mußte mal wieder was in die Finger kriegen.«

Harry glaubte nicht, daß es Boom Booms Finger waren, die Fair fasziniert hatten, aber sie widerstand dem Drang, sich dazu zu äußern. Auch glaubte sie keine Minute, daß die Beziehung wundersamerweise gleich nach der Scheidung begonnen hatte. »Verstehst du, wie mich das aufgeregt hat?«

»Nein. Du hast dich von ihm scheiden lassen.«

»Das heißt noch lange nicht, daß ich über ihn weg war, verdammt noch mal!« Harry beschloß, das genaue Datum von Boom Booms Liaison mit Fair nicht zu ermitteln. Wenigstens waren sie erst nach der Scheidung öffentlich aufgetreten.

»Warum läßt du es an mir aus? Laß es an ihm aus.«

»Hab ich, mehr oder weniger.«

»Und, Harry, was ist mit den Frauen, hm, während ihr verheiratet wart? Das waren deine Feindinnen, nicht ich.«

»Habe ich jemals behauptet, ich wäre emotional reif?« Harry verschränkte die Arme; Tucker verfolgte aufmerksam das Gespräch.

»Nein.«

»Also.«

»Also was?«

»Also, dich konnte ich sehen. Die Techtelmechtel, die er hatte, als wir verheiratet waren, konnte ich nicht sehen. Ich war wütend auf dich für alle zusammen, nehm ich an. Ich habe nie gesagt, daß es richtig von mir war, wütend auf dich zu sein, aber das war ich nun mal.«

»Du bist es immer noch.«

»Nein, bin ich nicht.« Was halb gelogen war.

»Du hast dich jedenfalls nie bemüht, nett zu mir zu sein.«

»Ich bin höflich.«

»Harry, wir sind beide in Virginia geboren und aufgewachsen. Du weißt genau, was ich meine.« Und Boom Boom hatte recht. Man konnte korrekt, aber kühl sein. Die Virginier waren darin geübt, einander mit musterhafter Eleganz zu schneiden.

»So, und da wir beide in Virginia aufgewachsen sind, verstehen wir es, Themen wie dieses zu meiden, Boom Boom. Ich habe nicht das Bedürfnis, mit dir oder sonst jemand meine Emotionen zu ergründen.«

»Genau!«

Harry blinzelte in das triumphierende Gesicht. »Fang jetzt bloß nicht bei mir damit an.«

»Wir müssen unserer Erziehung entwachsen. Wir müssen unsere unterdrückte Natur abwerfen oder durchbrechen. Du kannst deine Emotionen nicht in dir verschließen, sie werden an dir nagen, bis du krank wirst oder vertrocknest wie einige Leute, die ich nennen könnte.«

»Ich bin kerngesund.«

»Du bist aber nicht mehr zwanzig. Du hältst diese Emotionen schon zu lange in dir verschlossen.«

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Personen der Handlung

Mary Minor Haristeen (Harry), die junge Posthalterin von Crozet, die mit ihrer Neugierde beinahe ihre Katze und sich selbst umbringt

Mrs. Murphy, Harrys graue Tigerkatze, die eine auffallende Ähnlichkeit mit der Autorin Sneaky Pie aufweist und einmalig intelligent ist

Tee Tucker, Harrys Welsh Corgi, Mrs. Murphys Freundin und Vertraute, eine lebensfrohe Seele

Pharamond Haristeen (Fair), Tierarzt, ehemals mit Harry verheiratet

Mrs. George Hogendobber (Miranda), eine Witwe, die emphatisch auf ihrer persönlichen Auslegung der Bibel beharrt

Market Shiflett, Besitzer von Shiflett’s Market neben dem Postamt

Pewter, Markets dicke graue Katze, die sich notfalls auch von der Futterschüssel lösen kann

Susan Tucker, Harrys beste Freundin, die das Leben nicht allzu ernst nimmt, bis ihre Nachbarn ermordet werden

Big Marilyn Sanburne(Mim), Queen von Crozet

Rick Shaw, Bezirkssheriff von Albemarle County

Officer Cynthia Cooper, Polizistin

Herbert C. Jones, Pastor der lutherischen Kirche von Crozet, ein gütiger, sparsamer Mensch, von dem man weiß, daß er seine Predigten mit seinen zwei Katzen Lucy Fur und Eloquenz verfaßt

Arthur Tetrick, Rechtsanwalt und vornehmer Funktionär bei Hindernisrennen

Charles Valiant (Chark), ziemlich jung für einen Hindernistrainer, aber sehr talentiert

Adelia Valiant (Addie), wird im November einundzwanzig und katapultiert damit sich und Chark in den Genuß einer beträchtlichen Erbschaft. Sie ist ein Jockey – eigensinnig und impulsiv

Marylou Valiant, Charks und Addies Mutter, die vor fünf Jahren verschwand

Mickey Townsend, ein Trainer, der von Addie sehr geliebt und von Charles sehr verachtet wird

Nigel Danforth, vor kurzem aus England eingetroffen, reitet für Mickey Townsend

Coty Lamont, der beste Hindernisjockey des Jahrzehnts

Linda Forloines, Lügnerin der gemeinsten Sorte, deren höchster Wert der Dollar ist

Will Forloines, auf demselben ethischen Niveau wie seine Frau, aber auf einer niedereren Intelligenzstufe

Bazooka, ein heißes Rennpferd im Besitz von Mim Sanburne

Orion, Mims Jagdpferd, das einen pferdischen Sinn für Humor aufweist

Rodger Dodger, Mims alternder rotbrauner Stallkater, seit neuestem verjüngt durch seine Freundin Pusskin

Pusskin, eine schöne Schildpattkatze, die Rodger anbetet und Mrs. Murphy nervt