Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 539 - Yvonne Uhl - E-Book

Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 539 E-Book

Yvonne Uhl

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Beschreibung

Mit feierlicher Miene breitet Ingrid Sporkendorf das Programm ihrer Verlobungsfeier vor ihrer jüngeren Schwester aus. Alles soll reibungslos klappen an diesem Abend, schließlich werden hochkarätige Gäste anwesend sein. Zuletzt ermahnt sie Katrin, sich entsprechend vornehm zu benehmen und bloß keinen Skandal anzuzetteln.
Schweren Herzens gibt Katrin der Schwester das Versprechen, obwohl sie weiß, dass jede Minute der Feier eine Qual für sie sein wird. Schließlich wird auch Roman Graf Erlenau unter den Gästen sein - ein Herzensbrecher und Betrüger ...


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Inhalt

Cover

Entführung am Verlobungsabend

Vorschau

Impressum

Entführung am Verlobungsabend

Ein packendes Schicksal um zwei Liebende

Mit feierlicher Miene breitet Ingrid Sporkendorf das Programm ihrer Verlobungsfeier vor ihrer jüngeren Schwester aus. Alles soll reibungslos klappen an diesem Abend, schließlich werden hochkarätige Gäste anwesend sein. Zuletzt ermahnt sie Katrin, sich entsprechend vornehm zu benehmen und bloß keinen Skandal anzuzetteln.

Schweren Herzens gibt Katrin der Schwester das Versprechen, obwohl sie weiß, dass jede Minute der Feier eine Qual für sie sein wird. Schließlich wird auch Roman Graf Erlenau unter den Gästen sein – ein Herzensbrecher und Betrüger ...

Alles ist anders geworden, seitdem Katrin wieder zu Hause ist, dachte Ingrid Sporkendorf.

Sie ordnete ihr Haar vor dem Spiegel und lauschte nach nebenan, wo ihre jüngere Schwester Katrin laut ein Lied trällerte. Es war ein altes Kinderlied.

»Der Kuckuck und der Piedewitt,

das sind zwei lust'ge Brüder,

Ich habe meinen Schatz verlor'n.

Ich find' schon einen wieder ...«

Der dunkelhaarigen Ingrid riss der Geduldsfaden. Sie sprang auf, machte ein paar Schritte über den Flur und stieß die Tür zum Zimmer ihrer Schwester auf.

»Katrin, das ist ja nicht zum Aushalten!«, rief sie.

Die zwanzigjährige Katrin stand in der Mitte ihres geräumigen Eckzimmers und war angetan mit einer lila Stola, einem Federbusch auf dem Kopf und einem ausgeschnittenen, knöchellangen Atlas-Nachthemd.

Zwischen den Lippen hielt sie eine lange Zigarettenspitze.

Die mondäne Aufmachung Katrins wollte so gar nicht zu dem fröhlichen Kinderlied passen.

»Bist du eigentlich noch normal?«, fragte Ingrid erschöpft. »Du, ich habe einen anstrengenden Arbeitstag hinter mir, Katrin. Ich brauche Ruhe.« Sie warf der Schwester einen anklagenden Blick zu.

Katrin wandte ihr das ovale, noch so kindlich wirkende Gesicht zu.

»Das musst du doch verstehen, Ingrid«, seufzte sie. »Ich muss üben. Ich will doch in der übernächsten Woche im Theater vorsprechen.«

Ingrid lehnte sich an den Türrahmen und betrachtete ihre bildhübsche Schwester.

Katrin war goldblond, hatte übermütige blaue Augen und einen schelmischen Mund. Immer war sie zu Späßen aufgelegt.

»Das ist doch eine fixe Idee von dir«, schalt Ingrid. »Du willst wirklich Schauspielerin werden? Gestatte bitte, dass ich lache.«

Stumm sahen sich die Schwestern an.

Die dunkelhaarige, überschlanke, elegante Ingrid wirkte in ihrem selbstbewussten Auftreten sehr kühl. Sie war Abteilungsleiterin, und das hatte sie in erster Linie ihrer Tüchtigkeit zu verdanken und nicht der Tatsache, dass die Reederei, in der sie tätig war, ihrem Vater gehörte.

Es wollte ihr einfach nicht in den Kopf hinein, dass eine Zwanzigjährige noch so kindisch sein konnte.

»Man scheint dich im Internat in Freiburg sehr weltfremd erzogen zu haben«, fuhr Ingrid fort. »Du hast Launen, liebes Schwesterchen. Aus dir wird nie eine gute Schauspielerin. Doch ich will dir zugutehalten«, unterbrach sie sich, »dass du eine künstlerische Ader hast. Deshalb will dich Papa ja auch in der Werbeabteilung unterbringen.«

Katrin wickelte sich mit mürrischem Gesicht aus der lilafarbigen Stola.

»Dass du immer an mir herummäkeln musst«, beschwerte sie sich. »Ich kann doch nichts dafür, dass ich Mama nachgerate und nicht unserem tüchtigen Papa.«

Ingrid schwieg.

Katrin hatte einfach den Ernst des Lebens noch nicht begriffen. Sie lebte in einem Elfenbeinturm und scheute sich, ihn zu verlassen.

»Angenommen, du bestehst die Prüfung an der Schauspielschule nicht, Katrin«, begann sie vorsichtig, trat in das Zimmer ihrer Schwester und drückte die Tür hinter sich zu, »dann müsstest du dir doch endlich konkrete Gedanken über deine Zukunft machen, nicht wahr?«

Katrin kam näher. Sie hatte schöne Schultern und ein ebenmäßiges, wohlgeformtes Dekolleté.

Ingrid starrte sie an. Noch hatte Katrin keinen Verehrer, denn sie war erst drei Wochen nach ihrer Internatsentlassung wieder zu Hause, aber bald würden die Freier Schlange stehen.

Mir ist diese lockende, die Männer anziehende Schönheit nicht gegeben, dachte Ingrid neidlos. Ich bin eben ein anderer Typ. Wäre ich doch ein Junge geworden! Papa hat sich so einen Sohn gewünscht.

»Ich werde die Prüfung bestehen«, erklärte Katrin überzeugt. »Ich werde den Gretchen-Monolog sprechen.« Sie verstellte die Stimme und deklamierte in theatralisch-klagendem Ton: »Meine Ruh' ist hin, mein Herz ist schwer ...«

»Katrin«, unterbrach Ingrid streng, »verschone mich bitte mit deinen Klassikern. Ich ertrage es einfach nicht. Du jagst Hirngespinsten nach ...« Sie sah Katrin in die blauen, verträumten Augen. »Wer nach den Sternen greift, bleibt immer mit leeren Händen zurück. Katrin, wach auf!«, mahnte die Fünfundzwanzigjährige eindringlich. »Wir haben das Glück, einen tüchtigen, vermögenden Vater zu besitzen, der die Güte in Person ist. Warum zeigst du dich so widerspenstig? Ahnst du denn nicht, wie schwer es ihm ums Herz ist? Ich bin bestimmt auf dem rechten Wege, Katrin, aber du?«

Katrin seufzte. Sie sah die Schwester nachdenklich an.

»Wer bestimmt denn, Ingrid, welcher Weg falsch und richtig ist? Natürlich könnte ich in Papas Werbeabteilung eintreten und dort versuchen, etwas Vernünftiges zu tun, aber es würde mir keine Freude machen. Man soll einen Menschen einfach nicht in einen Beruf zwingen, den er nicht mag.«

Ingrid starrte sie an. Ihre Nerven waren zum Zerreißen gespannt.

»Du bist leider eine kleine Traumtänzerin«, schalt sie. »Unserem Vater würde es eine solche Beruhigung sein, wenn er sein Lebenswerk in die Hände seiner beiden Töchter legen könnte.«

Sekundenlang verlor Katrin ihre strahlende Laune.

»An Papa brauchst du mich wirklich nicht zu erinnern«, schmollte sie. »Ich habe ihn bestimmt ebenso lieb wie du.«

»Ja, ich weiß. Du bist sein kleiner Sonnenschein«, erwiderte Ingrid mit spöttischem Lächeln.

Jetzt brach wieder einmal die alte, verdrängte Eifersucht auf die Jüngere in ihr auf. Immer war die quicklebendige, süße Katrin ihr vorgezogen worden. Von ihr, der um fünf Jahre älteren Ingrid, hatte kaum jemand Notiz genommen. Als Ältere hatte sie vernünftig, klug und besonnen zu sein und der »lieblichen Schwester« ein gutes Beispiel zu geben.

Sie blickte auf und begegnete Katrins verwundertem Blick.

»Was hast du bloß, Ingrid?«, fragte sie.

Katrin ahnt natürlich nicht, dass sie mir immer vorgezogen wurde, durchfuhr es Ingrid. Papa hält große Stücke auf mich, er kann sich auf mich verlassen, und ich bin ihm ein wirklicher Halt und unentbehrlich geworden.

Wie gern hätte sie Katrin beeinflusst, dass sie sich endlich für einen Beruf entschied, damit der Vater einen tiefen Seufzer der Erleichterung tun konnte. Denn ihren Vater, den bekannten und hochgeachteten Reeder Christoph Sporkendorf, bewunderte sie grenzenlos.

»Du wirst bestimmt niemals eine Schauspielerin«, erklärte Ingrid erschöpft. »Erzähl bloß Papa nichts davon, hörst du? Er macht so große Pläne für uns, und er hat doch nur noch dich und mich!«

Mit Schwung ließ sich Katrin auf ihr Himmelbett fallen.

»Ingrid, dein Ernst steht mir nicht. Jeder Mensch hat Träume und Wünsche, und was kann ich dafür, dass sie von deinen so verschieden sind?« Sie krauste das Näschen. »Ich könnte einfach nicht – so wie du – von früh bis spät im Bürohaus Sporkendorf arbeiten und meine Pflicht tun. Mag sein, dass ich ein total unnützes Individuum bin, was kann ich aber dafür?« Sie seufzte herzzerreißend. »Soll ich für den Rest meines Lebens dauernd denken, dass ich etwas versäumt habe?«

Ingrid setzte sich auf den Bettrand. Sie mahnte sich zur Geduld. Katrin musste einfach eine Entscheidung treffen.

»Also, wir wollen einmal ganz vernünftig miteinander sprechen«, sagte sie sanft. »Angenommen, du fällst beim Vorsprechen im Theater durch. Was geschieht dann, Katrin?«

Katrin zuckte die Schultern.

»Oh, Schauspielerin zu werden, ist durchaus nicht mein einziger Wunsch«, entgegnete sie freimütig. »Ich möchte gern an einer Himalaya-Expedition teilnehmen oder mich als Astronautin bewerben.«

»Liebe Güte!«, klagte Ingrid und verzog das Gesicht. »Hättest du nicht noch Lust, auf einem Segelschiff die Welt zu umfahren?«, erkundigte sie sich mit sprödem Zynismus. »Oder möchtest du Seiltänzerin in einem Zirkus werden?«

Katrins Augen wurden kühl und abweisend.

»Ich habe keine Ahnung, warum du mich zur Zielscheibe deines Spotts machst!«, zischte sie. »Ich habe dir doch nichts getan, Ingrid. Ich versuche eben auf meine Weise, Papa glücklich zu machen. Ich muss doch dazu nicht unbedingt in die Werbeabteilung der Reederei Sporkendorf eintreten!«

»Doch, genau das musst du tun. Das erwarten Papa und ich von dir«, fuhr Ingrid die Jüngere zornig an. »Und wenn du dich weigerst, bleibt dir nur eine einzige Alternative: Du musst heiraten. Deine fixen Ideen kannst du dir aus dem Kopf schlagen. Du bist immerhin eine Sporkendorf. Unsere Schiffe sind in der ganzen Welt berühmt.«

Als Katrin schwieg, drehte sich Ingrid um. Es war so sinnlos zu hoffen, dass sich Katrin änderte.

»Sieh zu, dass du pünktlich zum Abendessen unten bist«, bat Ingrid müde und ging hinaus, ohne Katrins Antwort abzuwarten.

♥♥♥

Christoph Sporkendorf und Ingrid saßen schon am Tisch, als die Tür sich öffnete und eine Dame mit blauschwarzer Perücke und neckischem Fransenkleid auf hohen Absätzen hereinstolzierte.

»Meine Lieben«, flötete sie, »habt ihr schon lange auf mich gewartet?«

Ingrids graue Augen verdunkelten sich. Lange würde sie das sicher nicht mehr ertragen.

Christoph Sporkendorf, tief in Gedanken versunken, blickte auf und erstarrte.

»Aber – wer ...«

»Papa!«, rief Ingrid gereizt. »Es ist natürlich Katrin. Sie hat sich wieder einmal verkleidet. Sage ihr doch endlich, dass sie sich wie eine Erwachsene benehmen soll!« Ihre Stimme schwankte verräterisch.

»Katrin?« Christoph Sporkendorf musterte die elegante, ihm ganz fremd vorkommende Dame sprachlos.

»Nun, Herr Sporkendorf?«, flötete Katrin und kam näher. »Ich hoffe, dass mein plötzliches Erscheinen Sie nicht echauffiert!«

»Katrin, du Satansbraten!«, polterte der Reeder los. »Was, zum Teufel, soll das nun wieder bedeuten?«

»Ich«, erklärte Katrin mit spitzen Lippen, »übe mich in der Rolle eines Vamps!« Sie sah den Vater schräg aus halb geschlossenen Augen an.

Christoph Sporkendorfs Gesicht verzog sich zu einem breiten Lachen.

»Setz dich hin, du Vamp«, rief er vergnügt. »Habe schon lange nicht mit einem Vamp zu Abend gegessen. Was darf's denn sein, meine Schöne?«, spielte er mit. »Sekt und Kaviar vielleicht?«

»Nein, wo denken Sie hin?«, wehrte Katrin entsetzt ab. »Nach Kaviar bekomme ich immer Migräne – und Sekt verursacht bei mir stets eine sehr lästige Amnesie. Dann kann ich doch nie sagen, wer ich bin und wie ich heiße!«

Der berühmte Reeder grinste.

»Hat sie es nicht faustdick hinter den Ohren, Ingrid?«, fragte er und lachte.

Na also, dachte Ingrid Sporkendorf bitter. Jetzt ist es wieder einmal so weit. Papa platzt beinahe vor Stolz auf Katrin. Ich bin nur die langweilige, stumpfsinnige Abteilungsleiterin, die ihm eine Menge Arbeit abnimmt, aber auf mich war er noch niemals so stolz. Katrin hingegen braucht nur zu kommen und ein bisschen Kasperletheater aufzuführen, schon glänzen seine Augen.

»Hui, Ingrid macht ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter!«, rief Katrin und setzte sich an den Tisch.

Ingrid wandte sich ärgerlich an den Vater: »Wenn das so weitergeht, ziehe ich aus.«

Christoph Sporkendorf seufzte.

»Zugegeben, mir geht die Kleine auch oft auf die Nerven, aber sie ist doch noch ein Kind, Ingrid.«

»Wenn sie ein Kind wäre, Papa«, stieß Ingrid hervor, »würde ich mich nicht von ihr belästigt fühlen. Kinder haben Narrenfreiheit. Aber mit zwanzig Jahren sollte ein gewisser Reifeprozess eingesetzt hat. Leider ist davon nichts zu bemerken.«

»Nun«, musste der Reeder zugeben, »da hat Ingrid nicht so unrecht, meine liebe Katrin.«

Er war als Geschäftsmann wegen seiner harten Verhandlungstaktik gefürchtet. Bei seinen beiden Töchtern jedoch versuchte er immer zu versöhnen und es beiden recht zu machen.

Vermutlich lag es daran, dass sie ihn so stark an seine Lilo erinnerten, die Mutter der beiden Mädels.

Viel zu früh war sie von ihnen gegangen. Eine schwere Lungenentzündung, hohes Fieber, ein Erstickungsanfall, den ihr schwaches Herz nicht überlebt hatte – und er war Witwer geworden. Neun Jahre war das jetzt her, und noch immer trauerte er um die geliebte Frau und seine glückliche Ehe, die mit ihrem Tod ein so jähes Ende gefunden hatte.

Diese Gedanken gingen ihm durch den Sinn, während Katrin mit gezierten Bewegungen zu speisen begann. Auch jetzt spielte sie Theater, denn ihre Miene war tragisch, als müsste sie gleich zum Schafott.

♥♥♥

Christoph Sporkendorf setzte ein strenges Gesicht auf.

»Würdest du deinem neugierigen Vater bitte verraten, Katrin, wie deine Pläne sind? Seit drei Wochen bist du zu Hause, aber etwas Richtiges hast du, scheint es mir, noch nicht angefangen«, forderte Ingrid nun.

»Doch«, protestierte Katrin, »ich habe mich im Theater Fidelio zum Vorsprechen angemeldet.«

Christoph Sporkendorf zeigte sein Entsetzen deutlich.

»Das kann nicht dein Ernst sein«, murmelte er. »Der Name Sporkendorf ist hier in Bremen wohlbekannt, Katrin. Muss ich dir wirklich ins Gedächtnis rufen, dass du auf mich Rücksicht nehmen musst?«

Katrin nahm die schwarze Perücke vom Kopf und legte sie neben sich auf einen freien Stuhl. Ihr langes, blondes Haar wallte jetzt ungebändigt über ihre Schultern. Sie wirkte zwar zerzaust und wild, sah aber zum Anbeißen aus. Ihr Blick war auf den Vater gerichtet.

»Papa, Schauspielerin zu sein, ist doch nichts Ehrenrühriges!«, ereiferte sie sich vorwurfsvoll. »Schau, im Internat haben wir so viele Theaterstücke einstudiert, und immer musste ich eine der Hauptrollen spielen. Es macht mir nun einmal Spaß, mich immer wieder in neue Figuren zu verwandeln.«

Der Reeder wusste nichts zu erwidern.

»Hast du deshalb die Reifeprüfung gemacht, mein Kind? Um auf der Bühne zu stehen und Texte zu deklamieren?«, fragte er.

»Darum geht es ihr ja gar nicht, Papa«, mischte sich Ingrid ein. »Sie will Applaus hören, alle Zuschauer sollen ihr zu Füßen liegen und sie anbeten.«

Katrin fuhr zu der Schwester herum.

»Du bist gemein, Ingrid. Ich bin nicht eitel. Ich will Schauspielerin sein um des Spiels willen. Wie kannst du mich nur so falsch beurteilen?«

»Hört auf, euch zu streiten!«, donnerte Christoph Sporkendorf. »Ich möchte in Ruhe mein Abendessen zu mir nehmen. Und du, höre mir einmal zu, Katrin Sporkendorf: Du wirst dich in diese Hausgemeinschaft einfügen und nicht aus der Reihe tanzen, verstanden? In dieser Aufmachung erscheinst du nie wieder bei Tisch.«

Katrin war rot geworden.

»In Ordnung, Papa«, flüsterte sie, den Blick auf ihren Teller gesenkt.

Fast tat es dem Reeder schon leid, sie so angefahren zu haben. Wenn sie sich originell benahm, tat sie es aus Übermut und nicht, um ihn oder Ingrid zu ärgern. Sie genoss eben ihre unbeschwerte Jugend. War das eine Sünde?

»Im Übrigen hat Katrin es abgelehnt, Papa«, ergänzte Ingrid kühl, »in unserer Werbeabteilung als Assistentin anzufangen.«

»Ich will's nicht, Papa«, bekräftigte Katrin. »Und ich kann es auch nicht.«

Doch der Reeder gab nicht so schnell auf. Es war sein Herzenswunsch, dass seine beiden Töchter, die einmal die Reederei erben würden, im Betrieb tätig waren.

»Warten wir zunächst ab, wie das Vorsprechen im Theater ausfällt«, wehrte er gutmütig ab.

Überrascht hob Ingrid den Kopf und sandte ihm einen langen Blick zu. Das also war seine Taktik. Wenn Katrin durchfiel, würde er eine viel bessere Position haben als vorher.

Der Reeder nahm noch einmal aus der Schüssel mit Gemüsesalat. Abends stellte das Küchenpersonal die Speisen immer auf den Tisch, sodass sich jeder selbst bedienen konnte. Der Reeder hatte es so gewünscht, weil die Zeit der Abendmahlzeit oft die einzige Möglichkeit war, in der er mit Ingrid etwas besprechen konnte.

Seitdem aber Katrin aus dem Internat heimgekehrt war, schien sie die Hauptperson zu sein. Alles drehte sich um sie, und er hatte kaum Gelegenheit, mit Ingrid über den Betrieb zu diskutieren.

»Irgendwann in naher Zukunft«, meinte er gedankenverloren, »werden zwei fesche junge Herren bei mir anklopfen und um eure Hand anhalten. Dann werde ich allein in dem großen Haus zurückbleiben.«

»Nein, Papa!«, wandte sich Ingrid an den Vater. »Da irrst du dich aber sehr. Ich werde nicht heiraten. Wozu auch? Ich bin nicht die ideale Ehefrau für einen Mann. Ich würde, zum Beispiel, niemals meinen Beruf aufgeben.«

»Ich heirate auch nicht«, pflichtete Katrin der Schwester in seltener Einmütigkeit bei. »Wozu auch? Liebe macht nur Kummer, und um den reiße ich mich nicht.«

Abwarten, dachte der Reeder, hütete sich aber, eine Antwort zu geben. Noch halten die zwei die Liebe für überflüssig, aber sie kommt immer unverhofft.

♥♥♥

Roman Graf Erlenau sah sehr verwegen aus, als er durch das Schnoorviertel in Bremen schlenderte. Er trug eine Cordhose, hohe Lederstiefel mit Stulpen, eine Wetterjacke und Wollhandschuhe.

Und das bei neunundzwanzig Grad im Juli.