Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 547 - Yvonne Uhl - E-Book

Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 547 E-Book

Yvonne Uhl

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Beschreibung

Beglückt und leichten Herzens tritt Florence ihre Urlaubsreise an. Endlich ist es ihr gelungen, dem Mann ihrer Träume aus seinen finanziellen Schwierigkeiten herauszuhelfen, ohne namentlich in Erscheinung zu treten. Sonst hätte Rainer von Bruck ihre Hilfe niemals angenommen. Nun braucht er seine Pferdezucht nicht aufzugeben und kann weiter auf seinem herrlichen Gut leben. Bestimmt wird der geliebte Mann sie furchtbar vermissen und in den Wochen ihrer Abwesenheit endlich begreifen, wie sehr er sie liebt.
Florence ist felsenfest davon überzeugt, dass sich ihr Traum vom großen Glück an Rainers Seite nach ihrer Rückkehr erfüllen wird. Doch stattdessen gibt es für sie ein bitterböses Erwachen ...


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Inhalt

Cover

Erzwungene Liebe

Vorschau

Impressum

Erzwungene Liebe

Ein Schicksal, das Sie nicht vergessen werden

Beglückt und leichten Herzens tritt Florence ihre Urlaubsreise an. Endlich ist es ihr gelungen, dem Mann ihrer Träume aus seinen finanziellen Schwierigkeiten herauszuhelfen, ohne namentlich in Erscheinung zu treten. Sonst hätte Rainer von Bruck ihre Hilfe niemals angenommen. Nun braucht er seine Pferdezucht nicht aufzugeben und kann weiter auf seinem herrlichen Gut leben. Bestimmt wird der geliebte Mann sie furchtbar vermissen und in den Wochen ihrer Abwesenheit endlich begreifen, wie sehr er sie liebt.

Florence ist felsenfest davon überzeugt, dass sich ihr Traum vom großen Glück an Rainers Seite nach ihrer Rückkehr erfüllen wird. Doch stattdessen gibt es für sie ein bitterböses Erwachen ...

»Tante Helmi ... Tante Helmi ...«

Helma von Heye saß am Fenster im Lehnstuhl und hob lauschend den Kopf. Wenn Florence so aufgeregt rief, musste etwas passiert sein.

»Hier bin ich, Kind!«, rief sie.

Florence von Heye kam Sekunden später in das sonnige Eckzimmer gestürmt.

»Tante Helmi, rate einmal, wen ich kennengelernt habe!« Sie ließ sich mit Schwung in einen Sessel fallen und schob sich eine der vorwitzigen Locken aus der Stirn.

»Ich habe keine Ahnung, Kind«, erwiderte Helma von Heye ehrlich.

Florence lachte übermütig.

»Du errätst es nie. Ich habe Rainer von Bruck kennengelernt.«

Forschend sah Helma von Heye ihre Nichte an. Sie wurde immer hübscher, und wenn ihre Augen so blitzten wie jetzt, dann sah sie geradezu zauberhaft aus.

»Wer ist Rainer von Bruck?«, fragte sie.

Florence klatschte in die Hände.

»Du kennst Rainer von Bruck nicht? Oh Tante Helmi! Seit Tagen spricht das Personal hier auf dem Gut von nichts anderem.«

Helma von Heye rückte etwas hilflos an ihrem Brillengestell. Sie war fünfundfünfzig Jahre alt und vertrat nun schon seit sechzehn Jahren Mutterstelle bei Florence. Ihr selbst waren Kinder versagt geblieben. Sie hatte nie geheiratet.

»Verrate mir doch bitte, wer dieser Herr ist«, bat sie.

Florence sieht ihrer Mutter Lucienne so ähnlich, dachte sie. Lucienne, der in Frankreich geborenen Tochter eines Fabrikanten, und Helma von Heyes Zwillingsbruder Dagobert war es nicht vergönnt gewesen, sich lange ihres Eheglücks zu freuen. Nach vierjähriger Ehe – Florence war damals gerade erst drei Jahre alt gewesen – war Lucienne tödlich verunglückt.

Dagobert von Heye hatte seiner Zwillingsschwester Helma telegrafiert. Und seitdem hatte Helma bei ihm und Florence gewohnt und versucht, die Hausfrau zu ersetzen.

»Tante Helmi, er ist unser neuer Nachbar!«, rief Florence aufgeregt. »Ich habe noch nie so einen Mann kennengelernt. Er ist aufregend attraktiv. Und wie er mich angesehen hat!«

»Wie denn?« Helma von Heye schmunzelte.

»Oh Tante Helmi, als ob ich ihm gefalle. Er ist groß, breitschultrig, hat ein rassiges, männliches Gesicht und kluge graue Augen«, schwärmte Florence. »Wir haben nur zwei Worte miteinander gesprochen, dann ist er weitergeritten. Natürlich wollte er auf mich nicht zudringlich wirken. Er ist fabelhaft erzogen.«

»Du bist ein Kindskopf«, gab Helma von Heye zärtlich zurück. »Vor einem halben Jahr hast du in Braunschweig noch diesen Holger Ihlen angebetet. Du warst ganz außer Rand und Band.«

»Aber Tante Helmi«, stieß Florence vorwurfsvoll hervor. »Das war doch vor einem halben Jahr, da war ich doch noch ein Kind und wusste noch nicht, dass Großvater mich zur Gutsherrin machen würde.«

»Was hat denn das damit zu tun, Mädchen?«

»Sehr viel. Durch Großvaters Erbschaft bin ich erwachsen geworden. Er hat mir viel Verantwortung übertragen. So kindischen Schwärmereien kann ich mich jetzt nicht mehr hingeben. Ich weiß heute selbst nicht mehr, warum ich Holger so nett fand, Tante Helmi. Er ist nichts gegen Rainer von Bruck. Als ich ihn ansah, spürte ich den Hauch des Schicksals über mich hinwegwehen, und da wusste ich: Jetzt bist du dem Richtigen begegnet.«

Kopfschüttelnd ließ Helma von Heye ihre Handarbeit sinken. Sie stickte an einer Kissenhülle und war darin sehr geschickt und ausdauernd. Sie wusste nicht, ob sie ärgerlich oder belustigt sein sollte.

»Du hast dich also in unseren neuen Nachbarn verliebt«, stellte sie fest. »Sieh mal an. Weißt du überhaupt, ob er noch zu haben ist, dieser außergewöhnliche Mann?«

»Natürlich.« Florence war ernst geworden. »Das weiß ich vom Bürgermeister, Tante Helmi. Ich habe mich gestern ausgiebig mit ihm über Herrn von Bruck unterhalten.«

Helma von Heye schüttelte den Kopf.

»Das hättest du nicht tun sollen, Kind. Der gute Sandemann ist ein Schwätzer. Wenn er nun unserem Nachbarn erzählt, dass du dich bei ihm über ihn erkundigt hast? Das wäre mehr als peinlich.«

»Ach, der Bürgermeister wird schon nichts verraten«, beschwichtigte Florence die Tante. »Jedenfalls hat er mir anvertraut, dass Herr von Bruck Rainer mit Vornamen heißt, dass er bisher auf einem Gestüt gearbeitet hat und nun selbst ein Gestüt aufbauen will. Er soll eine Erbschaft gemacht haben.«

»Ich möchte nur wissen«, sagte die Baroness, »wie er auf diesem verfallenen alten Gut Hofner, das so lange leer gestanden hat, ein Gestüt aufbauen will. Das wird wohl ohne Neubauten nicht möglich sein.«

»Wenn er eine Erbschaft gemacht hat«, erwiderte Florence eifrig, »kann er das alte Gut völlig neu wieder aufbauen und die Ställe nach neuesten modernen Erkenntnissen einrichten. Jedenfalls hat er in mir seine erste Kundin. Ich werde ihm seine ersten Züchtungen abkaufen.«

»Abwarten, ob er überhaupt erfolgreich ist, Kind. Und woher weißt du, dass er noch ledig ist?«

»Auch vom Bürgermeister. Herr von Bruck hat ihn nämlich gebeten, eine tüchtige Haushälterin für ihn – den Junggesellen – zu suchen. Ich frage mich nur, warum er noch nicht gebunden ist, Tante Helmi. Für mich ist das natürlich günstig, dann habe ich alle Aussichten, ihn zu erobern.«

Die grauhaarige Baroness seufzte.

»Bitte, Kind, sprich doch nicht so. Verrenne dich nicht und warte schön ab, wie sich alles fügt. Und lass ihn vor allem nicht so deutlich merken, wie du zu ihm stehst. Du bist schnell begeistert, und ich frage mich, warum er noch nicht verheiratet ist, wenn er so fabelhaft ist. Auf jeden Fall musst du ihn erst besser kennenlernen.«

»Lange warten kann ich aber nicht, Tante Helmi. Ich warte sehnsüchtig auf den Tag, an dem er mir sagt, dass er mich liebt.«

»Aber Florence, wie lange kennst du ihn denn?«

»Seit etwa einer Stunde. Aber darauf kommt es ja gar nicht an, Tante Helmi. Wir mochten uns sofort, so etwas spürt man doch.«

»Versprich mir, dass du dich zurückhältst«, bat Helma ihre Nichte. »Mach es ihm nicht so leicht, Florence! Den Anfang sollte immer der Mann machen. Wenn du ihm zu deutlich zeigst, wie verliebt du in ihn bist, könnte er Lust auf ein Abenteuer bekommen, ohne innerlich beteiligt zu sein.«

»So kannst du nur über ihn sprechen, weil du ihn noch nicht kennst. Er ist ein Ehrenmann durch und durch. Warte nur ab, bis du ihm begegnest. Dann wirst du merken, dass du ihn ganz falsch beurteilt hast. Er ist einfach nicht mit anderen Männern zu vergleichen.«

Helma von Heye musste lachen.

»Also gut, du Kindskopf. Wir werden ihn, den einsamen Junggesellen, am nächsten Sonntag zum Essen einladen. Das sind wir ihm als Nachbarn schuldig, nicht wahr?«

»Grandiose Idee«, sagte Florence begeistert. »Und ich werde ihm die Einladung selbst überbringen.«

»Das wirst du nicht tun, Kind. Wir werden Hugo hinüberschicken.«

Hugo war der älteste Sohn des Gutsverwalters Bräsecke und immer bereit, sich durch kleine Botengänge sein Taschengeld aufzubessern.

»Also gut«, gab Florence nach. »Ich werde ihm schreiben und ihn bitten ...«

»Ich werde ihm schreiben«, unterbrach Helma von Heye ihre Nichte. »Ich lade ihn ein, nicht du. Glaube mir, es ist besser so. Und meine Entscheidungen waren doch bisher immer richtig, nicht wahr, Kind?«

Die blutjunge, neunzehnjährige Gutsherrin nickte. Ihre Tante war ihre einzige Vertraute. Ihr konnte sie alles erzählen, und sie meinte es immer gut mit ihr.

Tante Helmi wird von ihm hingerissen sein, dachte sie beglückt. Ach, wenn es doch bloß schon Sonntag wäre!

♥♥♥

Hugo betrachtete den »Neuen« skeptisch. Sein Vater, der Gutsverwalter von Gut Heye, hatte sich etwas abfällig über ihn geäußert.

»Ein Gestüt verlangt mehr als Pferdeverstand«, hatte er gesagt. »Da muss man auch kaufmännisch auf der Höhe sein und außer Geld auch die richtigen Leute haben! Wenn dieser Herr von Bruck bloß nicht scheitert.«

Rainer von Bruck saß auf der Steintreppe vor dem Haus und las die Briefkarte, die Helma von Heye ihm geschrieben hatte und mit der sie ihn einlud, am kommenden Sonntag bei ihnen zum Essen zu erscheinen.

»Helma von Heye«, murmelte Rainer von Bruck und blickte nachdenklich auf. »Wer ist das eigentlich? Die Herrin von Gut Heye?«

»Nein, ihre Tante«, erklärte Hugo. »Die Herrin heißt Fräulein Florence. Sie ist die Enkeltochter des alten Gutsherrn, der vor einem Jahr gestorben ist.«

»Ah. Dann lebt sie also mit ihrer alten Tante im Gutshaus?«

»Ja, und mein Vater ist Gutsverwalter drüben«, berichtete Hugo. »Fräulein Florence ist noch sehr jung. Mein Vater muss alle Entscheidungen treffen und arbeitet ganz selbstständig. Fräulein Florence hat keine Ahnung von der Gutsarbeit. Sie reitet lieber aus oder fährt in ihrem Wagen nach Herrenhaus hinüber.« Er lachte. »Sie ist ja erst seit ein paar Monaten aus der Schule.«

»Ich glaube«, erwiderte Rainer von Bruck, »ich bin ihr gestern schon einmal begegnet. Ist sie so ein schlankes junges Ding mit einem hellblonden Pferdeschwanz?«

»Genau. Das ist sie.«

»Und die soll Gutsherrin sein?«, zweifelte Rainer von Bruck. »Die sah mir eher aus wie ein Schulmädchen. Gut Heye soll doch weit und breit das größte sein.«

»Ist es auch. Der alte Baron hatte das Gut fest in der Hand. Er starb an Herzversagen, hat der Doktor gesagt. Aber Fräulein Florence konnte nicht gleich mit ihrer Tante übersiedeln, sie musste erst ihr Examen machen. Sie hat vorher in Braunschweig gelebt.«

Dann muss die hübsche kleine Florence ja eine fabelhafte Partie sein, dachte Rainer von Bruck. Und jetzt werde ich zum Sonntagsessen eingeladen! Weshalb? Nur aus nachbarschaftlicher Güte oder aus Neugier?

»Bestell dieser Dame hier«, sagte Rainer von Bruck und hob die Briefkarte, »dass es mir eine Ehre sein wird, am Sonntag um dreizehn Uhr zum Essen zu kommen, Junge.«

»Mach ich. Wissen Sie, die Baroness Helma hat früher hier als Kind gewohnt. Das Gutshaus ist ihr Vaterhaus. Nach dem Tod ihrer Mutter hat sie ihrem Vater viel geholfen, sagt mein Vater. Aber dann ist Fräulein Florences Mutter gestorben, und sie ist in die Stadt übersiedelt, um sich um ihren Bruder und Fräulein Florence zu kümmern. Deshalb hat sie auch nie geheiratet, sagt mein Vater.«

Der Junge ist ja sehr redselig, dachte Rainer von Bruck amüsiert. Jetzt weiß ich wenigstens, wer mich am Sonntag eingeladen hat.

»Grüße also die Baroness von mir und sage ihr, dass ich mich über die Einladung freue.«

»Gut.« Hugo Bräsecke sah sich um. »Hier gibt es aber noch eine Menge Arbeit für Sie.«

»Das will ich meinen«, bestätigte Rainer. »Aber mir kam es vor allem auf die herrlichen Wiesen an, die zum Grundbesitz gehören. Ich brauche ja Koppeln für meine Pferde. Hier in dem Gutshaus richte ich mich schon ein. Ein paar alte Möbel stehen noch herum, und einige Zimmer sind sogar noch bewohnbar. Für den Anfang muss es reichen.«

Hugo schwang sich auf sein Fahrrad.

»Also dann – Wiedersehen! Und wenn Sie mal Hilfe brauchen, können Sie ja drüben im Verwalterhaus anrufen und Hugo verlangen. Ich verdiene mir immer gern was nebenbei.«

»Du gehst wohl noch zur Schule? Oder bist du schon in der Lehre?«

»Nein, ich gehe noch in die Schule. Ich will Automechaniker werden. Wiedersehen.«

»Mach's gut, Junge.«

Rainer von Bruck schlenderte langsam über den verwahrlosten Hof des Gutes.

Vor drei Monaten hatte er die Nachricht eines Notars aus Nürnberg erhalten, dass er siebzigtausend Mark von einer entfernten, verstorbenen Tante geerbt hatte. Da hatte er sich einen Herzenswunsch erfüllt und dieses Gut für einen lächerlichen Kaufpreis von vierzigtausend Mark gekauft.

Nun verhandelte Rainer von Bruck mit mehreren Züchtern wegen des Erwerbs von Zuchtpferden. Sein ehemaliger Chef, der Besitzer des Gestüts Finkenbach, hat ihm zwei Zuchthengste und einige tragende Stuten für einen Vorzugspreis versprochen.

Für Finkenbach war Rainer schon einige Rennen geritten und hatte gute Plätze belegen können. Hermann Finkenbach hielt große Stücke auf Rainer von Bruck.

Er trat in den Stall. Drei Rappen standen hier und eine Fuchsstute. Rainer überzeugte sich, dass sie mit Heu versorgt waren, dann trat er wieder ins Freie und pfiff nach Herzog, seinem Setterrüden.

Der reinrassige braune Hund kam schnüffelnd aus der Remise hervor und bellte freudig. Rainer tätschelte seinen Kopf.

»Komm, Herzog, wir fahren nach Herrenhaus, diesem kleinen Nest, und kaufen Lebensmittel ein. Dabei wird sicher auch ein saftiger Knochen für dich abfallen.«

Als ob der kluge Hund jedes Wort verstanden hätte, rannte er sofort zu Rainers Wagen hinüber.

»Du bist ein verfressener Bursche«, sagte Rainer lachend. Dann überlegte er, was er der Baroness am Sonntag mitbringen könnte. Blumen hatte sie sicher selbst genug im Garten.

♥♥♥

Florence von Heye sah in dem duftigen Kleid aus leichter Baumwolle entzückend aus. Das Haar ringelte sich um ihr schmales Gesicht.

Helma von Heye hatte in der Küche nach dem Rechten gesehen und ordnete jetzt ihr onduliertes, gepflegtes Haar vor dem barocken Spiegel in der Empfangshalle. Alles war vorbereitet, um den Gast zu empfangen.

»Wenn er gut erzogen ist, Florence«, sagte sie, »dann verspätet er sich auch nicht um eine Minute.«

»Er wird pünktlich sein, ganz bestimmt, Tante Helmi. Bis dreizehn Uhr sind es noch sieben Minuten«, sagte Florence hastig.

Die Baroness wandte sich zu ihrer Nichte um. Sie wäre froh, wenn Florence den richtigen Mann finden und mit ihm glücklich sein würde. Aber das Kind konnte zwischen Schwärmerei und echter Liebe noch gar nicht richtig unterscheiden.

Helma von Heye hatte ihren Vater, den alten Baron von Heye, vor seinem Tode an seinem Krankenbett besucht. Er hatte sie gefragt, ob sie als Gutsherrin Gut Heye übernehmen wollte. Sie hatte abgelehnt.

»Vererbe alles Florence, Vater«, hatte sie gebeten. »Sie ist wie eine Tochter für mich. Und ich werde dafür sorgen, dass sie den Mann findet, der Gut Heye als Gutsherr leiten kann und der auch vor deinen Augen bestehen würde.«

Der alte Herr hatte den Rat seiner Tochter befolgt und in seinem Testament seinen gesamten Besitz seiner Enkeltochter vermacht.

Dann hatte er beruhigt die Augen für immer geschlossen. Das weitere Schicksal von Gut Heye hatte ihm sehr am Herzen gelegen.

Sein Sohn Dagobert hatte sich nichts aus der Gutsarbeit gemacht und sich der Wissenschaft verschrieben. Er hatte Völkerkunde studiert und es bis zum Doktor der Naturwissenschaften gebracht.

Auch die Hoffnung des Gutsherrn, dass seine Tochter Helma einen Mann heiraten würde, der sich als Gutsherr eignete, hatte sich nicht erfüllt. Nachdem Lucienne, Dagoberts Ehefrau, tödlich verunglückt war, war Helma zu ihrem Bruder gezogen und hatte die kleine Florence großgezogen.

»Tante Helmi, ich habe ein Auto gehört!«, rief Florence und lenkte die Baroness von ihren Gedanken ab. »Er kommt. Schau mich an! Ist mein Kleid in Ordnung? Meine Frisur? Wie sehe ich aus?«

»Du siehst sehr hübsch aus, Florence«, versicherte Helma von Heye.

Am liebsten wäre Florence Rainer von Bruck entgegengelaufen, doch ihre Tante hatte bestimmt, dass Lisa, das Hausmädchen, auf sein Läuten öffnen und ihn den beiden Damen melden sollte.

Die Baroness schob ihre Nichte in den kleinen Salon, in dem nur ein alter Mahagonitisch mit sechs Stühlen stand, und wartete. Draußen in der Empfangshalle war Stimmengemurmel zu hören.

»Du wirst sehen«, flüsterte Florence, »wie nett er ist, Tante Helmi.«

»Herein«, rief Helma von Heye, als es klopfte.

Lisa kam herein und knickste.

»Gnädiges Fräulein, Herr von Bruck ist hier und will den Damen seine Aufwartung machen.«

»Führen Sie Herrn von Bruck herein, Lisa«, entgegnete die Baroness.

Lisa verschwand, dann kehrte sie zurück. Kräftige Schritte folgten ihr.

Helma von Heye sah Rainer von Bruck entgegen. Florence hatte nicht übertrieben. Er sah wirklich sehr gut aus. Sein kantiges, schmales Gesicht wirkte straff und unternehmungslustig, seine schmalen Lippen ließen auf einen festen Willen schließen, sein weiches Kinn wiederum deutete auf viel Gefühl hin.

»Herr von Bruck ...« Mit ausgestreckter Hand trat Helma von Heye dem jungen Mann entgegen. »Ich freue mich, dass Sie meiner Einladung zum Essen gefolgt sind. Wir sind ja jetzt Nachbarn.«

Rainer verneigte sich vor der Baroness und deutete einen Handkuss an. Erst jetzt bemerkte Helma, dass er zwei kleine Päckchen bei sich trug. Er überreichte ihr das eine und dankte ihr für die Einladung.

»Und Sie, gnädiges Fräulein«, sagte der Gast und wandte sich an Florence, »hatte ich ja schon die Ehre kennenzulernen. Darf ich mich auch Ihnen für Ihr Wohlwollen erkenntlich zeigen?«

Er überreichte der blutjungen Gutsherrin das zweite kleine Päckchen und verneigte sich vor ihr.

»Danke«, erwiderte Florence strahlend. »Das ist sehr lieb von Ihnen.«