Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 588 - Wera Orloff - E-Book

Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 588 E-Book

Wera Orloff

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Beschreibung

Gitta Komtess von Trautenfels steht vor den Scherben ihrer Existenz. Ein verschmähter Verehrer hat sie aus Rache in den Ruin getrieben. Jetzt wird das traditionsreiche Gut ihrer Vorfahren versteigert. Die junge Komtess verliert nun auch noch ihre geliebte Heimat, nachdem die Eltern schon von ihr gegangen sind. Viel bleibt ihr nicht, nur ein paar persönliche Gegenstände. Darunter befindet sich auch ein kunstvoll gearbeitetes Kästchen mit einer goldenen Rose auf dem Deckel - ein Vermächtnis ihres Vaters. Sie dürfe es nur öffnen, wenn sie einmal in große Not gerate, hat er einst zu ihr gesagt.
Ihre Not könnte nicht größer sein, und so beschließt Gitta, das Kästchen zu öffnen. Im nächsten Moment weiten sich ihre Augen in blanker Fassungslosigkeit ...


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Inhalt

Cover

Das Rätsel der goldenen Rose

Vorschau

Impressum

Das Rätsel der goldenen Rose

Ein spannender Schlossroman für besondere Lesestunden

Gitta Komtess von Trautenfels steht vor den Scherben ihrer Existenz. Ein verschmähter Verehrer hat sie aus Rache in den Ruin getrieben. Jetzt wird das traditionsreiche Gut ihrer Vorfahren versteigert. Die junge Komtess verliert nun auch noch ihre geliebte Heimat, nachdem die Eltern schon von ihr gegangen sind. Viel bleibt ihr nicht, nur ein paar persönliche Gegenstände. Darunter befindet sich auch ein kunstvoll gearbeitetes Kästchen mit einer goldenen Rose auf dem Deckel – ein Vermächtnis ihres Vaters. Sie dürfe es nur öffnen, wenn sie einmal in große Not gerate, hat er einst zu ihr gesagt.

Ihre Not könnte nicht größer sein, und so beschließt Gitta, das Kästchen zu öffnen. Im nächsten Moment weiten sich ihre Augen in blanker Fassungslosigkeit ...

Gitta von Trautenfels trieb ihren Apfelschimmel im Galopp den Hügel hinauf, bis sie die Waldlichtung erreicht hatte. Von dort aus konnte man weit über das Tal schauen.

Was für ein herrliches Land!, dachte sie und sog die kühle Morgenluft tief in die Lungen. Wenn es Frühling wurde, konnte man sich gar nicht sattsehen daran.

Sie sprang aus dem Sattel und gab ihrem Schimmel einen freundschaftlichen Klaps, woraufhin er sich nach einem saftigen Weideplatz umschaute.

Gitta ließ sich auf der roh gezimmerten Bank nieder und sah den Wolken nach, die über das Tal zogen.

Hier bin ich zu Hause!, dachte sie, und bei diesem Gedanken erfüllte sie ein tiefes Glücksgefühl. Schade, dass Papa an diesen morgendlichen Ausritten nicht mehr teilnehmen kann!

Ihre Augen bekamen einen wehmütigen Ausdruck, denn noch hatte sie den Schmerz um den Verlust des geliebten Vaters nicht verwunden, und obwohl das offizielle Trauerjahr schon seit Langem abgelaufen war, lebte die Trauer in ihrem Herzen weiter.

Ein schriller Pfiff gellte bis zum Hügel herauf. Es war die Vorortbahn, die unten durch das Tal fuhr.

Gitta erhob sich. Das war für sie das Zeichen, aufzusitzen und zum Schloss zurückzureiten. Lamprecht würde schon mit dem Frühstück auf sie warten. Und danach begann ein arbeitsreicher Tag.

Seit Hagedorn, ihr langjähriger Verwalter, sie kurz nach dem Tode ihres Vaters im Stich gelassen hatte, bemühte sie sich redlich, das Gut ordentlich zu verwalten. Doch die Last, die sie sich aufgebürdet hatte, wollte sie schier erdrücken.

Gitta machte einen kleinen Umweg und ritt über die Felder zurück, um nach dem Stand der Wintersaat zu sehen.

Die Ernte konnte kaum sehr gut werden, denn der harte Winter hatte große Schäden angerichtet.

»Wir werden es trotzdem schaffen, nicht wahr?«, sagte sie zu ihrem Schimmel und beugte sich vor, um ihm den Hals zu klopfen. »Unterkriegen lassen wir uns nicht! Niemand soll später einmal behaupten können, die Letzte aus dem Geschlecht der Trautenfels habe versagt!«

Sie nahm die Zügel fester in die Hand und legte den Rest des Weges bis zum Schloss in gestrecktem Galopp zurück.

Vor dem Portal sprang sie aus dem Sattel, ließ ihren vierbeinigen Freund das wohlverdiente Zuckerstück naschen und verabschiedete ihn mit einem liebevollen Klaps.

Der Apfelschimmel trabte seinem Stall zu, und Gitta lief die Stufen zum Portal hinauf.

Oben stand Lamprecht und erwartete sie bereits.

»Guten Morgen, Komtess«, grüßte er mit einer kleinen Verbeugung.

»Guten Morgen, Lamprecht. Alles in Ordnung?«, fragte Gitta und streifte die Handschuhe ab, während sie an ihm vorbeiging.

»Herr Heidmann hat vor wenigen Minuten angerufen«, berichtete Lamprecht und schloss die Tür hinter ihr.

»Schon wieder?«, fragte Gitta stirnrunzelnd. »Allmählich muss er doch begreifen, dass ich nichts mit ihm zu tun haben will.«

»Das könnte man meinen«, pflichtete Lamprecht ihr bei. »Allerdings scheint es so, als habe Herr Heidmann diesmal ein wirklich dringendes Anliegen.«

»Was für ein Anliegen könnte dieser Mann an mich haben?« Gitta warf den Kopf stolz in den Nacken. »Ich kann mich nicht erinnern, ihn zu irgendetwas ermutigt zu haben.«

»Gewiss, Komtess.« Lamprecht nahm ihre Handschuhe entgegen und half ihr aus der Jacke. »Trotzdem ist in diesem Fall ... Ich weiß nicht recht, wie ich mich ausdrücken soll«, druckste er herum.

»Nun reden Sie schon, Lamprecht!«, forderte Gitta ihn auf.

Lamprecht wich dem Blick der jungen Frau aus.

»Herr Heidmann hat seinen Besuch angekündigt, und es scheint mir geraten, ihn diesmal zu empfangen«, sagte er nun.

Gitta sah ihn mit großen Augen verständnislos an.

»Es scheint Ihnen geraten, ihn zu empfangen?«

Lamprecht brachte es einfach nicht über sich, ihr alles zu sagen, was er wusste. Er nickte nur.

»Also gut«, sagte Gitta. »Ich werde ihn empfangen. Aber nach dieser Begegnung wird er keinen Zweifel mehr daran haben, dass er in diesen Mauern unerwünscht ist.«

Dann lief sie die Treppe hinauf, um sich für das Frühstück frisch zu machen.

Lamprecht schaute ihr bedrückt nach.

Nach dieser Unterredung wird alles anders sein, dachte er. Heidmanns Drohungen werden kaum aus der Luft gegriffen sein. Ist die Komtess vielleicht die Einzige, die völlig ahnungslos ist?

♥♥♥

Gitta vertauschte ihre Reithose mit einer grauen Stoffhose. Anschließend löste sie das Band, das ihre langen lockigen Haare während des Rittes im Nacken zusammengehalten hatte, und bürstete sie.

Dieser Heidmann wird sich wundern!, dachte sie. Wenn er glaubt, mit mir leichtes Spiel zu haben, nur weil Papa mich nicht mehr beschützen kann, hat er sich gründlich geirrt. Ich werde ihm schon zeigen, dass eine Trautenfels sich auch allein behaupten kann.

Wenig später erschien sie im kleinen Frühstückszimmer. Lamprecht bediente sie wie immer sehr aufmerksam, und trotzdem schien es Gitta so, als sei er anders als sonst.

»Ist noch etwas, Lamprecht?«, fragte sie, als er sich nicht wie sonst zurückzog.

»Ja, allerdings, Komtess.« Lamprecht verneigte sich leicht. »Die Sache Heidmann ...«, begann er zögernd mit seinem Aufklärungsbericht, zu dem er sich nun doch entschlossen hatte.

Gitta fuhr ihrem Diener sofort aufgebracht über den Mund an.

»Ich will diesen Namen nicht mehr hören, Lamprecht! Ich habe mich bereit erklärt, diesen Menschen zu empfangen. Wenn er wieder gegangen ist, wird sein Name in diesem Schloss nie wieder erwähnt werden. Habe ich mich deutlich genug ausgedrückt?«

Lamprecht erschrak. In diesem Ton hatte seine junge Herrin noch nie mit ihm gesprochen. Er wagte keine Erklärung mehr, sondern zog sich mit einer Entschuldigung zurück.

Gitta tat ihr heftiger Ton sofort leid, denn Lamprecht war wie ein Vater für sie. Sicher hatte er es nur gut gemeint.

»Es tut mir leid, dass ich Sie gerade so angefahren habe«, entschuldigte sie sich, als er die Morgenpost brachte. »Wenn ich den Namen dieses Mannes nur höre! Ich finde seine Art, sich mir aufzudrängen, unerhört.«

»Sie ist wirklich unerhört«, pflichtete Lamprecht ihr bei. »Wenn Sie erlauben, Komtess, es sind soeben fünfzig Rosen abgegeben worden. Ich habe sie einstweilen im Dienerzimmer belassen, weil ich nicht wusste, wie Komtess entscheiden würden.«

Gitta schoss das Blut bis unter die Haarwurzeln.

»Er wagt es, mir nach allem, was war, noch Rosen zu schicken? Das ist einfach infam! Ich werde sie ihm gleich vor die Füße werfen, damit er endlich begreift, was er mir angetan hat.«

»Vielleicht würden Herr Graf selig diesen Gefühlsausbruch für unpassend halten«, wandte Lamprecht ein.

»Sie haben recht, Lamprecht. Das ist keine gute Idee.«

In diesem Augenblick fuhr draußen ein großer, luxuriöser Wagen vor. Ein livrierter Chauffeur sprang mit einem eleganten Satz heraus und riss die Tür zum Fond auf.

»Da ist er ja schon!«, rief Gitta grimmig. »Um diese Zeit! Bildet er sich ein, für ihn seien die ungeschriebenen Gesetze der Höflichkeit nicht gemacht?«

»Wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf, Komtess, er wird diese Gesetze niemals gelernt haben. Wenn man bedenkt, wo er aufgewachsen ist!«

»Stimmt, Lamprecht. Er ist nur das Produkt seiner Erziehung, und deshalb weiß er wohl gar nicht, wie unmöglich er sich benimmt.«

Gitta dachte kurz nach.

»Erziehung hin, Erziehung her!«, fügte sie dann hinzu. »Kein Mann hat das Recht, mich als Freiwild zu betrachten, nur weil mein Vater nicht mehr lebt!«

»Selbstverständlich nicht, Komtess«, pflichtete Lamprecht ihr bei.

»Bringen wir es hinter uns«, sagte Gitta und setzte sich hinter den ausladenden Schreibtisch ihres Vaters. »Je eher wir ihn los sind, desto eher haben wir unsere Ruhe vor ihm.«

♥♥♥

Norbert Heidmann schnaufte leise, als er aus dem Wagen stieg. Er war zwar erst Mitte dreißig, doch seine Vorliebe für gutes Essen und reichliches Trinken hatte ihm eine recht unförmige Figur eingebracht, die zu einem seriösen Geschäftsmann nicht so recht passen mochte.

Heidmann selbst hielt sich für einen seriösen Geschäftsmann, allerdings teilte kaum jemand diese Meinung. Alle, die schon einmal mit ihm zu tun gehabt hatten, wussten, dass er ein gerissener Gauner war, der gelegentlich auch über Leichen ging, um sein Ziel zu erreichen.

Immerhin hatte Norbert Heidmann es in wenigen Jahren zum mehrfachen Millionär gebracht. Er unterhielt die besten Verbindungen zu einflussreichen Kreisen und war in der Ausnutzung dieser Verbindungen nicht eben zimperlich.

Eigentlich hätte Herr Heidmann mit seinem Erfolg und seinem Leben zufrieden sein können. Doch gab es zwei Dinge, die ihn gifteten.

So ärgerte es ihn ungemein, dass sein Chauffeur immer eleganter aussah als er selbst. Zwar hätte er ihn entlassen und durch einen unattraktiven ersetzen können. Doch er war der Meinung, dass zu einem Wagen, wie er ihn fuhr, ein unerhört gut aussehender Chauffeur gehörte, und darum beließ er es dabei.

Der zweite Anlass seiner Unzufriedenheit war Komtess Gitta. Er hatte sie auf einem Empfang kennengelernt und sich sofort glühend in sie verliebt. Sie aber hatte ihn an jenem Abend keines Blickes gewürdigt.

Das hatte ihn jedoch keineswegs abgeschreckt. Und schon nach der zweiten Begegnung hatte für ihn festgestanden, dass er keine andere Frau heiraten würde als Komtess Trautenfels. Dass Gitta ihm bei dieser zweiten Begegnung ganz unmissverständlich ihre Abneigung gezeigt hatte, hatte er als mädchenhafte Scheu ausgelegt.

Dann hatte sich zunächst keine Gelegenheit mehr für eine Begegnung geboten, denn inzwischen war Graf Trautenfeld verstorben, und Gitta war nicht mehr ausgegangen.

Heidmann war nichts anderes übrig geblieben, als unter großer Mühe das Reiten zu erlernen, um ihr wenigstens bei ihren Ausritten begegnen zu können.

Er hatte sich einen eleganten Reitanzug schneidern lassen, und eines Morgens war er allein ausgeritten.

Der Verwalter Hagedorn hatte ihn immer gegen Honorierungen über alles informiert, was auf dem Gut geschah, und so wusste Heidmann, wo der Lieblingsplatz der Komtess war.

Gitta war auch an jenem Morgen den kleinen Hügel hinaufgeritten. Doch noch ehe sie den Wald verlassen hatte, hatte plötzlich ein Reiter vor ihr gestanden und ihr den Weg versperrt.

»Lassen Sie mich durch!«, hatte sie erbost gefordert, als sie Norbert Heidmann erkannt hatte.

Heidmann war lachend aus dem Sattel gesprungen. Er hatte in das Zaumzeug des Apfelschimmels gegriffen, der daraufhin unruhig geworden war, sodass Gitta einen Moment die Kontrolle über das Pferd verloren hatte.

Diesen Augenblick hatte Heidmann geschickt genutzt, Gitta vom Pferd gerissen und sie fest mit beiden Armen umklammert.

Und schon hatte er sein großes rotes Gesicht über sie geneigt, und zwei Augen hatte sie voller Begierde angesehen, sodass Gitta vor Ekel erschauert war.

Sekundenlang war sie wie gelähmt gewesen, doch dann hatte sie ihre Schwäche überwunden. Und ihre Angst hatte ihr eine ungeahnte Kraft verliehen.

Heidmann hatte gar nicht so schnell begriffen, was geschehen war, da hatte er schon die Schmerzen in seinem Gesicht gespürt. Instinktiv hatte er die Hände auf seine Wangen gepresst, die wie Feuer gebrannt hatten.

Blitzschnell war Gitta in den Sattel gesprungen und wie der Teufel zurück nach Schloss Trautenfels geritten. Als sie dann dort vom Pferd gestiegen war, hatte sie gezittert wie Espenlaub.

Nur Lamprecht hatte erfahren, was geschehen war. Eine ganze Weile war Gitta nicht mehr allein ausgeritten, bis dieses Erlebnis allmählich verblasst war und sie lange Zeit nichts mehr von Heidmann gehört hatte.

Norbert Heidmann aber hatte sich geschworen, Gitta von Trautenfels so weit zu bringen, dass sie ihn kniefällig für ihre Tat um Verzeihung bitten würde.

Und um dieses Ziel zu erreichen, war ihm jedes Mittel recht gewesen.

Zuerst hatte er den Verwalter Hagedorn dazu bewogen, Trautenfels zu verlassen. Dann hatte er systematisch alle Hypotheken aufgekauft, mit denen Trautenfels belastet war, und rücksichtslos alle seine Verbindungen eingesetzt, um Gitta zu ruinieren.

So hatte er zum Beispiel kurz vor der Ernte einen großen Teil ihrer Arbeitskräfte abgeworben, damit Gitta die Ernte nicht einbringen konnte.

Dann hatte er eine Chemikalie in die Schweinetröge schmuggeln lassen, sodass die Tiere krank wurden und abmagerten. Da Gitta die Schweine nicht hatte rechtzeitig verkaufen können, musste sie einen weiteren Kredit aufnehmen, um die fälligen Verbindlichkeiten einlösen zu können.

Von Hagedorn hatte Herr Heidmann erfahren, dass die Scheunen unterversichert waren.

Als die Scheunen eines Nachts abgebrannt waren, wäre niemand auf die Idee gekommen, dass Norbert Heidmann dabei seine Hände im Spiel gehabt hatte. Die Versicherung zahlte zwar, weil es nicht gelungen war, Brandstiftung nachzuweisen, doch das Geld hatte bei Weitem nicht ausgereicht, um eine neue Scheune aufzubauen. Außerdem war bei dem Brand auch die gesamte Ernte vernichtet worden.

Gitta hatte sich um eine neue Hypothek bemüht. Der Geldgeber war Norbert Heidmann gewesen, doch das hatte sie nicht erfahren.

Unermüdlich arbeitete Gitta, um Gut Trautenfels wieder hochzubringen, und sie ahnte nicht, dass sich jemand geschworen hatte, sie zu vernichten.

♥♥♥

Als Norbert Heidmann an diesem Morgen die breite Treppe zum Portal des Schlosses Trautenfels hinaufstieg, ließ er seinen Blick wohlgefällig über die Fassade schweifen.

Endlich war er am Ziel! Dieser Morgen würde ihm die Genugtuung bringen für die Schmach, die er damals hatte erleiden müssen.

Lamprecht öffnete ihm.

»Sie haben mich angemeldet?«, fragte Heidmann und musterte ihn mit einem herablassenden Blick.

»Komtess Trautenfels erwartet Sie«, erwiderte Lamprecht ungerührt und nahm ihm Hut und Handschuhe ab.

Norbert Heidmann trat vor den großen Spiegel und betrachtete sich wohlgefällig. Er trug einen maßgeschneiderten Anzug nach der neuesten Mode. Sein Hemd war handgenäht, und seine Krawatte kam aus Paris. Er war sicher, dass er Gitta von Trautenfels beeindrucken würde.

Als er dem Diener folgte, fragte er sich, ob die vielen unerquicklichen Erlebnisse der vergangenen Jahre den trotzigen Sinn der kleinen Komtess wohl gebeugt hatten. Erwartete sie ihn gar schon mit Sehnsucht und stand in diesem Augenblick träumend vor seinen Rosen?

So betrat er in froher Erwartung das Arbeitszimmer der Komtess Trautenfels.

Aber wie wurde er enttäuscht!

Gitta saß hoch aufgerichtet und mit abweisender Miene hinter ihrem Schreibtisch.

Norbert Heidmann begriff augenblicklich, dass sich an ihrer Einstellung zu ihm nichts geändert hatte.

»Sie wünschen mich dringend zu sprechen?«, fragte Gitta, nachdem sie seinen Gruß knapp erwidert hatte. »Bitte, nehmen Sie Platz. Aber fassen Sie sich kurz. Ich bin sehr beschäftigt.«

Norbert Heidmann war es, als habe sie ihm eine Ohrfeige versetzt. Von seinen Rosen war nichts zu sehen. Offenbar hatte sie auch nicht die Absicht, sich dafür zu bedanken.

»Sie werden sich Zeit für mich nehmen müssen«, gab er erbost zurück. »Ob es Ihnen passt oder nicht!«

»Was erlauben Sie sich!« Gitta sprang auf und blitzte ihn zornig an. »Wenn ich Sie nach Ihrem Betragen, damals im Schleyer Wald, überhaupt empfange, dann nur, um Ihnen zu sagen, wie sehr ich Sie verachte und wie sehr Sie mir zuwider sind! Wenn Sie auch nur einen Funken Taktgefühl hätten, hätten Sie sich und mir diese peinliche Szene erspart.«

Sie ist verteufelt hübsch, wenn sie so wütend ist!, dachte Norbert Heidmann. Es wäre doch gelacht, wenn ich dieses kleine Biest nicht zähmen könnte!

»Ihr Ton ist unerhört, kleines Fräulein«, entgegnete er. »Von einer jungen Dame Ihres Standes darf man etwas mehr Haltung erwarten. Außerdem ist es sehr unklug, seinen Hauptgläubiger so vor den Kopf zu stoßen.«

»Meinen Hauptgläubiger?«, fragte Gitta und stutzte. »Warum? Ich kann mich nicht erinnern, Sie jemals in meine Geschäfte einbezogen zu haben.«

»Natürlich nicht. Und trotzdem gehört Trautenfels praktisch mir«, erklärte Heidmann mit einem zynischen Lächeln auf den wulstigen Lippen.

»Sie wollen doch nicht sagen, dass Sie, ausgerechnet Sie ...?«, stammelte Gitta, die sichtlich erblasst was.

»Wie schnell Sie doch begreifen! Ja, ausgerechnet ich bin Ihr alleiniger Gläubiger. In meiner Hand liegt es, ob Sie auf Trautenfels bleiben oder irgendwo in der Fremde ein armseliges Leben fristen werden.«

Verstört sank Gitta zurück in den Sessel und starrte den Mann sprachlos an.

Norbert Heidmann genoss ihre Angst und ihre Verwirrung.

»Hätten Sie sich schon vorher einmal die Zeit genommen, auf meine Briefe oder auf meine Anrufe zu reagieren, wäre Ihnen diese große Überraschung erspart geblieben«, bemerkte er ironisch. »Nun ist das gnädige Fräulein von seinem hohen Ross gestürzt, und das tut weh, nicht wahr?« Er grinste breit.

Gitta suchte verzweifelt nach einem Ausweg und wusste doch, dass es keinen gab.