Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 596 - Wera Orloff - E-Book

Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 596 E-Book

Wera Orloff

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Beschreibung

Graf Ingo von Rottendorf dankt dem Schicksal, dass eine so liebevolle, zuverlässige, aufrichtige und hübsche Frau die Seine wurde. Cordula entschädigt ihn tausendmal für die herbe Enttäuschung, die ihm einst ein flatterhaftes Wesen bereitete.
Und nun kündigt sich das erste Kind an! Graf Ingo könnte nicht glücklicher sein. Doch plötzlich ist Cordula wie verwandelt. Ingo findet keine Erklärung dafür. Sie ist fahrig, sogar abweisend und bittet ihn ständig für irgendwelche Sonderausgaben um Geld. Er beginnt, sie heimlich zu beobachten. Und eines Tages bemerkt er, dass seine Frau nachts durch den Park zum Pavillon schleicht.
Der Graf folgt ihr. Und dann sieht er es mit eigenen Augen: Seine geliebte Cordula trifft sich nachts im Schlosspark von Rottendorf mit einem anderen Mann!


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Inhalt

Cover

Verstoße mich nicht

Vorschau

Impressum

Verstoße mich nicht

Geduldig trug sie ihr großes Leid

Graf Ingo von Rottendorf dankt dem Schicksal, dass eine so liebevolle, zuverlässige, aufrichtige und hübsche Frau die Seine wurde. Cordula entschädigt ihn tausendmal für die herbe Enttäuschung, die ihm einst ein flatterhaftes Wesen bereitete.

Und nun kündigt sich das erste Kind an! Graf Ingo könnte nicht glücklicher sein. Doch plötzlich ist Cordula wie verwandelt. Ingo findet keine Erklärung dafür. Sie ist fahrig, sogar abweisend und bittet ihn ständig für irgendwelche Sonderausgaben um Geld. Er beginnt, sie heimlich zu beobachten. Und eines Tages bemerkt er, dass seine Frau nachts durch den Park zum Pavillon schleicht.

Der Graf folgt ihr. Und dann sieht er es mit eigenen Augen: Seine geliebte Cordula trifft sich nachts im Schlosspark von Rottendorf mit einem anderen Mann!

Es klingelte. Cordula Heller eilte aus der Küche zur Eingangstür der kleinen Villa, die das Chemiewerk Professor Heller zur Verfügung gestellt hatten.

»Axel!«, rief sie überrascht.

Ihr um drei Jahre älterer Bruder stand vor der Tür. Der Vierundzwanzigjährige hatte eigentlich in Heidelberg zu sein, wo er studierte. Sein plötzliches Auftauchen hier bedeutete nichts Gutes.

»Ja, da staunst du, nicht wahr?« Axel lachte nervös. »Komm, lass mich herein! Du stehst da auf der Schwelle, als wolltest du mir den Einlass verwehren.«

»Noch weiß ich ja nicht, was dich zu uns führt«, erwiderte Cordula und trat beiseite. »Es könnte ja sein, dass es mir leidtut, dir die Tür geöffnet zu haben, wenn du erst einmal die Katze aus dem Sack gelassen hast.«

»Dann nimmst du also ohne Weiteres an, dass ich irgendetwas auf dem Kerbholz habe?«

Als er eintrat, warf er einen unsicheren Blick über die Schulter, als fürchte er, dass ihm jemand folgte. Dann schloss er hastig die Tür und atmete tief auf.

»Leider ist es so«, murmelte Cordula bekümmert. »Wenn du so plötzlich auftauchst, dann bedeutet das nichts Gutes. Mama geht es schlecht. Sie hat starke Herzbeschwerden. Das Herbstwetter setzt ihr zu. Wenn du sie auch noch aufregst, dann ...«

»Was dann?«, fragte er, als er seinen Mantel an den Garderobenhaken hängte. »Willst du mir drohen, Kleine? Das ist in diesem Hause das Vorrecht unseres Vaters.«

»Papa ist nicht zu Hause. Er hat noch Dienst im Werk.«

Professor Karl Heller arbeitete als Chemiker in der Versuchsabteilung des großen Werkes, dessen Gebäude, Raffinerien und Tanks man vom Fenster aus sehen konnte.

»Umso besser!«, sagte Axel. »Dann gehe ich gleich einmal zu Mama. Ist sie im Wohnzimmer?«

»Ja, sie sitzt in ihrem Lieblingssessel am Terrassenfenster und macht Handarbeiten. Du darfst sie aber nicht erschrecken. Am besten melde ich dich vorher an.«

Sie ging auf die Wohnungstür zu. Frau Christine Heller, eine etwas korpulente Fünfzigerin mit grauem Haar und freundlichem Gesicht, hatte das Klingeln und die Stimmen in der Diele gehört.

»Wer war denn da, mein Kind?«, fragte sie, als die Tochter jetzt eintrat.

»Besuch, Mama! Du wirst es nicht für möglich halten, es ist ...«

»Axel!«, beendete die Mutter den Satz und streckte beide Hände nach ihrem einzigen Sohn aus, der hinter der Tochter im Türrahmen erschien.

Stets war Axel der Liebling der Mutter gewesen, und er hatte diese Zuneigung immer skrupellos ausgenutzt.

Jetzt eilte er auf die Mutter zu, umarmte sie und küsste sie auf beide Wangen. Es schien so, als hätte Axel seine Mutter wirklich gern, dabei war er im Grunde gefühlskalt und suchte immer nur seinen Vorteil.

Cordula sah, dass sich ihre Mutter herzlich freute. Die Tochter gönnte ihr die Freude. Sie selbst blieb jedoch skeptisch. Irgendetwas steckte doch dahinter, wenn ein Mensch wie Axel plötzlich Sehnsucht nach der Heimat bekam.

»Ich werde Axel einen Tee machen«, sagte Cordula und ging hinaus. Es war jetzt sechs Uhr, und vor sieben Uhr war der Vater heute nicht zu erwarten. So hatte sie noch etwas Zeit für die Zubereitung des Abendbrotes.

Cordula war fast einundzwanzig Jahre alt. Mit neunzehn hatte sie das Abitur gemacht. Dann war sie zu Hause geblieben, denn das schwere Herzleiden der Mutter verbot es Frau Heller, den Haushalt selber zu führen.

Kaum hatte Cordula das Wohnzimmer verlassen, da nahm Axel die Hand seiner Mutter zwischen seine, drückte sie heftig und hielt sie fest.

»Du musst mir helfen, Mutter!«, stöhnte er beschwörend und sah sie eindringlich an.

»Was ist geschehen, Axel? Hast du wieder irgendwelche Dummheiten gemacht?«, fragte die Mutter ängstlich.

»Ach, Mutter, ich bin auf die Versprechungen eines Freundes hereingefallen. Er hat mir gesagt, dass er mir Geld leihen würde, viel Geld. Von fünftausend Mark war die Rede. Es wäre ganz sicher, dass er sie von seinem alten Herrn zur Herstellung des neuen Schönheitswassers bekommen würde. Dann haben wir zu produzieren angefangen ...«

»Wer ist wir?«

»Benjamin, mein Helfer, und ich. Wir mieteten uns einen Schuppen und stellten das Wasser in großen Mengen her. Maschinen mussten gekauft werden, Rohstoffe, Tische, Flaschen, Beleuchtung. Wir ließen Etiketts drucken mit der Aufschrift: ›Biologisches Schönheitswasser‹. Wer davon täglich, morgens und abends, zwei Gläser trank, dessen Haut würde blühend, das Gewebe sich straffen, der Stoffwechsel sich aktivieren. Na ja, die Leute glaubten es und kauften das Zeug!«

»Und es stimmte gar nicht?«, fragte die Mutter bang.

»Es half natürlich nicht, aber es schadete auch niemandem, außer einigen Leuten, die Durchfall bekamen. Tausende solcher Pseudo-Medizinen sind auf dem Markt. Aber ausgerechnet uns mussten sie erwischen!«

»Wer hat euch erwischt?«

»Na, die Polizei! Es gibt ja auch eine Gesundheitspolizei, die hinter solchen Sachen her ist. Man hängte uns ein Vergehen gegen das Arzneimittelgesetz an. Mir außerdem ein Verfahren wegen unrechtmäßiger Führung eines akademischen Titels. Ich hatte mich in den Prospekten ›Dr. Heller‹ genannt.«

»O Axel, wie konntest du so etwas tun?«

»Ach, Mam, das Geld war eben immer knapp. Papa ist so außerordentlich sparsam. Mit seinem monatlichen Scheck komme ich einfach nicht aus. Das Studentenleben ist heute so teuer, und die Mädchen erwarten alle, dass man für sie tief in die Tasche greift. Es war eben ein Versuch, zu Geld zu kommen, aber leider schlug er fehl, und nun ist leider ein Strafantrag gestellt worden. In Heidelberg kann ich nicht länger bleiben. Und Medizin kann ich auch nicht mehr studieren. Ich muss irgendetwas anderes anfangen. Und mein Freund auch.«

»Der Benjamin?«

Axel winkte großspurig ab.

»Nein, nicht der! Der spielt doch nur die Rolle eines Handlangers und war außerdem nicht immatrikuliert. Nein, derjenige, der mir die fünftausend von seinem Vater besorgen wollte!«

»Warum der?«

»Weil es ganz sicher schien, dass wir das Geld kriegten, haben wir die Unterschrift des Alten nachgeahmt. Und das ist dann eben aufgefallen, als die ganze Sache platzte.«

Frau Christine sank tief in ihren Sessel zurück.

»Urkundenfälschung auch noch! Ach, du lieber Himmel, Junge, bist du denn ganz von Gott verlassen?«

»Mama, du darfst mich jetzt nicht im Stich lassen! Du bist meine letzte Rettung. Wenn Papa mir die fünftausend Mark gibt, damit wir den Vater meines Freundes versöhnen können, dann nimmt der von einer Anzeige Abstand. Tut Papa es nicht, dann sitzen wir im Kittchen.«

»O Gott!«, stammelte die Mutter.

»Ihr dürft mich jetzt nicht hängen lassen«, beschwor Axel sie. »Dann ist alles zu Ende. Ich bin doch euer einziger Sohn, der Träger eures unbescholtenen Namens. Es wäre Papa sicher sehr unangenehm, wenn über mich in der Presse berichtet würde. Einen Skandal kann er sich doch gar nicht leisten.«

Er redete und redete und beobachtete seine Mutter kalt und abwägend. Hatten seine Worte Eindruck gemacht?

Die Mutter wurde erst rot, dann blass. Geisterhaft bleich sah sie jetzt aus, die Lippen waren bläulich verfärbt. Sie lehnte sich weit im Sessel zurück und atmete schwer. Es waren die Anzeichen eines nahenden Herzanfalls.

»Ruf Cordula!«, bat sie mit ersterbender Stimme. »Meine Medizin ...«

Es passte Axel gar nicht, die Schwester jetzt rufen zu müssen, aber er musste es tun, denn er wusste nicht, wo die Medizin war.

»Cordula, Cordula!«, rief er und stürzte in die Küche.

»Was ist denn, um Gottes willen?«, fragte sie.

»Mutter geht es schlecht. Sie braucht ihre Medizin.«

»Ach, du lieber Himmel!«

Cordula lief aus der Küche, durch die Diele, die Treppe hinauf ins Badezimmer und riss das Fläschchen mit den Herztropfen aus dem Apothekenschrank.

Auf der Ablage über dem Waschbecken stand immer ein Likörgläschen bereit. In dieses ließ sie etwas Wasser aus dem Hahn laufen und gab zwanzig Tropfen hinein. Dann eilte sie mit dem Gläschen in der vorsichtig erhobenen Rechten nach unten.

Axel war zur Mutter in das Wohnzimmer zurückgekehrt. Als Cordula eintrat, stand er neben ihrem Sessel und hielt ihre Hand.

»Reg dich doch bitte nicht so auf, Mama! Es ist doch alles nicht so schlimm.«

»Nicht so schlimm?«, stammelte die Mutter unter keuchenden Atemzügen. Sie streckte die Hand nach der erlösenden Medizin aus. »Das wievielte Mal ist es, dass Vater dir helfen muss? Axel, du hast uns nichts als Kummer gemacht. Schon auf der Schule fing es an ...«

Ihre Stimme gehorchte ihr nicht mehr. Die Lippen zitterten. Die Tränen begannen zu fließen.

»Ruhig, Mutter, ganz ruhig!«, redete Cordula der Patientin zu und setzte das kleine Glas an die bläulichen Lippen der alten Dame. »Du musst ruhig und tief atmen.«

Die Kranke schluckte gehorsam die Arznei und schloss die Augen. Dann lehnte sie schwer atmend da, und die blassen Hände, die von dicken blauen Adern durchzogen waren, umkrampften die Sessellehnen.

Axel stand hilflos da. Cordula sah ihn vorwurfsvoll an.

»Was hast du Mutter erzählt? Sicherlich hast du wieder etwas angestellt.«

»Wozu sollen wir darüber reden?«, erwiderte Axel abwehrend. »Du kannst mir ja doch nicht helfen. Ich brauche Geld von Papa und sonst nichts.«

»Geld, Geld, immer nur Geld!«, rief Cordula unmutig. »Wenn du kommst, stellst du immer nur Forderungen. Du bist jetzt vierundzwanzig Jahre alt. Glaubst du, dass die Eltern bis an ihr Lebensende verpflichtet sind, dir aus der Patsche zu helfen?«

»Das vorbildliche Töchterlein spricht!«, höhnte er. »Du hockst nur zu Hause und schiebst den beiden Alten den Sessel zurecht. Da urteilt sich's natürlich leicht über einen Mann, der draußen im Leben steht.«

»Mann?«, wiederholte Cordula ironisch. »Ich meine, ich habe einen dummen Jungen vor mir. Mir tun die armen Eltern leid. Da siehst du, was du aus Mama gemacht hast! Geh jetzt raus, damit sie Ruhe findet!«

Axel fügte sich. Die Pendeluhr in der Diele zeigte Viertel vor sieben, und das hieß, dass der Vater jeden Augenblick kommen würde.

♥♥♥

»Nein«, sagte Professor Heller energisch. »Diesmal nicht, mein Lieber! Du hast dich verrechnet. Ich rühre keinen Finger, um dir zu helfen.«

Er war wie üblich gegen sieben Uhr nach Hause gekommen und hatte eine erregte Tochter und eine leidende Gattin vorgefunden. Aus dem Hintergrund war der Sohn aufgetaucht und hatte lässig den Grund seines überraschenden Besuches erklärt.

Vater und Sohn hatten sich nach dem schweigend eingenommenen Abendessen ins Arbeitszimmer zurückgezogen. Hier fand die Auseinandersetzung statt, damit die kranke Mutter nicht noch mehr erregt wurde.

»Du willst es also wirklich auf einen Skandal ankommen lassen?«, fragte Axel ungläubig. »Du weißt doch, was das heißt, Vater.«

»Hältst du mich für töricht? Ich müsste es aber sein, wenn ich dir noch einmal helfen würde! Schon auf der Schule hast du deinen Mitschülern Geld gestohlen, den Unterricht geschwänzt und auf deinen Entschuldigungen meine Unterschrift gefälscht. Im selben Stile geht es jetzt weiter. Einmal ist Schluss, und dieser Punkt ist jetzt erreicht.«

»Man wird mir den Prozess machen, und ich wandere ins Gefängnis.«

»Es ist deine Schande, nicht meine. Wer mich kennt, der weiß, dass ich nichts versäumt habe, um dich zu einem anständigen Menschen zu erziehen.«

»Du lässt mich also fallen, Vater?«, fragte Axel ängstlich. Damit hatte er nicht gerechnet.

»Ich sage mich von dir los!«, donnerte der Vater und schlug mit der Faust auf den Schreibtisch. »Morgen gehe ich zu Doktor Seidensticker, meinem Anwalt und Notar, und ändere mein Testament. Du wirst keinen Pfennig bekommen.«

»Aha, dann hat also Cordula, diese kriecherische Schlange, es geschafft!«, brach es aus Axel neidvoll hervor. »Sie tut euch schön und redet euch nach dem Munde, und dafür erbt sie das Vermögen.«

»Sie redet niemandem nach dem Munde, Axel«, sagte Cordula, die unbemerkt eingetreten war, in diesem Moment von der Tür her. »Auch wenn man seinen Eltern dient und hilft, kann man eine eigene Meinung haben. Mir liegt nichts an einem reichen Erbe, wohl aber daran, dass meine Mutter gesund wird. Und sie wird es nicht, solange sie sich solche Sorgen um dich macht.«

Cordula ging auf den Vater zu und sah den großen, stattlichen Mann bittend an.

»Ich habe deine Entscheidung vernommen, Vater, aber bedenke bitte, dass du Mutter damit zutiefst triffst.«

Überrascht sah Axel auf seine Schwester. Er hatte nicht mit ihrer Hilfe gerechnet.

»Ich soll diesem Hochstapler und Betrüger das Geld geben?«, schnaufte Professor Heller aufgebracht.

»Tu's noch ein einziges Mal!«, bettelte Cordula. »Ich weiß, er hat es nicht verdient. Aber der Gedanke an die Schande bricht Mutter das Herz.«

Düster starrte der Professor vor sich nieder. Es behagte ihm gar nicht, dass er wider besseres Wissen handeln sollte. Sein Zorn auf den ungeratenen Sohn war viel zu groß.

Andererseits liebte er seine Frau über alles und wollte nichts tun, was ihr schaden konnte. Er dachte angestrengt nach.

»Hör gut zu!«, sagte er plötzlich und sah Axel streng an. »Dies ist mein unwiderruflich letztes Wort. Ich werde dir das Geld geben unter der Bedingung, dass du sofort das Land verlässt. Du wirst künftig im Ausland leben, meinetwegen in Österreich oder in der Schweiz. Sobald du mir eine entsprechende Adresse angibst, schicke ich das Geld an den Vater deines Freundes ab und sende dir deinen üblichen monatlichen Betrag.«

Der Vater maß seinen Sohn mit verächtlichem Blick.

»Und bei der Änderung meines Testamentes bleibt es«, fügte er noch hinzu. »Morgen suche ich meinen Anwalt auf. Mein Sohn ist für mich gestorben.«

Nach diesen Worten verließ er das Zimmer. Hart fiel die Tür ins Schloss.

Einen kurzen Augenblick herrschte Schweigen zwischen Cordula und ihrem Bruder.

»Na, dann kann ich ja wohl gehen«, sagte Axel schließlich trotzig. »Es ist sicher geraten, so schnell wie möglich meine Zelte hier abzubrechen und ins Ausland zu verschwinden.«

Cordula musterte ihn schweigend mit kummervollen Augen.

»Dummerweise muss ich dir noch dankbar sein!«, fuhr er fort. »Wenn du dich nicht zu meinem Fürsprecher gemacht hättest, dann hätte der Alte mich wirklich hängen lassen.«

»Wie redest du von unserem Vater!«, rief Cordula empört. »Ich habe es weiß Gott nicht deinetwegen getan, sondern nur um Mutters willen. Sie dauert mich so sehr.«

Auch sie verließ jetzt das Zimmer. Wie hatte sich die friedliche Atmosphäre dieses Hauses gewandelt in den letzten Stunden!

Cordula brauchte unbedingt frische Luft. Der Vater saß jetzt droben am Bett der Mutter und hielt ihre Hand. Sie war versorgt. Beruhigt konnte Cordula gehen. So eilte sie zum Telefonapparat und wählte eine Nummer.

Gleich darauf meldete sich die Stimme eines jungen Mannes.

»Reiner, hast du ein bisschen Zeit für mich?«, fragte das junge Mädchen leise.

»Aber gewiss, Cordula. Du sprichst, als sei irgendetwas nicht in Ordnung. Hast du Kummer?«

»Oh ja, ziemlich großen sogar. Ein Spaziergang wird mir guttun. Würdest du mich begleiten?«

»Selbstverständlich. Eine junge Dame kann doch nicht in der Dunkelheit allein herumlaufen. Wo treffen wir uns? Am besten hole ich dich ab.«

»Nein, ich gehe gleich los. Klingle nicht! Mama geht es sehr schlecht. Sie würde vielleicht erschrecken. Warte an der Ecke auf mich! Ich bin in zehn Minuten dort.«

Sie legte lächelnd den Hörer auf. Es war schön, einen Freund zu haben, der immer für einen da war.

Cordula sagte rasch den Eltern Bescheid, zog sich einen Mantel über und verließ dann das Haus.

♥♥♥

Reiner Trake war so alt wie Axel und sogar ein ehemaliger Klassenkamerad von ihm. Gemeinsam hatten sie einst Kinderstreiche verübt, doch alles, was darüber hinausging, war für Reiner stets tabu gewesen.

Im Gegensatz zu Axel war er anständig, zuverlässig und korrekt, der Sohn eines Beamten und selber zukünftiger Beamter. Er war bei der Stadtverwaltung tätig und besuchte mehrmals in der Woche die Verwaltungsakademie, um weiterzukommen.

Der gut aussehende junge Mann war groß, kräftig, blond und blauäugig. Er neigte ein bisschen zur Fülle und trieb deswegen zweimal in der Woche Sport in einem Ruderverein.

Cordula mochte Reiner sehr, der an allem, was sie auf dem Herzen hatte, regen Anteil nahm.