Lore-Roman 126 - Wera Orloff - E-Book

Lore-Roman 126 E-Book

Wera Orloff

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Beschreibung

Am Vorabend zu Komtess Elsabees achtzehntem Geburtstag erstrahlt Schloss Lassander in hellem Glanz, und Graf Krottendorf hat Freunde und Nachbarn eingeladen, damit sie um Mitternacht mit seiner Tochter auf das neue Lebensjahr anstoßen konnten. Es wird ein rauschendes Fest. Um null Uhr erklingt ein Tusch, und der Graf verkündet stolz die Verlobung seiner Tochter mit Igor Fürst Wussow.
In diesem Augenblick, in dem sie vor Glück jubeln sollte, brennt Elsabees Herz in unerträglichem Schmerz um die heimliche Liebe, die sie nicht vergessen kann. Jede Faser ihres Seins ist erfüllt von dem, was sie mit geheimer Macht an Winfried Baron von Flayen kettet. Die folgenden Wochen ist die Komtess sehr still und in sich gekehrt. Niemand ahnt, was in ihr vorgeht. Am Hochzeitsmorgen dann ist die Braut nicht auffindbar. Komtess Elsabee ist verschwunden ...


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Inhalt

Cover

Der verhängnisvolle Hochzeitsmorgen

Vorschau

Impressum

Der verhängnisvolle Hochzeitsmorgen

Skandal auf Schloss Lassander

Von Wera Orloff

Am Vorabend zu Komtess Elsabees achtzehntem Geburtstag erstrahlt Schloss Lassander in hellem Glanz, und Graf Krottendorf hat Freunde und Nachbarn eingeladen, damit sie um Mitternacht mit seiner Tochter auf das neue Lebensjahr anstoßen konnten. Es wird ein rauschendes Fest. Um null Uhr erklingt ein Tusch, und der Graf verkündet stolz die Verlobung seiner Tochter mit Igor Fürst Wussow.

In diesem Augenblick, in dem sie vor Glück jubeln sollte, brennt Elsabees Herz in unerträglichem Schmerz um die heimliche Liebe, die sie nicht vergessen kann. Jede Faser ihres Seins ist erfüllt von dem, was sie mit geheimer Macht an Winfried Baron von Flayen kettet. Die folgenden Wochen ist die Komtess sehr still und in sich gekehrt. Niemand ahnt, was in ihr vorgeht. Am Hochzeitsmorgen dann ist die Braut nicht auffindbar. Komtess Elsabee ist verschwunden ...

Stephan räusperte sich vernehmlich, um darauf aufmerksam zu machen, dass er die weitläufige Bibliothek des Barons Korda betreten hatte.

»Verzeihen Sie, Herr Baron, ein Herr möchte Sie in einer dringenden Angelegenheit sprechen.«

Baron Korda war ganz versunken in den Anblick seiner blauen Mauritius und winkte ärgerlich ab.

»Sie wissen, dass ich nicht gestört werden will, wenn ich meine Briefmarken sichte.«

Stephan rührte sich nicht vom Fleck. »Verzeihung, Herr Baron, es handelt sich nicht um einen Herrn, sondern um eine Durchlaucht, wenn ich mir diese Bemerkung erlauben darf.«

Nun blickte der Baron doch auf. »Ein Fürst?« Er sah den Diener ungläubig an.

Stephan verneigte sich leicht, kam gemessenen Schrittes näher und überreichte auf einem silbernen Tablett die kunstvoll bedruckte Visitenkarte.

»Wussow?«, murmelte Baron Korda. »Den Namen habe ich nie gehört. Immerhin – eine Durchlaucht kann man nicht warten lassen. Ich lasse bitten.«

»Sehr wohl, Herr Baron.« Stephan verneigte sich und erschien gleich darauf abermals. »Seine Durchlaucht Fürst Wussow«, meldete er blasiert.

Stephan auf dem Fuß folgte ein großer schlanker Herr, viel jünger, als Baron Korda es erwartet hatte. Er hatte ein gutgeschnittenes Gesicht, trug einen Anzug, der einen teuren Schneider verriet, und trat so sicher auf wie jemand, der es gewöhnt ist, dass man jeden seiner Wünsche respektiert.

Baron Korda erhob sich und ging seinem Gast entgegen.

»Sie wünschen mich zu sprechen, Durchlaucht?« Irgendwie kam ihm das Gesicht bekannt vor, doch er konnte sich nicht erinnern, dem Fürsten Wussow schon einmal begegnet zu sein.

Der Besucher lächelte verbindlich. »Ich hoffe, ich komme nicht allzu ungelegen.«

Baron Korda blieb ihm die Antwort schuldig. »Bitte, treten Sie näher.« Er führte den Fürsten zu einer Sesselgruppe vor dem Kamin. »Nehmen Sie Platz.« Er setzte den Fürsten so, dass das volle Tageslicht auf sein Gesicht fiel. »Was kann ich für Sie tun?«, erkundigte er sich und zerbrach sich dabei den Kopf, woher ihm diese Züge so bekannt vorkamen.

»Sehr viel.« Fürst Wussow lächelte und ließ sein Monokel herunterpurzeln, um es gleich darauf wieder ins rechte Auge zu klemmen. Sein Lächeln wurde breit, und plötzlich bekam sein Gesichtsausdruck etwas Verschlagenes.

Baron Korda stutzte. »Sollte ich Sie kennen?«, fragte er nun geradeheraus.

»Ich denke doch.« Fürst Wussow ließ sein goldenes Zigarettenetui aufspringen. »Sie gestatten, dass ich rauche?«

»Bitte.« Baron Korda wurde nervös.

»Rauchen Sie auch?« Fürst Wussow hielt ihm das kostbare Etui einladend entgegen.

»Danke, nein.«

»Sollten Sie aber.« Fürst Wussow lächelte ihm überlegen zu. »Es plaudert sich besser, wenn man raucht. Finden Sie nicht?«

»Ich habe nicht den Eindruck, dass Sie hergekommen sind, um mit mir zu plaudern«, entgegnete Baron Korda.

»Wie recht Sie haben, mein lieber Korda.« Fürst Wussow lehnte sich behaglich zurück. »Ich bin gekommen, um Sie um einen Gegendienst zu bitten für eine Gefälligkeit, die ich Ihnen vor Jahren erwiesen habe.« Er wiederholte das Spiel mit dem Monokel.

Baron Korda war es, als risse ein Schleier entzwei.

»Janacek!«, stieß er heiser hervor. Es lief ihm eiskalt über den Rücken. »Klaus Janacek! – Ich denke, Sie sind – tot?«

»Bin ich auch.« Fürst Wussow tippte mit pedantischer Sorgfalt die Asche von seiner Zigarette. »Nur bin ich als Fürst Wussow – wie soll ich sagen – wiedergeboren worden. Übrigens kennt außer uns beiden niemand mein kleines Geheimnis. Und niemand wird es kennenlernen, nicht wahr?« Er sah den Baron herausfordernd an.

Baron Korda fuhr mit dem Zeigefinger hinter seinen Hemdkragen.

»Sie geben also ganz offen zu, dass Sie ...«

»Einem alten Freund, denke ich, ist man die Wahrheit schuldig.« Fürst Wussow lächelte. »Aber lassen wir unbequeme Diskussionen. Ich hasse sie. Es wäre ganz gut, wenn Sie sich das auch für die Zukunft merken würden, mein Bester.«

Baron Korda sprang erregt auf.

»Ich bin nicht Ihr alter Freund und auch nicht Ihr Bester! Und auf Diskussionen mit Ihnen verzichte ich nur zu gern. Bitte, gehen Sie jetzt, oder wollen Sie, dass ich Sie durch meinen Diener hinauswerfen lasse?«

Fürst Wussow schüttelte mit unnachahmlicher Arroganz den Kopf.

»Dass Sie immer noch so ein Hitzkopf sind, mein Lieber! Ich hatte eigentlich erwartet, dass Sie im Laufe der Jahre etwas ruhiger geworden wären.« Ehe Baron Korda auf diese zynischen Bemerkungen eine passende Erwiderung gefunden hatte, veränderte sich das Gesicht des Fürsten plötzlich. Alle Freundlichkeit, alle Verbindlichkeit war wie weggewischt. »Benehmen Sie sich wie ein erwachsener Mann«, sagte er gebieterisch. »Setzen Sie sich und hören Sie, was ich Ihnen zu sagen habe.«

Seine Augen schlossen sich zu einem schmalen Spalt.

»Sie sollten doch längst eingesehen haben, dass ich Sie in der Hand habe. Wenn Sie nicht tun, was ich von Ihnen verlange, oder wenn Sie gar den Versuch machen sollten, mich der Polizei auszuliefern, werde ich den Mund aufmachen. Und Sie haben mehr zu verlieren als ich.«

»Also Erpressung!« Baron Korda war sehr bleich geworden. »Sie gemeiner Schuft!«

Fürst Wussow fand sein Lächeln wieder.

»Was für ein hässliches Wort! Sie sollten es aus Ihrem Wortschatz streichen. Wenn man so gut befreundet ist wie wir beiden, hilft einer dem anderen gern. – Und wir sind doch gute Freunde? Sehr gute Freunde sogar! Und je öfter Sie es Ihren übrigen Freunden erzählen, desto mehr werden Sie selbst daran glauben!«

Baron Korda begriff. »Das können Sie doch nicht von mir verlangen!« Er sank erschöpft in seinen Sessel.

Fürst Wussow drückte bedächtig seine Zigarette in den Aschenbecher.

»Warum nicht? Es wird unser beider Leben angenehmer machen.«

»Sparen Sie sich Ihre Ironie!«, begehrte der Baron auf.

»Es ist keine Ironie, mein Bester.« Fürst Wussow schüttelte wie über eine dumme Bemerkung den Kopf. »Bedenken Sie, wie unbequem Ihr Leben werden würde, wenn ich Sie gereizt und verärgert verlassen müsste!«

Baron Korda biss sich auf die Lippen.

»Nun wird es Ihnen gleich leichter fallen, in mir einen guten Freund zu sehen, denn ich werde Sie vor all diesen Unbequemlichkeiten bewahren. Solange Sie sich erkenntlich zeigen, versteht sich.«

Baron Korda knirschte vor Wut mit den Zähnen. »Also wie viel wollen Sie?«

»Geld?« Fürst Wussow zog überrascht die Augenbrauen hoch. »Wer redet von Geld? Vielleicht werde ich gelegentlich erwarten, dass Sie die eine oder andere Rechnung für mich begleichen. Aber darüber wird es keine Diskussion geben.«

Er erhob sich und ging mit betont langsamen Schritten zum Kamin, lehnte sich gegen den kostbaren Marmor und genoss die Unruhe des anderen.

»Was ich möchte, habe ich Ihnen bereits gesagt: Ich erwarte, dass Sie mich in Ihre Kreise einführen – als Ihren guten Freund.«

Die Hände des Barons griffen wie im Krampf nach den Armlehnen seines Sessels.

»Etwa als Fürst Wussow?«, fragte er tonlos.

Der Fürst zuckte die Schultern. »Als was denn sonst?« Er setzte sich wieder in seinen Sessel.

Baron Korda wäre am liebsten vor Wut zersprungen. Aber es nützte ihm alles nichts, er hatte den Kopf in der Schlinge.

Fürst Wussow trieb seine Ironie bis zum Äußersten.

»Wie wäre es, wenn wir unsere Freundschaft ein wenig übten, ehe wir sie der Öffentlichkeit preisgeben? Trinken wir ein Glas auf unser Wiedersehen, und nötigen Sie mich, für ein paar Wochen Ihr Gast zu sein.«

»Ihre Unverschämtheit kennt wirklich keine Grenzen!« Baron Korda schlug mit der flachen Hand auf den Tisch, dass die Aschenbecher einen kleinen Hopser taten.

»Pst!« Der Fürst legte den Zeigefinger an die Lippen. »Sie wissen doch, Diener pflegen an den Türen zu lauschen – und je treuer sie ihrem Herrn ergeben sind, desto mehr kommt diese Angewohnheit zur Ausübung. Wenn Sie also nicht alles verderben wollen, sprechen Sie leiser und lächeln Sie. Strahlen Sie vor Freude, wenn Sie jetzt nach dem Diener läuten und einen Imbiss befehlen. Natürlich nur das Beste vom Besten, damit Ihre Wiedersehensfreude echt wirkt.«

Baron Korda sah plötzlich eine Möglichkeit, der furchtbaren Situation zu entkommen.

»Der Plan ist gut ausgearbeitet, Janacek. Aber einen Fehler hat er doch. – Sie haben meinen Diener nicht mit einkalkuliert. Er kennt alle meine Freunde, und ihm habe ich vorhin gesagt, dass ich einen Fürsten Wussow nicht kenne.«

»Tja – da müssen Sie sich natürlich etwas einfallen lassen«, entgegnete Fürst Wussow ungerührt. »Genau gesehen sind Sie Ihrem Diener ja wohl keine Rechenschaft schuldig. Oder?«

Baron Korda sah die vage Hoffnung, seinen Besucher abschütteln zu können, zerronnen. Es blieb ihm also nichts weiter übrig, als gute Miene zum bösen Spiel zu machen. So läutete er nach Stephan und befahl ihm, Sekt und Kaviar zu bringen.

»Und sorgen Sie dafür, dass die besten Gästezimmer hergerichtet werden«, befahl er. »Wir haben die Ehre, seine Durchlaucht für einige Zeit bei uns zu Gast zu sehen.«

»Sehr wohl, Herr Baron.«

Stephan verneigte sich tief und verriet mit keiner Miene, was er dachte. Als gut geschulter Diener verließ er rückwärts die Bibliothek.

Als sie wieder unter sich waren, sagte der Fürst: »Sie waren ausgezeichnet, mein Lieber. Wären Sie Schauspieler, ich würde Ihnen eine große Karriere prophezeien.«

Baron Korda streifte ihn nur mit einem undefinierbaren Blick und brannte sich eine Zigarette an. Zeit gewonnen, ist alles gewonnen, dachte er bei sich.

***

Baron Flayen sah wie an jedem Morgen während des zweiten Frühstücks die eingegangene Post durch.

»Ist etwas Besonderes dabei?« Der alte Baron schlürfte behaglich seinen Kaffee.

»Ein paar Rechnungen, Prospekte, eine Ansichtskarte von Georg Finkenstein. Hör mal, was er schreibt:

Ich weiß nicht, ob und wann Dich diese Karte erreicht. Ich habe mich Eskimos angeschlossen und ziehe für ein paar Wochen mit ihnen durch das Land. Ein herrliches Leben ...

»Da kann man wirklich sagen: Zwei Seelen wohnen in seiner Brust. Das ganze Jahr über ist er ein sesshafter Jurist und wühlt sich durch trockene Materie, und einmal im Jahr wird er für ein paar Wochen zum Abenteurer.«

»Das ist ein ganz gesunder Ausgleich.« Baron Flayen drehte seine Zigarre zwischen Daumen und Zeigefinger hin und her. »Manchmal denke ich, es ist ein Jammer, dass ich dir nicht sagen kann: Hier ist ein Scheckheft. Sieh dir die Welt an, bevor du alt wirst.«

»Aber Vater!« Winfried legte ihm gerührt die Hand auf den Arm. »Mich zieht nichts hinaus in die Welt. Ich bin zufrieden mit dem, was ich habe. Ist das nicht alles, worauf es ankommt?«

Baron Flayen seufzte. »Wie bescheiden du bist, Winfried!«

»Aber Vater!« Winfried lächelte. »Du machst mich ja ganz verlegen.«

Er wandte sich der Post wieder zu.

»Was ist denn das?«

Zwischen den Zeitungen lag ein großer Umschlag aus weißem Bütten. Die Anschrift war von einer zierlichen Hand darauf geschrieben worden. Wie ein Blitz durchzuckte ihn die Erinnerung an die letzte Begegnung mit Elsabee von Krottendorf, als er den Wagen ihrer Mutter repariert hatte. Sollte das eine Einladung zum Sommernachtsball auf Schloss Lassander sein?

Es war tatsächlich eine Einladung! Offiziell und vorgedruckt. Nur der Name war mit der Hand eingetragen: Eduard Baron Flayen und Sohn.

»Was ist es denn?« Der Baron warf einen forschenden Blick auf seinen Sohn.

»Eine Einladung zum Sommernachtsball auf Schloss Lassander.«

Winfrieds Stimme klang ein wenig heiser vor Erregung.

»Die Krottendorfs laden uns ein?« Baron Flayen schüttelte den Kopf. »Die armen Flayens auf Schloss Lassander? Eher geht die Welt unter.«

Winfried senkte den Kopf. »Es ist eine Art Trinkgeld. Ich habe der Gräfin aus einer Verlegenheit geholfen. Sie besaß die Geschmacklosigkeit, mir Geld zu bieten. Das habe ich natürlich abgelehnt. Da schlug Elsabee vor, mich zum Sommernachtsball einzuladen.«

Baron Flayen zog die Augenbrauen hoch.

»Elsabee! Die kleine Komtess Elsabee! Sieh mal an!«

Winfried ärgerte sich. »Du brauchst nicht zu befürchten, dass ich mir etwas dabei denke«, sagte er beinahe grob und sprang auf. »Es wird Zeit, dass ich wieder an die Arbeit komme.« Er nickte seinem Vater flüchtig zu und ging mit schnellen Schritten davon.

Baron Flayen strich sich nachdenklich das Kinn.

Während des Mittagessens war Winfried schweigsamer als sonst, und wenn der Baron das Wort an ihn richtete, gab er nur einsilbige Antworten.

»Ich glaube, für den Ball auf Schloss Lassander werden wir für dich einen neuen Frack kaufen müssen. Es ist Jahre her, seit du groß ausgegangen bist. Der alte wird dir nicht mehr passen.«

»Ich werde die Einladung nicht annehmen und brauche deshalb auch keinen neuen Frack«, entgegnete Winfried.

Baron Flayen schüttelte den Kopf.

»Willst du Elsabee wirklich so sehr enttäuschen?«

Winfried biss sich auf die Lippen.

»Es ist besser, sie sieht gleich jetzt ein, dass wir nicht zueinander passen. Was könnte ich einer Krottendorf bieten? – Oder willst du etwa, dass ich zum Mitgiftjäger werde?«

»Nein, das möchte ich nicht. Ich hatte angenommen, dass du Elsabee liebst.«

»Gerade weil ich sie liebe, kann ich nicht um sie werben. Wir sind nur Freiherrn. Die Krottendorfs Grafen. Außerdem sind wir arm. Ich kann nicht um sie werben. Würdest du an meiner Stelle anders handeln, Vater?«

»Nein. Aber ich bin nicht an deiner Stelle und kann deshalb objektiver urteilen. Wenn Elsabee dich liebt und du sie auch liebst, sollte das Geld zwischen euch keine Rolle spielen, denke ich.«

Winfried blickte seinen Vater traurig an. »Glaubst du, dass der alte Krottendorf ausgerechnet mir seine Tochter geben wird?« Er schüttelte müde den Kopf. »Nein, Vater, es ist besser, keine Illusionen zu haben.«

»Bis zu einem gewissen Grad hast du recht, Winfried. Aber man sollte dem Schicksal nicht von vornherein jede Chance nehmen, einen Glücksfaden zu spinnen. Ich schlage dir einen Kompromiss vor: Du nimmst diese Einladung an und vergisst einen einzigen Abend lang, dass du ein armer Baron bist. Du wirst nur daran denken, dass du ein gut aussehender junger Mann mit wertvollem Charakter bist, den eine Frau wohl lieben kann, ohne auf sein Geld zu sehen. Alles andere überlassen wir der Zukunft.«

Winfried senkte den Kopf. »Ich weiß, du meinst es gut mit mir, Vater aber ...«

»Bitte, geh doch auf meinen Vorschlag ein, Winfried«, drängte der Baron. »Nur dieses eine Mal. Ich habe das sichere Gefühl, es ist dein Glück.«

»Wenn du meinst, Vater. Gut. Ich werde gehen. Dann werde ich mir eines Tages wenigstens nicht den Vorwurf zu machen haben, mir mein Glück selbst verscherzt zu haben.«

***

Elsabee Komtess Krottendorf stand vor ihrem hohen Ankleidespiegel und betrachtete sich kritisch.

»Wie sehe ich aus, Lisa?«, fragte sie die Zofe ihrer Mutter, die ihr beim Ankleiden behilflich gewesen war.

»Ganz reizend, Komtess. Entzückend! Sie werden die Königin dieses Balls sein«, schwärmte Lisa.

Elsabees Augen strahlten. »Wirklich?« Ihre Wangen glühten vor Erregung.

»Ganz gewiss!«, versicherte Lisa.

Elsabee aber wollte gar nicht die Königin des Festes sein. Ihr lag nur daran, einem Einzigen zu gefallen. Für ihn hatte sie dieses Kleid ausgesucht. Für ihn hatte sie sich an diesem Abend Mühe gegeben, gut auszusehen. Wenn seine Augen sie mit Wohlgefallen betrachten würden, würde sie glücklich sein.

Ob er kommt?, grübelte sie. Sie hatte die Mutter nicht zu fragen gewagt, ob aus Flayen eine Zusage gekommen war, weil sie befürchtete, sie würde ihre geheimsten Gefühle dabei verraten.

Ihr Herz pochte hart gegen die Rippen, als sie in der hohen Halle des Schlosses Lassander neben ihren Eltern stand und die ersten Gäste begrüßte.

Wagen auf Wagen fuhr die breite Auffahrt zum Portal des Schlosses hinauf, und immer neue Gesichter erschienen in der Halle. Elsabees Augen aber suchten nur nach dem einen, das ihr so lieb vertraut war, dass sie es im Wachen und Schlafen vor sich sah.

Die Halle hatte sich schon ziemlich gefüllt, als Baron Flayen erschien. Er war kaum weniger erregt als Elsabee, nur ließ er es sich nicht anmerken. Für Sekunden begegneten ihre Blicke sich, versanken ineinander und hielten sich fest. Es war, als ob ihre Herzen stumme Zwiesprache halten wollten.

Winfried riss sich dann mit Gewalt los. Artig verneigte er sich vor der Gräfin und beugte sich über ihre Hand. Mit gesetzten Worten bedankte er sich für die Einladung zu diesem Fest. Er wurde vom Grafen Krottendorf begrüßt und wechselte ein paar konventionelle Phrasen mit ihm, doch während der ganzen Zeit dachte er an nichts anderes als an Elsabee und wie schön sie an diesem Abend ausschaute.

So hatte er sie noch nie gesehen. Und ganz gleich, was auch immer geschehen würde – so würde sie in seiner Erinnerung bleiben.

»Ich freue mich sehr, dass Sie gekommen sind, Baron Flayen«, sagte Elsabee und sah mit leuchtenden Augen zu ihm auf.

»Ich bin gern gekommen«, versicherte er und zog ihre Hand an die Lippen. Elsabee rannen selige Schauer durch alle Adern.

Leider blieb Elsabee und Winfried keine Zeit, gleich jetzt ein Gespräch zu beginnen, denn schon waren die nächsten Gäste eingetroffen, die Elsabee genauso aufmerksam begrüßen musste.

Winfried zog sich zurück, doch im Schatten einer Säule blieb er stehen. Von dort aus konnte er Elsabee ansehen, ohne sie zu kompromittieren. Seine Augen begannen zu leuchten. Wie schön sie war! Das Herz wurde ihm weit. Für sie muss ich es wagen, eine ganze Welt in die Schranken zu fordern!, dachte er.

***

Langsam fuhr der weiße Mercedes die Auffahrt zum Schloss Lassander hinauf. Fürst Wussow blickte interessiert aus dem Fenster.

»Vielversprechend. Sehr vielversprechend«, lobte er. »In der Tat, ich glaube, Sie haben es richtig gemacht, mein lieber Korda.«

»Graf Krottendorf ist einer der reichsten Männer unseres Landes«, erklärte der Baron. »Man kann es sich schon zur Ehre anrechnen, wenn man ins Schloss Lassander gebeten wird.«

»Dafür werden Sie sich diesmal revanchieren und einen Fürsten in sein Haus führen.« Wussow lächelte dem Baron anzüglich zu. »Er wird es Ihnen zu danken wissen.«

Baron Korda hätte ihn für seinen Zynismus vierteilen können, doch äußerlich blieb er gelassen.

»Wenn Sie ihm so sympathisch sind wie mir, wird er mir Ihre Freundschaft sogar streitig zu machen versuchen«, erwiderte er.

Der Fürst zog die Augenbrauen zusammen und verriet damit, dass ihn die Anspielung des Barons ärgerte. Nur mit Rücksicht auf den Chauffeur hielt er eine heftige Parade zurück.

Der Mercedes hatte das Portal erreicht. Der livrierte Chauffeur öffnete die Tür zum Fond und stand vor der aussteigenden Durchlaucht stramm wie ein Zinnsoldat.

»Sie wissen Bescheid, Georg?« Baron Korda sah ihn prüfend an.

»Jawohl, Herr Baron. Wünsche ergeben einen vergnügten Abend, Herr Baron.«

Baron Korda dankte ihm mit einer kleinen Handbewegung und wandte sich dem Fürsten zu. »Gehen wir.«

Seite an Seite stiegen sie die breite, leicht geschwungene Treppe hinauf, beide im weißen Frack, wie es Graf Krottendorf in der Einladung zu seinem illustren Ball erbeten hatte.

Baron Korda hatte ein wenig Herzklopfen. Dies war sein erster öffentlicher Auftritt mit dem Fürsten, und er fühlte sich wie ein Schauspieler bei der Generalprobe.