Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 672 - Wera Orloff - E-Book

Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 672 E-Book

Wera Orloff

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Aufgrund einer bösen Verleumdung ist der junge Arzt Dr. Joachim Warren gezwungen, seine gute Stellung an einer renommierten Klinik in der Stadt aufzugeben. Unterkommen kann er bei seinem Onkel Dr. Hans Raabe. Der alte Landarzt ist fest von der Unschuld seines Neffen überzeugt und sogar bereit, ihm seine Dorfpraxis zu übergeben.
Joachim gibt sich alle Mühe, aber die Dörfler sind skeptisch und wollen sich nicht von dem Arzt aus der Stadt behandeln lassen.
Doch dann wendet sich von einem Tag auf den anderen das Blatt. Eine furchtbare Flutkatastrophe sucht das Dorf heim, und Joachim rettet zwei Menschen aus den reißenden Fluten. Nun ist er der Held des Tages. Nicht nur die Praxis füllt sich mit Patienten, auch zwei junge Mädchen buhlen um seine Gunst ...


Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 139

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Meine Welt bist du

Vorschau

Impressum

Meine Welt bist du

Edith kämpft um den Mann ihres Herzens

Aufgrund einer bösen Verleumdung ist der junge Arzt Dr. Joachim Warren gezwungen, seine gute Stellung an einer renommierten Klinik in der Stadt aufzugeben. Unterkommen kann er bei seinem Onkel Dr. Hans Raabe. Der alte Landarzt ist fest von der Unschuld seines Neffen überzeugt und sogar bereit, ihm seine Dorfpraxis zu übergeben.

Joachim gibt sich alle Mühe, aber die Dörfler sind skeptisch und wollen sich nicht von dem Arzt aus der Stadt behandeln lassen.

Doch dann wendet sich von einem Tag auf den anderen das Blatt. Eine furchtbare Flutkatastrophe sucht das Dorf heim, und Joachim rettet zwei Menschen aus den reißenden Fluten. Nun ist er der Held des Tages. Nicht nur die Praxis füllt sich mit Patienten, auch zwei junge Mädchen buhlen um seine Gunst ...

Fahles Licht goss der silberne Vollmond über das alte Doktorhaus in dem kleinen Gebirgsort Wiehlbach, als ein einsamer Wanderer eilig den schmalen Weg empor zu dem etwas abseits gelegenen Anwesen ging. Der junge Mann im Regenmantel atmete erleichtert auf, als er durch die Ritzen der Vorhänge an den Fenstern Licht schimmern sah.

Er drückte auf den Klingelknopf neben der Tür. Oben, im Mansardenzimmer, wurde das Fenster geöffnet.

»Wer ist da?«, ertönte eine Bassstimme.

»Ich bin es, Onkel Hans. Dein Neffe Joachim.«

»Junge, das ist wirklich eine Überraschung. Lina kommt schon herunter.«

In diesem Augenblick wurde die Tür geöffnet, und die fünfundfünfzigjährige Haushälterin schaltete die Lampe über der Tür ein. Groß, breit und gewichtig stand sie da, eine dunkelhaarige Frau mit misstrauischen Augen in dem runden Gesicht.

»Guten Abend, Doktor Warren. Sie kommen ziemlich spät«, begrüßte sie den Gast mit unverhohlenem Vorwurf.

Der junge Arzt, Dr. Joachim Warren, konnte sich stets eines Widerwillens nicht erwehren, wenn er diese geschwätzige, herrschsüchtige Frau sah. Er begriff nicht, dass sein alter Onkel mit ihr auskam.

In der Diele wurde nun eine Tür geöffnet, Dr. Hans Raabe, der Onkel des jungen Arztes, kam mit ausgebreiteten Armen auf den Besucher zu. Die beiden Männer schüttelten sich die Hände, und der alte Dorfdoktor strahlte über das ganze faltige Gesicht.

»Du hättest mir doch schreiben können, dann hätte ich dich von der Bahn abgeholt«, sagte er. »Komm rein. Wir haben lange nichts mehr voneinander gehört, und ich freue mich unbändig, dich bei mir zu haben. Hoffentlich bleibst du einige Tage. Wo hast du denn deine Koffer?«

»Am Bahnhof, Onkel Hans. Ich würde mich gern einige Zeit bei dir aufhalten«, erwiderte Joachim.

Wohlgefällig betrachtete der alte Dr. Raabe den Sohn seiner verstorbenen Schwester.

»Lina, holen Sie eine Flasche Wein aus dem Keller und machen Sie ein paar dicke Scheiben Schinken mit Schwarzbrot für uns zurecht«, trug er seiner Wirtschafterin auf, die immer noch mit verbissenem Gesicht dastand, um sich kein Wort der Unterhaltung entgehen zu lassen.

Joachim zog seinen Regenmantel aus und folgte seinem Onkel in das behaglich und etwas altmodisch eingerichtete Herrenzimmer. Sie setzten sich an den Rauchtisch. Der junge Arzt blickte starr und verzweifelt vor sich hin.

»Was hast du denn, Joachim? Ich sehe dir doch an, dass irgendetwas mit dir nicht in Ordnung ist.«

»Ich erzähle es dir später, Onkel«, antwortete Joachim Warren hastig. »Lina darf nichts davon hören. Sie sperrt sowieso immer ihre Ohren auf, wenn jemand nur ein Wort sagt. Ich habe Furchtbares erlebt und bin am Ende. Meinen Posten in der Klinik musste ich aufgeben. Glaub mir, ich bin unschuldig. Eine Frau hat mich ruiniert, und nun weiß ich nicht, was ich tun soll.«

Dr. Raabe legte seine Rechte auf den Arm seines Neffen.

»So schlimm wird es nicht sein, mein Junge. Allerdings bin ich erstaunt, dass du deinen Posten aufgeben musstest ...«

Er brach mitten in seiner Rede ab, weil die Haushälterin fast geräuschlos hereingekommen war und nun mit einem Tablett auf den Händen an das Tischchen trat. Sie hatte die zuletzt gesprochenen Worte mitbekommen und war begierig zu erfahren, was die beiden Männer zu besprechen hatten.

»Danke, Lina. Stellen Sie die Sachen nur auf den Tisch«, trug ihr Dr. Raabe auf. »Wir benötigen Sie heute nicht mehr. Machen Sie nur noch das Bett für meinen Neffen im Gästezimmer zurecht. Gute Nacht.«

Die Haushälterin brummte einen Gruß vor sich hin und ging hinaus. Vor der Tür blieb sie stehen und machte sich an dem Läufer zu schaffen.

Sie hörte das helle Zusammenklingen der Gläser und dann die Stimme ihres Dienstherrn.

»Nun erleichtere dein Herz, Joachim, und erzähle mir alles.«

Von dem, was der junge Dr. Warren sagte, konnte Lina nur Bruchteile verstehen, weil er sehr leise sprach.

»... schwöre dir, Onkel Hans, dass ich keinen Anlass dazu gab ... diese Frau muss wahnsinnig geworden sein ... einen Skandal entfesselt ...« Die Stimme des Besuchers sank zu einem Flüstern herab.

»Junge, lieber Junge, das ist doch nicht möglich!«, ertönte da ein Ausruf des alten Arztes. »Nein, ich glaube dir. Das ist ja eine ungeheure Beschuldigung.«

Wieder waren es nur Bruchstücke, die an das Ohr der Lauscherin drangen und die sie sich sorgfältig einprägte, um einen Zusammenhang zu finden.

»... zum Prozess gekommen ... falsche Aussagen ... mangels Beweisen ...«

»Nein, du kannst nicht zurückgehen«, ertönte dann die Stimme des alten Dr. Raabe. »Du weißt doch, dass ich mich schon lange zur Ruhe setzen will. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, wo du meine Praxis übernehmen kannst. Du bleibst bei mir, ich habe Vertrauen zu dir. Schließlich kenne ich dich von Kindheit an.«

Nun begann Dr. Raabe Einzelheiten aus seiner Praxis zu berichten, und Lina Mertens schlich von der Tür weg in ihr Zimmer.

»Dieser junge Warren darf hier nicht Fuß fassen«, murmelte sie. »Ich werde dafür sorgen, dass die Patienten Bescheid wissen, wie wenig er taugt. Warum hat er nur seinen Posten aufgegeben? Irgendetwas muss dahinterstecken. Aber ich werde es herausbekommen. Wie ich ihn hasse! Wenn Doktor Raabe seine Praxis aufgibt, bin ich erledigt.«

♥♥♥

»Wir müssen morgen die Genehmigung zur Ausübung der Praxis einreichen«, sagte Dr. Raabe gerade zu seinem Neffen, als das Telefon im Flur läutete.

»Na also. Es geht schon los.« Mit diesen Worten stand er auf, und Joachim hörte durch die angelehnte Tür, wie er seinen sofortigen Besuch zusagte. Dann kam er herein und legte dem Neffen die Hand auf die Schulter.

»Du kannst mich zum nächsten Dorf begleiten. Asthma cardiale bei einer sechsundfünfzigjährigen Witwe. Komm, nimm meine Tasche. Du kannst den alten Wagen steuern, er macht's immer noch.«

Als sie zusammen das Zimmer verließen, erschien die Wirtschafterin im Flur.

»Wohin geht's denn, Herr Doktor?«, fragte sie. »Ich muss doch wissen, wo Sie stecken, falls ein Anruf kommt.«

»Wir fahren zu Frau Krone. Sie hat wieder ihr Herzasthma.«

Joachim Warren fuhr den Wagen die im hellen Mondlicht liegende Straße entlang.

»Junge, wie dir das nur passieren konnte«, sagte Dr. Raabe. »Ist denn diese Frau verrückt? Es muss entsetzlich für dich gewesen sein, vor Gericht zu erscheinen. Und was nützt es schon, dass du mangels Beweisen freigesprochen wurdest. In unserem Beruf ist man dann erledigt. Es ist nur gut, dass Professor Holthausen von deiner Unschuld überzeugt war. Immerhin, er konnte dich auch nicht halten.«

Joachim Warren sah im Geiste den Gerichtssaal und den überfüllten Zuhörerraum vor Augen. Er hörte die Stimme jener Frau, die er nur flüchtig gekannt und die seine Existenz, seine Hoffnungen und seine Zukunft vernichtet hatte.

»Mach dir keine Sorgen, Joachim«, hörte er nun den Onkel sagen. »Du fängst jetzt ein neues Leben an. Denk, es sei ein böser Traum gewesen. Für mich bist du der anständigste Mensch auf der ganzen Welt, und wenn sich alle gegen dich wenden.«

»Danke, Onkel Hans«, erwiderte sein Neffe ergriffen, »Ich wusste, dass du mir glaubst.«

»Und nun kein Wort mehr darüber«, brummte Dr. Raabe. »Wir sind übrigens gleich am Ziel. Du musst jetzt den kleinen Weg den Berg hinauffahren. Siehst du die elende Hütte da oben? Es sind arme, brave Leute, die Witwe und ihre Tochter. Sie haben oben Licht über der Tür brennen lassen, damit wir den Weg nicht verfehlen.«

♥♥♥

Etwa zwanzig Meter unterhalb der Hütte, die auf einer Anhöhe lag, musste Joachim Warren den Wagen stoppen. Er nahm die Tasche und ging neben seinem Onkel die wenigen Schritte. Als sie vor dem Häuschen standen, kam ein junges Mädchen heraus, seltsam bleich und erregt sah es in dem fahlen Mondschein aus.

»Guten Abend, Fräulein Edith.« Der alte Arzt reichte dem Mädchen die Hand. »War der Anfall Ihrer Mutter sehr stark? Diesmal sorge ich dafür, dass Ihre Mutter zur Kur geschickt wird. Ich habe ihr doch jeden Weg hier im Gebirge verboten, aber natürlich geht sie wieder in den Wald und sammelt Holz und Beeren.«

Der alte Doktor deutete auf seinen Neffen.

»Das ist übrigens ein junger Kollege von mir, Doktor Warren. Er besitzt viel klinische Erfahrung und wird mir in meiner Praxis helfen. Also, nun wollen wir uns um die Kranke kümmern.«

Scheu hatte Edith Krone ihm ihre Hand hingestreckt, und Dr. Warren war einen Augenblick über die Lieblichkeit und den Zauber, der in diesem Mädchenantlitz lag, verwundert.

Zusammen gingen sie in die zu ebener Erde gelegene Stube, die dürftig, doch sauber eingerichtet war. An der Querwand zur Linken stand das Bett, in dem Frau Krone lag.

»Guten Abend, Frau Krone«, sagte Dr. Raabe. »Wieder das alte Leiden?« Er nahm ihre Hand und drückte sie. »Wieder mal die Berge hinauf- und hinuntergeklettert? Das ist gerade richtig bei Ihrer Herzschwäche! Was der alte Doktor sagt, wird in den Wind geschlagen. Damit ist jetzt Schluss, meine Gute. Morgen reichen wir die Verschickung für Sie ein, und da gibt es keine Widerrede.«

Er beugte sich über die Kranke und sah die bläuliche Verfärbung ihres gefurchten Gesichtes.

»Ach, Herr Doktor, ich hätte es nicht tun sollen«, keuchte sie mit schwerem Atem, »aber Sie wissen ja ...«

»Ja, ich weiß, dass Sie ein unartiges Ding sind«, brummte er gutmütig. »Heute habe ich einen jungen Kollegen aus der Klinik mitgebracht, Doktor Warren, der Sie untersuchen wird. Er ist mein Neffe.«

Joachim, der etwas im Hintergrund neben der Tochter der Erkrankten stehen geblieben war, trat nun an das Bett.

»Guten Abend, Frau Krone«, sagte er. »Wenn Sie glauben, dass ich, als junger Arzt, Ihnen auch ein wenig helfen kann, stehe ich Ihnen zur Verfügung.«

»Herr Doktor«, sagte sie keuchend, »ich habe Vertrauen zu Ihnen, wenn unser Doktor Sie mitbringt.«

»Bravo, Frau Krone«, rief der alte Arzt aus. »Fräulein Edith und ich gehen jetzt in die Küche, und ich schreibe Ihnen ein neues Rezept für das Herzmedikament aus. Und nun wird Sie Doktor Warren untersuchen.«

Er ging zusammen mit dem Mädchen hinaus, und Joachim blieb mit der Frau allein. Die Untersuchung ging schnell.

»Liebe Frau Krone«, sagte er dann. »Sie müssen verschickt werden. Wenn Sie das befolgen, was Ihnen Doktor Raabe ans Herz gelegt hat, werden Sie bestimmt wieder gesund.«

Die Tür wurde geöffnet, und Dr. Raabe trat ein. Er hatte schon eine Spritze aufgezogen und gab sie der Patientin nun nach kurzer Absprache mit seinem Neffen.

Als die beiden Ärzte ihre Behandlung beendet hatten, lag Frau Krone mit gelöstem Gesicht in den Kissen. Sie atmete frei und blickte Dr. Warren dankbar an.

»Es geht mir schon besser«, sagte sie leise.

Er reichte ihr die Hand, und nach ihm tat es sein Onkel.

Draußen verabschiedeten sie sich von dem jungen Mädchen.

»Siehst du, mein Junge«, meinte der alte Arzt vergnügt schmunzelnd, »nun hast du schon den ersten Patienten. Mir ist nicht bange darum, dass du dich sehr bald eingearbeitet haben wirst.«

»Das hoffe ich, Onkel«, erwiderte Joachim. Sie stiegen in den Wagen und fuhren durch die Nacht heimwärts.

♥♥♥

Leider erfüllte sich die Hoffnung des jungen Arztes nicht. Schon am nächsten Tag in der Sprechstunde machte sich das Misstrauen der Bäuerinnen und Bauern gegen den »jungen Doktor« bemerkbar. Sie weigerten sich ganz einfach, sich von ihm behandeln zu lassen.

Der alte Dr. Raabe wetterte und wurde böse, als er sah, wie sie sich voll Misstrauen von seinem Neffen abwandten. Sein Zorn erreichte den Höhepunkt, als ein Holzfäller, dem eine Hand zerquetscht war und dem Joachim den Verband erneuern wollte, ganz einfach davonlaufen wollte.

»Huber, Sie sind ein Dummkopf«, schnaubte er den Holzknecht an. »Machen Sie keine Albernheiten.«

»Es gibt noch mehr Dummköpfe«, erwiderte der alte Dörfler. »Ich will von diesen neumodischen Ärzten nichts wissen. Sie wollen nur an uns studieren. Und ich möchte meine Hand nicht verlieren.«

»Lass nur, Onkel, es hat keinen Zweck«, sagte Joachim schließlich völlig mutlos, als die letzten Patienten gegangen waren. »Ich will dir deine Praxis nicht verderben.«

»Weiß der Teufel, was in diese Menschen gefahren ist«, rief der alte Doktor wutbebend aus.

Er ahnte nicht, dass seine Wirtschafterin den Samen des Misstrauens gesät hatte.

»Der junge Mensch ist eben von der Universität gekommen«, raunte sie den leichtgläubigen Dörflern in die Ohren. »Er soll hier erst lernen. Dafür seid ihr euch doch zu gut.«

Eintönig verlief das Mittagsmahl. Immer wieder versuchte Dr. Raabe, seinen Neffen aufzumuntern.

»Aller Anfang ist schwer, und diese Gebirgler sind nun einmal misstrauisch. Du darfst den Mut nicht verlieren. Nachmittags fahren wir zusammen los. Man muss langsam mit diesen Dickköpfen warm werden.«

Lina Mertens, die Wirtschafterin, servierte brummig und widerwillig die Speisen.

Joachim aß mit betrübter Miene. Eine verrückte Frau, der er nie zu nahe getreten war, hatte seine Zukunft in der Klinik vernichtet. Und hier weigerten sich die Menschen, sich von ihm behandeln zu lassen.

Nachmittags sandte ihn der Onkel in ein Nachbardorf, wo eine junge Frau ihr erstes Kind erwartete. Völlig niedergeschlagen setzte Joachim sich in den alten Wagen und fuhr los.

Das junge Ehepaar wohnte in einer winzigen Hütte am Berge, und der Mann, ein Holzschnitzer, wartete schon an der Anfahrtsstraße auf den Arzt. Bis zu ihm waren die hässlichen Reden der Wirtschafterin Mertens noch nicht gedrungen.

Joachim Warren stieg aus dem Auto und stellte sich als Stellvertreter von Dr. Raabe vor.

»Gott sei Dank, dass Sie kommen, Herr Doktor!«, rief der werdende Vater. »Es ist höchste Zeit.«

Zusammen traten sie ins Haus, und Dr. Warren blieb fast zwei Stunden bei der Wöchnerin.

Sie war eine gesunde und kräftige Person, und an ihrem Bett saß ihre Mutter, die selbst schon sechs Kinder zur Welt gebracht hatte.

»Gratuliere«, sagte Dr. Warren, als er wieder vor die Hütte trat und den jungen Vater von den Höllenqualen des Wartens erlöste. »Es ist ein gesunder Junge von acht Pfund, gesund und munter wie seine Mutter. Sie können nun hineingehen.«

Aufatmend ließ Joachim sich auf der Bank neben der niedrigen Tür nieder. Endlich war man ihm nicht mit Misstrauen entgegengetreten.

Schließlich kam der junge Vater heraus und setzte sich zu ihm. In der einen Hand trug er eine Flasche Branntwein, in der anderen zwei Gläser.

»Meine Frau lässt Ihnen danken, Herr Doktor«, sagte er. »Sie hatte sofort Vertrauen zu Ihnen. Der junge Doktor hat so gute Augen, meinte sie. Deshalb möchte ich Sie bitten, Pate bei unserem Jungen zu sein. Trinken Sie ein Gläschen mit mir?«

Verlegen drehte er die Flasche hin und her. Das lockige blonde Haar fiel ihm ins wettergebräunte Gesicht.

»Natürlich trinke ich ein Glas mit Ihnen, Herr Dietz«, antwortete Joachim. »Und Pate werde ich bei so einem hübschen, kräftigen Jungen gern. Ihre Frau war sehr tapfer. Der Kleine ist kerngesund.«

Der junge Holzschnitzer griff in die Tasche seiner blauen Leinenhose.

»Da habe ich eine Kleinigkeit für Sie, Herr Doktor.« Er zog eine winzige geschnitzte Madonnenfigur hervor. »Ich möchte Ihnen gern diese Arbeit von mir schenken. Meine Frau sagte, dass Sie wiederkommen sollen, wenn wir unser zweites ...«

Er reichte dem jungen Arzt die Figur hin und füllte dann die Gläser.

»Sie sind wirklich ein Künstler«, sagte Dr. Warren, der das zierliche Holzfigürchen voll Bewunderung betrachtete. »Ich danke Ihnen. Sie haben mir eine große Freude damit bereitet.«

»Das freut mich, Herr Doktor. Vielen Dank, dass Sie es meiner Frau so leicht gemacht haben. Trinken wir auf ihre Gesundheit.«

»Auf Ihren Stammhalter und die junge Mama!« Joachim nahm das Glas und leerte es. »So, jetzt werde ich noch einmal nach Ihrer Frau sehen.«

Bald darauf konnte er sich zufrieden verabschieden.

»Es wird ein böses Unwetter geben«, sagte der Holzschnitzer, der Dr. Warren zum Wagen begleitete, und zeigte zum Himmel hinauf.

An den Berggipfeln ballten sich schwarze, an den Rändern schwefelgelb gefärbte Wolken zusammen, und zusehends verdunkelte sich das Tal.

Joachim fuhr zurück und konnte gerade noch den Wagen in die Garage bringen, als ein heftiger Regenguss niederrauschte und Blitz auf Blitz niederfuhr.

Dr. Raabe stand am Fenster in dem dunklen Wohnzimmer und betrachtete das Toben der Naturgewalten, als sein Neffe eintrat.

»Alles in Ordnung, Onkel Hans«, berichtete er. »Ein gesunder Junge ist angekommen, und auch der Mutter geht es gut. Diese Leutchen hatten Vertrauen zu mir. Sieh, diese hübsche Madonnenfigur hat mir der glückliche Vater geschenkt.«

Er stellte das kleine Kunstwerk auf den Tisch, und der alte Arzt drehte sich um.