Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 607 - Wera Orloff - E-Book

Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 607 E-Book

Wera Orloff

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Beschreibung

Bevor Markus Graf Neudeck-Ahlfeld als Kulturattaché an die deutsche Botschaft in Rom versetzt wird, verbringt er mit seiner entzückenden kleinen Tochter einen Urlaub in Tindo, einem Feriendorf in der Toskana.
Hier macht Konstanze, die ihren verwitweten Vater eifersüchtig von Frauen fernhält, eine merkwürdige Entdeckung: Im hermetisch abgeschlossenen Park eines alten Palazzo sieht sie eine wunderschöne weiße Dame mit einem Jungen, die von finster aussehenden Männern bewacht werden.
Zuerst denkt Graf Markus, der die blühende Fantasie seiner Tochter kennt, an eine ihrer Räubergeschichten, doch dann wird auch er neugierig. Zu schön ist die geheimnisvolle Unbekannte, als dass das Herz des einsamen Mannes unberührt bleiben könnte. Und im Handumdrehen ist er in eine leidenschaftliche Romanze verwickelt, die ihn fast das Leben kostet ...


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Inhalt

Cover

Die Ferienbekanntschaft

Vorschau

Impressum

Die Ferienbekanntschaft

Liebesroman um eine geheimnisvolle Begegnung

Bevor Markus Graf Neudeck-Ahlfeld als Kulturattaché an die deutsche Botschaft in Rom versetzt wird, verbringt er mit seiner entzückenden kleinen Tochter einen Urlaub in Tindo, einem Feriendorf in der Toskana.

Hier macht Konstanze, die ihren verwitweten Vater eifersüchtig von Frauen fernhält, eine merkwürdige Entdeckung: Im hermetisch abgeschlossenen Park eines alten Palazzo sieht sie eine wunderschöne weiße Dame mit einem Jungen, die von finster aussehenden Männern bewacht werden.

Zuerst denkt Graf Markus, der die blühende Fantasie seiner Tochter kennt, an eine ihrer Räubergeschichten, doch dann wird auch er neugierig. Zu schön ist die geheimnisvolle Unbekannte, als dass das Herz des einsamen Mannes unberührt bleiben könnte. Und im Handumdrehen ist er in eine leidenschaftliche Romanze verwickelt, die ihn fast das Leben kostet ...

»Papi, ich weiß was für dich!«

»Das ist aber fein. Was ist es denn?« Markus Graf Neudeck-Ahlfeld streckte sich wohlig und gähnte.

»Eine weiße Dame!«

»Ah, wie interessant! Doch ich glaube nicht, dass ich momentan Verwendung dafür habe.«

»Aber ich wohl!« Konstanze Neudeck-Ahlfeld nahm ihren Vater fest in den Blick. Sie stand mit wenig mehr als der Pracht ihrer fünf Lenze angetan vor seiner Liege und verdunkelte ihm die Sonne.

Markus blinzelte zu seiner Tochter hoch.

»Konny, mein Kind, was soll dieser drohende Unterton? Bist du nicht mehr zufrieden mit mir?«

»Doch, sehr. Ganz toll sogar. Aber ...«

»Dann lass uns dem Schicksal dankbar sein, dass es uns so glänzend geführt hat. Dieses Tindo ist das reinste Eldorado.«

»Ja, aber ...«

»Kein Aber, meine Liebste. Bist du nicht schon hübsch braun von der italienischen Sonne? Und ist dein Bäuchlein nicht schon ganz rund von dem leckeren Essen hier? Mmh.« Er verdrehte verzückt die Augen.

»Doch. Nur ...«

»Was, immer noch nicht zufrieden? Ist unser Ferienort nicht der schönste der gesamten Toskana, und haben wir beide denn nicht einen besonders schicken Palazzo ganz für uns allein?«

»Bauernpalazzo, Papi.«

»Konstanze, sei kein Snob, die sind rarer als andere. Es gibt nämlich nur noch wenige davon.«

Der junge Kulturattaché war froh, diesem Tipp gefolgt zu sein. In Tindo konnte er sich vor Antritt seiner neuen Stellung noch einmal nach Herzenslust erholen. Er war an die deutsche Botschaft nach Rom berufen worden, und dass das eine hohe Auszeichnung war, leider mit viel Stress verknüpft, war klar.

Markus war gleich begeistert gewesen, als sie nach der Fahrt durch die Heimat des Chiantis hier angelangt waren. Hier trafen sie nicht auf die Zerstörung gewachsener Strukturen, sondern eine zwar zeitgemäße, aber gelungene Restaurierung.

Tindo war von seinen Einwohnern verlassen worden, die in den Städten auf bessere Einkommen hofften. Eine schweizerische Hotelgesellschaft hatte das ganze verfallene Dorf aufgekauft. Sie hatte die weit über die Hügel verstreuten Häuser – die sogenannten Bauernpalazzi – mit ihren Tonnengewölben, Bögen und Balkendecken behutsam angefasst und bei der Wiederbelebung sogar etruskische Urelemente ans Licht gebracht. Die großen Räume, Küchen und Bäder waren mit modernem Komfort ausgestattet worden, sodass sie selbst höchsten Ansprüchen genügten.

Eine Feriensiedlung für wohlhabende Kenner und Genießer war entstanden. Wo früher Schafe und Esel gegrast hatten, spielten heute die Gäste – größtenteils Amerikaner und Nordeuropäer – Tennis, rollten Bocciakugeln und vergnügten sich in beheizbaren Swimmingpools. Auch die kleine Kirche, ein barockes Kleinod, war gerettet worden und rief mit seinen Glocken nun leicht bekleidete Urlauber herbei.

Tindo lag eingebettet in Rebhügeln und Olivenhainen und war wie geschaffen für ausgedehnte Wanderungen.

Den deutschen Diplomaten erfreute es zudem, dass der Ort nur etwa eine Autostunde von Florenz, Pisa und Siena mit ihren Museen entfernt war.

Da es noch früh im Jahr war, hatte der Graf auswählen können und sich für das höchstgelegene Haus entschieden. Sie hatten von dort einen herrlichen Blick ins weite Land und auch in den Park des Palazzo Rivaldi hinein. Ein Adelssitz, der auch heute noch intakt war. Der Kulturattaché hätte etwas darum gegeben, dort einmal in Muße herumstöbern zu können. Aber das große Gittertor war geschlossen.

»Die Contessa lebt außerhalb der Saison in Rom«, sagten die Leute, die wenigen zurückgebliebenen Einheimischen, die nun im Handel oder Service für die Fremden tätig waren. Und sie sagten es mit ehrfürchtiger Stimme.

Der Palazzo Rivaldi, für den Markus sich interessierte, gehörte nicht zur Feriensiedlung, lag aber mitten darin.

Sonst gab es in Tindo nur noch ein Lebensmittelgeschäft, in dem Konnys Freund Enrico wirkte, der Markus Tochter mit Naschereien verwöhnte, zwei Handwerker und ein Wirtshaus, in dem vorwiegend Einheimische verkehrten.

So war die Welt hier beschaffen, die der junge Vater seiner Tochter mit bewegten Worten pries, nun, da zehn Tage seit ihrer Ankunft verstrichen waren.

»Na, immer noch nicht milde gestimmt?«, fragte er die Kleine. »Was fehlt meiner Süßen denn eigentlich?«

»Die weiße Dame!«

Nun erst sah Markus sie heranrollen, zwar nicht die besagte Person, sondern seines Kindes Fantasie.

»Wir wollen doch nicht ins Entlegene schweifen«, mahnte er deshalb hastig.

»Papi, sie ist wunderhübsch und von oben bis unten weiß, und du magst sie bestimmt.«

»Ich mag sie nicht, wer sie auch sei. Von oben bis unten weiße Damen gehören hier nicht her. Die sollen sich sonst wohin scheren.«

Irrtum, seine Tochter brannte darauf, ihn eines Besseren zu belehren. Um sie abzulenken, zog er sie in seine Arme.

»Konnylein«, flüsterte er in ihr rosiges Ohr, »wie wäre es denn mit einem Regenbogen-Eis von Enrico, einer ganz dicken Portion? Das ist viel besser als entnervende Gespenster.«

Sie streichelte nachdenklich mit ihrer kleinen Hand seine gebräunten Wangen.

»Falsch!«, sagte sie dann liebenswürdig, als er schon glaubte, er habe gerade noch die Kurve bekommen. »Meine spaziert nur stumm herum.«

»Großer Gott«, stöhnte er. »Hast du nicht wenigstens dreimal übers Kreuz und auch sonst versprochen, dass du Papi nichts auftischen wirst, was es nicht gibt?«

»Aber es gibt sie doch! Sie hat sogar ein Kind, einen Jungen mit einem Engelsgesicht. Und nun möchte ich gern, dass du ihn mir bringst, denn er wird ganz schrecklich bewacht.«

»Von einem Drachen natürlich?«

»Nein, von einem finsteren Unhold, der auf mich losfuhr wie ein wilder Hund.«

»Konstanze!«, sagte Markus streng. »Alles was recht ist, du zerstörst den Frieden. Ich weiß, dass du gern einen Spielgefährten hättest. Und ich bedauere auch, dass kein Kind deines Alters in Tindo anwesend ist.«

»Aber es ist doch da! Und es heißt Mario, wie in meinem Bilderbuch mit dem Zauberer, und du brauchst dich wirklich nicht aufzuregen, Papi, denn ich will ihn doch nur beschützen.«

»Auch das noch! Die Ruhe war also trügerisch. Ich hätte es wissen müssen. So, leg deine Arme um meinen Hals, dann bin ich auf alles gefasst.« Markus küsste seine Tochter, und Konny schmiegte sich an ihn.

»Also, das war so«, begann sie, und er schloss ergeben die Augen. Die Entdeckungen seiner Tochter überfielen ihn stets aus heiterem Himmel. Seine Frau war kurze Zeit nach Konnys Geburt gestorben, und wie bei vielen Kindern, die vorwiegend mit Erwachsenen umgehen, war die Einbildungskraft seiner Tochter sehr ausgeprägt.

Nun ist eine rege Fantasie ja nichts Anrüchiges, aber bei dieser Fünfjährigen schoss sie doch bedenklich ins Kraut. Einmal war sie gar in einem Polizeirevier erschienen und hatte behauptet, »ein armes Kind zu sein, das immer zum Klauen mitgenommen wird«. Es hatte Markus einige Mühe gekostet, die Sache aufzuklären und seine Tochter mitnehmen zu können.

Vor dieser Sternstunde hatte sie sich schon als »berühmten Filmstar«, »Zirkusprinzessin« und »Wunderkind mit Hund« ausgegeben. Lauter Geschichten, die im Bekanntenkreis des Diplomaten die Runde machten.

Daher war es für Markus oft schwierig, Dichtung und Wahrheit bei seiner Tochter zu trennen. So hörte er auch jetzt stirnrunzelnd zu, wie sie eine Begegnung beschrieb:

»Ich bin ein bisschen herumgegangen, während du gedöst hast, Papi ...«

»Aha.«

»Dann bin ich auf einen Pfahl geklettert und hab gesungen, aber nur ganz leise.«

»Arien?«

»Nein. Lieber heiliger Vater, schick mir einen Jungen, habe ich gesungen.«

»Ein frommer Wunsch, und wie ich unseren Papst kenne, würde er einen absenden.« Markus drückte sie an sich.

»Hat er schon, Papi. Er kam an der Hand der weißen Dame daher. Als sie mich sahen, sind sie stehen geblieben, und sie hat gesagt: ›Kleines Mädchen, du fällst doch hoffentlich nicht herunter!‹«

»Sehr vernünftig!«

»Nicht wahr? Ich hab geantwortet: ›Nein, Prinzessin, ich sitze hier fest!‹«

»Ha!«

»Dann hat sie gelächelt, und ich habe auch gelächelt. Dann ist sie fort, aber ihr Kind hat sie mir dagelassen.«

»Dir? Und woher weißt du denn überhaupt, dass es ihr Kind war?«

»Der Junge ist doch auch blond. Er gefiel mir ganz toll. Aber ich konnte nicht zu ihm hin.«

»Warum denn nicht?«

»Aber, Papi, da war doch der Zaun dazwischen.«

»Du lieber Gott! Sonst noch was?«

»Nein, nur eine Menge spitzer Stangen. Wir haben uns aber vorgestellt, weil sich das ja so gehört.«

»Du auf deinem Hochsitz und er unten?«

»Ja. Er war ganz allerliebst, aber scheu.«

»Was man von dir nicht behaupten kann.«

»Nein. Ich hab ihn gefragt, ob ich runterspringen soll.«

»Trotz der Menge spitzer Stangen, untersteh dich!« Markus schauderte es.

»Ich hab's ja auch gar nicht getan, denn da kam plötzlich der Wolf aus dem Busch, und Mario lief fort.«

»Eben noch ein Hund, jetzt ein Wolf, was war es denn nun eigentlich?«

»Jedenfalls fletschte er.«

»Was hat er getan?«

»So.« Konny machte es vor, und ihr Vater fuhr zurück.

»Das war ja ein Menschenfresser!«

»Sag ich doch die ganze Zeit, aber ich hatte keine Angst, denn ich saß ja oben.«

»Und was hat er noch gemacht, dieser Sohn der Steppe?«

»Er hat geschrien: ›Avanti, avanti‹, oder so was. Dabei hat er die Fäuste geschüttelt, und ich hab gemerkt, dass ich nicht mit Mario spielen soll und dass er mich am liebsten versohlt hätte.«

»Hm.« Markus küsste seine Tochter. Wenn sie sich die Geschichte nicht aus den Fingern gesogen hatte, musste dies eine ganz neue Erfahrung für Konny gewesen sein, denn sie war allseits beliebt. »Und was soll ich jetzt tun?«

»Aber, Papi, begreifst du denn das nicht? Wir müssen den Mario doch befreien.«

»Nun aber mal langsam. Darf ich dich darauf aufmerksam machen, dass wir schon in einer Geschichte drinstecken? Du bringst die Drehbücher durcheinander.«

»Glaub ich nicht.«

»Hast du vergessen, dass wir in Tindo ein Leben ohne Aufsehen führen wollten und unter falschem Namen abgestiegen sind?«

»Nicht falsch, nur mit einer Hälfte.«

Der Diplomat hatte sich als Markus Neudeck eingetragen. Und das nicht zum ersten Mal. Er legte Wert auf Diskretion, schon von Berufs wegen. So elegant der Kulturattaché auf dem Parkett war, so schlicht war er im Privatleben. Keinem der vielen reichen Gäste wäre es eingefallen, in dem schlaksigen, braun gebrannten Mann, der mit Vorliebe in Cordhosen herumlief, ein Mitglied des Auswärtigen Amtes und hohen Adels zu vermuten.

Und auf Konny konnte Markus sich verlassen, denn für sie war das wie ein neues Spiel.

»Und was habe ich für einen Beruf?«, fragte ihr Vater sie.

»Du bist Fotograf, aber kein richtiger.«

Und so war es auch. Markus kam sein Hobby zupass. Er ging mit Kameras um wie ein Professioneller, und ohne seinen Apparat war er nie zu sehen. Und da seine Tipps gut waren, hätten die anderen Feriengäste von Tindo jeden Eid darauf geschworen, dass der nette, zurückhaltende Mann mit der ulkigen Tochter mit dem »Bildermachen« seinen Lebensunterhalt verdiente.

»Du siehst also ein, dass wir hier nicht auf die Pauke hauen können«, erklärte er Konny. Doch als er ihr enttäuschtes Gesicht sah, setzte er abschwächend hinzu: »Diesen Mario gibt es wirklich?«

»Aber Papi!«

»Man wird ja noch fragen dürfen. Und jetzt soll ich euch beide zusammenbringen?«

»Oh ja!«

»Aber wie und wo? Soll ich etwa alle Bauernpalazzi abklappern: ›Hören Sie, haben Sie vielleicht Schneewittchen und Mario, den Zauberer, samt Wolf versteckt?‹ Vielleicht waren sie nur Tagesgäste und sind längst wieder weg?«

»Aber Papi, hast du denn gar nicht aufgepasst? Ich saß doch vor dem großen Park, und sie waren dort drin!«

»Was? Und das sagst du jetzt erst?« Markus hielt seine Tochter lachend in die Höhe. »Es sind Leute der Contessa, meinst du? Da wollen wir mal das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden, und meine Kamera nehme ich auch mit. Ich gehe rüber!«

♥♥♥

Als Markus am Nachmittag beim Palazzo Rivaldi eintraf, fand er Konnys Angaben bestätigt. Das große Parktor war offen. Es wäre ihm doch sehr unangenehm gewesen, hätte er nach einem Kind gefragt, das es überhaupt nicht gab. Der weitere Verlauf lag allerdings im Dunklen, denn dass wirklich so rüde mit seiner Tochter umgesprungen worden war, hielt er für unwahrscheinlich. Und das besonders, wenn er die altehrwürdige Familie bedachte, zu denen die Leute gehören sollten.

Vermutlich hatte Konny nur wieder einmal ihrer Fantasie die Zügel schießen lassen.

Der Diplomat schlenderte lächelnd die Auffahrt hinauf. Sie lebten gut miteinander, seine Tochter und er. Wer annahm, ein junger Witwer in einem Top-Beruf könne kein kleines Mädchen erziehen, der irrte sich. Auch wenn Konny mitunter etwas störrisch war, klappte es hervorragend. Sie hingen aneinander wie die Kletten, und ihre Kameradschaft war großartig.

Nach dem Tod seiner Frau hatte Markus gemeint, er müsse seinem Kind wieder eine neue Mutter geben, und eine ganze Reihe attraktiver Weiblichkeit war bereitwillig herbeigeeilt. Aber da hatte er die Rechnung ohne die kleine Konny gemacht, denn die hatte sich vehement gewehrt. Sie wollte ihren Papi für sich allein. Deshalb war es schon erstaunlich, dass sie ihm die »weiße Dame« offerierte. Dann musste ihr schon an dem besagten Mario viel liegen.

Markus erinnerte sich da an gewisse Histörchen. Frauen, die ihnen außerhalb ihrer vier Wände begegneten, ließ seine Tochter zwar ungerührt über sich ergehen, aber wehe, es tauchte eine im Haus auf.

Der Graf wurde von der holden Weiblichkeit umschwärmt, er sah gut aus, das solide Vermögen und der Name waren auch nicht zu verachten. Doch sobald es ernst wurde, schlug seine Tochter sie alle in die Flucht.

Einer war es einmal gelungen, die Schwelle seines Hauses zu überschreiten. Es war schrecklich gewesen. Seine Tochter hatte die arme Viola so angestarrt, als sähe sie in ihr den Gipfel der Verderbnis. Kein Wort war ihr zu entlocken gewesen, kein Lächeln, nicht einmal ein Wimpernzucken.

Viola hatte sich auch ziemlich schnell mit einem Karrieristen aus dem Wirtschaftsministerium getröstet. Er würde wohl als Witwer in die Grube fahren.

Trotz dieser trüben Aussicht genoss Markus diejenige, die sich ihm jetzt bot.

Er hatte recht vermutet, dieser Park war ein Märchen. Kein Rokokogarten nach französischer Art, auch kein englisches Musterstück. Der Park der Contessa Rivaldi war klassisch: einfache Linien, hell, streng und doch auf eine höhere Art heiter; atmende Kultur, antikes Flair.

Und das Haus erst. Markus war hingerissen. Es war viel größer als sie Bauernpalazzi ringsum, einem Kastell ähnlich, mit steinernen Figuren geschmückt, deren jede ein Vermögen wert war. Das Giebelfeld über dem Portal war dem Tympanon einer Kathedrale ähnlicher als dem eines adligen Landhauses. Fantastisch!

Ein Geräusch ließ Markus aufblicken.

Die weiße Dame! Sie stand mit dem Rücken zu einer Zypressengruppe. Sie hielt ein Buch in der Hand und musste sein Herannahen bemerkt haben, denn er sah Verwunderung in ihrem Blick.

Es freute Markus, dass es sie gab, aber noch mehr, dass sie so schön war. Ein zartes Gesicht, fast durchscheinend vor Helle, das silberblonde Haar eher hochgesteckt als frisiert, aber gerade deshalb so anmutig. Die blauen Augen hatten die Farbe voll erblühter Veilchen. Eine Nordländerin in der Toskana?

»Verzeihen Sie bitte, dass ich hier eindringe!«, sagte Markus wohl deswegen auf Deutsch.

Und wirklich, sie antwortete in der gleichen Sprache, nur mit einem winzigen Akzent, den sich alle angewöhnen, die lange in einem fremden Land leben.

»Oh, das macht nichts. Sie können ja nicht wissen, dass unser Besitz nicht zur Besichtigung freigegeben ist.«

»Das ist bedauerlich, gnädige Frau«, erwiderte Markus lächelnd, »denn ich habe selten ein so prachtvolles Haus gesehen. Ich bin übrigens einer Ihrer Nachbarn auf Zeit.« Er deutete mit der Hand in die Richtung, wo sein Feriendomizil lag. Sicherlich würde Konny dort oben auf der Lauer liegen und aufgeregt herumhüpfen, wüsste sie, dass ihr Vater jetzt mit der »weißen Dame« sprach.

»Ah, wirklich?« Sie neigte den hübschen Kopf, ohne jedoch seiner Blickrichtung zu folgen.

»Neudeck ist mein Name, und ich muss mich nochmals entschuldigen, dass ich mir die Freiheit nahm, hier einzudringen. Meine Tochter ließ mir einfach keine Ruhe. Sie hat heute Morgen Ihre und Marios Bekanntschaft gemacht.«

»Die nette Kleine, die wie ein Bildnis auf dem Pfeiler hockte? Es freut mich, dass sie wieder heruntergekommen ist.« Nun lächelte auch sie, was sie nur noch reizvoller machte.