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Nach dem Tod ihrer Eltern nimmt der gütige Karl Baumann, der eine Großgärtnerei betreibt, die blutjunge Bettina und ihre kleine Schwester bei sich auf. Schon bald ist Bettina seine engste Vertraute und der Sonnenschein seines Lebens. Denn sein missratener Sohn Harald interessiert sich nur für Autorennen und kümmert sich nicht um die Gärtnerei. Als der schwer kranke Karl Baumann sein Ende spürt, bittet er Bettina, immer für seinen Sohn da zu sein, wenn er nicht mehr ist. Am liebsten würde sie die Bitte ablehnen, doch als sie an die unendliche Güte des alten Mannes denkt, nickt sie. Ihr bleibt keine andere Wahl. Und als der Taugenichts von Sohn nach einem schweren Rennunfall dem Alkohol verfällt und sein Leben am seidenen Faden hängt, löst Bettina ihr Versprechen ein, ohne sich der bitteren Konsequenzen bewusst zu sein ...
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Seitenzahl: 129
Veröffentlichungsjahr: 2025
Cover
Gegen das eigene Herz
Vorschau
Impressum
Gegen das eigene Herz
Kann sie ihre Sehnsucht wirklich besiegen?
Nach dem Tod ihrer Eltern nimmt der gütige Karl Baumann, der eine Großgärtnerei betreibt, die blutjunge Bettina und ihre kleine Schwester bei sich auf. Schon bald ist Bettina seine engste Vertraute und der Sonnenschein seines Lebens. Denn sein missratener Sohn Harald interessiert sich nur für Autorennen und kümmert sich nicht um die Gärtnerei. Als der schwer kranke Karl Baumann sein Ende spürt, bittet er Bettina, immer für seinen Sohn da zu sein, wenn er nicht mehr ist. Am liebsten würde sie die Bitte ablehnen, doch als sie an die unendliche Güte des alten Mannes denkt, nickt sie. Ihr bleibt keine andere Wahl. Und als der Taugenichts von Sohn nach einem schweren Rennunfall dem Alkohol verfällt und sein Leben am seidenen Faden hängt, löst Bettina ihr Versprechen ein, ohne sich der bitteren Konsequenzen bewusst zu sein ...
Der warme Sommerwind strich über die leuchtend bunten Dahlienfelder und trug den Duft des Blumenmeeres mit sich fort über die großzügig angelegten Gewächshäuser.
Das schlanke Mädchen verhielt einen Augenblick seinen Schritt, legte die Hand über die Augen und ließ den Blick glücklich umherschweifen. Dann schlenderte es weiter.
»Hallo, Bettina!«
Sie wandte sich um.
»Was gibt es?«, fragte sie.
»Die Kreuzung scheint zu gelingen«, gab Emma Kaume, eine ältere, etwas mollige Frau, aufgeregt zurück. Emma kam nur einige Male in der Woche in die Großgärtnerei Baumann, um zu helfen. Sie war nicht mehr die Jüngste, aber sie brauchte das Geld.
»Ja, ich habe es heute Morgen schon gesehen. Hoffentlich gelingt es uns diesmal, den richtigen Farbton zu treffen.« Bettina lächelte, und Frau Emma verschwand wieder hinter der Glastür des Gewächshauses.
»Nur gut, dass der alte Herr die Bettina hat«, sagte sie kurz darauf zu dem Gärtner Gustav.
»Der Meinung bin auch ich«, erwiderte dieser.
»Er gefällt mir in der letzten Zeit gar nicht mehr so recht. Er fällt so in sich zusammen«, sagte Frau Emma.
»Ja, er hat sehr abgebaut«, pflichtete Gustav ihr bei.
»Wie soll es später einmal werden?« Frau Emma seufzte unwillkürlich. »Glaubst du, dass der Liederjan von Sohn hier jemals zufasst?«
»Sag das nicht so laut, Emma. Der Herr hält noch immer große Stücke auf ihn. Er wird fuchsteufelswild, wenn jemand etwas gegen den Sohn sagt«, warnte Gustav Hase sie.
Emma Kaume ließ sich von der Warnung nicht beirren.
»Er schlägt ganz nach der Mutter! Die wollte auch alleweil nichts tun, sauste nur mit ihrem Wagen durch die Gegend! Wie kann denn ein vernünftiger Mensch Rennfahrer werden wollen?«, entrüstete sie sich.
»Wir werden sehen, was wird«, sagte Gustav Hase und steckte nun einige kleine Pflanzen um.
Indessen eilte Bettina auf das schöne, geräumige Haus zu, dem man ansah, dass Wohlstand darin herrschte.
Plötzlich hörte sie ihren Namen rufen, und ein etwa fünfjähriges Kind sprang ihr entgegen.
»Liebes!« Bettina fing das zarte Persönchen auf und drückte es an ihre Brust. »Hast du dein Frühstück schön gegessen, Gabilein?«, fragte sie liebevoll.
»Na klar«, kam prompt die Antwort. »Ich war auch schon bei Onkel Karl und habe ihm einen Guten Morgen gewünscht.«
»Das hast du gut gemacht, Gabi. Nun komm, ich muss mich schnell um das Essen kümmern.«
Die Kleine betrat mit ihrer großen Schwester die geräumige, blitzblanke Küche. Hier war ein junges Mädchen damit beschäftigt, Gemüse zu putzen und Kartoffeln zu schälen.
Die Arbeiter der Großgärtnerei wurden mit verpflegt. Es mussten täglich große Mengen gekocht werden.
Bettina wusch sich die Hände, wechselte Schuhe und Schürze und traf Vorbereitungen fürs Essen.
Zwischendurch stieg sie rasch die Treppe hinauf zu der kleinen Wohnung, die sie mit Gabi bewohnte, und schaute dort nach dem Rechten.
♥♥♥
Dann suchte Bettina den Hausherrn auf. Sie klopfte kurz an seine Tür und betrat, nachdem sie sein »Herein« vernommen hatte, den Raum.
»Ach, Bettina, du bist es!« Zwei gütige Augen, die unter buschigen weißen Brauen lagen, schauten ihr entgegen.
Sie ging auf den alten Mann im Sessel zu. Ein heller Sonnenstrahl fiel auf ihn und erhellte sein abgezehrtes Gesicht.
Bettina wurde es schwer ums Herz, als ihr bewusst wurde, wie sehr sich Karl Baumann in den letzten Wochen verändert hatte.
»Nun, Kind, was macht die Arbeit? Nach dem Essen möchte ich wieder einen Rundgang machen. Willst du mich dabei ein bisschen stützen?«
»Natürlich. Da mache ich sehr gern«, erwiderte Bettina. »Mit der Arbeit ist alles in Ordnung.«
Jetzt sah sie, dass der Hausherr anscheinend gerechnet hatte. Vor ihm auf dem Schreibtisch lag ein Zettel, auf dem viele Zahlen geschrieben standen.
Karl Baumann fing ihren etwas ängstlichen Blick auf.
»Setz dich ein bisschen, Kind«, bat er und ergriff ihre Hand. Die seine erschien Bettina so kalt zu sein, dass ihr ein Schauder über den Rücken lief.
Unwillkürlich musste sie an die kalte Hand ihrer Mutter denke, als diese schon vom Tod gezeichnet gewesen war.
Bettina, die gerade etwas über sechzehn Jahre alt gewesen war, hatte am Bett ihrer Mutter gesessen. Diese hatte ihre Hand ergriffen und kaum noch die Kraft gehabt, die Hand der Tochter zu drücken.
»Bitte, Bettina, verlass deine kleine Schwester nicht, versprich es mir«, hatte sie gesagt.
»Ich habe eben gerechnet, Bettina«, murmelte der Hausherr und senkte den Kopf.
Bettina lächelte bedrückt. Sie war damals gleich nach dem Tode ihrer Eltern in dieses Haus gekommen. Wie kam es, dass plötzlich die Vergangenheit so lebhaft vor ihr stand?
Ihr Vater hatte in der Großgärtnerei Baumann gearbeitet. Eines Tages war er auf dem Weg zur Arbeit von einem Auto überfahren worden und wenige Tage später im Krankenhaus seinen Verletzungen erlegen.
Und kurz darauf, als das Baby erst wenige Tage alt gewesen war, war auch ihre Mutter gestorben. Und Bettina hatte die Verantwortung für das winzige Menschenbündel übertragen bekommen.
Was für ein Glück war es damals gewesen, dass der gütige Karl Baumann sie und Gabi aufgenommen hatte. Er war ein so guter Mensch!
Bettina erwachte aus ihrer Versunkenheit. Sie hatte hier in diesem Hause ein neues Aufgabengebiet gefunden. Ihr Schwesterchen und sie führten ein sorgenloses Leben, und sie tat alles, um dem gütigen Menschen immer wieder zu zeigen, wie dankbar sie ihm war.
»Ja, ich habe gerechnet, Bettina«, wiederholte Karl Baumann.
Seit Monaten war der vor fünf Jahren noch kraftstrotzende Mann hinfällig und schwach geworden. Bettina war ihm unentbehrlich geworden. Sie verteilte am Morgen die Arbeiten und hatte die Aufsicht in der Küche.
Das freundliche junge Mädchen wurde von allen respektiert. Um die Bücher der Großgärtnerei hatte Bettina sich allerdings noch nicht gekümmert. Die hatte bisher der Hausherr selbst geführt.
Umso erstaunter war sie, dass der alte Herr jetzt so hartnäckig darauf bestand, ihr etwas von diesen Dingen zu erzählen.
»Wenn Sie sich im Augenblick nicht besonders fühlen, sollten Sie sich lieber ausruhen.«
»Ich werde mich nie wieder gut und kräftig fühlen, Bettina. Ich bin alt und habe mein Leben hinter mir. Es war ein schönes, zufriedenes Leben, inmitten meiner Blumen und Pflanzen«, fügte er sinnend hinzu.
Bettina saß still vor ihm, blickte in die wässerigen Augen mit dem entrückten Blick und musste die Lippen fest zusammenpressen, um nicht zu weinen.
Karl Baumann war ihr väterlicher Freund. Sie hatte nur noch ihn und Gabi auf der Welt. War das Schicksal so grausam und nahm ihr nun auch noch ihn, nachdem sie schon die Eltern verloren hatten?
»Ja«, sagte sie, denn sie wusste nicht, was sie sonst hätte sagen sollen.
»Du warst in den letzten Jahren der Sonnenschein in meinem Leben, Bettina«, murmelte der alte Mann.
In diesem Augenblick öffnete sich die Tür, und die kleine Gabi huschte hinein.
Gabi war ein reizendes Kind mit einem niedlichen Gesicht und hellblonden Löckchen.
Das Kind drängte sich Schutz suchend an Bettina. Diese war ganz froh, dass Gabi gerade jetzt hereingekommen war.
»Geh nur, Bettina, und leiste mir heute Abend noch ein bisschen Gesellschaft«, bat Karl Baumann herzlich.
Bettina erhob sich. Während sie wieder ihrem Tagewerk nachging, drehten sich ihre Gedanken unentwegt um den gütigen alten Herrn Baumann.
♥♥♥
Nach dem Abendessen kam Bettina seiner Aufforderung nach, ihm noch ein bisschen Gesellschaft zu leisten. Gabi lag bereits im Bett. Bettina schmerzte der Rücken nach der vielen Arbeit. Doch selbst jetzt, am Feierabend, konnte sie nicht ausruhen, denn ein Berg Wäsche wartete darauf, gestopft zu werden.
Sie setzte sich ihrem großzügigen Gönner lächelnd gegenüber und deutete auf den Wäscheberg.
»Das stört doch hoffentlich nicht?«, fragte sie.
»Nein, natürlich nicht«, erwiderte Herr Baumann.
Einen Moment herrschte Stille.
»Bevor man sich zur Ruhe begibt, Bettina, soll man sein Haus bestellen«, murmelte der alte Herr dann mit brüchiger Stimme. »Ich habe noch immer die Hoffnung, dass Harald eines Tages heimfindet, wenn er sich ausgetobt hat«, fügte er hinzu.
Karl Baumann sprach nur selten über seinen einzigen Sohn, auch Bettina gegenüber. Fand Harald Baumann wirklich einmal heim, zog sich Bettina so oft wie möglich zurück. Sie mochte den gut aussehenden jungen Erben nicht. Er war ihr zu laut und lärmend und brachte ständig schöne junge Frauen mit in sein Elternhaus.
Sie, Bettina, behandelte er immer von oben herab, mit leichtem Spott, einer gewissen Geringschätzung, die man eben für Dienstmädchen des Elternhauses hatte.
Warum sprach der alte Herr plötzlich so eindringlich mit ihr über seinen Sohn? Sie glaubte nicht an das, was der alte Herr da eben geäußert hatte.
»Er wird einsehen, wo für ihn das größte Glück liegt, mein Kind. Jetzt glaubt er ihm auf den Spuren zu sein, jagt hinter ihm her, aber er ist nicht glücklich, das weiß ich, und darum glaube ich fest daran, dass er eines Tages zurückfinden wird.«
Was habe ich mit diesem Menschen zu tun?, dachte Bettina unwillig, um sich gleich darauf zu schämen. Harald war der einzige Sohn eines gütigen Menschen, dem sie unendlich viel Dank schuldete.
»Wirst du später immer für Harald da sein, so wie du es bisher für mich warst, Bettina?«, fragte eine zitternde Greisenstimme in ihre Gedanken hinein. Zwei bittende Augen schauten sie an.
Sie ließ den Strumpf in den Schoß sinken. Sie wollte sich gegen den Wunsch auflehnen, es war ihr wie damals zumute, als die Mutter von ihr verlangt hatte, für Gabi zu sorgen.
Sekundenlang erfasste Bettina die Sehnsucht nach Glück und Liebe, wie ihn jedes junge Mädchen im Herzen verspürte. Sie wollte keine neue Verantwortung übernehmen, besonders nicht für einen Menschen wie Harald Baumann.
Doch die rebellischen Gedanken verschwanden schnell, als sie an die unendliche Güte des alten Mannes dachte, der sie damals so selbstverständlich mit der kleinen Gabi bei sich aufgenommen und für sie beide gesorgt hatte.
»Ja, ich werde für Ihren Sohn da sein«, versprach Bettina mit fester Stimme.
Der alte Herr atmete auf. Eine Last schien ihm von den Schultern genommen zu sein.
»Er muss allein zur Vernunft kommen«, sagte Karl Baumann. »Es würde nichts nützen, wenn ich ihn mit Gewalt dazu brächte. Ich bin ganz sicher, dass er eines Tages vernünftig wird.«
Bettina nickte, obwohl sie ihm da nicht zustimmen konnte. Sie wünschte dem alten Herrn eine Gute Nacht. Dann stieg sie die Treppe hinauf.
♥♥♥
Am Sonntag fuhr wieder einmal der Sportwagen von Harald Baumann vor dem Portal vor. Der große, schlanke Mann stieg aus und riss sich die Lederkappe vom Kopf.
»Kinder, wir sind da! Steigt aus!«, rief er und öffnete die Wagentür.
Zwei gut gekleidete junge Damen, um deren Köpfe lustige bunte Seidentücher gebunden waren, kamen seiner Aufforderung nach und sahen sich neugierig auf dem Hof um.
Harald Baumann legte die Arme um deren Schultern.
»Kommt, Mädels, tretet ein, ihr seid hier nicht in der Stadt, sondern auf dem Lande!«
Bettina hörte noch seine letzten Worte und lächelte bitter. Schämte Harald sich seines schönen Elternhauses und suchte vor seinen beiden Angebeteten nach Entschuldigungen? Er sollte sich schämen.
Harald hatte seinen Besuch natürlich wieder nicht angekündigt. Er tauchte hier auf, wann und mit wem es ihm gerade in den Sinn kam.
Heute ging Bettina nicht in die Privatgemächer von Karl Baumann. Nach dem Essen machte sie mit Gabi einen Spaziergang.
Als sie am Abend heimkamen, stand Haralds Wagen nicht mehr vor der Tür.
Schon gleich beim Eintreten in Karl Baumanns Räume erkannte Bettina, dass etwas mit dem alten Hausherrn nicht stimmte. Seine Züge waren noch eingefallener als sonst, und er saß völlig erschöpft in seinem Sessel. Er bemerkte sie erst, als er ihren fröhlichen Gruß vernahm.
Bettina hatte ihm liebevoll zubereitete Schnitten gebracht.
»Danke, Bettina«, sagte der alte Mann.
In der Nacht wurde Bettina durch hartes Klopfen an ihrer Schlafzimmertür geweckt. Sie schreckte verstört auf und schaute nach Gabi. Gottlob hatte ihre Schwester einen außergewöhnlich guten Schlaf. Sie lag ruhig da und hatte nichts gehört.
»Bettina, der Herr!«
Sofort sprang Bettina aus dem Bett, zog hastig einen Mantel über, schlüpfte in ihre Pantoffeln und eilte die Treppe hinunter.
Gustav Hase hatte sie geweckt. Er stand wieder neben dem breiten Bett Karl Baumanns, als sie das Schlafzimmer betrat.
Da lag der gütigste und beste Mensch! Sein Gesicht wirkte seltsam spitz, seine Haut glich vergilbtem Pergament.
»Um Gottes willen, was ist denn?«, fragte Bettina den langjährigen Gärtner, der einen Schritt zurückwich, als sie neben ihn trat.
»Das Herz«, kam es leise zurück.
Sie beugte sich über den Kranken, fasste nach seinen Händen, die so friedlich auf der weißen Bettdecke lagen. Dann wandte sie sich um.
»Holen Sie schnell den Arzt!«, flehte Bettina.
Sie kniete auf dem weißen Fell vor dem Bett.
»Herr Baumann«, rief sie leise und schmiegte ihre Wange gegen seine kühle Hand. Pochte das Herz überhaupt noch? Eine furchtbare Angst ließ sie ihr Ohr auf die linke Brustseite des Mannes pressen. Sie verspürte einige flatternde Schläge.
Rasch erhob sie sich, eilte ins Wohnzimmer und nahm das Fläschchen mit den Herztropfen aus dem Schrank.
»Lass es nicht zu«, betete sie in einem fort, als sie zurücklief.
Schnell zählte Bettina einige Tropfen auf den Teelöffel, setzte ihn an die Lippen des kranken Mannes und träufelte ihm die Medizin ein.
»Schlucken Sie!«, beschwor Bettina Karl Baumann. »Sie müssen wieder gesund werden!«
Der Anflug eines Lächelns glitt über die welken Züge.
»Du bist ein guter Mensch, Bettina.« Nur die Lippen bewegten sich, die Stimme war ganz leise.
In diesem Augenblick kam Gustav Hase zurück. Er machte noch immer einen sichtlich verstörten Eindruck.
»Der Arzt kommt sofort«, sagte er.
»Rufen Sie Harald Baumann an und sagen ihm, dass sein Vater schwer erkrankt ist!« Bettina hatte sich aufgerichtet und stand vor dem Gärtner, der sie um Haupteslänge überragte.
»Harald ...«, flüsterten die zuckenden bläulichen Lippen. »Pass ... auf ...«
Bettina umklammerte erneut die kalten Hände und wollte den Kranken beschwören, endlich still zu sein und seine Kräfte zu schonen.
Doch dann begriff sie, dass der gütige Mann, ihr väterlicher Freund, sein Leben ausgehaucht hatte.
Seine letzten Worte waren ein Appell an sie gewesen. Es war wohl ihr Schicksal, dass Sterbende ihre Sorge und Verantwortung auf ihre schmalen Schultern legten.
Bewegt kniete Bettina nieder, ließ den Kopf auf die Bettkante sinken und weinte.
Als wenig später der Arzt eintraf, konnte er nur noch den Totenschein ausstellen.
»Gönnen Sie ihm die Ruhe, Bettina«, sagte er warm.
Eine Weile hielt sie noch Totenwache, dann eilte sie hinaus, pflückte einen großen Strauß bunter Blumen, die Karl Baumann zeit seines Lebens so geliebt hatte, und legte sie ihm in den Arm.
»Ruhe sanft«, sagte sie leise und ging hinaus.
♥♥♥
Am nächsten Morgen schrillte pünktlich wie immer der Wecker. Bettina richtete sich auf und stellte den Wecker ab. Gabi sollte weiterschlafen.
Im ersten Moment kam ihr alles vor wie ein böser Traum, als sie sich an die Ereignisse der Nacht erinnerte.
