Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 770 - Claudia von Hoff - E-Book

Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 770 E-Book

Claudia von Hoff

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Beschreibung

Nach dem Tod ihrer Schwester und ihres Schwagers bleibt Verena von Tannen nichts anderes übrig, als sich um ihre mittellose Nichte Geraldine zu kümmern. Für die ältere, sehr elegante Dame ist jedoch klar: Diese Unterstützung kann nur eine vorübergehende Lösung sein. Entschlossen erklärt sie, dass sie schnellstmöglich eine vorteilhafte Verbindung für Geraldine finden will. Schon in den nächsten Tagen soll ein fünfundfünfzigjähriger, wohlhabender Geheimrat Geraldine seine Aufwartung machen. Der bloße Gedanke daran jagt der jungen Frau einen kalten Schauer über den Rücken. Panik breitet sich in ihr aus, und sie sieht nur einen Ausweg: die Flucht. Durch einen glücklichen Zufall versteckt sie sich im großen Wagen eines Grafen, der sie als blinden Passagier mit auf seine Reise nimmt. Sein Ziel ist ein abgeschiedenes Jagdhaus tief im Wald, wo er nach anstrengenden Geschäften Ruhe in der Stille und Einsamkeit sucht ...

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Seitenzahl: 119

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt

Cover

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Impressum

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Inhaltsverzeichnis

Inhaltsbeginn

Impressum

Schenk mir Vergessen

Eine Dummheit wurde für Geraldine der Schritt ins Glück

Nach dem tragischen Tod ihrer Schwester und ihres Schwagers bleibt Verena von Tannen nichts anderes übrig, als sich um ihre mittellose Nichte Geraldine zu kümmern. Für die ältere, sehr elegante Dame ist jedoch klar: Diese Unterstützung kann nur eine vorübergehende Lösung sein. Entschlossen erklärt sie, dass sie schnellstmöglich eine vorteilhafte Verbindung für Geraldine finden will.

Schon in den nächsten Tagen soll ein fünfundfünfzigjähriger, wohlhabender Geheimrat Geraldine seine Aufwartung machen. Der bloße Gedanke daran jagt der jungen Frau einen kalten Schauer über den Rücken. Panik breitet sich in ihr aus, und sie sieht nur einen Ausweg: die Flucht.

Durch einen glücklichen Zufall versteckt sie sich im großen Wagen eines Grafen, der sie als blinde Passagierin mit auf seine Reise nimmt. Sein Ziel ist ein abgeschiedenes Jagdhaus tief im Wald, wo er nach anstrengenden Geschäften Ruhe in der Stille und Einsamkeit sucht ...

»Kannst du mir sagen, wie es weitergehen soll?« Die sehr elegante Dame sah ihre Nichte herausfordernd an.

»Nein«, musste Geraldine bekennen.

»Dein Vater hat in Saus und Braus gelebt und immer so getan, als könne er aus dem Vollen schöpfen. Aber so war es ja wohl nicht.«

»Nein«, sagte Geraldine erneut.

Verena von Tannen nickte befriedigt.

»Ich denke nicht daran, mich mit dir zu belasten, meine Liebe! Das kann niemand von mir erwarten. Ich habe meinen Freundeskreis und beziehe eine gute Witwenpension, aber sie reicht selbstverständlich nur für mich.«

»Ich habe nie erwartet, dass du mich ernährst, Tante Verena«, protestierte Geraldine heftig.

»Leider wird es darauf hinauslaufen. Du besitzt nichts mehr, und dein Vater hat es versäumt, dir eine gute Berufsausbildung zuteilwerden zu lassen. Außer Reisen, Reiten und Schießen kannst du ja wohl nichts, oder?«

»Ich kann Klavier spielen und kochen«, erklärte Geraldine.

Frau von Tannen verzog geringschätzig die Lippen.

»Beides reicht nur für den Hausgebrauch, mein liebes Kind! Du könntest niemals Klavierstunden geben.«

Dem konnte Geraldine leider nicht widersprechen.

»Auch als Köchin würde dich niemand einstellen, ganz davon abgesehen, wäre diese Tätigkeit einer Baroness von Brocklin unwürdig.«

»Ich könnte es aber wenigstens einmal versuchen, als Köchin angestellt zu werden«, sagte Geraldine. »Dann bekäme ich bei der Herrschaft sicher auch ein Zimmer und etwas zu essen.«

»Schlag dir solch einen Unsinn aus dem Kopf«, fuhr Frau Verena ihre Nichte wütend an. »Nein, es gibt nur einen einzigen begehbaren Weg für dich, und der ist eine schnelle reiche Heirat!«

Geraldine sah ihre Tante bestürzt an.

»Heirat?«, wiederholte sie.

»Ganz recht, mein Kind! Hier allein liegt deine Chance. Du hast einen guten Namen.«

Sie begutachtete Geraldine eine Weile wie einen Gegenstand, den sie verkaufen wollte.

»Du siehst passabel aus, hast eine ausgezeichnete Figur und ein nettes Gesicht. Viele Männer mögen diese kupferrote Mähne. Mein Geschmack sind deine Haare nicht. Sie unterstreichen deinen eigensinnigen Charakter. Wir werden dein Haar stark kürzen und in eine kultivierte Frisur legen lassen.«

»Nein«, widersprach Geraldine entsetzt. Sie hatte ihr üppiges Haar im Nacken mit einer Spange zusammengebunden. Diese Frisur gefiel ihr gut.

»Meine liebe Geraldine, du wirst dich nach meinen Anordnungen richten müssen«, wurde sie von ihrer Tante belehrt. »Ich bin dein Vormund und muss dafür sorgen, dass dein Lebensschifflein in die richtigen Bahnen gelenkt wird. Dazu gehört eine gute Heirat, und die wird es nur geben, wenn dein Äußeres ansprechend ist.«

»Ich will aber nicht heiraten«, muckte Geraldine auf.

»Dir bleibt gar keine andere Wahl, mein liebes Kind. Aber wenn du einen besseren Weg weißt, bitte, dann sei so gut und zeig ihn mir!«

Sie wartete, doch als Geraldines Mund schwieg und ihr Kinn auf die Brust sank, nickte sie befriedigt.

»Siehst du«, sagte sie. »Du bist ein eigenwilliges Mädchen, das man zu seinem Glück zwingen muss. Aber das will ich noch nicht einmal dir anlasten. Dein Vater hat dich völlig falsch erzogen. Dass meine arme Schwester auch ausgerechnet an solch einen Mann geraten musste!« Sie seufzte.

»Sag nichts gegen Papa!«, begehrte Geraldine auf.

»Du bist noch zu jung, um zu begreifen, wie ein Mann beschaffen sein muss, dem man sich für ein ganzes Leben anvertraut«, rügte Verena von Tannen sie. »Sieh mich an! Mein Mann hat mir ein kleines Vermögen hinterlassen, und ich bekomme vor allem eine gute Pension von ihm!«

Geraldine verzog bitter den Mund. Der verstorbene Gatte von Tante Verena war über zwanzig Jahre älter als sie selbst gewesen. Wahrscheinlich hatte sie ihn nie geliebt, sondern nur nach finanziellen Gesichtspunkten ausgewählt.

»Andere Dinge als Geld zählen mehr«, hielt Geraldine dagegen.

»Was denn, zum Beispiel?«, wollte Frau Verena wissen.

»Die Liebe, zum Beispiel!«, stieß Geraldine hervor und errötete von einem Ohr zum anderen.

Das harte Lachen ihrer Tante tat direkt weh.

»Dass du solch ein romantisches Närrchen bist, habe ich gar nicht geahnt! Die Liebe – du meine Güte! Von der kann man nicht satt werden. Die vergeht sehr schnell in einer Ehe, wenn die finanzielle Grundlage fehlt.«

»Das glaube ich nicht, Mama und Papa haben sich immer geliebt«, widersprach das Mädchen.

»Deine Mutter war im gewissen Sinne auch eine Närrin«, wurde sie sofort zurechtgewiesen. »Außerdem hat sie zum Glück dieses Fiasko nicht erlebt. Als sie vor wenigen Jahren starb, war sie sicher in dem Glauben, dein Vater wäre reich. Die finanzielle Misere kam erst nach seinem Tode an den Tag.«

Geraldine dachte an die letzten Jahre. Da war sie mit ihrem Vater ständig auf Reisen gewesen. Sie hatten eine wundervolle Zeit miteinander verbracht, die sie niemals vergessen würde. Allerdings stand sie nun vor dem absoluten Nichts.

»Schlag dir das mit der Liebe aus dem Kopf«, sagte Frau Verena in ihre Gedanken hinein. »Ich werde mir überlegen, wo du einen gut situierten Mann kennenlernen kannst. Ich hoffe, dass du in einem Vierteljahr verheiratet sein wirst.«

»Mein Gott«, entfuhr es Geraldine entsetzt. Ihr liefen eiskalte Schauer über den Rücken. Wie konnte sie diesem entsetzlichen Schicksal entgehen?

♥♥♥

Am nächsten Morgen studierte Geraldine die Stellenangebote in der Zeitung. Vielleicht konnte sie sich irgendwo als Köchin bewerben. Ihr Vater hatte ihre Kochkünste immer gelobt, und er war ein Feinschmecker gewesen.

Tatsächlich wurde eine Köchin gesucht. Geraldine setzte sich sofort hin und schrieb eine Bewerbung.

Schon nach drei Tagen erhielt sie eine Antwort. Sie solle sich vorstellen.

Geraldine fuhr zu der angegebenen Adresse und gelangte zu einer Villa, die von einem riesigen, parkartigen Garten umgeben war.

Als sie klingelte, zitterten ihre Beine, und sie war wenig siegesgewiss. Im nächsten Moment wurde die Sprechanlage in Gang gesetzt.

»Wer ist dort?«, fragte eine sehr kultivierte, warm klingende Frauenstimme.

Geraldine konnte nicht verhindern, dass sie ein wenig stammelte, als sie ihren Namen sagte und ihr Anliegen vorbrachte.

»Es tut mir leid, die Stellung ist inzwischen vergeben«, erklärte die Frau.

Das Mädchen nickte. Eigentlich hatte sie auch nicht damit gerechnet, dass sie Erfolg haben würde.

Mutlos wandte sie sich ab und seufzte. Hier hätte sie gern gewohnt und gekocht. Der Park war sehr gepflegt, wirkte aber dennoch irgendwie anheimelnd.

Die Villa im Hintergrund war zum Großteil von Büschen und Bäumen verdeckt. Aber was Geraldine davon sah, gefiel ihr. Sie merkte gar nicht, dass sie wie ein Kind ihren Kopf durch die Stäbe der schmiedeeisernen Gartenpforte steckte und sehnsüchtig hindurchsah.

»Wünschen Sie etwas?«, fragte da jemand hinter ihr.

Sie fuhr herum und sah in ein markantes Männergesicht. Die grauen Augen maßen sie abschätzend und kühl.

»Nein«, murmelte Geraldine, drehte sich auf dem Absatz um und rannte die wenigen Schritte auf das Taxi zu, mit dem der Mann offenbar gekommen war.

Der Fahrer wollte gerade anfahren. Geraldine klopfte an das Fenster. Er verstand sofort.

Sie konnte einsteigen und war froh, als sie in die Polster sank und den Blicken des hochgewachsenen Mannes entwischt war.

»Wohin soll ich Sie denn bringen, mein Fräulein?«, fragte der Chauffeur freundlich.

Geraldine nannte die Adresse ihrer Tante.

»Wird gemacht.« Der Fahrer nickte und tippte an seine Mütze.

Erst als die Räder unter Geraldine rollten, wurde ihr bewusst, wie leichtsinnig sie war. Eine Taxifahrt kostete Geld, und sie musste doch sparen! Ihr Gewissen wurde immer drückender, je näher sie Tante Verenas Haus kam.

Sie hoffte nur, ihrer Tante nicht zufällig zu begegnen, wenn das Auto vor dem Hause hielt.

Jetzt war sie gleich da! Geraldine überlegte, wie viel diese Fahrt wohl kosten würde. Da sah sie zufällig zur Seite. Was war das?

Sie zog eine Krokobrieftasche aus dem Polsterschlitz heraus, in den sie zur Hälfte hineingerutscht war.

Im ersten Moment war sie drauf und dran, sie dem Fahrer auszuhändigen. Dann überlegte sie, dass die Brieftasche ihm ganz bestimmt nicht gehörte. Da war es schon besser, sie lieferte den Fund persönlich bei der Polizei ab. Also steckte Geraldine die Brieftasche in ihre Handtasche.

Dann bezahlte sie die Fahrt und stürmte ins Haus. Das Mädchen öffnete.

»Ihre Tante erwartet sie schon«, richtete es aus.

Geraldine biss sich auf die Lippen. Nach einem Gespräch mit Tante Verena stand ihr wirklich nicht der Sinn. Zudem interessierte sie auch der Inhalt der Brieftasche.

»Wo warst du nur den ganzen Vormittag?«, empfing Frau Verena sie vorwurfsvoll. Sie saß vor ihrem zierlichen Damenschreibtisch und hatte offenbar geschrieben.

Nun wandte sie sich Geraldine zu. Nur gut, dass sie im Grunde genommen gar keine nähere Erklärung erwartete.

»Setz dich, ich muss mit dir sprechen«, sagte Frau von Tannen.

Geraldine folgte der Aufforderung und nahm Platz.

»Liebe Geraldine!«, begann die Tante.

Die Nichte zuckte unangenehm berührt zusammen. Der Name war ihr ein wenig fremd. Papa hatte sie immer Fips genannt. Er hatte ihren Vornamen genauso wenig gemocht wie sie.

»Ich habe für morgen Nachmittag Geheimrat von Kaltenbrunn eingeladen. Ich weiß, dass er hübsche junge Mädchen mag. Bisher hat er zwar keines heiraten wollen, aber dazu werde ich ihn bringen.«

Geraldine erstarrte vor Entsetzen. Ihr grauste es vor einem vermutlich alternden Mann, der ein kleiner Lustmolch war.

»Wie alt ist denn der Herr?«, fragte Geraldine.

»Fünfundfünfzig! Er ist seit drei Jahren Witwer und lebt er in glänzenden Verhältnissen.«

»So alt?«, rief die Nichte empört.

»Vergiss nicht, dass du in Bezug auf das Alter deines Zukünftigen keine Ansprüche stellen kannst. Wir müssen zufrieden sein, wenn die finanzielle Lage unseren Erwartungen entspricht.«

♥♥♥

Nach dieser Unterredung war Geraldine zunächst so niedergeschlagen, dass ihr erst nach dem Mittagessen die Brieftasche wieder einfiel, die sie im Taxi gefunden hatte.

Als sie diese aufklappte, traute sie ihren Augen nicht. Sie war voller Geld. Mit zittrigen Fingern zog Geraldine ein ganzes Bündel Tausendmarkscheine heraus. Sie zählte sie. Es waren genau hundert Stück.

»Hunderttausend Mark«, murmelte sie. Das war für sie die Rettung! Damit konnte sie Tante Verena und einem Geheimrat von Kaltenbrunn entfliehen!

Sofort verwarf sie den Gedanken wieder. Sie wollte auch in ihrer Not nicht zur Diebin werden!

Plötzlich fiel Geraldine ein, dass sie vielleicht einen Finderlohn bekommen würde. Wie viel das sein konnte, wusste sie nicht.

Sie kam ein bisschen ins Träumen und war voller Hoffnung. Dann schaute sie sich die Brieftasche genauer an und fand einen Reisepass. Bernhard Graf von Stetten, las Geraldine und starrte auf die Fotografie, von der sie das Original kannte.

Selbst auf dem Papier wirkte das Gesicht des Mannes ungeheuer männlich, selbstsicher, arrogant und interessant. Ihr wurde gar nicht bewusst, dass sie die Fotografie eine ganze Weile betrachtete.

Geraldine brauchte nicht lange zu kombinieren, um sich zusammenzureimen, dass dieser Graf von Stetten mit jenem Taxi gefahren war, in das sie gestiegen und in dem ihm wahrscheinlich die Brieftasche aus seinem Mantel gerutscht war.

Sie malte sich aus, in welch heller Aufregung er sich im Moment wohl befand.

Es wäre für Geraldine ein Leichtes gewesen, ans Telefon zu gehen und ihn anzurufen. Die Nummer fand sie bestimmt, aber sie tat es nicht. Sie wollte ihm die Brieftasche persönlich übergeben und ihn dabei beobachten.

Ob er sie dann genauso arrogant und strafend ansehen würde wie am Vormittag?

Zum Glück war Geraldines Tante bei einer Freundin eingeladen, also brauchte sie keine Rechenschaft darüber abzugeben, wohin sie gehen wollte.

♥♥♥

Aufgeregt verließ Geraldine das Haus und drückte ihre Schultertasche, in der das Geld steckte, fest an sich. Solch ein Vermögen hatte sie noch nie mit sich herumgetragen.

Den Weg zu der Villa, in der sie eine Stellung als Köchin gesucht hatte, legte sie mit der Straßenbahn zurück.

Und dann stand sie wieder vor dem schmiedeeisernen Tor, aber jetzt fühlte sie sich nicht als Bittstellerin, sondern als Siegerin!

Sie klingelte energisch. Wieder wurde die Sprechanlage betätigt.

»Ich möchte eine Brieftasche zurückbringen«, sagte Geraldine.

Siehe da, das Tor öffnete sich wie von Geisterhand betätigt. Sie warf den Kopf stolz in den Nacken.

Die Haustür stand schon weit geöffnet, und eine ältere Dame erwartete sie.

»Sie glauben gar nicht, wie erleichtert wir alle sind. Es gibt also doch noch ehrliche Menschen in dieser Welt!« Die alte Dame schüttelte ihr warm die Hand. »Kommen Sie, ich geleite Sie zu Graf von Stetten.«

Alles andere ging sehr schnell.

Geraldine wurde über dicke Perserteppiche geleitet, nahm im Vorübergehen wahr, wie traumhaft die Villa eingerichtet war, und stand dann vor einer schweren Eichentür.

Ihre Begleiterin klopfte kurz, jemand rief »Herein«, und dann sah sie sich zum zweiten Male in ihrem Leben dem großen Mann gegenüber.

Er saß an einem Schreibtisch, erhob sich sofort und kam auf sie zu, während die alte Dame im gleichen Moment die Tür hinter sich schloss und verschwunden war.

Bernhard von Stetten streckte Geraldine seine Hand entgegen.

»Kennen wir uns nicht?«, fragte er. Jetzt klang seine Stimme freundlich und warm.

»Ja, wir sahen uns am Vormittag«, sagte Geraldine.

»Ach, richtig!« Offenbar erinnerte er sich.

»Sie bringen mir also meinen Besitz zurück, Fräulein ...«

»Brocklin«, sagte Geraldine wahrheitsgetreu und verschwieg nur ihren Titel.

»Ich freue mich, Fräulein Brocklin, und bin sehr erleichtert.«

Irgendwie war Geraldine ein bisschen enttäuscht. Sie hatte sich seine Freude größer vorgestellt.

»Setzen Sie sich doch«, bot er an.

Er geleitete sie zu einer Ledersesselgruppe und nahm Platz, als sich auch Geraldine gesetzt hatte.

»Nun erzählen Sie, wo Sie die Brieftasche gefunden haben! Ich hole uns inzwischen einen Kognak.«

Der Graf ging zu einer riesigen eingebauten Schrankwand, die mit Büchern gefüllt war, und öffnete eine Tür. Hinter ihr lag ein Barfach. Er nahm eine dickbauchige Flasche und zwei Kognakschwenker heraus und stellte beides auf den Tisch. Dann füllte er die Gläser.

»So, jetzt trinken wir erst einmal darauf, dass Sie vor mir sitzen und so ehrlich sind, mir eine schöne Summe Geld zurückzubringen.«