Dorian Hunter 74 - Roy Palmer - E-Book

Dorian Hunter 74 E-Book

Roy Palmer

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Beschreibung

Völlige Dunkelheit. Kälte und doch Hitze. Hunger. Durst. Furcht. Und nur ein Gedanke: hinaus ins Licht! Don Chapman saß mit angezogenen Beinen da und starrte in die tintenschwarze Finsternis.
Bin ich blind?, fragte er sich zum wiederholten Male. Nein, wir sind in einer magischen Sphäre gefangen. Wie viele Dimensionen hat sie? Drei? Vier? Wie spät ist es? Ist es Tag? Oder Nacht? Wie sieht es draußen aus?
Er streckte die linke Hand aus und fühlte ihren weichen warmen Arm. Sie war da, war Wirklichkeit.
»Don«, sagte sie leise und mutlos.
»Dula ...«

Als der Dämonenkiller noch einmal in die Höhle zurückkehrt, entdeckt er dort eine handgroße Pyramide, die an der Unterseite mit einer Halbkugel verschmolzen ist. Offenbar handelt es sich um einen hermetischen Kreisel - und vielleicht um eine Möglichkeit, mit dem verschollenen Puppenmann Donald Chapman Kontakt aufzunehmen ...


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Inhalt

Cover

Was bisher geschah

DAS ALRAUNENMÄDCHEN

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

mystery-press

Vorschau

Impressum

Der ehemalige Reporter Dorian Hunter hat sein Leben dem Kampf gegen die Schwarze Familie der Dämonen gewidmet, seit seine Frau Lilian durch eine Begegnung mit ihnen den Verstand verlor. Seine Gegner leben als ehrbare Bürger über den gesamten Erdball verteilt. Nur vereinzelt gelingt es dem »Dämonenkiller«, ihnen die Maske herunterzureißen. Unterstützung in seinem Kampf erhält er zunächst durch den englischen Secret Service, der auf Hunters Wirken hin die Inquisitionsabteilung gründete.

Bald kommt Dorian seiner eigentlichen Bestimmung auf die Spur: In einem früheren Leben schloss er als Baron Nicolas de Conde einen Pakt mit dem Teufel, der ihm die Unsterblichkeit sicherte. Um für seine Sünden zu büßen, verfasste de Conde den »Hexenhammer« – jenes Buch, das im 16. Jahrhundert zur Grundlage für die Hexenverfolgung wurde. Doch der Inquisition fielen meist Unschuldige zum Opfer; die Dämonen blieben ungeschoren. Als de Conde selbst der Ketzerei angeklagt und verbrannt wurde, ging seine Seele in den nächsten Körper über. So ging es fort bis in die Gegenwart. Dorian Hunter begreift, dass es seine Aufgabe ist, de Condes Verfehlungen zu sühnen und die Dämonen zu vernichten.

In der Folge beginnt Dorian die Dämonen auf eigene Faust zu jagen. Als die Erfolge ausbleiben, gerät Trevor Sullivan, der Leiter der Inquisitionsabteilung, unter Druck. Die Abteilung wird aufgelöst, und Sullivan gründet im Keller der Jugendstilvilla die Agentur Mystery Press, die Nachrichten über dämonische Aktivitäten aus aller Welt sammelt. Hunter bleibt nur sein engstes Umfeld: die junge Hexe Coco Zamis, die selbst ein Mitglied der Schwarzen Familie war, bis sie wegen ihrer Liebe zu Dorian den Großteil ihrer magischen Fähigkeiten verlor; weiterhin der Hermaphrodit Phillip, dessen hellseherische Fähigkeiten ihn zu einem lebenden Orakel machen, sowie ein Ex-Mitarbeiter des Secret Service namens Donald Chapman, der bei einer dämonischen Attacke auf Zwergengröße geschrumpft wurde.

Trotz der Rückschläge gelingt es Dorian, Asmodi, das Oberhaupt der Schwarzen Familie, zu vernichten. Doch mit Olivaro steht schon ein Nachfolger bereit, der die schwangere Coco Zamis zur Rückkehr in die Schwarze Familie zwingt. Es gelingt Dorian, Coco zu retten. Nach einer Flucht um den halben Erdball bringt sie ihr Kind in London zur Welt, und Olivaro muss den Thron räumen.

Coco versteckt das Neugeborene an einem Ort, den sie selbst vor Dorian geheimhält. Ihre Vorsicht ist berechtigt, da bald eine neue, »alte« Gegnerin auftaucht: Hekate hat Dorian einst in seinem Leben als Georg Rudolf Speyer abgöttisch geliebt. Dass sie ihn jetzt ebenso abgrundtief hasst, ist nicht allein auf ihre Krönung zum neuen Oberhaupt der Schwarzen Familie zurückzuführen. Dorian hat sie in seinem vierten Leben Michele da Mosto verraten und dem Verderben preisgegeben. Offenbar hat Hekate nun aus Rache Donald Chapman entführt – und möglicherweise birgt die Höhle der Schlangengöttin Ophit einen Hinweis auf seinen Aufenthaltsort ...

DAS ALRAUNENMÄDCHEN

von Roy Palmer

Dunkelheit umfing ihn. Tiefe Finsternis dehnte sich um ihn aus und schien einen Wall zu bilden, den er niemals durchdringen würde. Hart hallte das Geräusch seiner Schritte von den Höhlenwänden zurück. Er strebte voran und wusste nicht, was dort vor ihm in der geheimnisvollen Stille der Grotte lag.

Es war ein unschätzbarer Vorteil gewesen, dass der Dämonenkiller Xenia nie über den Weg getraut hatte – ein Vorteil, der ihn und seine Freunde letztlich vor dem entsetzlichen Ende bewahrt hatte. Das Symbol auf Dorians Talisman, der gnostischen Gemme, war Realität geworden.

Dorian hatte seinen Entschluss umgesetzt, noch einmal in die Höhle des Grauens zurückzukehren. Er war an den scheußlichen Überresten der Höllenkreaturen vorübergegangen und tief in den Berg eingedrungen. Der Gang, in dem er sich vorantastete, beschrieb eine Biegung. Plötzlich zeigte sich ein schwacher, bläulicher Schimmer im Hintergrund. Der Dämonenkiller beschleunigte seinen Schritt. Seine Gestalt wurde von dem Schein erfasst; es schien, als wollte er ihn gefangen setzen.

1. Kapitel

Etwas Unsichtbares, mit keinem Sinnesorgan zu Erfassendes, ein lähmender Zwang wollte sich über den Dämonenkiller stülpen. Doch er widerstand dem Bann. Geisterhaft zeichnete der bläuliche Schein die Konturen seines Körpers nach. Es war ein schales Licht, in das Dorian getaucht war; eine unwirkliche Helligkeit, deren Quelle sich nirgends erkennen ließ.

Das magische Licht begleitete Dorian. Es schien ihn anlocken und zur gleichen Zeit abstoßen zu wollen. Er lief, folgte dem Verlauf des Ganges und bog nach rechts ein. Ganz unvermittelt wichen die Felswände zu beiden Seiten zurück und öffneten sich zu einer Nebenhöhle. Der Dämonenkiller verharrte. Sein aufmerksamer Blick glitt über die rauen Wände, die keine bemerkenswerten Einzelheiten aufwiesen. Dann konzentrierte er sich auf den Boden der Nebenhöhle. Zunächst erschienen ihm die verstreut liegenden Fragmente bedeutungslos. Er hatte sie für Gesteinssplitter gehalten; aber dann stellte er fest, dass sie keine natürlichen Bestandteile der Höhle waren, sondern Fremdkörper, Trümmerstücke. Und inmitten der rätselhaften Splitter entdeckte er ein Objekt, das augenscheinlich noch vollständig erhalten war.

Dorian strebte darauf zu. Er las ein paar Splitter auf und erkannte, dass sie aus dem gleichen Material bestanden wie das unversehrte Objekt. Es ließ sich nicht ergründen, ob es sich um Metall, ein Mineral oder eine Legierung aus beidem handelte – in jedem Fall war die Substanz magischen Ursprungs. Dorian ließ die Splitter fallen und erzeugte hell klirrende Laute auf dem Höhlenboden.

Der Dämonenkiller, auf den Knien hockend, griff jetzt nach dem unversehrten Objekt. Er berührte es und hob es vorsichtig hoch. Federleicht fühlte es sich an, jedoch nicht zerbrechlich. Er hatte es kaum in den Händen, da ereignete sich etwas Beunruhigendes. Donnergrollen war zu hören. Es wurde lauter, gipfelte aber nicht in einem heftigen Krachen, zog sich nur quälend und scheinbar endlos dahin, vermischte sich mit einem unmenschlichen Stöhnen und Klagen. Und schließlich begannen der Boden und die Wände zu vibrieren.

Dorian zog es vor, nichts zu unternehmen. Er blieb auf seinem Platz und beobachtete seine Umgebung mit angespannter Miene. Die Geräusche wurden nun von einem unerträglichen Knirschen überlagert. Der Dämonenkiller duckte sich unwillkürlich, als sich die Decke der Nebenhöhle öffnete – sie klaffte auf. Unsichtbare Gigantenhände schienen sich in das Gestein gegraben zu haben und kneteten jetzt die Höhlendecke wie weiche Tonerde. Über der Öffnung – ihre Ränder zuckten und waberten unaufhörlich – tanzten schemenhafte Figuren in vielen schmutzigen Farben.

Nach Sekunden tauchten die schwärzlichen Züge einer riesigen dämonischen Physiognomie auf. Hasserfüllt blickte sie auf den Dämonenkiller herab. Dorian tastete nach der Gemme, die an seiner Halskette befestigt war, aber da zerfaserte die schaurige Vision bereits wieder. Binnen weniger Augenblicke wuchs die Öffnung wieder zu, und auch die beängstigenden Geräusche hörten auf. Stille lastete plötzlich im Raum. Dorian besah sich das Fundstück nun eingehend. Seine Gesamthöhe betrug schätzungsweise fünfunddreißig Zentimeter. Der untere Teil bestand aus einer Art Halbkugel, auf die eine Vierkantpyramide aufgesetzt war. Aus der Ferne mutete das Ganze wie die übertriebene Vergrößerung eines erstarrten Wassertropfens an. Die gesamte Hülle war mit magischen Symbolen bedeckt. Dorian nahm sie prüfend in Augenschein und stellte fest, dass sie im Grunde ziemlich ungelenk eingeritzt worden waren. Er kratzte an dem Material. Es war hart wie Stahl. Und doch besaß das Objekt das Gewicht einer Feder.

Dorian krümmte die Finger der rechten Hand, schob den Zeigefinger etwas vor und pochte mit dem Knöchel gegen das eigentümliche Ding. Ein hohler Laut entstand. Ein Echo folgte diesem Ton. Dorian vernahm Geräusche, die bei jeder Wiederholung an Lautstärke zunahmen. Schließlich hallte ohrenbetäubendes Dröhnen durch die Höhle. Dorian verzog das Gesicht; er verzerrte es geradezu. Ungeduldig wartete er ab, bis das Dröhnen verklungen war. Er war nervös. Die Geschehnisse der letzten Stunden hatten ihn arg in Anspruch genommen. Dringend benötigte er Ruhe, um wieder die gewohnte Ausgeglichenheit an den Tag legen zu können. Er erhob sich und ging zum Ausgang der Nebenhöhle. Schließlich blieb er aber doch noch einmal stehen, drehte sich um, hob den Gegenstand etwas an und versetzte ihm einen sanften Stoß. Unglaublich leicht segelte das Etwas in die Höhle zurück. Fast sah es so aus, als sei es schwerelos. Dorian beobachtete es gespannt und bemerkte, wie es in einer als elegant zu bezeichnenden Schleife vor der gegenüberliegenden Wand auswich und in enger werdenden Windungen langsam auf dem Untergrund landete. Das Ganze hatte über eine Minute gedauert. Dorian hob das Objekt sehr behutsam wieder auf. Diesmal ereignete sich nichts. Er spürte nur ein schwaches Rumpeln, wusste aber nicht genau, ob es durch das Objekt oder durch etwas von außen erzeugt worden war.

Ein hermetisches Gefäß, dachte Dorian. Oder besser: ein hermetischer Kreisel.

Er blickte noch einmal auf die Trümmerstücke, die den Boden der Nebenhöhle bedeckten, und dachte: Folglich müssen das die Überreste der anderen elf Kreisel sein, die zu den nun toten Schlangengöttinnen gehörten.

Tief in Gedanken versunken verließ er den Bereich des bläulichen Lichtes. Er schritt eilig dem Ausgang der Höhle entgegen. Als er sich im Freien befand, war in seinem Hirn bereits ein Plan gereift. Der Dämonenkiller musste rasch und vorsichtig handeln, wenn er sich den Kreisel nicht wieder abjagen lassen wollte.

Die Situation wurde durch alle Merkmale gekennzeichnet, mit denen man das absolute Nichts erklären konnte. Es war die Hölle; die Hölle, zur Tatenlosigkeit verdammt zu sein; die Hölle, nichts zu sehen; die Hölle, keine Laute zu vernehmen, keine Gerüche zu wittern, nichts zu ertasten, das von der Realität der Welt kündete; die Hölle, sich zu regen und doch nicht fort aus der Sphäre der Verdammnis zu geraten; kein Zeitgefühl mehr zu haben und doch zu wissen, dass nach Ablauf weniger Stunden dieser Kerker seine Opfer in eine furchtbare psychische Krise bringen würde.

Völlige Dunkelheit. Kälte und doch Hitze. Hunger. Durst. Furcht. Und nur ein Gedanke: hinaus ins Licht!

Völlige Dunkelheit, das bedeutete Finsternis, in der nicht einmal eine Katze oder ein Nachtraubvogel sich hätten orientieren können; das hieß, nicht einmal ein schwaches Leuchten in den Augen der Leidensgefährtin ausmachen zu können. Frösteln. Ein kalter Schauer, der den Rücken hinabkroch. Grübeln. Ungewissheit. Sorgen. Don Chapman saß mit angezogenen Beinen da. Aber er wusste nicht, worauf er hockte. Er wandte den Kopf und sah nichts als tintenschwarze Finsternis. War er blind?

Bin ich blind?, fragte er sich zum wiederholten Male. Nein, ich bin es nicht. Wir sind in einer magischen Sphäre gefangen. Wie viele Dimensionen hat sie? Drei? Vier? Wie viele Dimensionen gibt es überhaupt? Wie spät ist es? Ist es Tag? Oder Nacht? Draußen – wie sieht es draußen aus?

Er streckte die linke Hand aus und fühlte ihren weichen warmen Arm. Sie war da, war Wirklichkeit. Hätte er sich nicht von Zeit zu Zeit vergewissern können, dass wenigstens sie real war, wäre er in diesem Augenblick vielleicht schon dem Wahnsinn nahe gewesen.

»Don«, sagte sie leise und mutlos.

»Dula.«

So hatte er sie genannt, nein, getauft, denn sie besaß ja zuvor keinen Namen, konnte sich jedenfalls nicht daran erinnern. Dula – nach den Tempeldienerinnen des Altertums. Dula war so klein wie er, nur dreißig Zentimeter groß, und sie verfügte über Intelligenz. Ihr Wissen entsprach dem eines Kleinkindes; sie lernte jedoch ausgesprochen schnell.

In der absoluten Dunkelheit waren sie sich näher gekommen. Sie rief Beschützerinstinkte in ihm wach. Don saß selbst in der Klemme und hatte auch keine Ahnung, was mit ihm geschehen würde; und doch: Die Sorge um Dula hielt ihn aufrecht, unterdrückte die aufkeimende Verzweiflung.

Was die Mandragorafrau betraf, so hatte ihn eine leise Ahnung beschlichen. Er sprach sie ihr gegenüber aber nicht aus. Das hätte sie noch mehr deprimiert und außerdem vielleicht ihr Misstrauen ihm gegenüber geweckt. Don Chapman glaubte, dass Dula ohne ihr Wissen zum Köder für ihn geworden war. Man hatte ihn mit ihrer Hilfe in eine Falle gelockt. Falls die schreckliche Situation jemals enden sollte, so würde er vielleicht Bestätigungen für diese Theorie finden.

»Dula«, sagte er, »versuch dich zu entspannen! Ein bisschen Schlaf würde dir gut tun. Er verschafft dir Reserven, für die du später dankbar bist.«

»Später?«

»Ja, später. Wenn wir wieder frei sind.«

»Du glaubst noch daran?«

»Fest.«

Er war jetzt sogar froh, dass sie seinen Gesichtsausdruck nicht sehen konnte, sonst hätte sie daraus abgeleitet, dass er schwindelte.

»Don, wir müssen sterben.«

»So ein Unsinn!«

»Ich fühle, dass wir sterben müssen.«

Er griff wieder nach ihrem Arm, und sie rutschte ein Stück näher.

»Sei doch kein Kind!«, sagte er mit Nachdruck. »Ich bin bei dir. Ich passe auf, dass dir keiner zu nahe kommt.«

Sie lachte unglücklich auf. »Du meinst es ehrlich mit mir, Don, aber vergiss nicht, dass wir in einer Welt der Riesen leben. Ich meine, sie können uns zertreten, zerquetschen, zerreißen, ohne sich dabei anzustrengen.«

»Dafür haben wir andere Vorteile. Wir können in Schlupfwinkel kriechen, in die keine normale Hand passt, können uns in Schubladen, Jackentaschen und Mauselöchern verstecken.«

»Sicher, aber ...«

»List triumphiert über brutale Gewalt.«

»Ich will ja, dass du recht hast«, versetzte sie seufzend. »Was wäre wohl aus mir geworden, wenn ich dich nicht getroffen hätte, Don? Ach, mir ist alles gleich, wenn ich nur weiß, dass du in der Nähe bist.«

Ihre Hand schob sich zärtlich über seinen Nacken. Der Puppenmann lächelte. Die düsteren Überlegungen wurden durch rosarote Gedanken vertrieben. Das ganze Dilemma schien vergessen.

Da zuckte sie plötzlich zurück. »Mir ist so komisch zumute!«, stieß sie hervor. »Ich habe Angst. Etwas packt mich. Etwas will mich töten.«

»Dula!«

Er wollte sie festhalten, an sich ziehen, aber sie wälzte sich fort. Don erhielt eines ihrer Knie in die Magengrube und krümmte sich vor Schmerz. Die Mandragorafrau zuckte und zappelte wie bei einem epileptischen Anfall.

»Hilfe!«, schrie sie. »Es zerreißt mich! Ich habe ein Loch im Bauch! Ich werde zerfetzt!«

Don Chapman keuchte. Er rappelte sich auf, lief taumelnd ein paar Schritte, fiel wieder hin. Fast kam es ihm so vor, als habe er den Gleichgewichtssinn verloren. Er hörte die winzige Frau klagen und schreien, wusste aber nicht, wohin er sich wenden sollte.

»Nicht mehr schlagen!« Ihre Stimme klang schrill. »Ich zerspringe. Don, so hilf mir doch! Ich fliege jetzt. Ich fliege! Mir ist schwindelig und schlecht.«

Endlich fand er sie, zog sie zu sich heran und hielt den Kopf geduckt, um den Schlägen zu entgehen, die sie austeilte. Sie zitterte, schrie und wand sich. Dann, ganz unvermittelt, sank sie schlaff in seine Arme.

»Es ist vorüber«, sagte sie und schluchzte.

Er fuhr zärtlich mit der Hand über ihr schweißnasses Gesicht. »Was war es? Was, Dula?«

Sie schüttelte ratlos den Kopf. »Ich weiß es nicht. Es war furchtbar.«

Hartmut Leiding stammte aus Niedersachsen und hatte eine solide kaufmännische Ausbildung genossen. Noch vor einigen Jahren war es sehr wahrscheinlich gewesen, dass er eine unbedeutende Laufbahn als Sachbearbeiter in einem Großhandelsbetrieb in Bremen oder Niedersachsen einschlagen würde. Dann aber hatte sich die Chance geboten: Er hatte auf das Stellenangebot einer Werkzeugmaschinenfabrik aus Frankfurt am Main geantwortet und prompt den Posten bekommen: als Außendienstmitarbeiter in der Verkaufsabteilung. Man hatte einen Mann gesucht, der keine Familie hatte und sich bereitwillig kreuz und quer durch Europa schicken ließ. Leiding hatte diese Voraussetzungen mitgebracht. Und das war der Grund, warum er sich an diesem Tag in Iraklion auf Kreta befand.

Es war ein sonniger Tag Anfang November. In Deutschland war es um diese Zeit bereits nasskalt und windig. Hartmut Leiding reiste seit über fünf Jahren durch die europäischen Länder, aber an die Gepflogenheiten anderer Völker hatte er sich immer noch nicht gewöhnen können. Und dazu würde es auch nie kommen. Hartmut Leiding erwartete von den anderen, dass sie sich benahmen, wie das bei ihm zu Hause Sitte war. Und da sich niemand danach richtete, ärgerte er sich unaufhörlich. So empfand er auch diese Wärme geradezu als Zumutung. Leise schimpfend betrat er ein Restaurant im Zentrum der Stadt. Es erschien ihm ausreichend sauber – jedenfalls nach dem Äußeren zu urteilen. Er ließ sich an einem freien Ecktisch nieder – ein untersetzter, jedoch keineswegs behäbiger Mann mit rundlichem Gesicht, flacher Nase und kleinen Augen. Sein Teint war gerötet, das Haar bereits etwas schütter. Wenn er, so wie jetzt, die Jacke aufschlug, konnte man die Hosenträger sehen, ohne die er nicht auskommen konnte.

Hartmut Leiding stellte seinen handlichen Lederkoffer zwischen die Beine und klemmte ihn fest, damit er nicht geklaut werden konnte. Demonstrativ wischte er sich den Schweiß ab. Eine Speisekarte lag auf dem Tisch. Er schlug sie auf und entdeckte weder eine englische noch eine deutsche Übersetzung. Auf der letzten Seite waren Getränke verzeichnet. Eine der auch im Ausland erhältlichen Biermarken suchte er vergeblich.

Kein Bier, dachte er. Eine Unverschämtheit! Tausende, was sage ich, Hunderttausende von Touristen bringen jedes Jahr wertvolle Devisen ins Land, doch an Service wird nichts, aber auch gar nichts geboten.

Ein etwas grinsender Kellner erschien. Leiding stellte mit einem einzigen Blick fest, dass seine weiße Jacke schmuddelige Stellen aufwies und seine Schuhe ungeputzt waren. Außerdem hatte der Mann eine unreine Gesichtshaut, fettig glänzendes Haar und einen aufdringlichen großen, schwarzen Schnauzbart.