Dorian Hunter 87 - Roy Palmer - E-Book

Dorian Hunter 87 E-Book

Roy Palmer

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Vanessa spürte den Druck kräftiger Hände an ihren Armen und Schenkeln. Rasch trugen sie die beiden Wächter zur Guillotine. Riemen umspannten ihren Körper. Ihr Kopf wurde brutal durch das für den Delinquenten vorgesehene Loch gestoßen. Sie sah nicht mehr, wie die beiden Merina-Wächter mit den Speeren neben dem Apparat Aufstellung nahmen, sie schaute nur auf den grinsenden Freak mit den vielen Füßen und Händen, der sich vor ihr aufgebaut hatte.
Dann raste etwas von oben auf sie herab, und alles versank in erlösender Finsternis. Vanessas Schrei gellte grausig durch den Dschungel des Zentralhochlandes von Madagaskar ...

Nach dem Abenteuer in Island hat Dorian Hunter einige Fragen an Magnus Gunnarsson - doch der hat sich mit unbekanntem Ziel abgesetzt. Nachdem auch die Nachforschungen der Mystery Press keinen Erfolg bringen, gibt Coco zu, dass sie mit Gunnarson ein vertrauliches Gespräch geführt hat, in dem er sie für sein neues »Projekt« anwerben wollte ... auf Madagaskar!


Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 139

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Was bisher geschah

IM SCHATTEN DER GUILLOTINE

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

mystery-press

Vorschau

Impressum

Der ehemalige Reporter Dorian Hunter hat sein Leben dem Kampf gegen die Schwarze Familie der Dämonen gewidmet, seit seine Frau Lilian durch eine Begegnung mit ihnen den Verstand verlor. Seine Gegner leben als ehrbare Bürger über den Erdball verteilt. Nur vereinzelt gelingt es dem »Dämonenkiller«, ihnen die Maske herunterzureißen.

Bald kommt Dorian seiner eigentlichen Bestimmung auf die Spur: In einem früheren Leben schloss er als Baron Nicolas de Conde einen Pakt mit dem Teufel, der ihm die Unsterblichkeit sicherte. Um für seine Sünden zu büßen, verfasste de Conde den »Hexenhammer« – jenes Buch, das im 16. Jahrhundert zur Grundlage für die Hexenverfolgung wurde. Doch der Inquisition fielen meist Unschuldige zum Opfer; die Dämonen blieben ungeschoren. Als de Conde selbst der Ketzerei angeklagt und verbrannt wurde, ging seine Seele in den nächsten Körper über. So ging es fort bis in die Gegenwart. Dorian Hunter begreift, dass es seine Aufgabe ist, de Condes Verfehlungen zu sühnen und die Dämonen zu vernichten.

In der Folge beginnt Dorian die Dämonen zu jagen – doch diese schlagen zurück und zersetzen die »Inquisitionsabteilung« des Secret Service, der Dorian vorübergehend unterstützt hat. Der ehemalige Leiter der Inquisitionsabteilung, Trevor Sullivan, gründet die Agentur Mystery Press, die Nachrichten über dämonische Aktivitäten aus aller Welt sammelt. Hunter bleibt nur sein engstes Umfeld in der Jugendstilvilla in der Londoner Baring Road: die Hexe Coco Zamis, die selbst ein Mitglied der Schwarzen Familie war, bis sie wegen ihrer Liebe zu Dorian den Großteil ihrer magischen Fähigkeiten verlor; der Hermaphrodit Phillip, dessen Fähigkeiten ihn zu einem lebenden Orakel machen, sowie ein Ex-Mitarbeiter des Secret Service namens Donald Chapman, der bei einer dämonischen Attacke auf Zwergengröße geschrumpft wurde.

Beinahe wird die schwangere Coco Zamis ein Opfer der Machtkämpfe innerhalb der Schwarzen Familie, doch nach einer Flucht um den halben Erdball bringt Coco ihr Kind in London sicher zur Welt – und versteckt es an einem Ort, den sie selbst vor Dorian geheimhält. Cocos Vorsicht ist berechtigt, da bald eine neue, »alte« Gegnerin auftaucht: Hekate, die Fürstin der Finsternis, wurde von Dorian einst in seinem vierten Leben als Michele da Mosto verraten, sodass ihre frühere Liebe sich in glühenden Hass verwandelt hat.

Die Erinnerung an seine Existenz als Michele da Mosto veranlasst Dorian, sich mit Alchemie zu beschäftigen. In Andorra kauft er mit dem Geld seines alten Freundes Jeff Parker eine Burg als Rückzugsort für Mitglieder des Dämonenkiller-Teams sowie der verbündeten Magischen Bruderschaft. Deren Pariser Großmeister Guillaume Fernel entpuppt sich jedoch als künstlicher Mensch – als Humunkulus, der Donald Chapman seine ursprüngliche Größe zurückgibt. Die Begegnung mit dem »Mann aus der Retorte« erinnert Dorian an ein ähnliches Abenteuer, das er als Michele in Prag erlebt hat ...

IM SCHATTEN DER GUILLOTINE

von Roy Palmer

Rötliches Morgenlicht drang gefiltert durch die Ritzen der Schilfmattenhütte. Der Urwald ließ seine aufdringliche Morgensinfonie erklingen.

Vanessa Kayne hatte das Zetern der Papageien, das Kreischen der Äffchen und all die anderen Laute stets als ermunternd empfunden; aber an diesem Tag erschienen sie ihr wie ein böses Omen, als Auftakt zur Verdammnis. Vanessa Kayne lag in verkrümmter Haltung auf dem feuchten Hüttenboden. Die Hände hatten sie ihr auf den Rücken gefesselt, und auch die Fußknöchel waren stramm zusammengeschnürt worden. So hatte sie die Nacht verbringen müssen. Kein Auge hatte sie zugetan. Das Schicksal, das sich ihre rege Fantasie ausmalte, hinderte sie daran, auch nur für eine Minute einzuschlummern.

Es raschelte. Dann traten zwei der dunkelhäutigen Männer ein, die sie gegen Mitternacht auf einem Dschungelpfad überrascht hatten. Vanessa schimpfte sich eine Närrin, weil sie es gewagt hatte, so spät allein durch den Busch zu wandern. Aber was nützte das jetzt? Die bittersten Selbstvorwürfe halfen ihr nicht weiter. Es gab keinen Ausweg.

1. Kapitel

Die beiden Männer waren kahlköpfig, ihre Hautfarbe war nicht so dunkel wie beispielsweise die der Zulu- oder Watussi-Rasse; sie näherte sich eher einem kräftigen Milchkaffeebraun. Ihre Oberkörper waren nackt. Vanessa betrachtete sie aus geweiteten Augen und konnte das Spiel ihrer Muskeln verfolgen. Beide hielten Speere, mit deren unteren Enden sie jetzt auf den Boden pochten.

Eine dritte Gestalt schlüpfte ins Innere der Schilfmattenhütte. Vanessa schrie auf. Die Gestalt war kleiner als ein normal gewachsener Mann, und aus einem sehr plausiblen Grund: Ihr fehlten sowohl Arme als auch Beine. Direkt aus dem Unterleib wuchsen übergangslos mehrere Füße hervor. Vanessa war wie gelähmt vor Entsetzen, automatisch begann sie die schaurigen Gliedmaßen zu zählen. Es waren zwölf, mit denen der Schaurige sich vorwärts bewegte.

Nachdem Vanessa jedoch genauer hingeschaut hatte, korrigierte sie ihre Feststellung: nur auf zweien konnte er stehen, nur mit zweien gehen. Die übrigen berührten nicht den Boden, waren verwachsen; einige waren so verkümmert, dass die Zehen nur noch ansatzweise zu erkennen waren. Alle zuckten jedoch unausgesetzt.

Ein weiterer Schrei entrang sich Vanessas Kehle, als einer der hünenhaften Männer dem Verwachsenen einen Umhang abnahm, den dieser lose über den Schultern getragen hatte. Jetzt kamen emsige kleine Finger zum Vorschein, die der verzweifelten Frau in ihrer Angst wie zuckende Schlangenhäupter erschienen. Dem Scheusal wuchsen aus jeder Schulter sechs Hände.

Vanessas Blick war auf die furchterregende Erscheinung geheftet; sie konnte einfach nicht aufhören, ihn anzuschauen. Vier der Hände, so stellte sie fest, waren voll funktionsfähig; die übrigen wiesen ähnliche Mängel wie die verkümmerten Füße auf.

Der Verwachsene kicherte. Sein Gesicht war ebenfalls verunstaltet, ein Klumpen Lehm, in den ein zynischer Werkmeister eine Fratze des Grauens hineinmodelliert hatte. Das Scheusal musste zum gleichen Stamm wie die glatzköpfigen Krieger gehören.

»Geh fort!«, stieß Vanessa Kayne keuchend hervor. »Du bist – ein Wesen der Hölle. So etwas kann keiner – keiner Laune der Natur entsprungen sein.«

Der Verwachsene lachte kehlig und blickte die Wächter an. Sie verzogen keine Miene. »Sehr richtig«, versetzte er, nachdem er seine wässrig glänzenden Pupillen wieder der Frau zugewandt hatte. »So was wie ich entstammt anderen Bereichen.«

»Wie kommt es, dass du meine Sprache beherrscht?«

»Eine Kleinigkeit«, erwiderte der Verwachsene. Er machte eine wegwerfende Handbewegung mit zwei der aus der rechten Schulterpartie hervorsprießenden Gliedmaßen. Die übrigen Hände und auch die Füße fächerten eifrig.

»Du bist – ein Zombie?«

»Nein.« Er stapfte mit einem Fuß auf. »Ich zähle zu der Kategorie, die man Freaks nennt. Mein Name ist Hafalii. Früher war ich der Medizinmann dieses Stammes – der Merinas. Lange Zeit verstrich, ohne dass ich meinen Einfluss geltend machen konnte. Aber jetzt bin ich zurückgekehrt, um als Kultpriester das große Ritual zu leiten.«

»Was habt ihr mit mir vor?«

Er kicherte wieder. »Das wirst du zu schon erleben, Vanessa Kayne.« Er trat neben sie, bückte sich und fasste mit drei Händen in ihren langen, schwarzen Haarschopf.

Sie schrie. Knurrend zog er ihr Gesicht zu sich hoch und glotzte sie drohend an. »Du bist braunhäutig wie die Vazimba, Vanessa. Dein wirklicher Name lautet anders. Gestehe es!«

»Nein!«

Seine Stimme wurde zu einem Kreischen. »Wir haben die Vazimba aus diesem Gebiet verdrängt, weil es uns zusteht, hier zu wohnen. Reste der Vazimba sind in das Volk der Malagassi integriert. Aber wir wissen, dass es welche gibt, die sich danach sehnen, uns die Köpfe abzuschlagen, um wieder in die Siedlung zurückkehren zu können. Gestehe! Du wolltest uns bespitzeln. Du bist eine Spionin. Rede!«

Vanessa zitterte am ganzen Leib. Ihr Kleid, ohnehin zum größten Teil zerfetzt und schmutzig, öffnete sich noch weiter und entblößte große Partien ihrer wohlproportionierten Rundungen. Sie versuchte sich aus dem Griff des Schrecklichen zu befreien, aber er hielt sie fest umklammert. Es war geradezu überraschend, welche Kraft in den direkt aus den Schultern wachsenden Händen steckte.

»Ich bin amerikanische Staatsbürgerin!«, rief sie verzweifelt. »Die dunkle Tönung meiner Haut – stammt von der Sonne Floridas. Meine bisherige Wohnung befindet – befindet sich in Miami Beach.«

»Lüge!«

»Es ist die volle Wahrheit. Ich schwöre es!«

Hafalii lachte verächtlich. Im gleichen Moment begann Vanessa zu weinen. Ihr Körper bäumte sich auf. Hafalii stieß sie von sich und wandte sich seinen Stammesbrüdern zu. »Diese elende Heuchlerin gehört zu den Vazimba und ist gekommen, die Gegend auszukundschaften, weil die Hunde sie wieder für sich haben wollen. Was verdient eine solche Schlange eurer Meinung nach?«

»Den Tod«, gaben die beiden Hünen einstimmig zurück.

Hafalii bewegte aufgeregt seine Hände und Füße. »Den Umhang!« Er wartete, bis sie ihm das rot, grün und violett gefärbte Gewand übergelegt hatten, dann begab er sich ins Freie. Hastig fuchtelten seine überschüssigen Gliedmaßen. Er ließ den Blick über die Männer gleiten, die sich vor der Schilfmattenhütte versammelt hatten. Mehr als zwei Dutzend waren es. Alle waren kahlköpfig. Ohne Ausnahme trugen sie Speere. Dicht zusammengedrängt standen sie da und warteten auf einen Befehl ihres Kultpriesters, des scheußlichen Freaks. »Brüder«, sagte er, »ich habe das Weib verhört und aus ihren Antworten geschlossen, dass sie eine Spionin der Vazimba ist.«

Die Krieger schüttelten die Fäuste und schrien erbost durcheinander. Hafalii kreischte. Seine Hände und Füße zuckten wild. Man konnte Knöchel knacken hören. Angesichts seiner Erregung beruhigten sich die Männer wieder.

»Was wollt ihr mit ihr machen?«, fragte er sie.

Es entstand ein kleiner Tumult, dann trat der Größte von ihnen zwei Schritte vor. Er zog einen kleinen Gegenstand aus seinem Lendenschurz, entfaltete ihn und stülpte ihn sich über. Es handelte sich um ein rotes Stirnband. »Sie muss sterben!«, rief er.

Hafalii hüpfte ein wenig auf der Stelle und rieb sich zwei seiner intakten Hände. »Ausgezeichnet! Das ist genau die Entscheidung, zu der auch ich gekommen bin.«

Die Merinas johlten und schwenkten die Speere. Hafaliis Fratze stellte ein verkniffenes Grinsen zur Schau. Er fühlte sich geschmeichelt. Abrupt drehte er sich um. Schlug den Schilfvorhang vor dem Eingang der Hütte zur Seite und sagte: »Holt sie!«

Die beiden Wächter packten Vanessa Kayne an den Armen und zerrten sie aus der Behausung. Ihre nackten Füße schleiften über die Erde. Hafalii, der Freak, watschelte kichernd neben ihr her. Hin und wieder bedachte er sie mit einer obszönen Verwünschung. Die Wächter zogen sie an der Gruppe ihrer Stammesbrüder vorüber, die sich dem Zug schweigend anschlossen.

Die Siedlung der Merinas bestand aus mehreren Schilfmattenhütten. Das Zentrum bildete ein Rondell, dessen Rand durch faustgroße, weiße Steine gekennzeichnet war. Inmitten des Kreises erhob sich ein Apparat. Wozu er diente, war eindeutig.

Vanessa Kayne bemerkte, wie ihre beiden Bewacher stehen blieben. Sie wurde herumgedreht. Voller Panik richteten sich ihre Blicke auf die beiden parallel verlaufenden Pfosten, die aus dem Grün des Busches emporragten. Ein Querbalken schloss den Apparat oben ab. Im oberen Viertel der Pfosten glänzte matt das mörderisch scharf geschliffene Metall. »Nein!«, stieß sie hervor. »Das dürft ihr nicht! Das – ist bestialisch.«

Hafalii kam angetippelt. Er fühlte sich wohl in der Rolle des Ritualmeisters und zelebrierte einen wirklich gekonnten Auftritt. Mit etwas in den Nacken gelegtem Kopf blieb er vor ihr stehen. Seine Miene war herablassend. Hätte er Arme besessen, hätte er sie in diesem Augenblick zweifellos verschränkt. In Ermangelung dieser Körperpartien wedelte er zornig mit den Händen und Füßen.

»Grausamkeit, wem Grausamkeit gebührt!«, rief er mit schneidender Stimme. »Du wirst sterben, ohne einen letzten Wunsch geäußert zu haben, denn auch der steht dir nicht zu, Weib.«

Die Merinas brüllten Beifall. Der Glatzkopf mit dem roten Stirnband trat neben die hoch aufragenden Pfosten und prüfte die Stellung des Fallbeiles.

Hafalii sprach englisch, und seine Stammesgenossen verstanden ihn. Vanessa Kayne war dieser Umstand ein Rätsel, aber sie sann nicht darüber nach. In ihrer Verzweiflung verlegte sie sich aufs Flehen. »Tut es nicht! Habt Erbarmen! Bringt mich nicht auf die Guillotine! Ich bin US-Staatsbürgerin und stamme aus Florida. Ich ...«

»Immer das gleiche Gewäsch«, rief Hafalii verächtlich. »Ich kann es nicht mehr hören. Legt sie unters Beil!«

Vanessa spürte den Druck kräftiger Hände an ihren Armen und Schenkeln. Rasch trugen sie die beiden Wächter zur Guillotine. Sie wurde auf eine wannenförmige vertiefte Holzbank geworfen. Riemen umspannten ihren Körper. Ihr Kopf wurde brutal durch das für den Delinquenten vorgesehene Loch gestoßen. Ein gellender Schrei entrang sich ihrer Kehle.

Sie sah nicht mehr, wie die beiden Merina-Wächter mit den Speeren neben dem Apparat Aufstellung nahmen, nahm kaum wahr, wie sich der Henker mit dem roten Stirnband näherte; sie schaute nur auf den grinsenden Freak mit den vielen Füßen und Händen, der sich vor ihr aufgebaut hatte und geradezu vergnügt gestikulierte. In ihrem Kopf dröhnte und hämmerte es.

Mit überschnappender Stimme schrie sie: »Verflucht sollst du sein, Hafalii! Tod und Verdammnis über dich und deinen ganzen Stamm! Der Dreimalgrößte wird mich rächen, rächen, rächen!«

»Da habt ihr den Beweis«, verkündete Hafalii. »Sie ist nicht das fromme Lamm, das sie gern zur Schau stellen wollte. Sie steckt mit den Vazimba und all ihren hundsgemeinen Verbündeten unter einer Decke. Köpft sie!«

Vanessa Kayne schleuderte dem Scheusal ihre ganze Verzweiflung in einem schrillen, Nerven zerfetzenden Schrei entgegen. Etwas raste von oben auf sie herab, und alles versank in erlösender Finsternis.

Ihr Schrei hallte grausig durch den Dschungel des Zentralhochlandes von Madagaskar.

George Mansfield – achtundvierzig Jahre alt, beleibt und wegen seiner roten Gesichtsfarbe eine stattliche, wenn auch etwas vierschrötig anmutende Erscheinung, mit seinem straff zurückgekämmten, grauen Haar und dem schneeweißen Backenbart geradezu der Inbegriff eines Engländers – Mansfield blickte seinen Gast an und nickte ihm knapp zu.

Dorian Hunter streckte die Hände von sich. Mit der Rechten ergriff er Mansfields Hand, mit der Linken umspannte er die Finger eines weiteren Mitglieds der Runde.

Insgesamt waren es sechs Männer, die an der Beschwörung im Londoner Tempel der Magischen Bruderschaft teilnahmen. Sechs war eine magische Zahl. Die Entwicklung des sechsten Sinnes war eines der Ziele der Magischen Bruderschaft.

Der Tempel glich dem der Frankfurter Bruderschaft und aller anderen Bruderschaften. Die Männer in den grauen Ponchos hatten an dem runden Glastisch in der Mitte des Raumes Platz genommen. Die Stühle waren ebenfalls aus Glas und standen wie der Tisch auf einem kreisrunden Teppich, in den mit dicken, geflochtenen Goldfäden ein Drudenfuß eingestickt worden war. An den fünf Spitzen des Pentagramms befanden sich die Symbole für die fünf Sinne der Menschen. In der Mitte des Drudenfußes, unter dem gläsernen Tischbein, saß ein Auge in einem Dreieck – das Symbol für den sechsten Sinn.

Dorian Hunter konzentrierte sich auf den schwarzen Globus. Er konnte ihn nur schwach sehen, denn der zweite Zeremonienmeister – einer seiner fünf Begleiter – hatte zuvor fünf der sechs Lichter des Kerzenhalters auf der Kommode ausgelöscht.

Der Dämonenkiller konzentrierte seine Gedanken auf die schwarze Weltkugel. Sie stand im Mittelpunkt des gläsernen Tisches. Er bediente sich eines modernen verballhornten Lateins und benutzte im Übrigen Worte des Esperanto. Dies war die Geheimsprache der Magischen Bruderschaft, die Dorian von Thomas Becker, dem Großmeister aus Frankfurt, gelernt hatte. »Wir rufen dich, Geist, der du auf unseren Anruf wartest in der Ewigkeit!«

Irgendjemand gab dem schwarzen Globus einen Stoß. Lautlos begann er sich um die Polachse zu drehen. Die Weltkugel bewahrte ein gleich bleibendes Tempo.

Dorian sprach wieder, und allmählich dehnte sich der auf dem Globus schimmernde Lichtkreis aus. Bald glühte die Kugel wie eine Miniatursonne. Gebannt schaute der Dämonenkiller auf den Globus. Er spürte plötzlich nicht mehr den Händedruck seiner Nebenmänner und hatte den Eindruck, zu schweben. Aus dem Licht schälten sich die Umrisse einer eigentümlichen Gestalt heraus. Dorian spürte, wie sich sein Herzschlag beschleunigte. Die Gestalt bekam ein Gesicht, verließ den Lichtkreis und nahm vor der Kommode mit dem Kerzenhalter Aufstellung. Die Kerzenflamme beschien eine etwas verzerrte säuerliche Miene.

Der Faust-Geist war erschienen. Er trug den üblichen weiten Umhang, den hohen Spitzhut, Schuhe mit Gürtelschnallen und ein Wams; und wie bei früheren Beschwörungen bediente er sich auch diesmal wieder des Namens, den Dorian Hunter in einem seiner früheren Leben getragen hatte. »Fürwahr keine gute Idee, mich in dieser Verfassung zu Euch zu rufen, Georg!« Der Geist verzog das Gesicht noch etwas mehr und krümmte sich ein wenig. Seine Stimme klang dumpf und unheilvoll. »Ihr glaubt ja gar nicht, was ich durchstehen muss.«

»Es tut mir leid«, erwiderte der Dämonenkiller. »Ich konnte nicht ahnen, dass Euch nicht wohl ist.«

»Schon gut. Tragt mir Euer Anliegen vor! Ich spüre, dass Ihr mir eine Frage zu unterbreiten habt.«

Der Dämonenkiller fixierte den Astralleib des Dr. Faust und sagte: »Ich möchte Erkundigungen über einen gewissen Hermes Trismegistos einziehen. Jeder Hinweis wäre mir nützlich.«

Der Geist krümmte sich wieder und keuchte eigentümlich. »Mein lieber Georg – mir ist, als ginge ein großes Mühlrad in meinem Kopf herum. Eine Wesenheit macht mir schwer zu schaffen. Ein Geist. Glaubt mir, ich fühle mich kaum in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen.«

Er hatte die letzten Worte noch nicht ganz ausgesprochen, da lösten sich die Konturen seiner Gestalt auf, und die gesamte Erscheinung verflüchtigte sich.

Dorian versuchte ihn mit allen Mitteln zurückzuhalten, aber nach zwei glücklosen Versuchen gab der Dämonenkiller auf.