Chefarzt Dr. Holl 1839 - Katrin Kastell - E-Book

Chefarzt Dr. Holl 1839 E-Book

Katrin Kastell

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Beschreibung

Erbin unter Verdacht - Der Tod der alten Dame sorgt für Spekulationen

"Hier, Mutsch Meier! Die hab ich nur für dich gepflückt." Ein wenig umständlich schiebt die kleine Silja der alten Dame im Bett ein arg zerdrücktes Sträußchen Gänseblümchen in die Hand, und für einen Moment scheinen sich die tiefen Linien im Gesicht Ermelinde Meiers zu glätten. Ein glückliches Leuchten tritt in ihre Augen, als sie dem Mädchen über die blonden Locken streicht.

Lisa de Boor, Ermelindes Pflegerin, wollen die Tränen kommen. Sie weiß, was ihr Töchterchen noch nicht ahnen kann: Das Lebenslicht der alten Frau verlöscht! Mutsch Meier wird jeden Tag ein bisschen weniger. Doch Lisa ist fest entschlossen, bis zu Mutschs letztem Atemzug bei ihr zu bleiben - auch wenn sie nicht weiß, wie es dann mit ihr und Silja weitergehen soll ...

Tatsächlich steht die junge Pflegerin nach Ermelindes Tod zunächst vor dem Nichts. Doch da ist Ermelindes geheimnisvolles Vermächtnis, das Lisa und ihre Tochter auch in Zukunft auf wundersame Weise beschützen wird ...

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Seitenzahl: 128

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Inhalt

Cover

Impressum

Erbin unter Verdacht

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: yacobchuck/iStockphoto

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-6576-4

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Erbin unter Verdacht

Der Tod der alten Dame sorgt für Spekulationen

Von Katrin Kastell

„Hier, Mutsch Meier! Die hab ich nur für dich gepflückt.“ Ein wenig umständlich schiebt die kleine Silja der alten Dame im Bett ein arg zerdrücktes Sträußchen Gänseblümchen in die Hand, und für einen Moment scheinen sich die tiefen Linien im Gesicht Ermelinde Meiers zu glätten. Ein glückliches Leuchten tritt in ihre Augen, als sie dem Mädchen über die blonden Locken streicht.

Lisa de Boor, Ermelindes Pflegerin, wollen die Tränen kommen. Sie weiß, was ihr Töchterchen noch nicht ahnen kann: Das Lebenslicht der alten Frau verlöscht! Mutsch Meier wird jeden Tag ein bisschen weniger. Doch Lisa ist fest entschlossen, bis zu Mutschs letztem Atemzug bei ihr zu bleiben – auch wenn sie nicht weiß, wie es dann mit ihr und Silja weitergehen soll …

Tatsächlich steht die junge Pflegerin nach Ermelindes Tod zunächst vor dem Nichts. Doch da ist Ermelindes geheimnisvolles Vermächtnis, das Lisa und ihre Tochter auch in Zukunft auf wundersame Weise beschützen wird …

Es war ein warmer, sonniger Frühlingsnachmittag. Ermelinde Meier, von allen Freunden und Bekannten liebevoll Mutsch Meier genannt, lag im Wintergarten in ihrem bequemen Ohrensessel, dessen Fußteil aufgestellt war. Sie hatte sich in eine Decke gewickelt und döste in der Sonne mit geschlossenen Augen vor sich hin. Ein Lächeln flog über das rosige Gesicht der alten Dame, das kaum Falten hatte. Sie träumte sich wieder einmal in glücklichere Zeiten.

„Mutsch, Mutsch!“, ertönte die helle Stimme der kleinen Silja. „Bitte, bitte erzähl mir eine von deinen schönen Geschichten!“

Erschrocken blieb die Sechsjährige stehen, als Mutsch Meier ganz vorsichtig die Augen öffnete und in die Sonne blinzelte.

„Hab ich dich geweckt?“

„Nein, meine Kleine“, wehrte Mutsch rasch ab. „Komm, setz dich zu mir! Wir machen es uns hier im Sonnenschein gemütlich!“

„Au ja, und die Mami kocht uns einen Kakao!“ Begeistert zog die Kleine einen Hocker heran. „Erzählst du mir dann wieder von früher? Ich meine, wo du doch wach bist …“

Ein zärtliches Lächeln verschönte das faltige Altfrauengesicht und schenkte ihm einen besonderen Zauber.

„Ja, Herzchen, das werde ich! Ach, Kind, das tue ich viel zu gern, wenn es dich nicht langweilt.“

„Nie“, versicherte Silja im Brustton der Überzeugung. „Du kannst richtig gut so Sachen erzählen.“

So Sachen! Mutsch Meiers Lächeln wurde breiter. In ihre Stimme schlich sich ein Glucksen ein.

„Tja, sie sind halt echt, die Sachen!“

Lisa de Boor, die vor wenigen Monaten die Pflege von Ermelinde Meier übernommen hatte, brachte ein Tablett mit Kaffee und Kakao in den Wintergarten. Sie hatte auch die Lieblingskekse von Mutsch Meier nicht vergessen.

„Hallo, meine bezaubernden Ladys, hier ist euer Wunschgetränk!“ Sie strich ihrer kleinen Tochter zärtlich über den Kopf. „Es ist so schön, hier in der Sonne zu sitzen, nicht wahr?“

Lisa reichte der Hausherrin eine Tasse Kaffee und setzte sich in einen der hübschen Korbsessel.

„Ja, Lisa, die Wärme der Sonnenstrahlen streichelt die Seele“, erwiderte Mutsch Meier leise.

Dann schloss sie einen Moment lang die Augen. Sie seufzte kaum hörbar, ehe sie von früher erzählte, als ihre Familie noch intakt war, als ihr Mann Heribert noch lebte und Gereon, ihr Sohn, daheim war.

„Mein Heribert war ein bekannter Mann in München“, begann sie, und Lisa spürte die Sehnsucht, aber auch den Stolz in Mutschs Stimme. „Er war einer der besten Optiker – nein, er war der beste!“

„Was ist ein Opziga?“, zwitscherte Silja.

„Ein Optiker, meine kleine Silja,stellt fest, wie gut du sehen kannst. Wenn du eine Brille haben musst, passt er sie dir an. Und – schwups – siehst du wieder richtig gut und kannst viel besser Lesen und Schreiben lernen.“

„Brauch ich nicht“, stellte Silja fest. „Ich kann richtig gut gucken! Und lesen kann ich auch schon – na ja, ein bisschen!“

Mutsch Meier schwärmte von dem gemeinsamen Leben mit ihrem Mann, dem schönen Geschäft und der kleinen Fabrik, in der Heriberts eigene Brillenkreationen gefertigt worden waren. Die junge Ermelinde hatte ihrem Mann geholfen und an seiner Seite einen festen Platz in der Münchner Gesellschaft gefunden.

Heribert war ein gutherziger Mann gewesen, der aus Dankbarkeit für seinen beruflichen Erfolg gern denen etwas gab, die nichts hatten und seine Unterstützung brauchten.

Als Gereon geboren wurde, dauerte es nicht lange, bis Ermelinde auch bei ihren karitativen Einsätzen nur noch „Mutsch Meier“ genannt wurde. Und in jedem ihrer Worte klang eine unbändige Sehnsucht und tiefes Leid mit.

„Hat Gereon nicht Mami gesagt?“ Siljas helle Stimme wirkte tröstlich auf die gequälte Seele der alten Dame.

„Als er sprechen lernte, nannte er mich natürlich Mama. Aber später fand er es lustig, dass alle Mutsch zu mir sagten. Sogar seine Lehrerin in der Schule und die Verkäuferin im Supermarkt.“

Sie ließ sich von Lisa das alte, ein bisschen zerfledderte Fotoalbum geben und streichelte zärtlich über den abgegriffenen Einband, ehe sie Silja die ersten Fotos ihres Sohnes zeigte.

„Er war ein süßer Kerl, fast so niedlich wie du, mein Mäuschen …“

Eine Weile schwieg sie. Sie schloss die Augen, als wollte sie die Fotos nicht mehr anschauen. Zu lange hatte sie von ihrem Sohn nichts mehr gehört. Sie fand keine Worte, die ihre geheimsten Wünsche tränenlos hätten ausdrücken können.

Vorsichtig nahm Lisa das Album an sich und zog die leichte Wolldecke ein wenig höher, sodass Mutsch Meier nicht frieren musste. Dann gab sie ihrer Tochter einen Wink. Leise zogen sie sich zurück und überließen die Hausherrin ihren Erinnerungen.

Die Fünfundachtzigjährige hatte nicht bemerkt, dass sie allein im Wintergarten saß. Sie spürte die Sonne wie eine zarte Berührung, die jedoch die Kälte, die sie im Herzen empfand, nicht verscheuchen konnte.

Gereon war erwachsen geworden und hatte sich mit seinem Vater überworfen. Er hatte sich geweigert, den Beruf des Optikers zu ergreifen und die Firma zu übernehmen. Mutsch hatte hilflos zusehen müssen, wie ihr Familienglück zerbrach.

Als der Sohn sich unversöhnlich zeigte und bei Nacht und Nebel verschwand, war die Kälte in ihr Leben eingezogen. Heribert hatte es nie verwunden, dass Gereon stillschweigend das Haus verlassen hatte. Er war erkrankt und hatte täglich an Kraft verloren, Kraft, die auch Ermelinde ihm nicht mehr geben konnte.

Heribert Meier hatte seine Firma verkauft und dafür gesorgt, dass seine Frau ein gutes Leben haben würde, wenn er einmal gehen musste. Seinen Sohn hatte er nicht mehr wiedergesehen.

Gereon hatte sich erst zwei Jahre nach dem Tod seines Vaters aus Amerika gemeldet. Zurückgekommen war er nicht mehr. Er hatte geheiratet und war Vater eines Sohnes geworden.

Viel mehr wusste seine Mutter nicht. Die seltenen Kartengrüße oder auch das eine oder andere Foto aus dem fernen Amerika verrieten nichts von seinem neuen Leben.

Mutsch Meier wischte sich über die Augen und schaute sich suchend um.

„Wo seid ihr denn, Lisa? Silja? Ich schlafe nicht, Kinder! Bitte, lasst mich nicht allein!“

Besorgt eilte Lisa herbei und sprach beruhigend auf ihren Schützling ein.

Frau Ermelinde lächelte. Dennoch sah sie unendlich traurig aus. Dann fielen ihre Augen wieder zu. Im nächsten Moment war sie eingeschlafen.

Lisa de Boor betrachtete die alte Dame eine kleine Weile voller Sorge. Wenn sich doch wenigstens dieser Gereon mal melden würde! Es konnte doch nicht sein, dass er seine Mutter vergessen oder aus seinem Leben gestrichen hatte! Hätte sie seine Telefonnummer finden können, sie hätte ihn längst angerufen!

***

Es war einer jener Tage, an denen in der Berling-Klinik alles ein bisschen durcheinanderging. Im Kreißsaal war die Hölle los. Gleich drei werdende Mütter lagen in den Ruheräumen, und bei jeder konnte die Geburt im nächsten Moment einsetzen.

Auch auf der Chirurgie gab es alle Hände voll zu tun, da es zu einem Unfall in der Innenstadt gekommen war. Ein Motorradfahrer hatte einem Omnibus die Vorfahrt genommen. Dr. Daniel Falk hatte alle Ärzte des Hauses in die Ambulanz gerufen, damit möglichst schnell Ordnung in das Chaos kam und jedem der Verletzten schnell geholfen werden konnte.

Im Sekretariat des Chefarztes Dr. Stefan Holl bemühte sich Moni Wolfram, möglichst viele Termine des Klinikchefs zu verlegen, als Dr. Holl hereinschaute und um eine Tasse Kaffee bat.

„Das erste Baby ist da und bei Frau Sanders in besten Händen“, erklärte er strahlend. „Und die frischgebackene Mama, Frau Sellmann, ist in bester Verfassung.“

„Und Herr Sellmann? Er hatte so große Angst vor der Geburt seines ersten Kindes“, erinnerte sich Moni Wolfram.

„Schauen Sie nachher mal bei der jungen Familie vorbei. Die Sellmanns mit ihrer kleinen Sophie werden sich freuen.“

„Chef!“, rief Schwester Annegret ein wenig außer Atem. „Es geht los bei Frau Hollerstein!“

„Ich bin sofort da, Annchen!“ Dr. Stefan Holl stellte die Kaffeetasse auf den Empfangstresen und eilte mit der alten Schwester davon.

Moni Wolfram sah ihrem Chef mitfühlend nach. Dann ging sie ins Wartezimmer und vertröstete die beiden Damen, die auf Dr. Holl warten wollten.

„Ich weiß nicht, wie lange es dauert, bis Dr. Holl aus dem Kreißsaal kommt. Aber ich gebe Ihnen gern einen neuen Termin.“

Magdalene Venninghoff erhob sich.

„Machen Sie sich um mich keine Gedanken, liebe Frau Wolfram. Ich komme gern ein anderes Mal wieder. Ist ja nur die jährliche Vorsorgeuntersuchung. Da kommt es auf einen Tag nicht an. Die kleinen neuen Erdenbürger sind wichtiger als ich alte Frau!“

Die Sekretärin protestierte lachend „Von wegen alt! Sie stecken so manche jüngere Frau in die Tasche! Darf ich Sie anrufen, wenn ein Termin frei wird? Morgen ist Dr. Holl leider schon ausgebucht.“

Damit war die elegante Dame einverstanden. Fröhlich verabschiedete sie sich und nickte der anderen Patientin noch einmal freundlich zu.

Moni Wolfram wandte sich an die junge Frau, die sie bisher nur als Begleiterin einer langjährigen Patientin kannte.

„Wollen Sie auf den Herrn Doktor warten, auch wenn es noch länger dauert, Frau de Boor?“

Die zierliche Blonde nickte. „Es muss sein … Es geht nicht um mich, Frau Wolfram, es geht um Frau Meier, müssen Sie wissen.“

Die Sekretärin nickte. „Darf ich Ihnen eine Tasse Kaffee bringen?“

Lisa de Boor errötete. „Danke, das ist sehr freundlich.“

Aus einer Tasse Kaffee wurden drei, ehe Dr. Holl aus dem Kreißsaal zurückkehrte.

„Geben Sie mir ein paar Minuten, Moni“, bat er erschöpft. „Der kleine Noah hat es uns sehr schwer gemacht.“

„Die haben Sie, Herr Doktor. Es wartet nur noch eine Dame auf Sie“, erwiderte seine Sekretärin. „Wenn ich Frau de Boor richtig verstanden habe, möchte sie mit Ihnen etwas besprechen.“

„Frau de Boor? Ach ja, die Pflegerin von Mutsch Meier! Bitten Sie die junge Dame in zehn Minuten herein!“

Er ließ sich in seinen Schreibtischsessel fallen, lehnte sich so weit zurück, wie die Sessellehne es erlaubte, und legte für ein paar Minuten die Füße auf den Schreibtisch.

Gut, dass weder Annchen noch meine Julia hier sind!, dachte er und schmunzelte beim Gedanken an die Empörung der Damen.

Lange hielt er es nicht aus. Kaum hatte er seinen Kaffee getrunken und den Teller mit den Apfelsinenstückchen, den seine Sekretärin ihm mahnend in die Hand gedrückt hatte, geleert, nahm er wieder Haltung an in Erwartung Lisa de Boors.

***

Dr. Holl lächelte der jungen Frau entgegen. Sie wirkte sehr zurückhaltend, eher schüchtern.

„Liebe Frau de Boor, wir sehen uns ja nicht so häufig“, sagte er nach der Begrüßung und bot ihr Platz an.

Lisa senkte den Blick. „Sie haben recht, Herr Doktor. Ich habe meine Vorsorgeuntersuchungen einfach vergessen …“

„Ich bitte Sie …“

Sie hob abwehrend die Hand. „Nein, nein, Herr Doktor. Als Krankenschwester weiß ich, wie wichtig diese Untersuchungen sind. Aber ich bin noch nicht so lange in München. Da ist es nicht so einfach …“ Sie machte eine kleine Pause. „Es wäre schön, wenn auch ich als Patientin zu Ihnen kommen dürfte.“

„Selbstverständlich, Frau de Boor. Allerdings muss ich Sie bitten, sich von Frau Wolfram einen Termin geben zu lassen“, erwiderte Dr. Holl freundlich.

Lisa errötete. „Danke. Aber ich bin heute aus einem anderen Grund hier. Ich mache mir Sorgen um Frau Meier.“

Sie erzählte, dass Frau Ermelinde in den letzten drei Wochen immer weniger wurde, jeden Arztbesuch ablehnte, sehr viel schlief und zu wenig aß.

„Wissen Sie, es ist die Sehnsucht nach ihrem Sohn, die sie krank macht. Selbst meine kleine Tochter kann sie nur kurzfristig aufheitern. Ich weiß mir keinen Rat mehr.“

Dr. Holl drückte auf die Computermaus. Moni Wolfram hatte ihm die Krankenakte von Frau Meier auf seinen Bildschirm gespielt. Schweigend las er seine letzten Eintragungen, ehe er sich an Lisa de Boor wandte.

„Es ist gut, dass Mutsch Meier eine so aufmerksame und liebevolle Betreuerin hat, Frau de Boor“, meinte er dann mit einem kleinen Lächeln. „Doch auch die kompetenteste Betreuung erreicht nur wenig, solange sie sich nach ihrem Sohn verzehrt. Mutsch Meier hat ein schwaches Herz. Es ist ja schon ein kleines Wunder, dass sie sich von ihrem Herzinfarkt so gut erholt hat. Das hat sie Ihnen zu verdanken.“

Lisa wehrte heftig ab. „Ich habe nicht viel dazu beigetragen, Herr Doktor …“

„Seien Sie nicht so bescheiden! Ich sehe an meinen Aufzeichnungen, dass es ihr sehr viel besser geht, seit Sie sich um Sie kümmern. Aber nun sollten wir gemeinsam überlegen, was wir für unseren Schützling tun können. Was das Herz angeht, so wird mein Kollege Dr. Falk die Medikation neu einstellen.“

„Oh, entschuldigen Sie bitte, Dr. Holl, dann bin ich bei Ihnen an der falschen Stelle“, warf Lisa hastig ein und erhob sich. „Ich wollte Ihnen die Zeit nicht stehlen!“

„Das tun Sie nicht“, erwiderte der Chefarzt begütigend. „Bitte, nehmen Sie wieder Platz! Ich werde Ihnen verraten, was Mutsch Meier und mich als Klinikchef verbindet.“

Er holte ein wenig aus und erzählte der jungen Frau, dass es sein Schwiegervater war, der Mutsch Meiers Sohn auf die Welt geholfen hatte. Als Professor Berling in den wohlverdienten Ruhestand gegangen war, hatte Dr. Holl dessen Patientinnen liebevoll übernommen.

„Bei vielen entstand ein sehr persönliches Verhältnis – wie auch bei Ermelinde Meier“, schloss er. „Ich käme nie auf die Idee, sie bei ihrem richtigen Namen zu nennen. Sie sehen, Frau de Boor, Sie sind bei mir absolut an der richtigen Adresse, wenn es darum geht, etwas für Ihren Schützling zu tun.“

„Aber was?“, fragte Lisa hilflos. „Ich weiß nicht mehr weiter. Sie macht mir Sorgen – jeden Tag mehr!“

„Ich verstehe Sie sehr gut. Die letzten Untersuchungsergebnisse von Frau Meier sind noch recht erfreulich gewesen. Es ist wohl eher ihre Psyche. Da anzusetzen ist nicht so einfach. Hat sie denn gar nichts mehr von ihrem Sohn gehört?“

Lisa zerrupfte ihr Papiertaschentuch vor Nervosität. Sie kam sich schäbig vor, dass sie hinter dem Rücken von Mutsch über deren Privatangelegenheiten sprach. Aber es musste sein.

„Sie hat mir erzählt, dass er zumindest zu Weihnachten und zu ihrem Geburtstag geschrieben hat“, sagte sie langsam. „Aber den letzten Geburtstag hat er ebenso vergessen wie Weihnachten. Ich verstehe es einfach nicht. Wie gern hätte ich eine Mutter wie Mutsch Meier gehabt!“

Das klang so tieftraurig und sehnsuchtsvoll, dass Dr. Holl sein Gegenüber noch einmal genauer betrachtete. Sehr viel wusste er nicht von Lisa de Boor. Sie war Krankenschwester und Physiotherapeutin mit hervorragenden Abschlüssen und hatte die Stelle als Pflegerin bei Ermelinde Meier angetreten, weil sie auf diese Weise ihre kleine Tochter versorgen konnte.

„Möchten Sie nicht ein bisschen mehr von sich erzählen, Frau de Boor?“, fragte Dr. Holl mit seiner sanftesten Stimme.

Lisa schüttelte heftig den Kopf.

„Nein, nein, nicht heute! Jetzt geht es um Mutsch Meier. Wenn ich nur wüsste, wie ich ihren Sohn erreichen kann!“