Chefarzt Dr. Holl 1866 - Katrin Kastell - E-Book

Chefarzt Dr. Holl 1866 E-Book

Katrin Kastell

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Beschreibung

Zusammenbruch beim Joggen
Im Fitnesswahn ignorierte sie die Schmerzen
Von Katrin Kastell

Die hochbegabte Wissenschaftlerin Adriana Schoppenstein und der Mathematiker Arne Krüger sind gute Freunde - mehr nicht. Doch als sie gemeinsam das Sommerfest der Holls besuchen, springt der Funke plötzlich über.
Im sanften Licht der bunten Lampions schweben sie zu den zarten Klängen der Streichmusik eng umschlungen über die Tanzfläche direkt in den siebten Himmel. Aber schon am nächsten Tag platzt die Seifenblase. Es sei besser, sie würden nur Freunde bleiben, erklärt Arne.
Für Adriana bricht eine Welt zusammen. Durch exzessives Joggen bis an den Rand der Erschöpfung versucht sie, ihren grenzenlosen Kummer zu bekämpfen. Selbst ein grippaler Infekt kann sie nicht stoppen, und das hat verhängnisvolle Folgen ...

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Inhalt

Cover

Impressum

Zusammenbruch beim Joggen

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Nomad / iStockphoto

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar

ISBN 9-783-7325-8281-5

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Zusammenbruch beim Joggen

Im Fitnesswahn ignorierte sie die Schmerzen

Von Katrin Kastell

Die hochbegabte Wissenschaftlerin Adriana Schoppenstein und der Mathematiker Arne Krüger sind gute Freunde – mehr nicht. Doch als sie gemeinsam das Sommerfest der Holls besuchen, springt der Funke plötzlich über.

Im sanften Licht der bunten Lampions schweben sie zu den zarten Klängen der Streichmusik eng umschlungen über die Tanzfläche direkt in den siebten Himmel. Aber schon am nächsten Tag platzt die Seifenblase. Es sei besser, sie würden nur Freunde bleiben, erklärt Arne ohne weitere Erklärung.

Für Adriana bricht eine Welt zusammen. Durch exzessives Joggen bis an den Rand der Erschöpfung versucht sie, ihren grenzenlosen Kummer zu bekämpfen. Selbst ein grippaler Infekt kann sie nicht stoppen, und das hat verhängnisvolle Folgen …

„Adriana, nicht so schnell! So warten Sie doch auf mich! Sie können morgen wieder Weltrekord joggen, oder?“ Professor Dr. Wilfried Mayer keuchte und schnaufte schwer.

Um diese frühe Stunde war noch kein Mensch am Isarufer unterwegs. Die Sonne ging eben erst auf. Sein Keuchen wurde nur vom rhythmischen Plätschern der Wellen, die ans Ufer schlugen, und dem Morgengesang der Vögel untermalt, was es noch bedrohlicher in seinen Ohren dröhnen ließ.

Obwohl er noch keine zwei Kilometer gelaufen war, hatte er das Gefühl, die Erde mindestens einmal umrundet zu haben. Früher war er ganz gerne gejoggt und hatte öfter einmal morgens eine Runde gedreht, aber nicht in einem so mörderischen Tempo.

Wilfried war total durchgeschwitzt. Schweißperlen spritzten bei jedem Schritt von seinem Gesicht, und er fühlte sich lächerlich, wie er so vergeblich versuchte, hinter seiner Kollegin herzutraben, die hin und wieder einen sichtlich genervten Blick nach hinten warf, ohne ihr Tempo zu verlangsamen.

Wunderbar, genauso hatte er sich das vorgestellt – die besten Voraussetzungen, um das Eis zwischen ihnen doch noch zu brechen, wenn sie zwanzig Meter vor ihm lief und er sie in ihrer sportlichen Routine nur störte. Dieses morgendliche Joggen war eine schlechte Idee gewesen, aber die guten Ideen waren ihm längst ausgegangen.

Dr. Adriana Schoppenstein war eine harte Nuss, und er hatte keine Ahnung, wie er sie in sein wissenschaftliches Team integrieren sollte.

„Rennen Sie in Ihrem Tempo weiter! Ich komme auf dem Rückweg wieder an Ihnen vorbei, und wir treffen uns spätestens wieder bei den Autos!“, rief sie über die Schulter zurück und beschleunigte spürbar.

Offensichtlich hatte sie ihr Tempo tatsächlich etwas für ihn gezügelt. Wie nett von ihr, dachte Wilfried ironisch und fühlte sich uralt. Heilfroh blieb er stehen, sobald sie außer Sicht war. Er beugte sich nach vorne und rang nach Atem. Es dauerte, bis sich seine Atmung beruhigt hatte. Dann drehte er um und ging zügig zum Parkplatz.

„Weichei! Schwächling! Alter Mann!“, beschimpfte er sich, als er endlich wieder im Auto saß, und war doch einfach nur froh, es geschafft und hinter sich zu haben. Er hatte sich schon mit Herzinfarkt und Blaulicht in einem Krankenwagen gesehen.

Wilfried wartete nicht auf Adriana. Auch sein Masochismus hatte Grenzen, beschloss er, und auf ihre verlegenen Blicke konnte er verzichten. Außerdem konnte er so unmöglich im Labor auftauchen! Er brauchte eine Dusche und einen Kaffee in aller Ruhe, um die Spuren dieses mörderischen Joggens zu beseitigen.

Kam er verschwitzt und mit weichen Knien im Labor an, erntete er auch noch den Spott seiner anderen Kollegen, die seine Bemühungen um Dr. Schoppenstein ohnehin nicht nachvollziehen konnten. Wenn sie es nicht für erforderlich hielt, den geringsten Schritt auf das Team zuzugehen, dann sahen die anderen nicht ein, warum sie sich um sie kümmern sollten. Im Grunde lagen sie damit richtig.

Wilfried schätzte allerdings eine entspannte, gute Zusammenarbeit und fand es mühsam und der Arbeit nicht dienlich, wenn Einzelkämpfer ihr Süppchen kochten und den kreativen Prozess ausbremsten, weil sie ihre Ergebnisse für sich behielten. Er konnte das nicht ausstehen.

Aber Adriana Schoppenstein ließ sich nicht ändern, das hatte er spätestens an diesem Morgen begriffen. Sie würde nie zu einem Teamplayer werden, und es lag an ihm, sie entsprechend einzusetzen.

***

„Um Himmels willen, Schatz, was hat sie denn mit dir gemacht?“, rief Wilfrieds Frau und musste lachen, als er sich ächzend an ihr vorbei die Treppe hoch ins Badezimmer schleppte.

„Hast du gewusst, dass ich eine Memme und ein Tattergreis geworden bin? Meine sportlichen Glanzleistungen liegen eindeutig hinter mir“, jammerte er.

„Welche meinst du?“, frotzelte sie und erntete einen vernichtenden Blick.

„Ich brauche ein wenig weiblichen Trost und Mitgefühl. Das war demütigend, kann ich dir sagen!“, beklagte er sich.

„Du Armer! Kaffee?“

„Ja, bitte!“, kam es aus der Dusche, in der er schnurstracks verschwunden war. „Und wenn du noch über mich lachst, wenn ich runterkomme, dann bitte ich Doktor Schoppenstein, morgen dich in die Mangel zu nehmen. Mal sehen, ob du neben der Nummer eins im Olympiakader besser abschneidest.“

„In einem Abendkleid auf meinen Hochhackigen und beim Wiener Walzer allemal, Liebling. Eine Frau weiß, wo sie sich messen kann, und wählt den Ring weise, bevor sie ihn betritt. Du dagegen springst munter hinein und schaust, was passiert. Na ja, so kann man es natürlich auch machen, aber …“

„Raus aus meinem Badezimmer!“, schimpfte er und wollte den Waschlappen nach ihr werfen.

Kichernd floh sie hinunter in die Küche.

Mia und Sophie, ihre zwei kleinen Mädchen, schliefen noch. Beide besuchten die Grundschule und hatten gerade Ferien. Als Wilfried nach unten kam, stand nicht nur eine dampfende Tasse Kaffee für ihn bereit und begrüßte ihn mit ihrem Duft. Seine Frau hatte ihm auch ein Stück Hefezopf dick mit Butter und Marmelade bestrichen, wie er es mochte.

„Damit du wieder zu Kräften kommst, mein Alterchen“, neckte sie ihn.

Wilfried schnitt eine Grimasse, aber dann biss er herzhaft hinein, nahm einen Schluck Kaffee und entspannte sich sichtlich.

„Die Frau hat eine Kondition wie ein Roboter. Sie joggt nicht, sie rennt, als ob sie hundert Meter in Bestzeit absolvieren wollte, nur dass sie das über Kilometer durchhält. Das kann nicht gesund sein! Auf den Gedanken, die Gelegenheit zu nutzen, um ein paar nette Worte mit ihrem Chef zu wechseln, ist sie gar nicht gekommen.“

Verwundert schüttelte er den Kopf. So ein Mensch war ihm noch nie untergekommen.

„Du meinst es gut, Schatz, und möchtest, dass sie sich im Labor wohlfühlt und mit dem Team zusammenwächst, aber vielleicht möchte sie das nicht. Du kannst sie nicht zwingen“, stellte seine Frau fest, was er zuvor selbst gedacht hatte.

„Ich weiß! Ich weiß! Es war mein letzter Versuch, ihr die Hand zu reichen. Sie ist nicht zu retten. Solange sie nicht selbst etwas gegen ihre Isolation unternehmen möchte, ist es eben, wie es ist. Auch wenn die Zusammenarbeit mit einem Menschen wie ihr unschön ist, bedeutet sie für mein Labor einen Gewinn. Allerdings begreife ich nicht, warum sie die Stelle angenommen hat. Bei dem Trubel um ihre exzellente Doktorarbeit und bei ihren zahlreichen Veröffentlichungen in den wissenschaftlichen Zeitschriften hätte sie in den renommiertesten Labors anfangen können. Man hätte sich überall in Deutschland darum gerissen, sie bei ihrer Habilitation zu unterstützen.“

„Hat sie sich nicht bereits in ihrer Doktorarbeit mit dem Motoneuron beschäftigt?“, hakte seine Frau nach.

Er nickte.

„Siehst du! Das erklärt doch, warum sie zu euch wollte!“

„Nicht wirklich, Schatz. Es gibt finanziell weit besser ausgestattete Labore, die sich demselben Forschungsgegenstand widmen“, wandte er ein.

„Vielleicht wollte sie um jeden Preis in München bleiben und hat private Gründe“, riet seine Frau weiter.

„Private Gründe setzen ein Privatleben voraus. Wenn sie nicht gerade joggt, arbeitet sie, aber das geht mich nichts an. Warum auch immer, ich habe sie an der Backe und werde sie so schnell nicht los. Soll sie machen, was sie will! Wenn sie je eine Annäherung wünscht, liegt es an ihr, etwas dafür zu tun. Und falls sie den Nobelpreis bekommt, fällt trotz allem ein Lichtschein auf mein Labor.“

„Und du stellst dein Licht mal wieder gehörig unter den Scheffel. Du brauchst keinen Lichtschein von ihr, mein Lieber. Dein Licht leuchtet warm und hell genug. Du bist ein anerkannter Wissenschaftler und ein Professor, der zu wichtigen Kongressen eingeladen wird. Du hast einen Namen auch ohne dieses unberechenbare junge Genie.“

„Danke!“ Er deutete eine Verbeugung an.

„Dafür nicht. So oder so, deine Entscheidung ist gut!“, lobte sie ihn. „Adriana Schoppenstein ist hochbegabt. Sie hat Schulklassen übersprungen und die Uni als halbes Kind abgeschlossen. Fachlich mag sie brillant sein, menschlich halte ich sie für unreif. Sie braucht Zeit, damit ihre Persönlichkeitsentwicklung mithalten kann – vielleicht – irgendwann – oder auch nicht.“

Vor nicht ganz sechs Monaten hatte sich Dr. Adriana Schoppenstein überraschend für eine Stelle in Wilfrieds Forschungslabor beworben, das lose der Biochemischen Fakultät der Universität München angeschlossen war. Wilfried hatte sie auf der Stelle genommen und sich glücklich gepriesen.

Sein Team bestand aus anerkannten Forschern und einer Handvoll Doktoranden. Eigentlich gehörte es zu Adrianas Aufgaben, die Doktoranden zusammen mit ihm anzuleiten und die Hälfte ihrer Zeit für das gemeinsame Forschungsziel einzusetzen.

Die Doktoranden machten inzwischen alle einen riesigen Bogen um sie und kamen ausschließlich zu ihm, wenn sie Fragen hatten. Wilfried konnte es ihnen nicht verdenken.

Adriana war ein soziales Phänomen. Sie schien nicht zu bemerken, wenn man mit ihr sprach oder ihr Fragen stellte. Als ob man unsichtbar sei, ging sie weiter ihrer Arbeit nach. Selbst bei gründlichster Untersuchung ließen sich nicht die geringsten Spuren von Humor oder Frohsinn bei ihr nachweisen. Geselligkeit war ihr absolut fremd. Sie wäre nie auf den Gedanken gekommen, sich in der Pause zu jemandem zu setzen oder auch nur einen freundlichen Gruß zu erwidern.

Stur ging sie ihrer Forschungsarbeit nach und sah nicht nach links und nicht nach rechts. Am besten konnte man sie integrieren, indem man sie komplett ignorierte und vor sich hinarbeiten ließ. Genau das wollte Wilfried von nun an auch tun. Bei all ihren sozialen Defiziten musste er ihr zugestehen, dass sie eine begnadete Wissenschaftlerin war.

Adriana spielte mit sechsundzwanzig Jahren schon jetzt in einer anderen Liga als er, obwohl er elf Jahre älter war. Sie würde es an die Spitze schaffen und bahnbrechende Neuentwicklungen präsentieren, daran zweifelte er nicht. Sie war brillant. Ein glücklicher, zufriedener Mensch war sie allerdings nicht.

***

Wie jeden Morgen lief Adriana ihre zwanzig Kilometer zügig durch. Als sie zum Parkplatz zurückkam, hatte sie fast schon vergessen, dass Prof. Dr. Mayer mit ihr gestartet war. Erst als sie schon losgefahren war, fiel er ihr ein. Sie kehrte sofort um und prüfte, ob sein Wagen vielleicht noch auf dem Parkplatz stand. Das tat er nicht.

Hatte er sich über sie geärgert und war deshalb einfach gefahren, ohne zu warten, wie sie es verabredet hatten? Einerseits war sie froh, dass er nicht mehr da war, aber es kam ihr auch irgendwie seltsam vor. Was hatte er wohl von ihr erwartet? Hätte sie sich seinem Tempo anpassen sollen?

Der Professor hatte behauptet, ein erfahrener Jogger zu sein und nach jemandem zu suchen, mit dem er hin und wieder eine Runde drehen konnte. Sie hatte seiner Aussage vertraut. Ansonsten hätte sie ein gemeinsames Joggen abgelehnt.

Aber da lag wohl eine gewaltige Fehleinschätzung seinerseits vor. Er war untrainiert und hatte vom Joggen offensichtlich keine Ahnung, ansonsten wäre er von Anfang an in seinem eigenen Tempo gerannt, ohne auf Biegen und Brechen zu versuchen, mit ihr mitzuhalten.

Joggen war kein Mannschaftssport. Adriana war schon einige Marathons gelaufen und trainierte gerade für den großen Berlin-Marathon. Man kämpfte bei dieser Sportart nie gegen die anderen, sondern immer gegen sich selbst. Man rang sich sein Bestes ab, und darauf kam es an. Man verlor oder man gewann gegen sich selbst. Das war der Grund, warum sie diese Sportart so mochte.

Adriana lauschte in sich hinein. War es schlimm, wenn sie nun auch noch ihren Chef gegen sich aufgebracht hatte? Wilfried Mayer war freundlich und nett. Sie hatte nichts gegen ihn und wollte ihn nicht wie all die anderen vor den Kopf stoßen, und doch hatte sie genau das getan. Es passierte ihr immerzu. Warum war es nur derart kompliziert geworden, mit ihrer Umwelt zurechtzukommen? Dunkel konnte sie sich daran erinnern, dass es einmal anders gewesen war, aber das lag eine gefühlte Ewigkeit zurück und war kaum noch wahr.

Die Menschen schienen ihr alle besessen von dem Irrglauben, Zeit zu haben. Sie hielten sich mit Belanglosigkeiten auf, machten ein großes Brimborium um Nebensächlichkeiten und lebten ihr Leben, als ob es ewig währte. Adriana war sich ihrer Sterblichkeit immerzu bewusst. Zeit war kostbar. Sie jagte dahin, und wenn sie vorbei war, dann blieb nichts als Bedauern. Man verlor, was man auch tat, aber alles was man tun konnte, war zu versuchen, Schritt zu halten – irgendwie.

Nein, sie hatte keine Zeit, um mit Prof. Dr. Mayer in Zeitlupe an der Isar entlangzuschleichen. Sie hatte keine Zeit für all dieses umständliche gemeinsame Kaffeetrinken oder zur Mensa gehen mit den anderen, um ein wenig zu plaudern und so zu tun, als ob man sich mochte, obwohl man sich im Grunde kaum kannte und sich gleichgültig war.

Offensichtlich erwartete der Professor genau das von ihr – belanglose Konversation und Nettigkeiten. Sie hatte keine Zeit dafür! Keiner hatte diese Zeit, nur dass die meisten es nicht zu wissen schienen oder es nicht wissen wollten. Sie vertaten ihr Leben und waren überrascht und geradezu beleidigt, wenn sie krank wurden und starben, und doch strebte jedes Leben genau darauf zu: Krankheit und Tod.

Manchmal hatte Adriana das Gefühl, von Kindern umgeben zu sein, die keine Ahnung hatten. War sie auch einmal so ein ahnungsloses Kind gewesen? Hinter ihr hupte es. Die Ampel hatte unbemerkt von ihr auf Grün umgeschaltet.

Der Autofahrer hinter ihr gestikulierte wild und schimpfte cholerisch vor sich hin, was sie an den Mundbewegungen im Rückspiegel erkannte. Er hatte es eilig. Sicher musste er zur Arbeit, hatte einen genauen Zeitplan und keine Zeit zu verschenken. Sie verstand ihn gut, war wie er und drückte beschämt das Gaspedal durch. Es war das schlimmste Verbrechen, jemandem Zeit zu stehlen.