Drachenmärchen 2 - Erik Schreiber - E-Book

Drachenmärchen 2 E-Book

Erik Schreiber

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Beschreibung

Drachenmärchen sind von einer wechselhaften Geschichte. Je nachdem welche Drache und welcher Kulturkreis sind sie von unterschiedlicher Mystik des Landes mit den uralten Mythen geprägt. In diesem Band sind Drachengeschichten, Märchen und Sagen, in bester Märchentradition versammelt: Ob aus China, Europa oder anderen Kontinente, die versammelten Sagen bieten eine abwechslungsreiche Lektüre. Absichtlich wurden auch fast identische Erzählungen zusammengestellt.

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Seitenzahl: 183

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Herausgeber

Erik Schreiber

Märchen Sagen und Legenden

Drachenmärchen 2

Saphir im Stahl

Märchen Sagen und Legenden 15

e-book 179

Drachenmärchen 2

Erscheinungstermin 01.09.2023

© Saphir im Stahl Verlag

Erik Schreiber

An der Laut 14

64404 Bickenbach

www.saphir-im-stahl.de

Titelbild: Simon Faulhaber

Lektorat Peter Heller

Vertrieb neobook

Herausgeber

Erik Schreiber

Märchen Sagen und Legenden

Drachenmärchen 2

Saphir im Stahl

Inhaltsverzeichnis

Der Drache Märchen aus Griechenland

Die Ritter vom Fisch Märchen aus Spanien

Geschwind wie der Wind, pack an Eisenfest Märchen aus Italien, Bozen

Die Jagd des Lebens Sage aus Deutschland, Bechstein

Die zwei Brüder Sage aus Deutschland, Grimm

Dat Erdmänneken Sage aus Deutschland, Grimm

Der Teufel und seine Großmutter Sage aus Deutschland, Grimm

Die Drachenfedern Sage aus Österreich, Zillertal

Die Schleifersöhne Sage aus Österreich, Tirol

Der Schmiedlerner Sage aus Österreich, Tirol

Der Hirt und die Zwerge Sage aus Österreich

Die drei weißen Tauben Sage aus Österreich

Der Lindwurm zu Brünn Sage aus Deutschland, Sudetenland

Der Drache Sage aus Deutschland, Sorben

Die Schwanenfrau Märchen aus Rumänien, Siebenbürgen

Die Königstochter in der Flammenburg Märchen aus Rumänien, Siebenbürgen

Der Drache in der Alpe Macun Sage aus der Schweiz, Graubünden

Der Drache im Alpiglia-See Sage aus der Schweiz, Graubünden

Der Drachentöter Sage aus der Schweiz, Oberland

Vom Schafhirten und dem Drachen Märchen aus Slawien

Vom Drachen Märchen aus der Ukraine

Der Drache

Es war einmal und zu einer gewissen Zeit ein König, der ging eines Tages auf die Jagd. Als er so seines Wegs hinzog, gewahrte er von weitem einen Hirsch. Dem setzte er nach und lief so immer weiter und weiter. Da sprang der Hirsch in einen Wald. Auch der König sprang hinein, und indem er bald dahin bald dorthin eilte, kam er endlich in einen Garten. Hier im Garten verlor er den Hirsch aus den Augen, und nun wusste er selbst auch nicht, wo er den Ausgang finden sollte. Da er niemanden im Garten bemerkte, so öffnete er eine Tür, welche er vor sich sah, und trat durch sie in einen andern Garten ein, dessen Bäume waren von Gold und seine Kräuter von Diamanten. Da war auch eine Rose, und es kam ihm die Lust, sie abzuschneiden. Aber als er sie schnitt, sprang ein langer Faden heraus und wickelte sich so fest um den König, dass er sich nicht mehr bewegen konnte. Nun wusste der Unglückliche gar nicht, was er tun sollte, und fing an kläglich zu weinen. Da vernahm er auf einmal ein Getöse, davon die Erde zitterte, und plötzlich kam aus dichtem Gestrüpp ein gewaltiger Drache hervor. Der näherte sich dem König, beroch ihn und sprach zu ihm: „Du riechst nach königlichem Blut, und ich will dich nicht fressen, aber ich sage dir, dass du mir in einem Monat eine von deinen Töchtern bringen musst, die will ich mir zum Weibe nehmen.“ Der arme König versprach das, und nachdem ihn der Drache von dem Faden befreit, ihm einen Weg gezeigt und nochmals ihn erinnert hatte, dass er seine Tochter nicht vergessen möge, ging er zitternd hinweg. Nach langer Wanderung kam er auf seinem Schlosse an und begrüßte seine Kinder, - er hatte nämlich drei Töchter und einen Sohn -, sagte aber weiter nichts zu ihnen, denn er war sehr traurig. Allein es rückte die Zeit heran, zu welcher er die Tochter dem Drachen bringen musste, und da ward er noch viel trauriger. Da sprachen seine Kinder zu ihm: „Warum, lieber Vater, bist du so niedergeschlagen?“ Er weigerte sich anfangs, es ihnen zu gestehen, aber nachher erzählte er ihnen die Sache. Die eine von seinen Töchtern nun wollte unter keiner Bedingung zum Drachen gehen. Und mit der zweiten war es ebenso. Die dritte dagegen sagte: „Für dich, lieber Vater, geb ich selbst meinen Kopf dahin.“ Als nun die Zeit gekommen war, machte sich der König mit dieser auf den Weg zum Drachen. Sobald sie dort angelangt waren, kam der Drache, in Gewänder von Gold, Málama und Silber gekleidet, mit seinem ganzen Gefolge auf sie zu, nahm das Mädchen in seinen Arm und führte es in einen stattlichen Palast. Der war auf folgende Weise eingerichtet. Jedes Zimmer war mit goldenen Tapeten und mit herrlichem Hausgerät aus Gold, Silber und Brillanten versehen. Und das Schlafgemach war so prächtig, dass es in der Nacht von selber leuchtete; auch das Bett war von größter Pracht, aber ganz mit Glocken behangen. Man hörte aber in diesem Schlosse immer ein dumpfes, von fern herkommendes, Stöhnen. Es fand nun die Hochzeit statt, und der König zog darauf wieder heim, nachdem ihm der Drache vier Rosse mit Gold und acht mit Brillanten beladen und ihn gebeten hatte, recht oft zu kommen und seine Tochter zu besuchen. Der Drache nun verließ jeden Tag sein Schloss und übergab deshalb sämtliche Schlüssel seiner Frau; dabei sagte er ihr, dass sie im ganzen Hause umhergehen dürfe, ein einziges Zimmer ausgenommen, das am Ende des Schlosses lag. Es verging lange Zeit, ohne dass die Königstochter jemals sich unterfangen hätte, das verbotene Zimmer zu öffnen. Eines Tages aber, da der Drache fortgegangen war, um drei Monate auszubleiben, trieb sie die Neugier, - denn sie hörte ein Stöhnen von dort herausdringen - das Zimmer zu öffnen, und sie trat ein. Da sah sie einen tiefen Abgrund vor sich und auf seinem Grunde einen Jüngling, der wehklagte und jammerte. Kaum hatte sie ihn erblickt, als sie den Beschluss fasste, ihn zu erretten. Sie fand ein langes Seil und warf das eine Ende dem Jüngling hinunter. Der band sich daran fest, und die Königstochter zog ihn herauf. Als sie ihn heraufgezogen hatte, was sah sie da? Einen Prinzen, der vom Drachen verwundet und in den Abgrund geworfen worden war. Die Königstochter ging nun sogleich daran, seine Wunde zu heilen, und sie heilte sie so gut, dass er in drei Wochen wieder hergestellt war. Da sprach sie zu ihm:

„Geh jetzt fort von hier und tue, was ich dir sagen werde, um auch mich retten zu können. Lass einen goldnen Schrank machen, der sich von innen öffnet, bring ihn hierher und biet ihn feil. Ich werde ihn kaufen und hineinsteigen, und so wird der Drache glauben, er habe mich verloren, und in seinem Zorn darüber den Schrank, ohne zu ahnen, dass ich darin stecke, samt allem anderen, was ich angeschafft habe, verkaufen, um die Sachen nicht mehr vor Augen zu haben und an mich erinnert zu werden. Du aber, der du jetzt in deine Heimat zurückkehrst, erlaube deiner Mutter nicht dich zu küssen, denn so sie dich küsst, wirst du mich vergessen.“

Der Jüngling schied betrübt von ihr und gelangte in seiner Heimat an. Am ersten Tage ließ er durchaus nicht zu, dass seine Mutter ihn küsste, auch ging er gleich hin und bestellte den goldnen Schrank. Allein in der Nacht, während er schlief, schlich sich seine Mutter ganz leise in sein Zimmer und gab ihm einen Kuss. Am andern Morgen hatte der Prinz alles vergessen. Einige Tage darauf brachte ihm der Goldschmied den Schrank, er aber jagte ihn mit Gewalt aus dem Hause, indem er rief, das seien Lügen, er habe keinen Schrank bei ihm bestellt. Der Goldschmied, der ganz in Verzweiflung war, nahm den Schrank und machte sich, von vielen Leuten begleitet, auf den Weg, um ihn an einem andern Orte zu verkaufen. Wohin, wohin sollte er aber gehen? Der Zufall führte ihn an den Ort, wo der Drache wohnte. Und hier traf die Königstochter mit den Leuten zusammen und kaufte den Schrank. Zugleich befahl sie ihnen, in zwei Monaten an demselben Tage wiederzukommen, den Schrank zurückzukaufen, ihn in den Ort des Prinzen zu bringen, den sie gerettet hatte, und an diesen um jeden, auch den geringsten Preis zu verkaufen; sie werde ihnen das schon vergelten. Nachdem sie hierauf die Leute mit Gold und Silber reichlich beschenkt hatte, gingen diese fort. Als nun die Zeit heranrückte, da der Drache nach Hause zurückkehren musste, da schloss sich die Prinzessin, nachdem sie sich mit einigen Lebensmitteln versehen hatte, in den Schrank ein. Der Drache kam, stieg die Treppe hinauf und trat in sein Schloss ein, bemerkte aber nirgends seine Frau. Da sah er eilig zu, ob der Prinz noch in dem Abgrunde sich befände, und als er sich überzeugt hatte, dass er nicht mehr darin war, da lief er und durchsuchte das ganze Haus. Da er nun seine Gemahlin nirgends fand, so rief er seine Diener herbei und befahl ihnen, alle Sachen seiner Frau zu nehmen und sie so schnell als möglich loszuschlagen. Die Diener nahmen die Sachen, und als sie in der Nähe des Schlosses die Kaufleute gewahrten, welche die Königstochter dahin bestellt hatte, verkauften sie sie an diese. Die nahmen nun den Schrank und trugen ihn, nachdem sie die andern Sachen weggeworfen, zu dem Königssohne. Der hatte keine Lust ihn zu kaufen, aber sie peinigten ihn so sehr, dass er ihn doch für einen sehr geringen Preis nahm. Er stellte ihn in sein Zimmer. Da nun der Prinz außerhalb des Hauses Unterricht hatte, so pflegte ihm seine Mutter eine Schüssel mit Essen auf sein Zimmer zu stellen. Da trat die Prinzessin in seiner Abwesenheit ganz leise aus dem Schrank heraus und verzehrte das Gericht. Und so blieb der Königssohn nüchtern. Den ersten und zweiten Tag ertrug er das, am dritten aber erzählte er die Sache seiner Mutter. Wie nun die Mutter hörte, dass ihr Sohn ohne Speise geblieben war, sprach sie zu ihm: „Bleib einen Tag zu Hause, mein Kind, um zu erfahren, wer dir dein Essen verzehrt.“ Er blieb also zu Hause und versteckte sich in seinem Zimmer, und da sah er, wie das Mädchen aus dem Schrank herauskam und sein Essen verzehrte. Da eilte er aus seinem Versteck hervor und fasste das Mädchen, und in dem Augenblick, da er ihm ins Antlitz blickte, erinnerte er sich seiner auf einmal wieder und fiel ihm zu Füssen und bat es um Verzeihung, dass er es vergessen hätte. Darauf ersuchte er seine Mutter, ihm täglich eine doppelte Portion von der Suppe und den andern Gerichten zu schicken. Die Mutter tat das, und so verging eine lange Zeit. Da musste der Prinz in ein anderes Land in den Krieg ziehen. Ehe er fortging, sagte er zu seiner Mutter, sie möchte fortfahren, eine Schüssel mit Essen in sein Zimmer zu stellen, und sich hüten, den Schrank von seiner Stelle zu rücken. Hierauf zog er betrübten Herzens fort.

Lassen wir jetzt den Königssohn und kommen wir auf seine Tante! Die hatte eine Tochter, die sie mit dem Prinzen zu verheiraten wünschte. Sie hatte aber bemerkt, dass er seit der Zeit, da er den Schrank bekommen, sie nicht mehr besuchte und auch um ihre Tochter sich nicht mehr kümmerte. Darum argwöhnte sie, dass irgendetwas in dem Schrank stecken müsse. Sie veranstaltete also ein Gastmahl und bat des Prinzen Mutter, ihr den Schrank für diesen Tag zu leihen. Die Mutter des Prinzen gewährte ihre Bitte, da sie eng mit ihr befreundet war. Aber kaum hatte die Tante den Schrank erhalten, als sie den Befehl erteilte, ihn ins Feuer zu werfen. Als das Mädchen im Schranke das hörte, öffnete sie ihn eilig, verwandelte sich auf einmal in einen Vogel und flog davon. Da nun die Tante sah, dass das Mädchen fort war, gab sie den Schrank der Mutter des Prinzen zurück, und die stellte ihn wieder an seine frühere Stelle. Als der Königssohn zurückkehrte und den Schrank offen sah, fragte er seine Mutter darüber: die antwortete ihm ängstlich, sie habe den Schrank nirgendhin gegeben. Nun verfiel der Prinz in große Schwermut, und jeden Morgen saß er an seinem Fenster und weinte. Da vernahm er eines Tages ein großes Geräusch, sein Zimmer erglänzte, und er sah einen Vogel hereinfliegen, der sich auf einmal in das Mädchen verwandelte, das im Schranke gewesen war. Des Prinzen Freude hierüber war groß. Er fragte nach diesem und nach jenem, und sie erzählte ihm das Geschehene. Da rief er sofort den Priester und den Brautführer herbei und ließ sich heimlich mit dem Mädchen trauen. Hierauf sagte er zu seiner Tante, er werde ihre Tochter heiraten, und die Hochzeit solle in wenigen Tagen stattfinden. Es kam der Hochzeitstag heran, und am Abend saß die Braut, der Trauung gewärtig, neben ihrem Bräutigam. Aber auch des Prinzen Frau war anwesend. Als nun der Priester den Bräutigam aufforderte, seine Braut vor ihn zu führen, erhob er sich, aber anstatt die Tochter seiner Tante zu nehmen, führte er seine Gemahlin herbei, stellte sie allen als sein Weib vor, erzählte auch die übrige Geschichte und erklärte seiner Tante - denn auch sie war eine Königin - den Krieg. Er besiegte sie und schnitt ihr und den ihrigen die Köpfe ab. Sein Weib aber, die Königstochter, erhielt nach ihres Vaters Tode auch noch dessen Thron, da ihre Geschwister alle gestorben waren, und so lebten sie glücklich miteinander, wir aber hier noch glücklicher.

Die Ritter vom Fisch

Es war einmal ein Land, in welchem man so viele Eisenbahnen, Luftballons, Kanäle und Dampfschiffe baute, dass die Leute das Zu-Fuß-Gehen ganz verlernten und darum auch alle Schuhmacher und Schuhflicker zu Grunde gingen. Mit dem Gleichgewicht der bürgerlichen Gesellschaft ist es wie mit dem der Erde: wenn das Meer auf der einen Seite mit seinem Rachen ein Stück Land verschlingt, so wirft es auf der andern wieder ein Stück aus - was es aber ausspeit, ist jedes Mal von ihm so ausgesogen und ausgedörrt, wie die Wüste. Was das Meer tut, hatte in besagtem Lande die Zivilisation getan, als sie sich aller Kommunikationsmittel bemächtigt hatte; dürr und elend saßen die armen Schuster da, ihrem Schicksale überlassen.

Eins dieser Opfer warf in seinem Unmut mit seinem Leisten nach dem ersten Eisenbahnzuge, der ihm entgegenkam, mit seiner Ahle nach dem aufgeblähtesten Dampfschiff, mit seiner Schürze nach dem aufgeblasensten Ballon, kaufte ein kleines Boot und Netz und wollte Fischer werden. So oft nun ein Dampfer in der Nähe seines Bootes hinfuhr, rief er mit lauter Stimme hinüber: „In seinem kleinen Kahn trotzt ein Schuhflicker den Dampfschiffen, wie der Fels den Meereswogen. Bilde Dir nicht in Deinem Stolze ein, dass ich mich Dir je unterwerfe!

Nein, immer soll mein Bötelein Mein einzger Locomotor sein.“

So sang unser Fischer; was aber die Fische betrifft, so fing er damit keinen Einzigen. Seine Bassstimme und das Geräusch der Dampfschiffe trieben sie alle weg. Es gab für ihn auf dem Meere grade so wenig Fische, wie auf dem Land zerrissene Schuhe. Da verzweifelte er denn endlich und nahm sich vor, sich ins Meer zu werfen, indem er meinte: „Esse ich keine Fische, so sollen die Fische mich essen, se va lo uno por lo otro - so oder anders, gleichviel.“

Aber das Meer sah grade so grimmig aus, so schwarzgrau, so wild und unbändig, dass unser Schuster eine bessere Gelegenheit für seinen Plan abwarten wollte. Indes warf er auch sein Netz wieder aus, und siehe da, auf einmal fühlte er es ganz schwer. Aha, dachte er, es war doch gescheut, meinen Kopfsprung etwas aufzuschieben. Er zog das Netz und fand einen Petersfisch darin. Die Petersfische sind aber ganz außerordentlich feine Fische mit zwei runden schwarzen Flecken, die von der Legende als durch die Finger des heiligen Petrus eingedrückt angesehen werden. Mag sich in diesem Glauben, der ja freilich kein Dogma ist, auch weder ein frommes Gefühl noch ein schöner poetischer Gedanke aussprechen, wie in andern Inspirationen des Volksglaubens, so beweist er doch, dass das spanische Volk, das von den englischen Propagandisten stets als höchst unwissend in religiösen Dingen geschildert wird, ganz in den Gedanken und Geschichten des Evangeliums lebt und Herrn John Bull in vielen Dingen wohl belehren könnte.

Wir kehren zu unserer Erzählung zurück. Sobald der Schuster den schönen Fisch in Händen hatte, sprach der Fisch, der, wie es scheint, nicht so stumm wie seine Brüder war, zu ihm:

„Trage mich nach Deinem Hause; schneide mich in acht Stücke; bereite mich mit Salz und Pfeffer, Zimt und Nägelein, Krausemünze und Lorbeerblättern. Zwei Stücke gib Deiner Frau zu essen, zwei Deiner Mutterstute, zwei Deiner Hündin und die beiden übrigen pflanze in Deinen Garten.“ Der Schuhflicker tat buchstäblich alles, was ihm der Fisch sagte, so groß war sein Vertrauen zu den Worten desselben. Dies bestätigt wieder eine ganz gegen die Ansicht der Parlamentsmänner laufende Tatsache, dass nämlich die, welche wenig sprechen, mehr Zutrauen einflößen als die Vielsprecher.

Nach neun Monaten gebar des Schusters Frau zwei Knaben, seine Stute warf zwei Füllen, seine Hündin zwei Hündchen und im Garten gingen zwei Lanzen auf, die als Blüten zwei Wappenschilde trugen, welche einen Silberfisch in blauem Felde hielten. Alles dies wuchs friedlich und gedeihlich miteinander auf, so dass später aus des Schusters Haus zwei schöne stattliche Ritter auf prächtigen, wunderschön gesattelten Rossen, mit zwei aufgerichteten Lanzen und zwei glänzenden Schilden, von zwei tüchtigen Windhunden begleitet, herausritten.

Die Brüder, sich gegenseitig so ähnlich, dass man sie beide den Doppelritter nannte, wollten, wie es auch ganz recht war, ihre Persönlichkeit nicht verlieren und beschlossen darum, sich zu trennen und einzeln die Welt zu durchziehen. Sie umarmten sich zärtlich und gingen der Eine gen Osten, der Andere gen Westen.

Nach einigen Reisetagen kam der Erste nach Madrid und fand die königliche Stadt, wie sie das Salzwasser ihrer Tränen in die reinen und süßen Wellen ihres geliebten Manzanares mischte. Alle Welt weinte, selbst die Maria blanca vom Sonnenthor. Unser schöner Ritter fragte nach der Ursache dieser allgemeinen Trostlosigkeit und erfuhr, dass ein fürchterlicher Drache, der Sohn einer höllischen Alten, jährlich ein junges Mädchen erhalte, um sich während der übrigen Zeit ruhig zu halten, und dass das Los diesmal auf die Königstochter gefallen, die eine so schöne und herzensgute Prinzessin, wie keine andere, sei. Der Ritter fragte weiter, wo sich die Prinzessin befinde, und man sagte ihm, sie erwarte eine Viertelmeile von der Stadt den Drachen, der jedes Mal um zwölf Uhr komme, seine Beute mitzunehmen. Der Ritter eilte schnell nach dem bezeichneten Ort und fand die Prinzessin vom Kopf bis zu den Füßen zitternd und ganz in Tränen zerflossen.

„Flieht“, rief sie dem nahenden Ritter zu, „flieht, Unbesonnener! Der Drache kommt sogleich und dann seid Ihr verloren.“

„Ich werde nicht weichen“, antwortete der Ritter; „sondern komme, Euch zu retten.“

„Mich retten? Das ist unmöglich.“

„Wir wollen sehen“, entgegnete der tapfere Ritter, „gibt es hier Deutsche?“

„Ja“, antwortete verwundert die Prinzessin.

„Ihr werdet es schon erfahren“, sagte der Ritter und sprengte blitzschnell zur trostlosen Stadt zurück. Nach wenigen Minuten kam er mit einem großen Spiegel zurück, den er in einem deutschen Laden gekauft hatte. Er stellte ihn gegen einen Baum, bedeckte ihn mit dem Schleier der Prinzessin, stellte diese vor den Spiegel und sagte ihr, sobald der Drache nahe sei, solle sie schnell den Schleier zurückziehen und sich hinter den Baum verstecken. Darauf entfernte er sich etwas und verbarg sich.

Es dauerte nicht lange, so erschien der Drache und kam langsam auf die Prinzessin zu, sie keck und unverschämt ansehend, so dass ihm nur das Lorgnon fehlte, um andern kleineren und weniger gefährlichen Drachen zu gleichen. Als er nun endlich ganz nahe war, zog die Prinzessin schnell den Schleier vom Spiegel und versteckte sich hinter den Baum. Der Drache war ganz verblüfft, als er seine verliebten Augen auf sein grässliches Ebenbild gerichtet sah. Er verzerrte sein Gesicht - sein vis-à-vis tat dasselbe; seine Augen wurden wie zwei feurige Kohlen - die seines Gegenmannes blieben nicht zurück; im Zorn sträubte er seine Schuppen wie ein Igel in die Höhe - und ganz eben so hoch stiegen die des andern Drachen; er öffnete seinen fürchterlichen Rachen, der nicht seines Gleichen gehabt haben würde, hätte nicht sein Gegner, ohne sich schrecken zu lassen, den seinen eben so weit aufgetan. Ungestüm stürzte er nun auf seinen unerschrockenen Gegner los und stieß sich dabei so heftig gegen das Spiegelglas, dass er ganz betäubt wurde. Überdies sah er nun in allen den kleinen Stücken des entzweigestoßenen Spiegels Teile seines Körpers und glaubte nicht anders, als dass er sich selbst in lauter Stücke zerstoßen habe. Der Ritter benutzte diesen Augenblick, fiel mit seiner guten Lanze und seinem treuen Hund über den Drachen her und tötete ihn.

Man kann sich die Freude und den Jubel der Madrileños, die lustige Leute sind, denken, als sie den Ritter vom Fisch ankommen sahen. Derselbe hatte die Prinzessin so froh wie ein Osterfest neben sich auf dem Pferde und schleifte den toten Drachen, den er an den Schweif des Pferdes gebunden, wie eine Schleppe hinter sich her.

Man wird sich auch wohl denken, dass man die hohe Tat des edlen Ritters mit nichts Anderem belohnen konnte, als mit der weißen Hand der Prinzessin, und dass es eine Hochzeit mit Gastmählern, Stiergefechten und Ritterspielen gab, und dass ich auch dabei war, ohne übrigens von den Herrlichkeiten etwas zu bekommen.

Einige Tage nach der Hochzeit sagte nun der Ritter zu seiner Frau, er möchte auch gern einmal den ganzen Palast sehen, der so groß war, dass er eine Meile Landes bedeckte. Die Prinzessin willigte ein und sie machten sich auf den Weg. Endlich nach drei Tagen war die Wanderung durch alle Gemächer beendet und am Vierten stiegen sie auf die Terrasse. Wie erstaunt war der Ritter über die herrliche Aussicht! Da sah man ganz Spanien und Mohrenland und selbst den Kaiser von Marokko, der den Tod seines Freundes, des bösen Drachens, bitterlich beweinte.

„Was für ein Schloss ist das dort in der Ferne, das so einsam und düster aussieht?“, fragte der Ritter.

„Es heißt“, erwiderte die Prinzessin, „Schloss „Schrecklich“ und ist verzaubert, ohne dass jemand den Zauber lösen kann. Wer hineingeht, kommt nicht wieder heraus.“

Der Ritter schwieg. Da er aber mutig war und Abenteuer liebte, so stieg er des andern Morgens, ohne jemand etwas davon zu sagen, auf sein Pferd, nahm Degen, Lanze und Hund mit und machte sich auf den Weg nach jenem Schlosse.