Drei Räder im Zweitakt - Karl-Heinz Brinkmann - E-Book

Drei Räder im Zweitakt E-Book

Karl-Heinz Brinkmann

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Beschreibung

Stellen Sie sich vor, da ist jemand, nennen wir ihn Günni, ein zur Ruhe gesetzter Postbeamter und Freizeitreporter, der von der großen Story träumt. Eines Tages kommt Günni auf die Idee, eine Roadstory über sein eigenes Abenteuer zu schreiben. Nur eine Frage steht im Raum: Womit soll er auf Reisen gehen? Die zündende Idee kam per Zufall. Eine APE soll die Hauptrolle in seiner Geschichte spielen. Und dann trifft er auf Bobo, einen Aussteiger mit dunkler Vergangenheit, der mit eben genauso einem italienischen Dreirad durch Europa tingelt. Die beiden Männer freunden sich an. Bobo hat nicht mehr lange zu leben und er will unbedingt das Münchener Oktoberfest sehen. Gemeinsam gehen die Männer mit ihren Maschinen auf Tour, die von Liebe und Leid geprägt sein wird. Zwei Männerträume gehen in Erfüllung. Kurz vor ihrem Ziel geraten sie unter Mordverdacht. Bobos Traum vom Münchener Oktoberfest droht zu platzen.

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Seitenzahl: 270

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Wie alles begann
Die Idee
APE-Heinz
Die Suche nach dem passenden Reisegefährt
1. bis 3. August
4. und 5. August
6. August
7. bis 9. August
10. August
11. August
12. August
13. August
14. August
15. August
16. August
17. August
18. August
19. August
20. August
21. bis 26. August
27. August
28. August
29. August
30. August
31. August
1. September
6. September
7. September
8. September
9. September
10. September
11. September
12. September
13. September
14. September
15. September
16. September
17. September

Drei Räder im Zweitakt

Von 'Der Oestinger'

Buchbeschreibung:

Stellen Sie sich vor, da ist jemand, nennen wir ihn Günni, ein zur Ruhe gesetzter Postbeamter und Freizeitreporter, der von der großen Story träumt. Eines Tages kommt Günni auf die Idee, eine Roadstory über sein eigenes Abenteuer zu schreiben. Nur eine Frage steht im Raum: Womit soll er auf Reisen gehen? Die zündende Idee kam per Zufall. Eine APE soll die Hauptrolle in seiner Geschichte spielen. Und dann trifft er auf Bobo, einen Aussteiger mit dunkler Vergangenheit, der mit eben genauso einem italienischen Dreirad durch Europa tingelt. Die beiden Männer freunden sich an. Bobo hat nicht mehr lange zu leben und er will unbedingt das Münchener Oktoberfest sehen. Gemeinsam gehen die Männer mit ihren Maschinen auf Tour, die von Liebe und Leid geprägt sein wird. Zwei Männerträume gehen in Erfüllung. Kurz vor ihrem Ziel geraten sie unter Mordverdacht. Bobos Traum vom Münchener Oktoberfest droht zu platzen.

Über den Autor:

‘Der Oestinger’ Karl-Heinz Brinkmann, langjähriger und begeisterter APE-Fahrer, legt als Selfpublisher mit »Drei Räder im Zweitakt« seinen ersten Roman vor. Hierin hat der 1964er Nordkehdinger Jung seine Erlebnisse mit dem italienischen Kultfahrzeug fantasievoll für das Kopfkino aufbereitet. Inspiriert wurde er von seinen Reisen und Touren, unter anderem mit einer APE 50. Gerade die Touren mit der APE und die positive Resonanz der Menschen waren es, die jede Tour zu einem unvergesslichen Erlebnis werden ließ.

Mit »Drei Räder im Zweitakt« hat sich der leidenschaftliche Fotograf, Videoblogger und Familienvater von vier Kindern den Traum vom eigenen Buch erfüllt.

© 2022 Alle Rechte vorbehalten.

Der Oestinger

Karl-Heinz Brinkmann

c/o IP-Management #47918

Ludwig-Erhard-Str. 18

20459 Hamburg

[email protected]

www.der-oestinger.de

Drei Räder im Zweitakt

Die Geschichte eines ungewöhnlichen Roadtrips

Von 'Der Oestinger'

[email protected]

www.der-oestinger.de

Wie alles begann

»Hey Günni! Was los? Hast du jetzt ein Rad ab?« Seit wenigen Minuten steht sie in der Einfahrt, die fabrikneue APE 50 und mein Nachbar, der Rüdiger, tanzt wie Rumpelstilzchen um meine neue Errungenschaft herum.

Aber erst einmal der Reihe nach: Hier in meinem Wohnort, der Elbinsel Krautsand, von wo aus man die Nordsee schon riechen kann, nennen mich alle nur Günni. Mein Haus, oder anders ausgedrückt, unser Anwesen, dessen eine Hälfte wiederum meiner besseren Hälfte gehört, steht auf einer sogenannten Warft oder auch Wurt genannt. Das sind Erhöhungen, um das Gebäude vor Hochwasser zu schützen, was gelegentlich vorkommt. Das letzte Mal, es war 1976, schwappte das Wasser bis fast in den ersten Stock. Ich muss dazu sagen, dass das Kellergeschoss nicht in der Erde, sondern auf der Wurt gebaut wurde. Das heißt, der Weg in die erste Etage führt durch ein Treppenhaus, das im Keller seinen Anfang nimmt. Die meisten Häuser stehen auf solchen »Maulwurfshügel«, wie ich sie mit einem Augenzwinkern nenne. Zur Südseite ausgerichtet haben wir einen großen Balkon mit Blick auf die unverbaubare Unendlichkeit der norddeutschen Tiefebene. Bei ungünstigem Wind weht gelegentlich würzige Landluft herüber. Aber hey! Das ist Landleben pur.

Vom Dachgeschoss aus kann ich über den Elbdeich direkt auf das Wasser sehen, wenn die dicken Pötte Richtung Hamburg unterwegs sind, oder von dort kommen. Sie werden immer riesiger und die Elbe immer tiefer. Aber das ist eine andere Geschichte. Gelegentlich kommt ein Kreuzfahrer vorbei, meist nachts. Ist schon schön, wenn diese Riesen voll beleuchtet majestätisch dahingleiten. Ich könnte schon wieder …

Bei klarer Sicht kann ich über die rund drei Kilometer breite Elbe hinüber nach Schleswig-Holstein sehen. Beängstigend finde ich das Kernkraftwerk Brockdorf auf der anderen Seite. Irgendwie real, irgendwie aber auch nicht. Das liegt vermutlich daran, dass es allgegenwärtig ist, genauso wie der Atommeiler in Stade, der vor einigen Jahren vom Netz genommen wurde. Na ja, wir sind damit aufgewachsen. So richtig mulmig wurde mir, als am 26. April 1986 um 01:23 Uhr im Reaktor-Block 4 des Kernkraftwerks Tschernobyl die Katastrophe passierte. Ich war kurz davor, meine Koffer zu packen und dieses paradiesische Kleinod zu verlassen.

Ja, es ist hier in der Tat wie im Paradies: saftige Wiesen, blauer Himmel, klare Meeresluft und ein unendlicher Sandstrand. Jedenfalls war es das früher einmal, bevor der Massentourismus auch diesen Teil Deutschlands für sich entdeckte. Unser Elbstrand galt bis dahin als Geheimtipp. Fast weißer Sand, Kilometer lang. Geschickt fotografiert, könnte man unsere Halbinsel für ein karibisches Island verkaufen. Ehrlich!

Mittlerweile hat sich unser Insidertipp gemausert. Im Sommer ist es mächtig voll hier, fast wie auf Helgoland, wenn die Bäderschiffe dort auf Reede liegen. Ich gehe bis dato nur an den Strand, wenn die Touris den Rückzug in ihre Urlaubsunterkünfte angetreten haben. Dann gehört der Strand wieder uns, den Insulanern. Aber viele leben hier vom Tourismus und das ist gut für unsere Gemeindekasse.

Zurück zu mir: Ich bin ein stattlicher Mittfünfziger, sportlich mit leichtem Bauchansatz - was sich in meinem Alter kaum vermeiden lässt – meistens. Zumindest gefällt mir, was ich jeden Morgen im Spiegel sehe. Einige Mitbürger*innen (ich wollte auch mal gendern – grins) im Dorf – die vom sogenannten alten Schlag - stören sich an meinen etwas längeren Haaren, die meistens offen herumwehen, und dazu ein zugewachsenes Gesicht - geht gar nicht! Hinter vorgehaltener Hand dringen manchmal »Ökopenner«, »Hippie« oder »langhaariger Backsteinwerfer« an meine Ohren. Was für Spießer, Toleranz geht anders. Nur wenn sie einen positiven Bericht von ihrer Veranstaltung von mir haben wollen, kriechen sie mir in den Allerwertesten. Dorf halt.

Dabei wird der Bart, der langsam immer weißer wird, jeden Morgen picobello getrimmt und ich finde, dadurch wird mein äußeres Erscheinungsbild erst stimmig. Meiner Gattin gefällt es, »es strahlt Selbstbewusstsein und Individualität aus«, sagt sie »gepaart mit einem Hauch von Abenteuer«. Was sie denkt, sagt sie natürlich nicht, aber ich kann es oft an ihren wunderschönen smaragd-grünen Augen ablesen. Und ich stehe unheimlich auf Karohemden und Cordjacken. Meine ist hellbraun, vergleichbar mit nassem Sand. Oder so ähnlich. Mag vielleicht altbacken wirken, aber ich liebe dieses Teil. Sie wird Sommer wie Winter getragen.

Seit meiner frühesten Jugend klebt der Name Günni an mir, so wie ein ausgelutschter Kaugummi unter der Fußsohle. Mit elf Lenzen tauchte der Spitzname das erste Mal auf dem Sportplatz auf und hält sich seitdem hartnäckig. Er kommt vermutlich daher, weil ich damals schon mit wehender Mähne über den Platz fegte, wie einst Günter Netzer. Laut Geburtsurkunde heiße ich Wilhelm Adolf Krüger. Toll oder?

Hey Leute, ich bin ein Babyboomer, Jahrgang 1964, warum in aller Welt Wilhelm Adolf? Ich habe nie verstanden, warum mir ausgerechnet diese Namen übergestülpt wurden. Nur weil meine Großväter so hießen? Selbst als Zweit- oder Drittname wäre es nicht akzeptabel. In der Schule nannten sie mich anfangs Willi oder Archy, später Günni. Das war dann ok. Die Namengebung habe ich meinen Eltern nie verziehen. Mal ehrlich, ihre Vornamen waren auch nicht gerade der Hit: Mein Erzeuger hieß Erich Waldemar und Mutter Hiltrud Wilhelmine. Ich glaube, es war so eine Art Rachefeldzug oder Genugtuung von ihnen. Meinen Bruder ließen sie drei Jahre später einfallslos auf den Namen Utz taufen. Das hört sich an wie ein Geräusch. Utz. Dann doch lieber Wilhelm Adolf.

Bevor an dieser Stelle die Frage kommt, womit ich meine Brötchen verdiene, werde ich es Ihnen verraten. Ich ernähre meine Familie mit dem Zeilenhonorar als freiberuflicher Lokalreporter bei unserem Wochenanzeiger. Aber immer auf der Jagd nach DER Story, die mich vom Provinzblatt zu einer renommierten Redaktion katapultieren soll. Mit einer Festanstellung als Redakteur wäre ich schon zufrieden, ehrlich.

Ich möchte mir nur einmal die Rosinen herauspicken. Immer nur über Karnickelzüchter und dörfliche Veranstaltungen, die meist in einem Saufgelage enden oder ähnlich langweiliges Zeugs, zu schreiben ist nicht meine Erfüllung. Und als Jahreshöhepunkt durfte ich über die Generalprobe eines plattdeutschen Theaterstücks des örtlichen Heimatvereins berichten. Und wehe, mir rutschte dabei auch nur ansatzweise ein kritisierendes Wort zwischen die Zeilen.

Wenn das aus Versehen doch mal passierte (wofür ich in der Regel nichts konnte, weil das einfach so passiert ist), habe ich in unserer Gemeinde für mindestens vier Wochen einen schweren Stand. Ja, Sie merken schon, die Dorfbevölkerung kann hier mega nachtragend sein. Obwohl der Kehdinger an sich ein herzlicher und aufgeschlossener Mensch ist, so wie ich, packt er in solchen Momenten dieses Charakteristikum in irgendeine Schublade. Ich jedenfalls bin ein gebürtiger Kehdinger, nur kein Insulaner. Könnte es möglicherweise daran liegen? Ist man dann schon ein »Zugereister«? Ausgeschlossen ist es nicht. Wenn ich höre, was andere Neubürger zu erzählen haben, …

Reporter zu sein, war immer mein Traumjob. Er fiel mir quasi nach der Schulzeit in den oft zitierten Schoß. Onkel Erich war damals Chefredakteur dieses renommierten Blattes in der Kreisstadt Stade. Ab und zu durfte ich ihn in der Redaktion besuchen. Er gab mir ein paar Texte, die ich mit meinen Worten auflockern sollte. Ihm gefiel meine Art des Schreibens. Anfangs machte es Spaß und ich konnte mein Taschengeld damit sehr gut aufbessern. Meine Kumpels jobbten als Erntehelfer bei den hiesigen Obstbauern und hatten lange nicht so viel Kohle in der Tasche wie ich. Okay, zur Erntezeit hatten sie mehr, aber auf das Jahr gerechnet war ich weit vorn.

Was soll ich sagen, ich blieb der Redaktion bis heute als freier Mitarbeiter treu. Und ja, ich habe in einem richtigen Beruf gearbeitet, den ich bis vor zwei Jahren ausgeübt habe. Ich war hier der Überbringer guter und schlechter Nachrichten. Einige sagen Postbote dazu, was im Volksmund nicht falsch ist, aber ich bevorzuge dann doch lieber den Begriff Postzusteller. In meinem Fall sogar Inselzusteller. Dann wurde ich wegrationalisiert und kann mich seitdem ganz dem Journalismus widmen, auch wenn die Informationsbeschaffung um einiges schwieriger geworden ist. Mir fehlen die täglichen Insidergespräche. Darum fahre ich immer montags und freitags mit dem Fahrrad meine alte Tour ab. Beschaffung von Informationen. Man muss ja auf dem laufenden bleiben.

Die Idee

Eines Abends kam mir beim Fernsehen die geniale Idee, eine Road-Story zu schreiben, nachdem ich mir eine Reportage angesehen habe, in der eine Familie mit einem Camper die Seidenstraße bereiste. Sie haben es mit dieser Aktion bis ins Fernsehen geschafft. Ja gut, das war ein Privatsender, aber hey, ist doch egal! Das, was die gemacht haben, das kann ich auch! Und die Road-Story auf diversen Plattformen, als Video, Blog und Podcast, fett zu publizieren ist kein Hexenwerk. Davon verstehe ich was. Das würde meine Popularität bis ins Unermessliche steigern – erhoffte ich mir zu diesem Zeitpunkt jedenfalls.

Mit diesen Gedanken schlief ich ein.

Am nächsten Morgen, immer noch mit dieser fixen Idee im Kopf, überlegte ich, womit ich so eine Tour unternehmen könnte. Das Ziel der Reise war fürs Erste sekundär. Eine von den vier Himmelsrichtungen wird es schon werden und der Weg ist sowieso das Ziel. Ich recherchierte und musste ernüchternd feststellen, das sämtliche Abenteuertouren um den gesamten Globus schon mit allen möglichen Fahrzeugen praktiziert wurden. Vom Fahrrad bis zum Wohnmobil auf Lkw-Basis war alles dabei. Wirklich alles? Mir fiel keine Alternative ein - noch nicht.

Na ja, ich schwang mich in meine alte Karre, einen Opel Ascona C von 1988 in Polarweiß, aus dem letzten Produktionsjahr, und fuhr die rund 25 Kilometer bis zur Redaktion nach Stade. Der sportliche Viertürer mit seiner Zweiliter-Maschine hatte um die 350 000 Kilometer auf der Uhr und läuft noch heute wie ein Uhrwerk. Er ist mir ein treuer Begleiter, auch wenn sich nach all den Jahren hier und da die Beulenpest zeigt, um an einigen Stellen die Auflösung des Bleches anzukündigen. Ich liebe dieses Auto. Was hab ich alles mit ihm erlebt – oh man! Da wären ein paar klasse Geschichten dabei, wie zum Beispiel die erste Tour nach Südfrankreich. Ja, Frankreich. Ich bin unzählige Male dort gewesen. Traumhaft. Und immer mit dem alten Opel. Stimmt gar nicht, einmal war ich mit dem Motorrad dort. Wenn ich darüber nachdenke, bin ich gar nicht bis Frankreich gekommen. Es war im Schwarzwald, kurz vor der Grenze. Wir fuhren entspannt auf der rechten Spur und plötzlich bekam ich von links einen Stoß und flog ab. Ein verpeilter Autofahrer zog im letzten Moment von der linken Spur rüber, um die Ausfahrt zu erwischen, und schoss mich dabei ab. Hier hätte ein Blick über die rechte Schulter mit Sicherheit Schlimmeres verhindern können. Für mich war hier die Reise zu Ende. Und damit der Urlaub. Aber ich kann Ihnen sagen, die Krankenschwestern in Freiburg im Breisgau waren der Hit. Allerdings hätte ich einen Aufenthalt in der Schwarzwaldklinik bei Professor Brinkmann im schönen Glottertal den Vorzug gegeben. Es stimmt dann doch: Ich bin nie mit dem Bike im Reich der Franken gewesen. Das Herz dieses Autos ist kerngesund.

Soll ich die Road-Story mit meinem Auto machen?

Mit einem Oldtimer hätte das schon Charme. Gerade bei einem mit dieser Laufleistung. Aber danach wäre mein geliebter Asci aus Rüsselsheimer Produktion fix und fertig. Nee, das wollte ich nicht, den gebe ich nie mehr her und verheizen werde ich ihn erst recht nicht. Und Oldtimer auf Weltreise gab es schon. War da nicht die damals 76-jährige Heidi Hetzer mit ihrem Hudson Great Eight, mit dem sie 2014 die Welt umrundete? Wenn ich das wollte, könnte ich sämtliche Frankreichtouren zusammenfassen und fertig. Mir schwebte etwas anderes vor, etwas Besonderes, etwas Exotisches.

Nur was könnte das sein?

Ich ging im Geiste nochmal sämtliche Fahrzeuge durch. Nichts. Doch was war das, was da vor mir auftauchte? Durch die Lüftung drang plötzlich ein Geruch von verbranntem Öl ins Fahrzeuginnere. Von einem Trabbi kam das nicht. Dieses stinkende Vehikel trug einen kleinen Kasten huckepack, wie eine Schnecke ihr Haus. Genau so schnell war dieses Ding auch. Ich war irritiert, oder fasziniert? Jedenfalls vergas ich zu überholen. Erst als hinter mir lautes Gehupe einsetzte, kam ich wieder zu mir und startete den Überholvorgang. War das ein Versicherungskennzeichen dort am Heck? Ein Moped mit Dach und Schneckenhaus? Vorne saß ein Mensch in einer extrem kleinen Kabine und winkte mir mit einem breiten Grinsen freundlich zu. Langsam dämmerte es mir, so etwas habe ich schon einmal gesehen, in einem Fernsehfilm. Ich glaube, es war Don Camillo, der in einem kleinen italienischen Dorf mit so einem Ding herum fuhr und Bürgermeister Peppone auf die Nüsse ging, oder war das anders herum? Auf jeden Fall musste ich mehr über dieses Dreirad herausbekommen und fuhr bei nächster Gelegenheit rechts ran. Mein Plan war, dieses außergewöhnliche Fahrzeug zu stoppen, um es mir genauer anzusehen. Mir war nicht bekannt, ob es im Kehdinger Land weitere Dreiräder dieser Art gab. Bisher war mir keines untergekommen.

Ich stieg aus und lehnte mich lässig an mein Auto. Es dauerte nicht lange, bis dieses unverkennbare Zweitaktgeräusch in Hörweite kam. Da, ich konnte es sehen! Der Sound erinnerte mich an eine Vespa. Ich fing an, wie wild zu winken, was mit melodischen Klängen einer Melodie-Fanfare, seitens des Dreirades, quittiert wurde. Stoppen konnte ich es nicht, aber den Schriftzug »APE 50« unter der Windschutzscheibe konnte ich lesen. Ich war somit ein Stück weiter. Sie werden es mir vermutlich nicht glauben, aber es war das erste Mal, dass ich eine APE in freier Wildbahn gesehen habe, zumindest bewusst. Hätte ich meine Touren nach Italien, anstatt nach Frankreich gemacht, wäre ich vermutlich besser im Bilde.

Die nachfolgende Recherche begeisterte mich total für dieses italienische Kultfahrzeug. Ich war überrascht, dass es in Deutschland eine große Fangemeinde dieser winzigen Fahrzeuge gibt. Nur scheinbar nicht hier oben. Ich kannte bisher nur dreirädrige Fahrzeuge von Tempo, den Heinkel Kabinenroller und wenn ich mich richtig erinnere, auch die BMW Isetta. Ich meine es gab davon, aus steuerlichen Gründen, nur 300 Stück für den Export. Vor vielen Jahren hab ich über einen Sammler geschrieben, der so eine Isetta importiert hat. Und dann kenne ich diese komischen Dinger, die hinten zwei fette Räder haben und meist mit einer megalangen verchromten Choppergabel (Dennis Hopper wäre neidisch) daherkommen - hinten Auto und vorne Motorrad. Na ja, jedem sein Easy-Rider-Feeling. Ich bleib lieber meiner alten 850er Guzzi T3 California treu oder nehme den MX 5 meiner Frau, wenn ich Wind um die Nase haben will. Oder ich schaue über den Deich. Ja, die Guzzi konnte nach dem Unfall im Schwarzwald wieder gerichtet werden. Sie hatte weniger Kratzer als ich abbekommen.

Je länger ich mich mit der Road-Story beschäftigte, desto entschlossener wurde ich. Mit so einer kultigen APE 50 wollte ich auf Tour gehen und ein unvergessliches Abenteuer erleben. Puristischer geht entschleunigtes Reisen nur mit Pferd und Wagen. Diese Tour sollte die Story meines Lebens werden. Meine Entscheidung war gefallen!

Jetzt fehlte mir nur noch dieses urige Dreirad.

APE-Heinz

Bei weiteren Recherchen, unter anderem auf YouTube, stieß ich auf einen APE-Freak, der in meiner Nachbargemeinde seine Basis hatte. APE-Heinz nannte er sich und seine Touren bezeichnete er als »Sein APEnteuer« und das Kehdinger Land als die »Knatterzone«. Perfekt! Das APEnteuer würde meiner Tour ebenfalls gut zu Gesicht stehen.

Lange Rede, kurzer Sinn: Ich nahm mit ihm Kontakt auf und er hatte nichts gegen mein eigenes »APEnteuer«, im Gegenteil. In den nächsten Wochen verschlang ich sämtliche APE-Videos, die ich im Internet finden konnte, und meine Besuche bei APE-Heinz, im Schwebefährendorf Osten, wo er als Fährmann auf der beeindruckenden Schwebefähre seinen Dienst verrichtet, häuften sich. Heinz war eine stattliche Erscheinung, Mitte sechzig und mit einer, für sein Alter, sportlichen Figur. Von einem Bauchansatz war keine Spur, von einer Kopfbehaarung allerdings auch nicht. Ich habe ihn nie ohne ‚Elbsegler‘ auf dem Kopf gesehen. ‚Elbsegler‘ sind so eine Art Schippermützen.

Er hatte mich bei meinem Vorhaben bestärkt. Am liebsten wäre er mitgekommen. Er erzählte mir, dass er und seine Frau vorhatten, eine Europatour zu machen. Extra dafür haben sie sich zwei von diesen motorisierten Dreirädern angeschafft. Das Paar wurde durch die Minicamper-Szene inspiriert. Ein Hochdachkombi kam vorerst nicht in Frage, es sollte etwas Originelles sein, wie zum Beispiel eine APE 50. Und letztendlich wurden sie in ihrer Idee von einem APE-Reisenden bestärkt, den Heinz vor einiger Zeit mit der Fähre übersetzte.

Später, als ich Heinz nach meiner Reise besuchte, erzählte ich ihm natürlich von Bobo. Ja, die Welt ist klein. Jener Bobo war es, der dem guten Heinz den APE-Floh ins Ohr setzte. Und somit hatten wir etwas gemeinsam. Dazu an anderer Stelle mehr.

Glücklicherweise stellte mir Heinz sein umfangreiches Material zur Verfügung, das er für seine Reise gesammelt und ausgearbeitet hat. Darüber war ich dankbar und glücklich.

»Wenn man weniger Zeit zum Verreisen hat, dann ist der Radius mit einer APE sehr eingeschränkt«, meinte er. Aus seiner Sicht mag das wohl richtig sein, ich jedoch werde mit der APE meinen Plan verwirklichen. Allerdings habe ich ein Problem, das Heinz nicht hatte: Ich muss alleine reisen.

Aber jetzt kommts: Der Heinz bot mir sogar seine APE zum Kauf an. Was soll man dazu sagen? Ich nahm das Angebot nicht an. Er brauchte sie nicht mehr wirklich, die Europa-Tour war auf Eis gelegt. Heinz und seine Frau zogen es vor, sich um die drei Kinder ihrer Tochter zu kümmern, die nach der Scheidung zurück ins Elternhaus zogen. Heinz war eine Seele von Mensch. Später bereute ich meine Entscheidung, traute mich aber nicht, erneut nachzufragen. Heute läuft seine APE irgendwo in Schleswig-Holstein, fast schon in Dänemark.

Manchmal könnt ich mich ...

Die Suche nach dem passenden Reisegefährt

In den folgenden Tagen und Wochen, nach meiner grandiosen Idee, verbrachte ich Stunde um Stunde im Internet, um nach einer geeigneten APE zu suchen. Ich war kurz davor, die Lust zu verlieren, lernte aber, dass es sich bei einer APE um eine Kapitalanlage handelt. Die Preise für gebrauchte, runtergerockte und nicht mehr ganz so frische Exemplare waren jenseits von gut und böse und bewegten sich im Kleinwagensegment. Vernünftige Fahrzeuge zu einem guten Kurs waren nicht auf dem Markt, schon gar nicht hier oben in Norddeutschland. Und falls es sie gab, gingen sie vermutlich unter der Hand weg.

Ich hatte zum wiederholten Male die halbe Nacht hindurch Kleinanzeigen- und Gebrauchtwagenportale durchstöbert - wieder einmal vergebens. Mit dicken Ringen, so dick und rot wie die Rettungsringe auf den Elbfähren, setzte ich mich an den Frühstückstisch. Frischer Brötchen- und Kaffeeduft lockte mich an, wie saftiger Obstkuchen die Wespen.

»Wieder nichts?« Meine Frau stellte ihren Kopf leicht schräg - das tat sie immer, wenn es ernst wurde – und sah mich mitleidig an, während sie das dunkelbraune, fast schwarze Lebenselixier in meinen Becher fließen ließ. Von außen klopften dicke Regentropfen ans Küchenfenster.

»Das Wetter passt zu meiner Laune!«, knurrte ich in meinen Kaffeebecher. Die Resonanz des Bechers verstärkte akustisch meine grantige Stimmung. Es war April, die Saison stand bevor und an ein Schnäppchen war jetzt nicht mehr zu denken.

Dann muss ich wohl oder übel bis zum Herbst, oder länger, warten. Genug Zeit, um die Reiseunterlagen vom Heinz für mich anzupassen.

Nach zwei Mettbrötchen, einem Ei und drei Becher Kaffee steigerte sich meine Übellaunigkeit, geringfügig. Ich war wieder halbwegs ansprechbar, der Blutdruck da, wo er hingehört. Scheinbar hatte sich meine bessere Hälfte ebenfalls auf dem Gebrauchtmarkt umgesehen und machte mir folgenden Vorschlag: »Kauf dir eine Neue, wie es dir dein Freund von der Schwebefähre geraten hat.«

»Er hat mir sogar seine angeboten«, gab ich kleinlaut zurück.

»Und?«, fragte sie. Ich schüttelte nur leicht den Kopf.

»Manchmal bist du einfach nur zu bedauern! Warum hast du sein Angebot ausgeschlagen? Ich verstehe dich nicht.« In ihrer Stimme lag eine gewisse Schärfe und ich musste zugeben, sie hatte wieder einmal recht und ich steckte in Erklärungsnot.

»Ich habe gehofft, dass er sich freimacht und mit mir auf Tour gehen würde.«

Puh, das war knapp.

Ihre Gesichtszüge entspannten sich.

»Also Liebling, wenn du diese Tour unbedingt machen willst und dein Seelenheil davon abhängt, dann bestell dir eine neue APE.«

Eigentlich kam das für mich alten Geizkragen nicht in Betracht - noch nicht. Ich musste diesen Gedanken zunächst sacken lassen und darüber schlafen. Das dauert bei mir in der Regel drei bis vier Tage. Mehr sagte meine Frau nicht dazu und wechselte das Thema in Richtung anstehenden Jahresurlaub. Sie kennt mich nach fast dreißig Jahren Ehe in- und auswendig. Sie hatte versucht, mir klarzumachen, dass für ein neues Fahrzeug kein Geld zur Verfügung stand. Ihr Talent, mein Unterbewusstsein so zu manipulieren, dass sie ihren Willen bekam, war unschlagbar.

»Ich möchte wieder nach Dänemark«, schlug sie vor. Sie klang dabei so, als sei der Urlaub schon fest gebucht, so wie im letzten und vorletzten Jahr. Eigentlich wie immer. Rømø. Was Urlaub und Reiseziele anging, hatte sie die Hosen an, gar keine Frage, und ich war sogar froh darüber. So konnte sie wenigstens nicht über jede Kleinigkeit rumnörgeln. Und wie immer redete ich prinzipiell dagegen: »Och nö! Nicht schon wieder Dänemark.«

Warum, kann ich nicht sagen. Ich habe Fotos gesehen, die hätten von hier stammen können. Küste ist und bleibt Küste – Punkt.

»Warum in aller Welt immer Dänemark?«

»Ich liebe das Wasser und das Licht dort«, antwortete sie.

»Wasser, Licht, pah! Was ist mit unserer Küste? Ist doch genauso und schöner!«

»Nein mein Lieber, Dänemark hat ein ganz besonderes Flair.« Sie ließ sich nicht davon abbringen.

»Und teuer ist es, gib den ne Mark und den ne Mark.«

»Du und deine blöden Sprüche! Dann mach du einen konstruktiven Vorschlag, wenn du schon nicht nach Dänemark willst!«

Eine Antwort blieb ich ihr schuldig, wie in jedem Jahr. Doch diesmal ließ ich es nicht auf sich beruhen, ich überlegte: Individualurlaub, Camping im Mietmobil oder erneut eine Kreuzfahrt?Gute Frage.

In der jetzigen Situation war mir fast alles Recht, außer Dänemark. Camping kannte ich schon und Petra im Camper? Niemals. Viele Jahre war ich erst mit Zelt, dann mit einem spießigen Wohnwagen (Zelt wurde zu unbequem und ein Wohnmobil konnte ich mir damals nicht leisten) und später mit Motorrad und wieder Zelt unterwegs. Das war alles, bevor ich mit Petra liiert war. Und Kreuzfahrt? Das habe ich immer weit weggeschoben: zu viele Menschen, eingepfercht zwischen dicken Stahlplatten in zu engen Kabinen. Ein Vergleich zur Massentierhaltung schoss mir damals in den Kopf. Und da waren sie wieder, die Kleintierzüchter.

»Gut, wie wäre es mit einer Kreuzfahrt in die Karibik?«, schlug ich nach reiflicher Überlegung vor.

Ich bin ja für alles Neue offen, und meine Petra akzeptierte meinen Vorschlag, was mich ehrlich gesagt überraschte. Sie ist im Grunde kein Kreuzfahrtfan und nach unserer Asien-Reise gab sie mir unmissverständlich zu verstehen: »Nie wieder Schiff!«

Mein Fazit am Ende der Reise: Jeder sollte einmal im Leben eine Kreuzfahrt gemacht haben und sich erst dann ein Urteil erlauben.

Ich weiß jetzt, wovon ich Rede. Petra ebenso.

All diejenigen, die diese Art von Urlaub in den Dreck ziehen und ihre Meinung lautstark hinausposaunen, obwohl sie nicht wissen, wovon sie Reden, sei der Rat meiner Großmutter wärmstens empfohlen: »Wenn du nichts Gutes zu erzählen weißt, dann halte einfach den Mund!«

Dem gibt es nichts hinzuzufügen, nur so viel: Nie wieder Asien!

Meinte Petra eventuell auch Asien und nicht Schiff?

Für meinen Geschmack war es dort zu bunt und dieses ewige Gegrinse der Menschen den ganzen Tag über, das ist nichts für ein norddeutsches Küstenkind wie mich. Glücklicherweise sind die Geschmäcker verschieden.

Nehmen wir zum Beispiel meinen Nachbarn Rüdiger, der schwört auf Asien. Besonders die Philippinen haben es ihm angetan. Die einzige Ecke, die mir richtig gut gefiel und ich mir vorstellen könnte, sie noch einmal zu besuchen, war Singapur. Diese Stadt hat bei mir einen bleibenden Eindruck hinterlassen.

Das ‚Marina Bay Sands‘, dieses riesige, bis in den Himmel ragende Hotel mit den drei Säulen und dem Ufo auf dem Dach, oder ‚The Garden by the Bay‘, mit der allabendlichen Lichtinszenierung und den gewaltigen Bäumen, die in den Himmel zu wachsen scheinen. Wow! Und sauber ist es in der Stadt. In den U-Bahn-Stationen könnte man vom Boden essen.

Ehrlich!

Nur ‚Little India‘ und ‚China Town‘ wollen nicht ins Stadtbild passen. Dort treffen die Kulturen aufeinander. Im Gegensatz zur restlichen Stadt ist es dort laut, bunt und dreckig. Diese Viertel sind eine eigene, kleine Welt für sich. Es war mal eine Erfahrung. Dennoch steht diese Stadt auf meiner Zielliste ganz weit oben. Irgendwann werde ich sie wieder besuchen. Bestenfalls auf dem Weg nach Australien. Das steht nämlich ganz oben. In jenem Augenblick stand mein persönliches APEnteuer weit vor ‚Down Under‘ auf der Agenda. Nach vier Tagen des Grübelns und weiterer Recherchen fällte ich eine folgenschwere Entscheidung für unsere Haushaltskasse und brachte somit die geplante Karibik-Kreuzfahrt ins Wanken: Ich folgte dem Vorschlag meiner Frau - wieder einmal - und es sollte eine neue APE werden. Meine Wahl fiel auf eine APE 50 mit Kasten – war klar oder? Der Händler hatte zwei Farben zur Auswahl im Laden stehen: Schwarz und Limaverde.

»Andere Farben hätten utopische Lieferzeiten«, meinte er, als ich mir die Fahrzeuge im Verkaufsraum genauer ansah. Vielleicht wollte er nur seine Ladenhüter loswerden, weil ein neues Modell von Piaggio angekündigt worden ist. Aber egal, schwarz war mir zu düster und zu empfindlich. Limaverde war von Anfang an mein Favorit. Diese Farbe sticht sofort ins Auge, nicht nur im Straßenverkehr.

Obwohl meine neue APE beim Händler im Laden stand, dauerte die Lieferung eine Ewigkeit. Ich konnte es nicht mehr abwarten und wurde von Tag zu Tag ungeduldiger. Ich muss dazu sagen, dass Düsseldorf nicht gleich um die Ecke ist. Das Ganze war vermutlich ein logistisches Problem. Fast zwölf Wochen! Dann hätte ich mir gleich eine direkt vom APE-Werk in Pontederra holen können. Im Nachhinein wäre es klüger gewesen, bei der Besichtigung gleich mit einem Transporter anzureisen. Ich fragte mich, warum ich das nicht gemacht habe.

Als ich da so saß, und Löcher in die Gegend schaute, musste ich an mein erstes Dreirad denken. Kennen Sie noch diese Kindertrecker, mit drei Rädern? Ja, genau! So ein Ding hatte ich. Ich glaube, es war rot, genau weiß ich es nicht mehr. Damit war ich in unserer Neubausiedlung der ‚King of the Road‘. Dumm war nur, dass ich es mit meinem drei Jahre jüngeren Bruder teilen musste. Hier galt das Recht des Stärkeren. Und später, viele Jahre später, habe ich mit einem Freund zusammen ein Dreirad aus alten Mopedteilen und Eisenrohren zusammengebraten. Schweißen konnte niemand von uns. Die Brandnarben trage ich heute mit Stolz. Das waren meine ersten und letzten Erfahrungen im Fahrzeugbau.

Wir haben an diesem Vehikel eine riesige Windschutzscheibe aus Plexiglas angebracht und das ganze Trike mit grüner und weißer Farbe gestrichen. Dieses Ding war schon ein witziges Teil und hat uns eine Menge Spaß bereitet. Der Rennleitung weniger. Deshalb haben wir es mit einem 6 KM-Schild versehen und sind auf öffentlichen Straßen nur geschlichen. Aber abseits befestigter Wege haben wir alles aus der Kiste heraus geholt. Juhu, war das ein Spaß, bis die Kiste auseinanderbrach. Shit happens!

Und endlich! Die lange Zeit des Wartens war vorbei: Der Liefertermin wurde mir mitgeteilt. Jetzt war ich es, der wie Rumpelstilzchen um das Lagerfeuer tanzte.

»Hey Günni! Was los? Hast du jetzt ein Rad ab?«

Endlich stand sie in der Einfahrt, die fabrikneue APE 50 und mein Nachbar, der Rüdiger, tanzte wie die oben genannte Märchenfigur um meine neue Errungenschaft, was Irinas Aufmerksamkeit auf sich zog. Mittlerweile hatte ein neues Jahr begonnen, es war Mitte Januar und saukalt. Von Osten her wehte ein heftiger Wind über das Land. Diese eisige Kälte aus dem Osten wird bei uns als ‚Russenpeitsche‘ tituliert. Ich ziehe es vor, sie als ‚sibirischen Eisschrank‘ zu bezeichnen. Trotz Kälte konnte ich mich nicht sattsehen. Irina scheinbar auch nicht. Sie hatte ihren kuscheligen Fensterplatz (um diese Jahreszeit blieb das Fenster geschlossen) verlassen und stand im Bademantel neben mir und bibberte wie ein Zitteraal auf dem Trockenen.

Irina, oder Bella Russka, wie wir sie in der Nachbarschaft liebevoll nennen, kommt ursprünglich aus Nowosibirsk und wohnt seit sechs oder sieben Jahren bei Freund und Nachbar Rüdiger Meyer. Ob sie ein Paar sind, weiß hier niemand so genau. Fast täglich lehnt sie sich spärlich bekleidet aus dem Fenster der oberen Etage des Einfamilienhauses und schaut gelangweilt auf die dörfliche Tristesse herab. Damit sie es bequemer hat, liegt nach traditioneller Ruhrpott-Art ein Kissen auf der Fensterbank. Im Dorf gehen so mache Gerüchte rum, wie zum Beispiel, dass Meyer diese umwerfende Frau gekauft haben soll und sie für sich arbeiten lässt. Ausschließen kann ich das nicht, bestätigen aber auch nicht. Nee, das traue ich dem Rüdiger dann doch nicht zu. Obwohl, wenn ich darüber nachdenke, seit einigen Jahren hat er die Taschen voller Geld, was auch schon anderen im Dorf aufgefallen ist. Im Grunde ist er ein Geizkragen, wie er im Buche steht, aber seit neuestem wirft er nur so mit Geld um sich. Das habe ich beim Schützenfest im letzten Jahr selber erlebt. Er hatte jede Runde bezahlt, nicht nur für mich! Tatsache ist, dass er seit letztem Sommer eine typische Zuhälter-Karre, sein eigen nennt. Irgendein US-amerikanisches Muscle-Car. Ich kenne mich mit dieser Art von Autos nicht aus. Jedenfalls ist das eine fette Karre in Dunkelblau, mit zwei dicken weißen Streifen die von der extrem langen Motorhaube, über das Dach bis zum Heck auflackiert wurden.

Seine Sache, womit er den Dorftratsch anfüttert. Nur wenn Irina mit ihren unendlich langen Beinen, den bis zu den Hüften reichenden braunen Haaren, diesen höllischen Hüftschwung in ihrem schwarzen Minirock, die Straße entlang schreitet … puh! Da bilden sich schon mal Schweißperlen auf der Stirn. Mann kann einfach nicht wegsehen und Frau verdreht die Augen.

Aber vielleicht hat Meyer nur versucht, sich bei den Leuten beliebt zu machen. Denn wo klappt das besser als auf einem Schützenfest. Hinter vorgehaltener Hand munkelt man, dass er bei der nächsten Bürgermeisterwahl kandidieren will, frei nach dem Motto »Freibier für Wählerstimmen«. Nun gut, wir werden sehen. In der Regel klappt so etwas auf dem Dorf. Die Leute sind in solchen Dingen leicht zu beeinflussen. Zu diesem Thema könnte ich ein ganzes Buch füllen, aber das ist Material für eine andere Geschichte. Jedenfalls wird er gegen den amtierenden Bürgermeister einen schweren Stand haben, es sei denn, er macht es so, wie einst der Gegenkandidat des jetzigen Amtsinhabers vor vielen Jahren.

1. bis 3. August

Krautsand bis Hackemühlen, 25,1 Kilometer