Du bist ein Gott, der mich sieht - Nicola Vollkommer - E-Book

Du bist ein Gott, der mich sieht E-Book

Nicola Vollkommer

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Beschreibung

Welch eine hoffnungsvolle und erleichternde Botschaft der neue Jahresvers 2023 doch ist: Unser Gott sieht uns, wenn wir glücklich sind, aber auch an unseren dunklen Orten, wo Hoffnungslosigkeit und Überforderung sich breit machen. Kennen Sie diesen Gott? Vertrauen Sie ihm wirklich? Tauchen Sie ein in ein tieferes Verständnis von einem Gott, der Ihnen nachgeht und der es gut mit Ihnen meint - zu jeder Zeit. Anhand der Geschichte von Hagar im ersten Buch Mose erweckt dieses Buch den Jahresvers zum Leben und lässt ihn erlebbar werden, für Sie ganz persönlich.

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Seitenzahl: 128

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Nicola Vollkommer

Du bist ein Gott,der mich sieht

Das Buch zurJahreslosung 2023

SCM R.Brockhaus ist ein Imprint der SCM Verlagsgruppe, die zur Stiftung Christliche Medien gehört, einer gemeinnützigen Stiftung, die sich für die Förderung und Verbreitung christlicher Bücher, Zeitschriften, Filme und Musik einsetzt.

ISBN 978-3-417-27053-2 (E-Book)

ISBN 978-3-417-00028-3 (lieferbare Buchausgabe)

Datenkonvertierung E-Book: CPI books GmbH, Leck

2. Auflage 2022

© 2022 SCM R.Brockhaus in der SCM Verlagsgruppe GmbH

Max-Eyth-Straße 41 · 71088 Holzgerlingen

Internet: www.scm-brockhaus.de · E-Mail: [email protected]

Soweit nicht anders angegeben, sind die Bibelverse folgender Ausgabe entnommen:

Elberfelder Bibel 2006, © 2006 SCM R.Brockhaus in der SCM Verlagsgruppe GmbH Holzgerlingen. (ELB)

Weiter wurde verwendet:

Neues Leben. Die Bibel, © der deutschen Ausgabe 2002 und 2006

SCM R.Brockhaus in der SCM Verlagsgruppe GmbH Holzgerlingen. (NLB)

Umschlaggestaltung: Miriam Gamper-Brühl, www.3kreativ.de

Titelbild: shutterstock/VerisStudio

Autorenfoto: © Rahel Täubert

Satz: τ-leχιs, Heidelberg

Inhalt

Über die Autorin

Vorwort

I. Eine Frau auf der Flucht und ein Schöpfer auf der Suche

Hagar – Spielball, Opfer oder Täterin?

Göttliche Augen, die die Erde durchstreifen

Die göttliche Kunst, gebrochene Menschen aufzurichten

Hagars große Überraschung

Schauplatz Wüste

II. El Roi hier unerwünscht – das große Versteckspiel

Eine Scham, die in den Schatten treibt

1. Kain – der Mann, der selbst über Tod und Leben entscheiden will

2. Jona – Der Diener Gottes, der schwänzen will

3. Hiob – Der Leidende, der von Gott in Ruhe gelassen werden will

III. El Roi bekommt ein Gesicht

Das Versteckspiel der Verantwortlichen in Israel

»Prüfe mich, o Gott«

El Roi zum Anfassen

El Roi und Augen, die sich begegnen

IV. Zu Sehenden werden unter dem Blick Gottes

Die große Entdeckung

Ich sehe, was du nicht siehst – die andere Geschichte

Offene Augen in der Dunkelheit

Eine Augensalbe und sehende Herzen

Die Nähe Gottes – Schlüssel zu geistlicher Sehkraft

Das Schaulaufen der Sehenden

V. Gesehen, sehend, suchend im Auftrag von El Roi

Hier bin ich, sende mich!

Der Auftrag

Zurück zu unserem Leben – Hilfsmittel im Alltag

Der Blick in die Ewigkeit

Zurück zu Hagar

Anmerkungen

Über die Autorin

Nicola Vollkommer (Jg. 1959) ist gebürtige Engländerin und lebt seit 1982 in Reutlingen. Sie arbeitet in der Christlichen Gemeinde Reutlingen mit, unterrichtet an der Freien Evangelischen Schule und ist eine gefragte Referentin. www.nicola-vollkommer-buecher.de

Vorwort

Nachdem ich einmal einen Vortrag über die Geschichte von Hagar im Alten Testament gehalten hatte, kam eine Zuhörerin entrüstet auf mich zu und beklagte sich, ich hätte das Geschehen in 1. Mose 16 komplett falsch ausgelegt. Hagar sei eine böse, gottlose Frau, ihre Existenz und erst recht die ihres Sohnes sei ein Betriebsunfall, nichts als Unheil sei aus ihrer Linie gekommen. Wie ich bloß dieser Frau so eine Würde verleihen und sogar das Wirken Gottes in dieser Begebenheit erkennen könnte! Das hätte doch alles nicht passieren sollen. Ich war nicht schlagfertig genug, um ihr an Ort und Stelle eine Antwort zu geben, dachte aber lange über ihre Worte nach. Hätte alles nicht passieren sollen. Ja, genau. Die Bibel ist voll von Ereignissen, die »nie hätten passieren sollen«, angefangen mit dem Sündenfall in 1. Mose 3. Genau betrachtet sind die drei Kapitel davor – die Erschaffung der Welt und der ersten Menschen – vermutlich die einzigen Ereignisse, die exakt nach Gottes Plan passiert sind. Gemessen an der Messlatte meiner kritischen Zuhörerin wäre, ehrlich gesagt, auch mein eigenes Leben nichts anderes als eine Kette von Episoden, die nicht hätten sein sollen. Jedenfalls hätten sie viel geschickter und besser laufen können.

Aber genau das zeigt uns die Geschichte von Hagar wie auch viele andere Geschichten, die in der Bibel noch folgen: Eine einzige Dummheit reicht, um jahrzehntelange, wenn nicht, wie im Fall von Abraham, jahrhundertelange Folgen nach sich zu ziehen. Das ist das Wesen von menschlicher Sünde. Ihre Folgen wuchern, zerstören, greifen um sich. So auch im Leben von Hagar. In dieser Hinsicht steht das Schicksal der ägyptischen Sklavin sinnbildlich für das Schicksal der gesamten Menschheit. Sündige Menschen, von Gott getrennt, greifen fieberhaft und auf eigene Faust nach dem persönlichen Glück, nach dem sie sich sehnen, ungeachtet des Kollateralschadens, der entstehen kann. Aber mitten in die Trümmerfelder gebrochener Existenzen streckt Gott seine helfende Hand – für alle, die demütig genug sind, um ihre Not zu sehen, ihre Rettungsbedürftigkeit zu bekennen und sich helfen zu lassen. Nicht ich, Gott selbst verleiht dieser Frau Würde. Ihre Geschichte nimmt ganz schön viel Platz im ersten Buch Mose ein. Sie kommt auch später wieder vor, in Kapitel 21. Es ist auch meine, Ihre Geschichte. Ich lade Sie ein, mit mir zusammen in eine der bewegendsten Geschichten des Alten Testaments einzusteigen!

Nicola VollkommerReutlingen, im Januar 2022

I. Eine Frau auf der Flucht und ein Schöpfer auf der Suche

Hagar – Spielball, Opfer oder Täterin?

Gründe, dieser Frau große Beachtung zu schenken, gibt es keine. In der damaligen Kultur schon gar nicht. Hätte irgendein Passant sich herabgelassen, sie zu fragen, warum sie auf dem brennenden Sand einer nahöstlichen Wüste vor sich hin stolpert, unterwegs ins Niemandsland, hätten ihre Antworten – falls sie sich dazu durchgerungen hätte, überhaupt welche zu geben – nur ein mitleidiges Kopfschütteln ausgelöst, wenn nicht helle Empörung. »Na ja, selbst schuld«, wäre vermutlich die Reaktion gewesen.

Nicht, dass so eine Reaktion diese Frau in diesem Augenblick gestört hätte. Nach Beachtung sucht sie nicht. Dass irgendjemand sie fragt, warum sie Tränen im Gesicht hat oder wie ihre Woche so war, das kennt sie ohnehin nicht. Sie will nur eins: fort vom Ort ihres Leidens. Nicht einmal das Bewusstsein, dass sie ein Kind unter ihrem Herzen trägt und damit ein zweites Leben aufs Spiel setzt, bringt sie zur Umkehr und zur Besinnung. Eine Frau, die in diese Wüste hineinmarschiert, hat nicht unbedingt vor, zurückzukehren. Erst recht nicht, wenn sie allein und dazu noch völlig schutzlos ist.

Andere Geschichten in der Bibel geben Aufschluss darüber, wie gefährlich unbewohnte Wüstenwege zu der Zeit waren. Gegen eine sengende Hitze bei Tag und eine klirrende Kälte bei Nacht müssen Touristen im Nahen Osten sich auch heute rüsten. Wie auch gegen die Gefahr, sich in einer Landschaft, die keine Orientierung bietet, zu verlaufen. König David musste zu biblischer Zeit gegen Bären und Löwen kämpfen, um sich und seine Schafe zu schützen. Elia musste einmal von Raben ernährt werden, ein anderes Mal durch die Dienste eines Engels. Jesus erzählte viele Jahre später von dem Reisenden, der von Wüstenpiraten überfallen wurde. Besonnene Reisende hatten zu jener Zeit eine bewaffnete Leibgarde, erfahrene Reisebegleiter und große Vorräte dabei, die vor Wind, Wetter und Hunger schützten.

Was trieb also diese junge Frau zu so einer Verzweiflungstat? Die Vorgeschichte ist lang, dramatisch und unappetitlich. Hagar kam ursprünglich aus Ägypten. Vermutlich hatte Abram sie entweder während seines unglücklichen Ausflugs nach Ägypten gekauft (1. Mose 12) und seiner Frau als Dienerin geschenkt, oder sie war ein Geschenk vom König von Ägypten. Menschenhandel, von Gott selbst nie gutgeheißen, war zu dieser Zeit gang und gäbe und ein lukratives Geschäft.

Abrams lang ersehnter Sohn und Erbe, seit Jahren von Gott verheißen, ließ auf sich warten. Sarai, die Frau Abrams, wurde ungeduldig und machte sich kreative Gedanken, wie sie Gott ein wenig nachhelfen könnte, damit sie zu ihrem Sohn käme. Heißt es nicht, Gott hilft denjenigen, die sich selbst helfen? Ihre Magd Hagar – jung, im gebärfreudigen Alter, vermutlich bildhübsch – könnte doch von Abram schwanger werden. Nicht nur die Dienerin, sondern auch das Kind, das sie gebären würde, wären dann der rechtmäßige Besitz der Sarai.

Welche Frau, die bei Sinnen ist, stiftet ihren Ehemann aktiv zum Fremdgehen an? Um die unheilvollen Ereignisse zu verstehen, die jetzt ihren Lauf nahmen, müssen wir wissen, dass es die wichtigste Aufgabe einer Ehefrau zu dieser Zeit war, Stammhalter für ihren Ehemann hervorzubringen. Vor allem Söhne waren begehrt, waren sie doch die Garantie, dass die Dynastie, der Name und das Vermächtnis des Mannes fortgesetzt wurden. Keine Kinder zu gebären, galt als Schande und Versagen, eine Infragestellung der Kernidentität einer Frau, schlimmstenfalls als göttliche Missgunst. Einige Jahre später klagte die kinderlose Rahel bei Jakob: Gib mir Kinder oder ich sterbe! Auch sie und ihre Schwester Lea schickten ihre Dienerinnen ins Bett des Ehegatten, um die Schar ihrer Nachkommen zu vergrößern und im Wettbewerb der Fruchtbarkeit mitzuhalten. In der nächsten Generation ging das Wetteifern um Söhne weiter. Tamar, Judas Schwiegertochter, schmiedete einen raffinierten Plan, um ins Bett ihres Schwiegervaters zu schleichen, von ihm schwanger zu werden und den fehlenden Erben für die Linie Judas auf die Welt zu bringen. Der rührselige Elkana fragte seine unfruchtbare Frau Hannah, ob er ihr nicht mehr wert sei als viele Söhne. Die Antwort war damals vermutlich ein deutliches »Nein«.

Söhne zu gebären, stand für eine Frau zu biblischer Zeit weit über dem Bedürfnis nach romantischer Liebe in der Exklusivität einer Mono-Ehe. Aus diesem Grund waren Ehefrauen bereit, jede Menge Demütigungen in ihrem Streben nach Fruchtbarkeit zu ertragen und sogar Zweitfrauen und Konkubinen als Konkurrentinnen zu erdulden.

So war es für damalige Verhältnisse gar nicht abwegig, dass Hagar, Sarais ägyptische Magd, sich ihrer kinderlosen Herrin als Leihmutter zur Verfügung stellte. Inwieweit wurde sie dazu gezwungen? Oder sah sie ein sexuelles Abenteuer mit dem mächtigen Abram als Reiz? Als Abenteuer, als einmalige Chance, zu einem Kind zu kommen? Vielleicht würde Abram Gefallen an ihr finden und sie noch einmal zu sich ins Bett holen. Sie zur Konkubine auf Lebenszeit oder gar zur zweiten Ehefrau machen. Das wäre immerhin besser als ihre aktuelle Stellung als Sklavin.

Welche Gedanken durch Hagars Kopf trieben, geht aus der Geschichte nicht hervor. Auf jeden Fall war sie Spielball der ungeduldigen Versuche ihrer Herrin, die Erfüllung von Gottes Verheißung zu erzwingen. Sie verbrachte eine Nacht mit Abram und wurde schwanger. Man muss kein Psychologe sein, um sich das Spannungsfeld auszumalen, das daraufhin zwangsläufig entstehen musste. Es war Zickenkrieg wie aus der Boulevardpresse. Hagar wurde überheblich, Sarai fühlte sich gekränkt und gedemütigt und beklagte sich bei ihrem Mann. Dieser weigerte sich, sich einzumischen, nahm weder seine Frau noch die Sklavin in Schutz. Die Magd ist doch in deiner Hand, du kannst mir ihr machen, was du willst, lautete seine eiskalte Antwort. Irgendwann kam es zum Eklat, die letzte Sicherung brannte durch und Hagar, am Ende ihrer Kräfte, ergriff die Flucht (1. Mose 16,6). Es musste eine tiefe Verzweiflung sein, ein gefährliches Spiel mit dem Selbstmord.

Göttliche Augen, die die Erde durchstreifen

Und der Engel des HERRN fand sie an einer Wasserquelle in der Wüste, an der Quelle auf dem Weg nach Schur.

1. Mose 16,7

Das größte Wunder in vielen biblischen Gottesbegegnungen ist nicht die Suche eines Menschen nach Gott, sondern Gottes Suche nach dem Menschen. Das ist das Element unseres Christseins, das Halt und Sicherheit gibt. Nicht, dass der verlorene Sohn den Weg zurück nach Hause findet, sondern dass der Vater Tag für Tag auf ihn wartet, nach ihm Ausschau hält, aus dem Haus rennt, um ihn an sein Herz zu drücken, wenn er ihn am Horizont erblickt. Göttliche Initiative pur.

In der hebräischen Bibel gibt es verschiedene Bezeichnungen für Jahwe. Eine davon, die nur einmal vorkommt, nämlich in der Geschichte von Hagar, ist El Roi, der Gott, der mich sieht. Auch wenn der Name nur einmal in der Bibel erscheint, bestätigt er sich an den verschiedensten Stellen. Gott sieht Kain an, um ihn zu warnen, bevor es zu spät ist und er ausrastet und seinen Bruder umbringt. Er sieht Lot an, um ihn aus der Stadt herauszuziehen, die dem Untergang geweiht ist. Er ist der Gott, vor dem es kein Entkommen gibt.

HERR, du hast mich erforscht und erkannt. Du kennst mein Sitzen und mein Aufstehen, du verstehst mein Trachten von fern. … Wohin sollte ich gehen vor deinem Geist, wohin fliehen vor deinem Angesicht? … Meine Urform sahen deine Augen. Und in dein Buch waren sie alle eingeschrieben, die Tage, die gebildet wurden, als noch keiner von ihnen da war.

Aus Psalm 139

Das könnte Hagars, das könnte meine Geschichte sein. Mein Suchen nach Gott hängt von meiner Tagesform, meinen Launen und Lebensumständen ab. Seine Suche nach mir ist beharrlich, rund um die Uhr, nonstop.

Hagar ahnt nicht, dass sie schon gesucht wird. Dass Sarai Diener losschickt, um ihr ungeborenes Kind zurückzuholen, sobald sie merkt, dass ihre Sklavin sich aus dem Staub gemacht hat, wäre denkbar. Aber jemand anderes kommt ihr zuvor. Gott selbst. Interessant, wo sein Engel die flüchtende Frau findet. Die Wüstensiedlung Schur liegt vor Ägypten (1. Mose 25,18). Hagar hat eine erstaunlich weite Strecke hinter sich gebracht. Ihre Flucht muss bei Mamre, nahe dem heutigen Hebron, begonnen haben, wo sich zu dieser Zeit Abrams Zeltlager befindet (1. Mose 13,18). Nach Schur ist es von dort aus eine ziemlich große Entfernung. Bis der Austausch mit dem Engel stattfindet, muss Hagar ganz schön müde und ausgelaugt sein. Der Brunnen, an dem sie gefunden wird, liegt zwischen Kadesch und Bered in der Wüste Negev.

Der Engel hat sich also Zeit gelassen, bevor er Hagar anspricht. Es ist anzunehmen, dass Hagars ursprüngliches Ziel ihr Heimatland Ägypten war. Dass sie sich immer noch mit Ägypten verbunden fühlt, geht aus einer späteren Stelle hervor, in der beiläufig erwähnt wird, dass sie in Ägypten eine Frau für ihren Sohn findet (1. Mose 21,21). Vielleicht ist sie durch den langen Fußmarsch, die Hitze und die Härten der Reise inzwischen zur Besinnung gekommen und bereit, ihren waghalsigen Plan neu zu überdenken. Sie sitzt in der Klemme. Ein Weg zurück? Menschlich gesehen, unmöglich. Ein Weg nach vorne? Welche Aussichten hat eine schwangere Sklavin auf einen Neustart in Ägypten? Hoffnungsloser könnte ihre Lage nicht sein: Kein schlechter Zeitpunkt also für Gott, sich in die Entwicklung der Dinge einzumischen.

Ich muss immer an dieser Stelle kurz anhalten, wenn ich Hagars Geschichte lese. Der alttestamentliche Gott, dessen Heiligkeit oft als Unnahbarkeit, seine Gerechtigkeit als Grausamkeit ausgelegt wird, offenbart hier sein wahres Wesen. Ein Engel ist ein hoher Gesandter Gottes, ein Vertreter, ein Sprachrohr des Allmächtigen. »Hagar, Magd Sarais« (1. Mose 16,8), so fängt das Gespräch an. Gott kennt ihren Namen und weiß, wer ihre Vorgesetzte ist. Welche Überraschung für Hagar, mitten in dieser aussichtslosen Situation! Wer kennt sie und ihre Lebensumstände hier, in dieser trostlosen Umgebung? Sie ist bestimmt sofort ganz Ohr. Unmittelbar auf den Gruß folgen zwei Fragen (1. Mose 16,8): Woher kommst du, und wohin gehst du?

Wenn Gott uns Fragen stellt, ist es nicht, weil er Auskunft braucht, sondern weil wir Auskunft brauchen. »Woher kommst du?«, das ist mehr als nur eine beiläufige Frage nach dem Ort ihrer Herkunft. Diese drei einfachen Worte schneiden direkt in eine schmerzhafte Lebensbiografie hinein. Was könnte alles dabei gewesen sein? Die Bibel gibt uns keine Auskunft. Hagar ist eine Sklavin. Sie kommt sicher nicht aus gebildeten, gut betuchten Gesellschaftskreisen. Vermutlich hat ihre Familie sie verkauft, enteignet. Was macht das mit einer jungen Seele? Welche tragischen Lebensumstände stecken dahinter? Wie ein Stück Vieh auf dem Markt wird sie dem großzügigsten Anbieter als Besitz übergeben. Sie hätte es gewiss schlechter erwischen können als beim Patriarchen Abram. Aber eine heilsame, gesunde Kultur findet sie dort auch nicht gerade vor. Auch unter Gottesdienern gibt es Streit, Neid, Ausbeutung, Ablehnung. Menschen, für die andere gerade gut genug sind, sie für bestimmte Zwecke zu missbrauchen, um sie dann wieder fallen zu lassen, sobald sie ausgedient haben oder keinen Gewinn mehr bringen. So auch bei Hagar.