Du sollst doch mein Herzerl sein! - Stefanie Valentin - E-Book

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Stefanie Valentin

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Beschreibung

Mit viel Herz und Verstand geht die Heimat-Heidi zur Sache, denn sie ist eine schöne Wirtin voller Tatendrang, die ihren Gästen und Mitmenschen jederzeit hilfreich zur Seite steht. Unterstützt, wenn auch nicht unbedingt immer in ihrem Sinne, wird Heidi dabei von ihrer nicht ganz volljährigen Tochter Steffi, einem feschen Mädel mit losem Mundwerk, und ihrer Mutter Luise, die keineswegs gewillt ist, kürzerzutreten und Heidi mit der Leitung des Bergerhofs alleinzulassen. Für schwungvollen, heiteren Familienzündstoff ist also bei aller Herzenswärme unserer Titelheldin jederzeit gesorgt! »Mit der Brandner-Heike stimmt was net.« Luise schüttelte den Kopf. »Irgend etwas bedrückt das Madel. Sonst ist sie doch immer diejenige gewesen, die in ihrer Clique am lautesten gelacht und für Frohsinn gesorgt hat, und plötzlich ist's aus damit? Sie hockt zwar bei den anderen, aber man könnt' meinen, sie wär' gar net da.« »Dabei hätt' sie doch allen Grund, glücklich zu sein«, erwiderte die Bergerhof-Heidi. »Du meinst, weil von Hochzeit geredet wird?« Heidi nickte. »Ja, der Thomas und sie sollen gar schon mit dem Pfarrer geredet haben.« »Da schau her«, murmelte ihre Schwiegermutter, »das geht aber plötzlich rasch. Davon hab' ich noch gar nix gehört.« Die Heidi bewirtschaftete den sogenannten Bergerhof auf der Sonnenleiten hoch droben im Grottental. Die, bei Einheimischen wie Urlaubern, sehr beliebte Gaststätte hatte ihr Mann, der vor annähernd zehn Jahren beim Holzschlägern tödlich verunglückt war, hinterlassen, und seitdem stand Heidi dem Betrieb vor. Außer ihrer Schwiegermutter Luise, mit der die Heidi sich sehr gut verstand, gab es noch ihre Tochter Steffi, die, wie sie häufig betonte, demnächst volljährig werden und Abitur machen würde. Die Sonnenleiten gehörte zur Ortschaft Hinterjoch, die mit anderen Ortschaften die Gemeinde Alptal bildete, die zwischen Hindelang und Oberstdorf im Oberallgäu gelegen war. Der Bergerhof war vor Jahren umgebaut und erweitert worden, wobei man darauf geachtet hatte, das alte Gebäude möglichst zu erhalten, und das Angebaute so elegant wie möglich den alten Elementen hinzuzufügen. Entstanden war eine sehr schöne Einheit mit mehreren Gaststuben sowie Fremdenzimmern, so daß unterschiedliche Ansprüche der Gäste bedient werden konnten, denn manche mochten lieber modern, andere wiederum in alten Zimmern mit einem gewissen Flair untergebracht werden. Vor allem bei den Einheimischen war die alte Gaststube beliebt, wo nichts verändert worden war, deren Wände holzgetäfelt waren, und wo zwischen vielen Gams-, Hirsch-, und Rehbockkrickln, alte Bilder, Fotos und Heiligenfiguren hingen.

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Heimat-Heidi – 11 –

Du sollst doch mein Herzerl sein!

Warum ein junges Glück fast zerbrochen wäre …

Stefanie Valentin

»Mit der Brandner-Heike stimmt was net.« Luise schüttelte den Kopf. »Irgend etwas bedrückt das Madel. Sonst ist sie doch immer diejenige gewesen, die in ihrer Clique am lautesten gelacht und für Frohsinn gesorgt hat, und plötzlich ist’s aus damit? Sie hockt zwar bei den anderen, aber man könnt’ meinen, sie wär’ gar net da.«

»Dabei hätt’ sie doch allen Grund, glücklich zu sein«, erwiderte die Bergerhof-Heidi.

»Du meinst, weil von Hochzeit geredet wird?«

Heidi nickte. »Ja, der Thomas und sie sollen gar schon mit dem Pfarrer geredet haben.«

»Da schau her«, murmelte ihre Schwiegermutter, »das geht aber plötzlich rasch. Davon hab’ ich noch gar nix gehört.«

Die Heidi bewirtschaftete den sogenannten Bergerhof auf der Sonnenleiten hoch droben im Grottental. Die, bei Einheimischen wie Urlaubern, sehr beliebte Gaststätte hatte ihr Mann, der vor annähernd zehn Jahren beim Holzschlägern tödlich verunglückt war, hinterlassen, und seitdem stand Heidi dem Betrieb vor.

Außer ihrer Schwiegermutter Luise, mit der die Heidi sich sehr gut verstand, gab es noch ihre Tochter Steffi, die, wie sie häufig betonte, demnächst volljährig werden und Abitur machen würde.

Die Sonnenleiten gehörte zur Ortschaft Hinterjoch, die mit anderen Ortschaften die Gemeinde Alptal bildete, die zwischen Hindelang und Oberstdorf im Oberallgäu gelegen war.

Der Bergerhof war vor Jahren umgebaut und erweitert worden, wobei man darauf geachtet hatte, das alte Gebäude möglichst zu erhalten, und das Angebaute so elegant wie möglich den alten Elementen hinzuzufügen.

Entstanden war eine sehr schöne Einheit mit mehreren Gaststuben sowie Fremdenzimmern, so daß unterschiedliche Ansprüche der Gäste bedient werden konnten, denn manche mochten lieber modern, andere wiederum in alten Zimmern mit einem gewissen Flair untergebracht werden.

Vor allem bei den Einheimischen war die alte Gaststube beliebt, wo nichts verändert worden war, deren Wände holzgetäfelt waren, und wo zwischen vielen Gams-, Hirsch-, und Rehbockkrickln, alte Bilder, Fotos und Heiligenfiguren hingen.

In dieser Gaststube konnte man die Zeit vergessen und manch ein Auswärtiger, der zufällig mal hereingeschneit war, kam immer wieder zurück, nur um die Atmosphäre dieses Raums zu erleben.

Hier traf sich auch Heike Brandner einmal in der Woche mit Freunden. Dabei war es meist recht lustig zugegangen, und vor allem Heike war diejenige gewesen, die immer für Fröhlichkeit gesorgt hatte.

An jenem Tag saß sie still und eher nachdenklich da, genau wie die Luise es beschrieben hatte.

Die Brandner-Heike war ein sehr hübsches Madel, sie hatte braune Haare, wunderschöne Augen, die neben aller Fröhlichkeit jedoch auch sehr verträumt dreinschauen konnten. Heike arbeitete bei der Oberstdorfer Kurverwaltung, ihr Vater war bei der regionalen Raumplanung beschäftigt. Er hatte seiner Familie ein mehr oder weniger sorgenfreies Leben bieten können, man war aber nicht auf Reichtümern gebettet gewesen.

Neben Heike saß Thomas Kaiser. Die beiden kannten sich schon seit einigen Jahren, vor einem halben Jahr etwa hatte es bei den beiden gefunkt, wie man sagt, und seitdem galten sie als Paar.

Anfangs hatte man Heike nur lachend gesehen. Thomas, sie hatte ihn immer Tommi genannt, war ihr Traummann. Wenn er sie ansah, dann schmolz sie dahin, und er schien genauso glücklich zu sein wie Heike.

Bis vor drei Wochen, da war Heike zwar wie üblich in den Bergerhof gekommen, um mit ihrer Clique beisammen zu sein, doch ihre sonstige Fröhlichkeit war wie weggeblasen. Sie saß da, hörte den anderen zu, war jedoch meistens mit eigenen Gedanken befaßt, was man ihr ansah.

Zumindest einer sah es ihr an, Hansi Wallner. Der hatte mit der Heike die Schule besucht, sie waren gleich alt, und den Hansi hatte schon immer ein überaus freundschaftliches Verhältnis mit Heike verbunden.

Der Hansi saß an jenem Abend im Bergerhof der Heike gegenüber und sah sie aufmerksam an. Ihm war ihre Niedergeschlagenheit natürlich sofort aufgefallen, und nicht nur an jenem Abend hatte er mitbekommen, daß Heike anders war als sonst. Hansi war mal in Heike verliebt, da waren sie keine fünfzehn gewesen. Als er es ihr auf dem Weg zur Schule gestanden hatte, hatte sie ihn angelacht, ein Busserl auf den Mund gedrückt und gesagt, sie bedanke sich für sein Interesse, aber er solle mit den Spinnereien aufhören und wieder auf den Boden der Tatsachen heruntersteigen.

Hansi war damals einige Tage eingeschnappt gewesen, hatte sich zurückgesetzt gefühlt, aber irgendwann hatte er sein Schmollen aufgegeben, und er und Heike waren wieder die Freunde gewesen, die sie schon seit ihrer Kindheit gewesen waren.

»Was ist mit dir?« fragte er an jenem Abend irgendwann und obwohl Heike in Gedanken war und vor sich hinstarrte, wußte sie, daß der Hansi sie angesprochen hatte.

Irgendwann sah sie ihn mit ihren sonst so fröhlich dreinschauenden Augen an, gab aber keine Antwort. Hansi zog die Augenbrauen hoch, jetzt wußte er sicher, daß mit Heike was nicht stimmte, denn so sah sie einen nur an, wenn sie nicht mehr weiter wußte.

Als sie nach einiger Zeit aufstand und hinausging, folgte er ihr kurz darauf. Sie stand draußen auf dem Parkplatz und Tränen rannen ihr übers Gesicht.

Hansi stellte sich neben sie, sagte eine ganze Weile gar nichts, irgendwann sah er Heike an und fragte: »Willst du drüber reden?«

Heike schüttelte sofort den Kopf. »Ich... ich kann nicht.«

»Stimmt was nicht zwischen dir und dem Thomas?«

»Frag mich bitte nicht«, erwiderte Heike, »irgendwann, wenn ich kann und will, dann reden wir darüber, aber jetzt bitte nicht!«

*

Robert Kaiser sah seinen Sohn ärgerlich an.

»Wieso macht sie solche Zicken?« fragte er. »Wieso sieht ein Madel, das von Haus aus nix hat, net ein, daß wir uns absichern müssen?«

»Mir brauchst es net erklären«, erwiderte Thomas, »mir leuchtet es eh ein. Der Heike aber net. Sie argumentiert...«

»Wie sie argumentiert, ist mir vollkommen wurscht«, unterbrach ihn sein Vater, »wenn sie den Heiratsvertrag net unterzeichnet, dann wird’s keine Hochzeit geben.«

Thomas grinste. »Darauf wird sie’s net ankommen lassen. Sie liebt mich, und sie wird net auf mich verzichten wollen.«

Daraufhin sah Robert Kaiser seinen Sohn selbstgefällig an. »Dann ist ja alles in Ordnung. Was anderes hätte mich auch sehr enttäuscht, Junge.«

Robert Kaiser besaß eine Baumarktkette, einige Sägewerke und Thomas war sein einziger Sohn und Erbe. Schon lange bevor Thomas Heike seinen Eltern als seine Freundin vorgestellt hatte, hatte festgestanden, daß Thomas einmal nur mit einem Heiratsvertrag heiraten würde.

»Alles andere ist ein Schmarrn«, hatte er seinen Freunden verkündet, als einer von ihnen geschieden und zu hohen Unterhaltszahlungen verurteilt worden war. »Mir wird so was nicht passieren.«

Man hatte diskutiert, alle hatten durcheinandergerufen, bis Thomas sich vorgebeugt und gesagt hatte, eine Heirat mit ihm würde nur mit Heiratsvertrag stattfinden.

»Das Madel, das mich will, muß darauf eingehen oder aber es kriegt mich net«, hatte er getönt.

»Du Dummer«, hatte Ute Häuser geantwortet, »wart’ mal ab, bis du richtig verliebt bist, dann wirst schon sehen, was du verlangst, dann wirst ganz klein sein.«

Thomas hatte in seiner leicht überheblichen Art die Augenbrauen hochgezogen und geantwortet, bisher sei er noch nie so verliebt gewesen, daß er den Verstand verloren habe.

Er hatte damit seine drei Monate dauernde Beziehung mit Ute angesprochen, die sich damals rettungslos in ihn verliebt zu haben glaubte. Als er die Beziehung dann kurzerhand beendete, war für Ute eine Welt zusammengebrochen. Es hatte lange gedauert, bis sie sich von dem Schock des Weggeschicktwerdens erholt hatte, und erst ihre Bekanntschaft mit Uli Kanther hatten sie wieder ins Lebens zurückgerufen. Inzwischen wußte sie, daß das, was sie mit Thomas verbunden hatte, nichts mit Liebe zu tun gehabt hatte.

Thomas und sein Vater fuhren zusammen in einen ihrer Baumärkte. Dort hatten sie ihre Büros und leiteten gemeinsam ihre Unternehmungen, wobei das Sagen eindeutig bei Kaiser Senior lag.

»Treib die Sach’ mit der Heirat voran«, sagte der zu Thomas, bevor er in sein Büro ging. »Das Madel hat eine positive Ausstrahlung und das kommt gut bei unseren Kunden an. Wenn man sich schon wen ins Haus holt, dann muß es auch lohnen. Und die Geschicht’ mit der Jutta, die mußt beenden, falls du es net schon hast. Das geht nimmer, wenn du verheiratet bist. Jedenfalls anfangs net.«

Thomas nickte und grinste vor sich hin, als er in Richtung seines Büros weiterging. Sein Vater hatte eine ganz besondere Art, die Dinge genau auf den Punkt zu bringen und zu benennen, die er immer wieder bewunderte. Auch sonst war sein Vater sein großes Vorbild.

Als er sein Büro betrat, begrüßte er seine Sekretärin mit einem freundlichen Lächeln.

»Hallo, Juttaschatz«, sagte er, »wenn du bitte gleich mit mir kommen würdest.«

»Na klar...!«

Jutta war groß, gertenschlank, trug ihre langen blonden Haare offen und war Thomas treu ergeben.

Als sie sich damals um die Stelle beworben hatte, fing er sofort ein kleines Verhältnis mit ihr an, worauf sie sich ohne langes Fragen eingelassen hatte.

Dieses Verhältnis war nie offiziell gewesen, nie hatte Jutta irgendwelche Ansprüche angemeldet, weswegen Thomas ihr immer sehr wohlwollend gesinnt war. Man kann sagen, daß er auf Jutta zurückgriff, was er regelmäßig tat. Sie bewohnte ein kleines Appartement in Oberstdorf, wo auch Ferienwohnungen untergebracht waren, und wenn er sie besuchte, fiel es nicht weiter auf.

Thomas mochte unverbindliche Verhältnisse am liebsten, und das mit Jutta war ein solches. Er hatte es erst weitgehend aufgegeben, seit er mit Heike zusammen war.

»Ja, bitte?« Jutta blieb vor Thomas’ Schreibtisch stehen und sah ihn fragend an. Den Stenoblock hielt sie in Händen.

»Setz dich«, sagte Thomas und zeigte mit einer Kopfbewegung auf einen Stuhl.

»Du willst mir nichts diktieren?« Jutta sah ihren Chef und gelegentlichen Liebhaber fragend an.

Der schüttelte den Kopf. »Ein bissel mit dir reden will ich.«

Jutta schluckte. Sie ahnte, daß er ihr etwas für sie nicht besonders Angenehmes eröffnen würde.

»Daß ich inzwischen mit der Heike Brandner liiert bin«, begann Thomas, »das weißt du sicher.«

Jutta nickte.

»Wir... wir müssen unsere kleine Nebenhergeschicht’ beenden«, sagte er, »es geht nimmer, daß wir beide«, er grinste, »also, das muß ein Ende haben, so sehr ich es auch bedaure. Ich zahl’ dir weiter dein Appartement, aber ich zahl’s nimmer direkt an die Vermie­ter, sondern geb’ dir das Geld künftig bar. Dagegen wirst ja nix haben.«

Jutta zuckte mit den Schultern. Sie tat unbeteiligt, dabei war sie in Thomas verliebt, wie man es nur sein konnte. Seit sie ihn das erste Mal gesehen hatte, hatte es keinen anderen Mann mehr für sie gegeben.

»Das heißt nicht, daß wir unsere kleine Sache vollkommen beenden müssen«, fuhr Thomas fort. »Ich möcht’ nur, daß mein Vater nichts mehr davon mitbekommt.«

Jutta Schwarz nickte. Sie versuchte Thomas gleichmütig anzusehen, was ihr insofern gelang, daß er glaubte, sie reagiere sehr cool, so wie er es gern gehabt hätte.

Sie stand auf und fragte: »War das alles?«

»Ja, das war alles«, antwortete Thomas, dann lächelte er Jutta betont freundlich an und sagte, sie möchte doch mal zu ihm kommen.

Als sie es tat, küßte er ihr auf die Wange und tätschelte ihr das Hinterteil.

»Du wirst schon nicht zu kurz kommen«, flüsterte er ihr schließlich ins Ohr, »wenn du weißt, was ich damit sagen will. Wenn du möchtest, können wir morgen abend mal ein Bier zusammen trinken.«

Jutta nickte noch mal und verließ dann Thomas Kaisers Büro, der sich anschließend eine Zigarre anzündete, zufrieden dreinsah und zu arbeiten begann.

*

Hansi Auer hatte sich im Haus seiner Eltern, das in Hinterjoch gleich bei der Kirche lag, das Souterrain als Wohnung ausgebaut. Die Wohnung hatte einen eigenen Eingang, er war insofern unabhängig, hatte aber zu seinen Eltern ein sehr gutes Verhältnis, daß er, auch abends, oft bei ihnen saß und sich mit ihnen unterhielt.

Seine Mutter machte sich vor allem darüber Gedanken, daß Hans noch kein Madel hatte. Das heißt, er hatte schon öfter ein Madel gehabt, aber nach wenigen Monaten, meistens schon nach Wochen, war er wieder alleine gewesen.

»Du kannst mir sagen, was du willst«, sagte Hansis Mutter an jenem Abend zu ihrem Mann, »mit dem Buben stimmt was net.«

»Was soll denn net mit ihm stimmen?« Herbert Auer las abends immer in der Zeitung, was er auch jetzt tat. »Wo ist er überhaupt? Heut’ ist er gar net zum Abendessen dagewesen.«

»Er war vorhin da und hat gesagt, daß er heut’ net kommt«, erwiderte seine Frau. »Das wundert mich auch.«

Ihr Mann schüttelte lachend den Kopf. »Der Bub ist sechsundzwanzig. Andere sind in dem Alter verheiratet, haben Kinder und du wunderst dich, daß dein Sohn net zum Abendessen kommt.«

»Er ist auch irgendwie komisch in letzter Zeit«, versuchte Maria Auer ihrem Mann ihren Standpunkt klarzumachen.

»Komisch?« fragte der, »wie meinst du das denn?«

»Na, komisch halt«, erwiderte Maria. »Er kommt zum Beispiel net zum Essen, weil er angeblich keinen Hunger hat. Er unterhält sich net so wie früher, weil er oft nachdenklich dahockt und in Gedanken versunken ist.«

»Was ist daran so besonders?« Herbert zuckte mit den Schultern. »Jeder Mensch hat Phasen, in denen er anders ist als sonst. Vielleicht hat er beruflich Probleme oder...«

»Danach hab’ ich ihn doch schon gefragt«, erwiderte seine Frau, »aber er hat keinerlei berufliche Probleme.«

Hans hatte nach dem Abitur Informatik studiert und arbeitete bei einer Oberstdorfer Firma, die sich seine Dienste schon während seines Studiums gesichert hatte. Hans war ein beliebter Kollege, und in der Firma gab es mehrere Mädchen, die den Hans sehr gerne näher kennengelernt hätten.

Vor allem eine, Maren Zeitz, hatte ein Auge auf ihn geworfen. Maren war zwei Jahre jünger als Hans, sehr fesch, immer gut aufgelegt, und eine Zeitlang hatte es so ausgesehen, als wenn die beiden mehr verbinden würde, als eine kollegiale Freundschaft.